Was für ein politisches System ist Russland?
Mal spricht man vom Superpräsidentialismus oder gar von gelenkter Demokratie, andere reden sogar schon von einem Rückfall hin zu einem autoritären Regime. Besonders Mommsen und Nußberger kommen zu diesem radikalen Schluss, dass Putins Weg eine Rückbesinnung auf einen russischen Weg sei, „der unter dem Zeichen von Stabilitätssuche und Autoritätsgläubigkeit unverkennbar zu einer umfassenden Rezentralisierung der Macht und Verstaatlichung der Zivilgesellschaft führte“ (ebd.: 9)
Den eigentlichen Ausschlag, der Frage nach dem politischen System Russlands nachzugehen, gab aber ein Blick auf die Ergebnisse aus der Demokratieforschung. So ist man erstaunt über die abweichenden Ergebnisse der verschiedenen Demokratie-Indizes. Da spricht die Bertelsmann Stiftung über Russland von einer stark defekten Demokratie (BTI 2008), genauso wie Freedom House von einem nicht demokratisch/nicht freien Staat spricht. Auf der anderen Seite schaut man sich den Vanhaanen-Index an, in dem Russland einen Wert erreicht der noch über dem der Schweiz liegt und demnach demokratischer sein soll als das einzige Land Europas in dem das Prinzip der Volksouveränität noch am ehesten als verwirklicht gelten kann.
Um diesen Ergebnissen auf den Grund zu gehen und sich ein eigenes Bild über das politische System Russlands machen zu können, werde ich als erstes auf die Frage eingehen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit Demokratie als verwirklicht gelten kann. Hierfür werde ich mich in Anlehnung an Merkel auf das embedded democracy Konzept beziehen, aus dem dann Kriterien entwickelt wurden um eine defekte Demokratie bestimmen zu können und aufzuzeigen, welche Ursachen zu Abweichungen von der „eingebetteten Demokratie“ geführt haben.
Doch kann ein System überhaupt noch demokratisch genannt werden, wenn es schwerwiegende Funktionsstörungen aufweist? Diese Frage wird im Speziellen durch Rüb beantwortet der hier von einem hybriden Regime spricht, dass sich in der Grauzone zwischen autoritären und demokratischen Regime angesiedelt hat und so die Adjektivisierung des Demokratiebegriffs vermeidet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Das Konzept der „embedded democracy“
- 3. Defekte Demokratien nach Merkel
- 4. Russland eine defekte Demokratie?
- 4.1. Die vertikale Dimension der Herrschaftslegitimation und -kontrolle
- 4.2. Die Dimension der Agendakontrolle
- 4.3. Die Dimension des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates
- 5. Hybride Regime
- 6. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das politische System Russlands und hinterfragt dessen demokratischen Charakter. Sie analysiert, inwiefern Russland den Kriterien einer "embedded democracy" entspricht und welche Faktoren zu Abweichungen führen. Die Arbeit beleuchtet verschiedene Ansätze der Demokratieforschung und diskutiert, ob Russland als defekte Demokratie, hybrides Regime oder autoritäres System einzustufen ist.
- Das Konzept der "embedded democracy" nach Merkel
- Kriterien einer defekten Demokratie
- Analyse des russischen politischen Systems anhand der drei Dimensionen der "embedded democracy"
- Bewertung des russischen Systems im Kontext von hybriden Regime-Theorien
- Diskussion der divergierenden Ergebnisse verschiedener Demokratieindizes
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung skizziert den historischen Kontext des politischen Wandels in Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion. Sie beschreibt den Übergang zu einer demokratischen Verfassung und den anfänglichen, wenn auch unvollkommenen, Versuch, demokratische Prinzipien zu etablieren. Der Fokus liegt auf dem Widerspruch zwischen dem Anspruch auf Demokratie und der zunehmenden Häufung von Menschenrechtsverletzungen, Eingriffen in die Wirtschaft und Medienkontrolle unter Putin, was die zentrale Forschungsfrage nach der Natur des russischen politischen Systems aufwirft.
2. Das Konzept der „embedded democracy“: Dieses Kapitel erläutert das Konzept der „embedded democracy“ nach Merkel. Es beschreibt die sechs Definitionsmerkmale einer liberal-rechtsstaatlichen Demokratie nach Merkel: Herrschaftslegitimation, Herrschaftszugang, Herrschaftsmonopol, Herrschaftsstruktur, Herrschaftsanspruch und Herrschaftsweise. Besonders wichtig ist die Erweiterung des ursprünglichen Konzepts um die Dimensionen der Agendakontrolle und des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates, um eine differenzierte Analyse defekter Demokratien zu ermöglichen. Das Kapitel unterstreicht die Notwendigkeit einer mehrdimensionalen Betrachtung der Demokratie, die über rein prozedurale Aspekte hinausgeht.
3. Defekte Demokratien nach Merkel: Dieses Kapitel beschreibt die Kriterien für defekte Demokratien, die sich aus dem Konzept der "embedded democracy" ableiten lassen. Es wird erläutert, wie schwerwiegende Funktionsstörungen eines politischen Systems zu einer Abweichung von den Idealen der "eingebetteten Demokratie" führen können. Der Abschnitt legt den Grundstein für die spätere Analyse des russischen Systems durch den Vergleich mit den definierten Kriterien für funktionierende Demokratien.
4. Russland eine defekte Demokratie?: Dieses Kapitel analysiert das russische politische System im Lichte der in Kapitel 2 und 3 dargestellten Kriterien. Es untersucht die drei Dimensionen der „embedded democracy“ (Herrschaftslegitimation und -kontrolle, Agendakontrolle, liberaler Rechts- und Verfassungsstaat) im russischen Kontext. Die Analyse dürfte die Herausforderungen beleuchten, die Russland hinsichtlich der Einhaltung demokratischer Standards in allen drei Bereichen aufweist.
5. Hybride Regime: Dieses Kapitel behandelt den theoretischen Ansatz hybrider Regime als eine Alternative zur Einstufung Russlands als defekte Demokratie oder autoritäres System. Es dürfte die Grauzonen zwischen demokratischen und autoritären Merkmalen beleuchten und die Schwierigkeiten einer eindeutigen Kategorisierung des russischen Systems hervorheben. Die Diskussion dieses Ansatzes liefert eine zusätzliche Perspektive zur Einordnung des politischen Systems Russlands.
Schlüsselwörter
Embedded Democracy, Defekte Demokratie, Russland, Putin, Hybrides Regime, Autoritarismus, Demokratieindizes, Menschenrechte, Medienfreiheit, Herrschaftslegitimation, Agendakontrolle, Rechtsstaatlichkeit, Volkssouveränität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Analyse des russischen politischen Systems
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht das politische System Russlands und hinterfragt dessen demokratischen Charakter. Sie analysiert, inwieweit Russland den Kriterien einer "embedded democracy" entspricht und welche Faktoren zu Abweichungen führen. Die Arbeit beleuchtet verschiedene Ansätze der Demokratieforschung und diskutiert, ob Russland als defekte Demokratie, hybrides Regime oder autoritäres System einzustufen ist.
Welche Methode wird verwendet?
Die Arbeit verwendet das Konzept der "embedded democracy" nach Merkel als analytisches Framework. Dieses Konzept wird um die Dimensionen der Agendakontrolle und des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates erweitert, um eine differenzierte Analyse zu ermöglichen. Das russische politische System wird anhand dieser drei Dimensionen untersucht und mit Kriterien defekter Demokratien verglichen. Zusätzlich wird der Ansatz hybrider Regime diskutiert.
Welche Dimensionen der "embedded democracy" werden analysiert?
Die Analyse konzentriert sich auf drei Dimensionen: die vertikale Dimension der Herrschaftslegitimation und -kontrolle, die Dimension der Agendakontrolle und die Dimension des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates. Für jede Dimension wird untersucht, inwieweit das russische System den Kriterien einer "embedded democracy" entspricht.
Welche Rolle spielt das Konzept der "defekten Demokratie"?
Das Konzept der "defekten Demokratie" dient als Vergleichsmaßstab für die Analyse des russischen Systems. Die Arbeit untersucht, ob Russland aufgrund von Funktionsstörungen als defekte Demokratie einzustufen ist. Die Kriterien für defekte Demokratien leiten sich aus dem Konzept der "embedded democracy" ab.
Wird der Ansatz hybrider Regime berücksichtigt?
Ja, die Arbeit behandelt den theoretischen Ansatz hybrider Regime als eine Alternative zur Einstufung Russlands als defekte Demokratie oder autoritäres System. Es werden die Grauzonen zwischen demokratischen und autoritären Merkmalen beleuchtet, um die Schwierigkeiten einer eindeutigen Kategorisierung des russischen Systems zu verdeutlichen.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zieht Schlussfolgerungen über die Natur des russischen politischen Systems basierend auf der Analyse der drei Dimensionen der "embedded democracy" und der Diskussion des Ansatzes hybrider Regime. Die Ergebnisse werden im Kontext der divergierenden Ergebnisse verschiedener Demokratieindizes bewertet. Die konkrete Einordnung Russlands (defekte Demokratie, hybrides Regime, autoritäres System) ergibt sich aus der detaillierten Analyse.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren diese Arbeit?
Embedded Democracy, Defekte Demokratie, Russland, Putin, Hybrides Regime, Autoritarismus, Demokratieindizes, Menschenrechte, Medienfreiheit, Herrschaftslegitimation, Agendakontrolle, Rechtsstaatlichkeit, Volkssouveränität.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zum Konzept der "embedded democracy", ein Kapitel zu defekten Demokratien, ein Kapitel zur Analyse des russischen Systems, ein Kapitel zu hybriden Regimen und ein Fazit. Jedes Kapitel beinhaltet eine detaillierte Darstellung der jeweiligen Themen.
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- Maximilian Eibel (Author), 2009, Das politische System Russlands, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160193