Im Laufe der Geschichte zeigt sich, dass fast alle Künstlerinnen Töchter von Künstlern waren oder wie die Tendenz im 19./20. Jahrhundert verweist, eine enge persönliche Bindung zu einer stärkeren oder dominanten Künstlerpersönlichkeit hatten. Dies war auch der Fall bei Paula Modersohn-Becker, welche ich mit ihrem Gemälde „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“ von 1906 in den Mittelpunkt meines Essays stellen möchte. Paula Modersohn-Becker stammte nicht mehr aus einer Künstlerfamilie, sondern heiratete den Künstler Otto Modersohn. Ihr Vater war Eisenbahninspektor von Beruf und ihre Mutter Mathilde entstammte einer thüringischen Adelsfamilie. Ihr Vater sprach neben Russisch, Englisch und Französisch und auch die mütterliche Familie war ähnlich weltoffen. Bei der Erziehung von Paula spielten ebenso wie bei ihren Geschwistern die Kunst, Literatur und Musik eine wichtige Rolle. Meinem Erachten nach bekam Paula Modersohn-Becker eben durch die sehr weltoffene Erziehung ihrer Eltern, die Möglichkeit sich künstlerisch zu betätigen und wurde nicht etwa nur in die Schranken der Frau, als der Natur zugewiesenes Wesen, welches ausgehend von seiner biologischen Funktion, lediglich als Mutter fungieren sollte, gewiesen. Rückblickend ist zu sagen, dass sich Paula Modersohn-Becker selbst, aber nie vollkommen von der Rolle der Frau als Mutter löste, denn sie betreute die dreijährige Tochter, die Otto Modersohn mit in die Ehe eingebracht hatte und gebar 1907 selbst eine Tochter, indessen Folge sie aber an einer Lungenembolie verstarb...
Paula Modersohn-Becker, Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag, 1906
Im Laufe der Geschichte zeigt sich, dass fast alle Künstlerinnen Töchter von Künstlern waren oder wie die Tendenz im 19./20. Jahrhundert verweist, eine enge persönliche Bindung zu einer stärkeren oder dominanten Künstlerpersönlichkeit hatten. Dies war auch der Fall bei Paula Modersohn-Becker, welche ich mit ihrem Gemälde „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“ von 1906 in den Mittelpunkt meines Essays stellen möchte. Paula Modersohn-Becker stammte nicht mehr aus einer Künstlerfamilie, sondern heiratete den Künstler Otto Modersohn. Ihr Vater war Eisenbahninspektor von Beruf und ihre Mutter Mathilde entstammte einer thüringischen Adelsfamilie. Ihr Vater sprach neben Russisch, Englisch und Französisch und auch die mütterliche Familie war ähnlich weltoffen. Bei der Erziehung von Paula spielten ebenso wie bei ihren Geschwistern die Kunst, Literatur und Musik eine wichtige Rolle. Meinem Erachten nach bekam Paula Modersohn-Becker eben durch die sehr weltoffene Erziehung ihrer Eltern, die Möglichkeit sich künstlerisch zu betätigen und wurde nicht etwa nur in die Schranken der Frau, als der Natur zugewiesenes Wesen, welches ausgehend von seiner biologischen Funktion, lediglich als Mutter fungieren sollte, gewiesen. Rückblickend ist zu sagen, dass sich Paula Modersohn-Becker selbst, aber nie vollkommen von der Rolle der Frau als Mutter löste, denn sie betreute die dreijährige Tochter, die Otto Modersohn mit in die Ehe eingebracht hatte und gebar 1907 selbst eine Tochter, indessen Folge sie aber an einer Lungenembolie verstarb.
100 Jahre nach dem Tod von Paula Modersohn-Becker beleuchten jetzt mehrere neue Biografien Leben und Denken dieser Wegbereiterin der modernen Kunst. Nachdem Paula Modersohn-Becker schon mit 31 Jahren verstorben war, blieb ihr Werk eher schmal und unvollendet. Erst Jahrzehnte später wurde sie wieder entdeckt. Eben dieser Aspekt wird auch in den Texten von Hildegard Frübis und Barbara Paul angesprochen. Frübis beschreibt, dass seit Anfang der 70er bis Ende der 80er Jahre feministische Forschungen erfolgten, wobei eine Vielzahl der in diesem Zusammenhang entstandenen Veröffentlichungen, sich der Dokumentation der Künstlerinnen-Geschichte widmeten. „Als eine Strategie gegen die >Unterschlagung< der Kunst von Frauen lassen sich darin Versuche erkennen, ein >weibliches Erbe< und eine >Ahnenreihe< von Künstlerinnen zu rekonstruieren, die im Zeichen der Gleichberechtigung die männliche Ahnenreihe komplementär vervollständigen und Vorbild und Legitimation für zeitgenössische Künstlerinnen abgeben sollten“ (Wenk, 1996, 350). Barbara Paul beschreibt in diesem Zusammenhang, dass ein wichtiger Ausgangspunkt der kunsthistorischen Frauen- und Geschlechterforschung die Geschichte von Künstlerinnen ist, die in der herkömmlichen modernen, akademischen Kunstgeschichtsschreibung nicht oder nur ganz am Rande vorkamen. Des Weiteren schreibt sie, dass die lange Zeit betriebenen Ausgrenzungen bewirkten, dass es zu einer Phase intensiver (Wieder-) Entdeckungen und der Sichtbarmachung der von Frauen angefertigten Kunstwerke kam.
Das Augenmerk in meinem Essay möchte ich, wie schon erwähnt auf Paula Modersohn- Beckers 1906 entstandenes Gemälde „ Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“ legen. Forsch und doch fragend blickt Paula Modersohn-Becker aus ihrem Selbstbildnis den Betrachter an. Sie malte sich selbst, entblößt, lediglich eine lange Bernsteinkette fällt über ihre Brüste und ein Tuch ist um ihre Beine geschlungen. Das für sie seltene Format der Leinwand von einem Meter Höhe zeigt, dass sie sich scheinbar nicht mit einer Studie begnügen wollte. Der Hintergrund des Bildes stellt keinen Raum vor, sondern strahlt in einer zitronigen Farbigkeit, die von grünen Tupfen aufgelockert wird. Ihre Hände umrahmen den Unterbauch. Oft ist diese Haltung als ein Verweis auf eine Schwangerschaft gedeutet worden. Andere Interpretationen besagen, dass eben diesen beiden Hände auch metaphorisch auf die doppelte, elementare Schaffenskraft von Frau und Künstlerin verweisen können. Meiner Meinung nach ist wohl die zweite Deutung die passender, denn sie verweist darauf, dass die Frau in der Lage ist zu gebären und im künstlerischen Sinne schöpferisch zu sein, so wie es eben bei Modersohn-Becker der Fall war. Wenn man dieses Gemälde und die dazugehörige Entstehungszeit in der Rückschau betrachtet, ist es gerade zu außergewöhnlich und zugleich undenkbar, dass sich eine Frau, lebensgroß, selbst als Akt präsentiert. Die nackte Frau war bis dato Modell, ein Studienobjekt oder ein sinnlicher Vorwurf für die Malerei von Männern. Dieser Gesichtspunkt wird auch in Linda Nochlins Text „Warum hat es keine bedeutenden Künstlerinnen gegeben?“ dargeboten. Der weibliche Akt selbst war bis 1850 und später noch an fast allen öffentlichen Akademien verboten. Angehenden Künstlerinnen war sogar jegliches Aktmodell, egal ob männlich oder weiblich vorenthalten. Paula Modersohn-Becker hat diese Regel durchbrochen, sie malt sich selbstbewusst als neue Frau: als Künstlerin. Heutzutage geht man davon aus, dass Modersohn-Becker mit diesem Gemälde vermutlich den ersten lebensgroßen weiblichen Akt, den eine Frau gemalt hat, geschaffen hat. Auf Paula Modersohn-Becker folgten Suzanne Valadon und Frida Kahlo, die sich und ihren Körper vor dem Spiegel selbst befragten. Hannah Wilke, Cindy Sherman und viele andere Künstlerinnen nutzen seither den eigenen Körper als Ausdrucksmittel ihrer Kunst.
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- Quote paper
- Juliane Felsch (Author), 2007, Paula Modersohn-Becker - Unter Berücksichtigung des Genderaspekts , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159998