Studienarbeit aus dem Jahr 2010. Fachbereich: Sozialwesen. Studiengang: Soziale Arbeit. Note: 1,3. Neun Angaben im Literaturverzeichnis.
Die Ausarbeitung thematisiert die sozialen Ungleichheitsfaktoren bezüglich des Bildungssystems sowie deren Veränderung im Verlauf der letzten 65 Jahre.
Nachdem in den vergangenen Dekaden eine gezielte Kompetenzförderung von Mädchen stattgefunden hat, wirkt sich heute das Merkmal ‚Geschlecht’ zu Ungunsten der Jungen aus. Der Kategorisierungsaspekt ‚Ethnie’ scheint ein relativ junges Benachteiligungsmerkmal der aktuellen Gesellschaft zu sein, welches erst im Zuge der Einwanderungsgesellschaft in bildungspolitischen Diskursen an Bedeutung gewann. Als besonders resistente Benachteiligungs- bzw. Begünstigungsfaktoren von Bildungschancen erweisen sich soziale Herkunft und sozialer Status der Herkunftsfamilien. Es lassen sich somit auch heute noch ständische Gesellschaftsstrukturen erkennen, welche es ermöglichen, den sozialen Status, unabhängig von der erbrachten Leistung, an die nachkommende Generation zu übertragen.
Auf der anderen Seite scheinen individuell erbrachte Leistungen die erlangte soziale Position zu legitimieren. Doch auch der Allokation nach Leistung sind Benachteiligungsfaktoren immanent, welche sich bereits im Grundschulalter, oder aber noch früher auswirken können.
Im Folgenden sollen also die Benachteiligungsmechanismen des Erziehungs- und Bildungssystems beleuchtet werden. Dabei werden zunächst die Entwicklungen von Bildungschancen seit 1945 betrachtet, welche durch Ergebnisse der PISA- sowie IGLU – Studie veranschaulicht werden. Des Weiteren wird das Modell der Meritokratie erläutert sowie auf soziale Filter der Segregation in familialen sowie institutionellen Strukturen hingewiesen. Ergebnis dieser Arbeit soll die Beantwortung der Frage: „Hat die Bildungsexpansion zur Abschwächung oder gar Aufhebung von Bildungsbenachteiligungen geführt, oder hat die von Peisert geprägte Formel sozialer Bildungsbenachteiligungen ‚der katholischen Arbeitertochter vom Lande’ auch heute noch Bestand?“, sein.
Die Relevanz dieser Thematik ergibt sich aus der Reflexion eventuell eigener Benachteiligungsmerkmale, oder aber der Betrachtung der Bildungsbenachteiligung der zukünftigen, eigens reproduzierten Generation, sowie der Notwendigkeit einer Reformierung des dreigliedrigen Bildungssystems der BRD.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Bildungsverständnis von 1945 bis heute
- Erkenntnisse der PISA-Studie
- Kompetenzerwerb
- Erklärungsansätze bezüglich des geschlechterdifferenten Kompetenzerwerbs
- Erklärungsansätze bezüglich der geschlechterdifferenten Bildungsbeteiligung
- Leistungsunterschiede von Mädchen und Jungen auf Bundes- und internationaler Ebene
- Erkenntnisse der IGLU-Studie
- Definition der Bildungsgesellschaft nach Solga
- Meritokratie - (un)gerechte Allokation nach Leistung
- Erster Charakterzug: Die natürliche Fundierung sozialer Ungleichheit
- Zweiter Charakterzug: Ungleichheit als gesellschaftliches Funktionserfordernis
- Dritter Charakterzug: Die Notwendigkeit organisierter Bildungsprozesse
- Vierter Charakterzug: Individuelle statt kategoriale Ungleichheitsdefinition
- Fünfter Charakterzug: Entpersonifizierung der Definition von Leistung
- Die Rollenübernahme der Zertifikatslosen
- Die Misere der Bildungspolitik
- Die ständisch organisierte Klassengesellschaft der Gegenwart
- Konvention und Recht als Mittel der beruflichen Schließung und Privilegierung
- Der leistungsunabhängige soziale Filter
- Leistungsunabhängiger schichtspezifischer Bildungswille in den Familien
- Leistungsunabhängige soziale Selektion in der Schule
- Die Folgen leistungsunabhängiger Segregation
- Von der katholischen Arbeitertochter vom Lande zum Migrantensohn aus bildungsschwachen Familien
- Geschlechtsspezifische Bildungschancen
- Ethniespezifische Bildungschancen
- Zweite Chance: Kompensation oder Verschärfung von Bildungsungleichheiten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Ausarbeitung untersucht die sozialen Ungleichheitsfaktoren im Bildungssystem und deren Entwicklung in den letzten 65 Jahren. Sie beleuchtet die Veränderungen und Stagnationen bezüglich Bildungschancen, insbesondere hinsichtlich der Benachteiligung von Mädchen und Jungen sowie der Rolle von „Ethnie“ als neuer Faktor. Die Arbeit analysiert die Persistenz sozialer Herkunft und Status als bestimmende Faktoren für Bildungschancen und zeigt die Herausforderungen für eine gerechtere Bildungsgesellschaft auf.
- Entwicklung des Bildungsverständnisses in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945
- Analyse der PISA- und IGLU-Studien im Hinblick auf Bildungsungleichheiten
- Bedeutung der Meritokratie und deren (un)gerechte Allokation von Leistung
- Soziale Filter und Segregation in Familien und Institutionen
- Bildungschancen und -benachteiligungen verschiedener Gruppen (z. B. Mädchen, Jungen, Migranten)
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Bildungsungleichheiten in der Bundesrepublik Deutschland ein und beleuchtet die Entwicklung des Bildungsverständnisses seit 1945. Sie stellt die wichtigsten Forschungsfragen und die Relevanz des Themas heraus.
Kapitel 2 analysiert die Entwicklung des Bildungsverständnisses in der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis heute. Es beleuchtet die Rolle der Alliierten im Wiederaufbau des Schulsystems sowie die Durchsetzung des dreigliedrigen Schulsystems. Die Bedeutung der Sputnik-Krise für die Bildungspolitik und die Herausforderungen der 1970er-Jahre werden ebenfalls dargestellt.
Kapitel 3 analysiert die Erkenntnisse der PISA-Studie, insbesondere den Kompetenzerwerb, geschlechterdifferente Kompetenzerwerbs und Bildungsbeteiligung sowie die Leistungsunterschiede von Mädchen und Jungen auf Bundes- und internationaler Ebene. Es werden Erklärungsansätze für die Ergebnisse der PISA-Studie vorgestellt.
Kapitel 4 behandelt die Ergebnisse der IGLU-Studie, welche die Lesekompetenz von Grundschülern untersucht. Diese Ergebnisse werden im Kontext der Bildungsungleichheiten betrachtet.
Kapitel 5 stellt das Modell der Bildungsgesellschaft nach Solga vor und analysiert dessen Bedeutung für die Diskussion über Bildungsungleichheiten.
Kapitel 6 beleuchtet das Konzept der Meritokratie und diskutiert dessen (un)gerechte Allokation von Leistung. Es werden fünf Charakterzüge der Meritokratie analysiert, darunter die natürliche Fundierung sozialer Ungleichheit, Ungleichheit als gesellschaftliches Funktionserfordernis, die Notwendigkeit organisierter Bildungsprozesse, individuelle statt kategoriale Ungleichheitsdefinition und die Entpersonifizierung der Definition von Leistung.
Kapitel 7 befasst sich mit der Misere der Bildungspolitik und kritisiert die mangelnde Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem.
Kapitel 8 analysiert die ständisch organisierte Klassengesellschaft der Gegenwart und zeigt auf, wie soziale Herkunft und Status die Bildungschancen beeinflussen.
Kapitel 9 beleuchtet die Rolle von Konvention und Recht als Mittel der beruflichen Schließung und Privilegierung.
Kapitel 10 untersucht den leistungsunabhängigen sozialen Filter, der die Bildungschancen von Kindern aus verschiedenen sozialen Schichten beeinflusst. Es werden verschiedene Faktoren beleuchtet, darunter der schichtspezifische Bildungswille in den Familien, die soziale Selektion in der Schule und die Folgen der Segregation.
Kapitel 11 beschäftigt sich mit den Bildungschancen von Mädchen und Jungen sowie von Migrantenkindern.
Kapitel 12 analysiert die Möglichkeiten der Kompensation von Bildungsungleichheiten durch zweite Chancen im Bildungssystem.
Schlüsselwörter
Bildungsungleichheit, soziale Ungleichheit, Bildungssystem, PISA-Studie, IGLU-Studie, Meritokratie, soziale Filter, Segregation, Bildungschancen, Bildungsbenachteiligung, Geschlecht, Ethnie, soziale Herkunft, Bildungsexpansion, dreigliedriges Schulsystem, Klassengesellschaft.
- Quote paper
- Sarah Berens (Author), 2010, Bildung: Soziale Chancen und Benachteiligungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160218