Die Jugendkultur HipHop als Ausdruck von Identitätssuche

Ein Generationenvergleich zwischen Jugendlichen und Erwachsenen


Bachelorarbeit, 2010

90 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen
2.1 Jugend
2.2 Jugendkultur
2.3 Identität
2.4 HipHop

3. Jugendkulturen
3.1 Die Begriffsdiskussion „Subkultur“ oder „Jugendkultur“
3.2 Die Geschichte der Jugendkultur
3.3Jugendkultur Heute
3.4 Jugendkultur und Medien
3.5 Jugendkultur und Musik
3.6 Jugendkultur und die Kommerzialisierung

4. Identität
4.1 Überblick über die Identitätsmodelle
4.2 Eriksons Theorie von Identität
4.3 Die Patchwork Identität
4.3.1 Gesellschaftliche Entwicklungen in der Postmoderne
4.3.2 Herstellung von Identität: Prozess der Identitätsarbeit
4.3.3 Herstellung von Identität: Identitätskonstruktionen
4.3.4 Herstellung von Identität: Das Modell alltäglicher Identitätsarbeit
4.4 Identität und Medien

5. HipHop
5.1 Die Wurzeln und Ursprünge des HipHop
5.1.1 Die Orale Kultur
5.1.2 Afroamerikanische Geschichte
5.1.3 Musikalische Tradition
5.2 Die Geschichte des HipHop
5.2.1 Die Oldschool (1975-1985)
5.2.2 Die Newschool (1985-2010)
5.3 Die vier Elemente des HipHop
5.4 HipHop in Deutschland
5.5 HipHop und Politik

6. Die Jugendkultur HipHop und Identität
6.1DerStyle
6.2 Die Realness
6.3 Das Representen
6.4 Mode als Identifikationsmerkmal im HipHop

7. Der Generationenvergleich
7.1 Das Juice Magazine
7.2 Der Generationenvergleich

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Ich -will nur dass ihr -wisst das ich mein Bestes geb'/ den Rap ist mein Talent und meine Identität/“[1]

In diesem Songtext von Max Herre, dem Rapper von der HipHop Band Freundeskreis wird die Verbindung zwischen Identität und HipHop beschrieben. Die Thematik dieser Bachelorarbeit „Die Jugendkultur aus Ausdruck von Identitätssuche - ein Generationenvergleich zwischen Jugendlichen und Erwachsenen“ hat einen autobiografischen Ursprung. Ich gehöre selbst der HipHop Szene an und höre diese Musik seit meinem 13. Lebensjahr. Für mich war HipHop ein ständiger Begleiter meines Lebens und trug einen wesentlichen Teil zu meiner Identitätsbildung bei. Es wurde mir schnell klar, dass HipHop mehr als nur Musik ist, nämlich zugleich ein Lebensgefühl vermittelt. Dieses Lebensgefühl fasziniert mich bis heute. Ich wählte dieses Thema, um neben meiner bisher fanorientierten Sichtweise (emotionale Perspektive) auch eine wissenschaftliche Sichtweise des Themenkomplexes zu erarbeiten. Die professionelle Distanz zur Thematik zu bewahren, stellte sich als eine große Herausforderung dar.

Bei der Wahl des Themas kam neben dem autobiografischen Grund noch ein anderer Aspekt hinzu. Durch ständige Beobachtungen, bei HipHop Konzerten beeinflusst, stellte sich mir die Frage, ob der aktuelle HipHop noch der gleiche ist, wie ich ihn 1997 kennen gelernt habe. Zusätzlich las ich in der Kolumne von Falk in der Januar/Februar 2010 Ausgabe des Juice Magazins, dass Jugendliche heute HipHop ganz anders wahrnehmen als meine Generation. Er bezieht sich auf die Jugendmarktforschung der Firma tfactory.[2] Durch diese drei Aspekte kam ich zu meiner zentralen Fragestellung für diese Arbeit: Wie hat sich der HipHop seit den ersten Tagen bis heute gewandelt? Und welche positiven oder negativen Folgen hat diese Veränderung für die Identitätssuche?

Im Folgenden werden im zweiten Kapitel „Definitionen“ wesentliche Begriffe definiert und zusammengefasst, was zum Verständnis dieser Begriffe beitragen soll. Im dritten Kapitel „Jugendkulturen“ wird auf die Bedeutung der Jugendkulturen für die Jugendlichen eingegangen. Neben der Begriffsdiskussion wird auch auf die Geschichte der Jugendkulturen in Deutschland eingegangen und gezeigt, was heutzutage unter Jugendkultur verstanden wird. HipHop ist eine Jugendkultur und mit dem dritten Kapitel wird der Grundstein für das Verständnis für die Jugendkultur HipHop gelegt. Die Identität ist im vierten Kapitel das Thema. Hierbei sind die verschiedenen Grundideen und Überlegungen von Identität die Themen. Das Modell alltäglicher Identitätsarbeit wird in diesem Kapitel ausführlich vorgestellt. Das Folgende fünfte Kapitel „HipHop“ baut auf dem dritten Kapitel „Jugendkulturen“ auf und soll aufzeigen wie der Rahmen aussieht, in dem die Identitätssuche stattfindet. Die Ursprünge und Wurzeln des HipHop, die Geschichte des HipHop in den USA und Deutschland sind in diesem Kapitel die zentralen Themen. Im sechsten Kapitel „die Jugendkultur HipHop und Identität“ werden nun die Verbindungen zwischen diesen beiden Begriffen untersucht. Die Möglichkeiten, welche HipHop zur Identitätssuche bietet, ist das Thema dieses sechsten Kapitels. Die Kenntnisse, die aus dem vierten Kapitel „Identität“ und dem fünften Kapitel „HipHop“ gewonnen wurden, werden in diesem Kapitel in Verbindung zueinander gesetzt. Das siebte Kapitel „der Generationenvergleich“ wird auf Interview-Aussagen von Künstlern aus der HipHop-Szene beruhen. Die Gründe und Folgen der Veränderung der Jugendkultur HipHop wird hier thematisiert. Im abschließend achten Kapitel, dem Fazit, wird versucht, die obige Fragestellung zu beantworten.

Mein Privatarchiv des Juice Magazins erwies sich als sehr hilfreich. Ab dem dritten Kapitel beginntjedes Kapitel undjedes Unterkapitel mit einem Zitat aus einem Raptext, was dazu beitragen soll, dass die Arbeit in sich geschlossener wirkt und dass die Thematik „HipHop“ und „Identität“ besser verstanden werden kann. Welche Folgen die Veränderungen in der Jugendkultur HipHop im Kontext eines Generationenvergleichs haben werden, werden in dieser Bachelorarbeit untersucht.

2. Definitionen

Dieses Kapitel der Definitionen soll den Einstieg in diese Arbeit erleichtern. Durch die Definition lassen sich die Begriffe präzisieren. An den definierten Begriffen wiederum lässt sich erkennen, welche Themen eine gravierende Rolle in dieser Arbeit spielen. Die vier Begriffe werden, soweit möglich, knapp und präzise definiert. Auf die definierten Begriffe wird dann in den folgenden Kapiteln Bezug genommen.

2.1 Jugend

Diese Definition von Jugend bewegt sich im Kontext der Identitätssuche. Der Zeitpunkt des Erwerbs der Geschlechtsreife markiert die Grenze zwischen der Kindheit und der Jugendphase: die Pubertät beginnt. Jugendliche werden mit Veränderungen auf sozialer und seelischer Ebene konfrontiert. Durch die innere Veränderung wird auch die äußere Realität beeinflusst. Dieser Entwicklung kommt im Bezug auf die Identitätsbildung die größte Bedeutung zu.[3] Mit dieser Definition der Phase der Jugend werden die Jugendlichen von den Kindern und Erwachsenen abgegrenzt. Die Gruppe der Jugendlichen nimmt den zentralen Platz in der Thematik dieser Arbeit ein.

2.2 Jugendkultur

„Jugendkulturen sind freizeitbezogene Gruppierungen von Jugendlichen als soziale Treffs unter Gleichaltrigen, die durch Mode, Musik und Kleidung verstärkt, eigene Lebensauffassungen verwirklichen und sich so von der Gesellschaft abgrenzen wollen.“[4] Die Jugendkulturen übernehmen in der Identitätssuche eine unterstützende Funktion oder mehr noch: die Jugendkultur ist der Rahmen, in der die Identitätssuche stattfindet. Die Thematik der Jugendkultur wir im folgenden dritten Kapitel behandelt.

2.3 Identität

Der Begriff der Identität basiert auf dem lateinischen Wort „identitas“ was Wesenseinheit bedeutet. Die Identität das „Innen“ wird seit Jahrhunderten getrennt von dem „Außen“ erdacht.[5]

Die Grundfrage der Identität lautet: „Wer bin Ich?“[6] Es gibt keine einheitliche Definition von Identität, nur verschiedene Grundideen und Überlegungen zur Identität. In den verschiedenen Überlegungen ist Identität ein Wechselspiel zwischen dem Inneren des Menschen und der äußeren Welt, der Gesellschaft. Die verschiedenen Grundideen und Überlegungen von Identität sind das Thema im vierten Kapitel.

2.4 HipHop

Der Rahmen, in der die Identitätssuche stattfindet ist HipHop. HipHop ist eine in den Siebzigern entstandene Jugendkultur. Ihren Ursprung hatte sie in der South Bronx. HipHop besteht aus vier Säulen: dem MCing, dem DJing, Graffiti und dem Breakdance.[7] HipHop ist ein soziokultureller Begriff, der das kulturelle Umfeld mit einschließt.[8] HipHop wird oft als Synonym für Rapmusik benutzt. Rap istjedoch neben dem Breakdance und dem Graffiti nur ein Teil der Jugendkultur HipHop. Was die Jugendkultur HipHop überhaupt ist, wird im fünften Kapitel aufgezeigt.

3. Die Jugendkultur

„DJKool Here entwickelte diesen Stil aufzulegen/ und ließ die Leute auf Bloekparties zu seinem Sound bewegen./ Africa Bambaata der Vater der Zulu Nation startete 'ne Jugendbewegung/ aus 'ner weniger guten Gegend/“[9]

Die Jugendkultur fungiert in dieser Arbeit als Äußerer Rahmen, der innere Rahmen, in welchem die Identitätssuche stattfindet, ist die Jugendkultur HipHop. Im fünften Kapitel wird die Jugendkultur HipHop explizit thematisiert. Um zu der Erkenntnis zu gelangen was HipHop genau ist, muss man aber erst verstehen, was eine Jugendkultur ist und welche Funktion sie für die Jugendlichen übernimmt. Die Jugendkulturen haben, wie man schon im Begriff selbst erkennen kann, die Jugendlichen als Zielgruppe. Dieses dritte Kapitel soll aufklären, was eine Jugendkultur ist und welche Verbindungen sie zu anderen Bereichen beinhaltet.

In dem ersten folgenden Unterkapitel wird die Begriffsdiskussion zwischen den Begriffen „Subkultur“ und „Jugendkultur“ aufgegriffen. Anschließend wird ein kurzer Bezug auf die Geschichte der Jugendkulturen genommen (siehe 3.2) und analysiert, welchen historischen Hintergrund die Kulturen haben. Das Unterkapitel „Jugendkultur heute“ (siehe 3.3) befasst sich mit dem Status quo der Jugendkulturen. Im anschließenden Unterkapitel 3.4 wird auf die Verbindung zwischen den Jugendkulturen und Medien eingegangen. Hierbei wird dargestellt, welchen Einfluss Medien auf die Jugendkulturen haben. Das vorletzte Unterkapitel „Jugendkultur und Musik“ (siehe 3.5) geht auf die Bedeutung von Musik in den Jugendkulturen ein. Abschließend wird im letzten Unterkapitel auf den Prozess der Kommerzialisierung in den Jugendkulturen Bezug genommen.

HipHop ist, wie in Unterkapitel 2.4 bereits dargelegt, der Definition nach eine Jugendkultur. Damit HipHop als solche verstanden werden kann, muss zuerst ein

Grundverständnis für Jugendkulturen geschaffen werden. Diesen Zweck erfüllt das dritte Kapitel.

3.1 Die Begriffsdiskussion ..Subkultur“ oder „Jugendkultur“

Halbstark, oh baby baby/

Halbstark, oh baby baby/

Halbstark,/

Halbstark nennt man sie/[10]

Jugendkulturen stellen eine eigene Welt für sich dar, abseits der übrigen Gesellschaft. Bell sieht Jugendkulturen als relative geschlossene kulturelle Systeme. Er sieht sie als Teilsysteme derjugendlichen Bevölkerung innerhalb des Gesamtsystems Kultur. Durch funktionale und strukturell entwickelte Aspekte der Subkulturen grenzen sich diese vom Rest der Gesellschaft ab. Die Begriffe Jugendkultur und Subkultur werden neben Bell noch von Anderen synonym benutzt. In der Begriffsdiskussion sollte eine Unterscheidung zwischen den formalen, methodischen und fachwissenschaftlichen Aspekten erfolgen. Eine genaue Definition des Begriffes der Subkultur liegt der wissenschaftlichen Literatur nicht vor. Aus einer Perspektive wird die Subkultur als eine gesellschaftliche Teilkultur bezeichnet, die Teil der offiziellen Kultur, gleichzeitig aber auch eine bewusste Abkehr dieser ist. Aus der anderen Perspektive wird Subkultur auch als Teilkultur bezeichnet, welche am Rande der Gesellschaft angegliedert ist.

Diese Sichtweise wird besonders im kriminalsoziologischen Konzept sichtbar. Subkultur nach dem zweiten Erklärungsversuch wird an den folgenden Punkten festgemacht:

Der Begriff der Subkultur verliert aufgrund dessen, dass er nicht an ältere Traditionen anschließen kann, von seinem analytischen Aussagewert. Die Oben-Unten- Konstellation, auf welche der Begriff „Subkultur“ verweist, sind kulturelle Sphären, die unterhalb der akzeptierten Kultur angesiedelt sind.

Mit dem Begriff wird eine Differenz zwischen authentischen Subkulturen von unten und der kulturindustriellen, durch Massenmedien vermittelte Modekultur von oben, assoziiert.

Die Theorie der Subkultur vermittelt den Eindruck, dass einzelne Subkulturen präzise lokalisierbar sind wie beispielsweise in ein bestimmtes Milieu. Nicht jede Subkultur verändert generell die Gesellschaft, aber die Jugendliche können sich innerhalb der Subkultur verändern. Der Begriff der Subkultur wird stigmatisierend benutzt und wird mit etwas Unerwünschtem in der Gesellschaft verbunden.

Der Begriff der Jugendkultur meint dagegen im Kontext des allgemeinen Kulturbegriffes, dass verschiedene Inhalte und Formen der materiellen und besonders der geistigen Kultur ausgebildet werden. Das hat zur Folge, dass ein Ausdruck von Eigenständigkeit mit einem eigenen Lebensgefühl und eigener Werthaltung entsteht. Dennoch ist der Begriff der Jugendkultur nicht überall anwendbar und in manchen Kontexten problematisch. Der Begriff stellt fest, dass es Gemeinsamkeiten, jedoch auch Unterschiede in den einzelnen Jugendkulturen gibt. Die Jugendkultur, welche man einfach politischen Richtungen zuweisen kann, existiert nicht mehr. Der Grund dafür ist, dass eine Vielzahl von individuellen, veränderbaren Motivationen in den verschieden Szenen wichtig geworden sind.

Der Begriff hat dennoch die Fähigkeit, Jugendkulturen zu charakterisieren. Er setzt sich aus Jugend und Kultur zusammen und genau das ist der Knackpunkt. Es handelt sich bei dem Begriff Jugendkultur um das, was als die Kultur von Jugendlichen verstanden wird. Unter dem Begriff versteht man die Art, wie soziale Beziehungen innerhalb der Gruppen geformt und strukturiert werden. Kultur ist damit verbunden wie diese Formen erfahren, interpretiert und verstanden werden. Es besteht eine enge Verbindung zwischen der Entwicklung von Stilen und Moden und der Jugendkultur. Objekte werden aus der Alltagswelt entnommen und finden eine Wiederverwendung in einem neuen Bedeutungszusammenhang in der jeweiligen Jugendkultur. Die soziale Zusammengehörigkeit und Abgrenzung von der Gesellschaft wird durch diese Stile in den jugendkulturellen Gruppen sichergestellt. Durch diese Methode schafft man es, sich von anderen Stilen und Gruppen abzugrenzen.[11] „Kultur ist in diesem Kontext auch die Spur einer neuen Überlieferung, die in jugendkulturellen Neu-Orientierungen aufgehen: neu hinsichtlich des Stils, der Kleidung, Körpersprache und Konzepten von Individualität. Kultur ist zudem „geistige Welt, wie man vor sich und anderen dasteht, seine Individualität spezifisch und unverwechselbar ausdrückt.“[12]

Es gibt verschiedene Arten von Jugendkulturen - es geht nicht spezifisch um eine dieser Arten von Jugendkultur, sondern um ein weit gefächertes Spektrum von verschiedenartigen Jugendkulturen. Die Jugendkulturen geben den Jugendlichen die Möglichkeit, Erfahrungen in einem verinselten Leben selbst zu machen. Zusätzlich verwalten die Jugendkulturen Jugendräume. Die Jugendkulturen stellen bestehende Traditionsmuster und Konventionen auf die Probe und geben ihnen eine neue Bedeutung im Kontext eines neuen Wertemusters. Das Ergebnis daraus ist der Ausdruck der eigenen und jugendkulturellen Umsetzung von Stilen und Moden. Dieser Ausdruck von Stilen und Moden wird den Erwachsenen als die persönliche Weltdeutung und als Lebensalternative vorgestellt. Die Meinungen gehen beim Thema Jugendkultur bei den diskutierenden Pädagogen, Psychologen, Eltern und Politikern weit auseinander. Sie reichen von Empörung über Unverständnis bis hin zu Wohlwollen. Dieses Meinungsbarometer mit seinen verschiedenen Meinungen spiegelt das Bild der Jugendkulturen aus den verschieden Perspektiven wieder.[13] „Jugendkulturen werdenje nach Standpunkt angesehen als:

- besondere Form abweichenden Verhaltens,
- Widerstands- und Absetzbewegung, jugendlicher Selbstausbürgerung,
- freizeitkulturelle Gruppierungen,
- Katalysator gesamtgesellschaftlicher Probleme,
- problemlösendes Angebot an Stellen, da die gesellschaftlichen Vorkehrungen und Einrichtungen (Schule, Familie, etc.) nicht mehr einen hinreichenden Orientierungsbeitrag leisten können.“[14]

Auf HipHop trifft das Modell der Jugendkultur eher zu als das der Subkultur. Die obigen genannten Aspekte der Jugendkultur werden durch das Kapitel „HipHop und Politik“ (siehe 5.5) zusätzlich unterstützt. Der gesellschaftskritische Ansatz von HipHop wird an dieser Stelle deutlich. Das hat zur Folge, dass die obig genannten Aspekte der Jugendkultur auf HipHop zutreffen. HipHop ist demnach eine Jugendkultur und zwar eine der größten Jugendkulturen der Welt. Im folgenden Teil der Arbeit wird wie bisher von HipHop als Jugendkultur und nicht als Subkultur gesprochen.

3.2 Geschichte der Jugendkultur

„Nachstehende Menschen haben unsfür verrückt erklärt,/ Doch durch diesen Schmerz haben wir gemerkt,/ wer uns ehrlich den Rücken stärkt./“[15]

Der Begriff der Jugend, so wie er heute verstanden wird, ist 120 Jahre alt, entstanden im Kontext der Industrialisierung und der daraus hervorgehenden bürgerlichen Gesellschaft. Die Erwartungen an die individuelle Fähigkeiten stieg, die damit verbundene Schulpflicht und die verlängerte Ausbildungszeit markierte eine neue Lebensphase zwischen Kind und Erwachsenem. Der Sinn des Begriffes Jugend hat daher eine klare Funktion. In der Lebensphase der Jugend sollte die schulische und berufliche Ausbildung abgeschlossen werden und die Jugendlichen sollten sich von ihren Herkunftsfamilien ablösen. Die Jugendlichen sollten später als Erwachsene eine neue Rolle als eine eigenständige Produktions- und Konsumeinheit einnehmen. Zusätzlich sollten weitere Rollen als Sexualpartner und politisch-religiöser- ideologischer, integrierter Mitbürger erlernt werden. In der Praxis ließ es sich nicht so einfach umsetzten und Jugendliche nutzten die Kontroll-Grauzonen wie den Weg vom Klassenzimmer zu den Ausgangstoren für Aufsässigkeiten. Es gab bereits früh eine gewisse Angst der Gesellschaft vor Jugendlichen. Schon in früheren Zeiten standen die Jugendlichen unter Generalverdacht. Im Bücherverzeichnis um 1900 herum haftet der Begriff Jugendlicher dem der Verbrecher und der Verwahrlosung an. In den Jahren 1913/14 wurden weitere Gesetzte erlassen, welche die Freiheit der Jugendlichen weiter einschränkte. [16]

„Jugend war nicht mehr wie zu Beginn der reformpädagogischen Euphorie der Vorkriegszeit handelndes Subjekt, sondern wurde zunehmend zum Objekt patriarchalischer Vorstellungen von „Kinderrettem“ und konservativen Eliten, die vor allem den Einfluss der progressiven politischen Organisationen auf die Jugend fürchteten.“17

Kinderretter stammen aus der besitzenden und gebildeten Klasse. Oft gehörten Pfarrer, Lehrer oder Offiziere den Kinderrettern an, später dann auch zunehmend Frauen. Ihre Helfer entstammen aus der Schicht der kleinen Beamten und Angestellten. Der Umgang mit den Jugendlichen der Eliteschulen war schon weit entwickelt, nun versuchte man den Ansatz aus einer Mischung aus Sport und Exerzieren auf die Jugendlichen der Arbeiterklasse zu übertragen.18

Einen Aufriss der kompletten Geschichte der Jugendkultur würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, daher wird nun kurz auf die Entwicklungen der Jugendkulturen bis heute eingegangen.

Als erste Jugendkultur ist heute die der „Wandervogel“ bekannt. Für die erste Jugendkultur war wandern der Ausdruck ihres jugendlichen Lebensgefühls und parallel dazu auch Mittel zu jugendlicher Bestätigung. In den Zwanziger Jahren bildet sich unter den proletarischen Jugendlichen eine eigene Subkultur, die „Wilden Cliquen“, heraus. Sie war die Opposition zu der Hitlerjugend und dem bürgerlichem Wandervogel. Die „Wilden Cliquen“ setzten sich aus männlichen, arbeitslosen und qualifizierten Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 25 zusammen. Diese Cliquen waren locker strukturiert und hatten im „Cliquen“-Bullen einen etwas älteren Anführer. Neben der reinen Geselligkeit lag der Fokus der Cliquen auf Wein, Weib, Tanz und Gesang. In den Fünfziger Jahren bildete sich in Westdeutschland durch den Konsumrausch eine neue Identität. Durch den Einfluss der Siegermächte kam auch etwas neues unerwünschtes Subkulturelles ins Land. Neue Musik, neue Kleidungsstile und Comics strömten ins Land und brachen die Normen der Älteren, was man unter deutsch zu verstehen hatte. Eine neue Form jugendlicher Aufsässigkeit zog ins Land und erschütterte die bisherige deutsche Leitkultur. Diese Artenvielfalt an Jugendkulturen war damals noch lange nicht vorhanden, selbst die Musik entwickelte gerade erst den rebellischen Charakter. Durch die neue Mode aus Amerika war es den Jugendlich möglich, sich von den Erwachsenen abzugrenzen. Der Beginn der Fünfziger Jahre ist mit dem Comeback der „Wilden Cliquen“ verbunden. Sie waren jetzt bekannt als „Halbstarke“. Zwischen den Jahren1956 und 1958 kam es im Anschluss an Rock and Roll Konzerte zu Massenschlägereien und Ausschreitungen zwischen 15- bis 20jährigen Arbeiterjugendlichen. Nach den Konzerten von Bill Haley, der 1958 auf Deutschland Tour war, wurden die Konzertsäle in den jeweiligen Städten demoliert. Die Kirchen versuchten sogar die Rock and Roll Konzerte zu verbieten.[19]

„Die „Halbstarken“ bekannten sich mit ihrer Mode, ihrer Musikleidenschaft, ihrem ganzen Stil demonstrativ zur (US-amerikansichen) Siegerkultur, und mangels eigener Räume auch noch öffentlich sichtbar auf der Straße. Sie bildeten keine politische Opposition zu ihren Eltern und waren durchaus auch wie diese stolze Arbeiter, die häufig sogar in denselben Fabriken und Zechen ihrer Väter und Großväter beschäftigt waren. Durch ihr bloßes „Herumlungern“ in ihrer Freizeit demonstrierten die „Eckensteher“, dass sie mehr vom Leben erwarten als eintönige, oft sinnlose Arbeit und nicht begründete Unterordnungen. Ihr Aufstand gegen die Anständigen, die gnadenlos aufbauenden Alten war eine kulturelle, alltagsästhetisch wirksame Lebensstil-Rebellion - und möglicherweise deshalb so wirksam.“[20]

Die entscheidenden Impulse vom Stil der Halbstarken erhielten sie nicht mehr aus dem sozialen Umfeld sondern aus den Medien, der Musik oder der Modeindustrie. Die Jugendkulturen waren ab diesem Zeitpunkt nie wieder frei von Kommerzialisierung. In den Sechziger Jahren wurde der Begriff des Teenagers eingeführt. Die Folge war neben der Teenager-Musik, Teenager-Zeitschriften, Teenager-Klubs auch eigene Teenager­Wörterbücher. Die Industrie erkannte die Chance, die der Begriff „Teenager“ bietet und nutzte diese. Sie produzierte die bereits genannten Produkte gezielt für die Zielgruppe der Teenager. Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass Jugendliche erstmalig durch beispielsweise die Zeitschrift „Bravo“ Verbündete gegen die restriktive Dominanz der Eltern hatten. Die Teenager-Kultur war geprägt durch den Star-Kult, die angebotene Ware basierte auf Stars dieser Zeit. Die 1964 gegründete Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies kurz CCCS untersuchte vor allem die proletarischen Subkulturen der Sechziger bis zu den frühen Achtziger Jahren. Der britische Forscher Mike Brake setzt die Arbeiten der CCCS fort. Das Ergebnis der Forschung der CCCS war eine Erarbeitung von zwei unterschiedlichen Arten von Jugendkulturen. Zum einen die Subkultur der Arbeiterklasse und die Gegenkultur zur Mittelschicht. Die Kultur der Rocker gehört beispielsweise der Subkultur der Arbeiterklasse an, während die Hippies als Gegenkultur der Mittelschicht gelten. Diese beiden Kulturen waren auch die letzten, auf die die Theorie der CCCS der Autoren Antonio Gramsci und Edward Thompson zutraf. Die schematische Einteilung von Subkultur nach Klassen oder Milieus war daher hinfällig. Dieses Klassenbewusstsein und Soziale Milieus konnten in Deutschland in den Siebziger Jahren nur noch im Ruhrgebiet festgestellt werden. Keine einzige relevante Jugendkultur fand in Deutschland ihren Ursprung.[21] „Natürlich bedeutet das nicht, dass englische Untersuchungen dieser Phänomene plötzlich auch hier zutreffen. Gerade, dass dieser Stil teilweise aus England kommt, lässt vermuten, dass die Medien bei der Ausbildung der Kultur in Westdeutschland eine größere Rolle spielen. Zumindest im Augenblick können wir im deutschen Kontext eine relative Tendenz zur Mode und nicht zum Stil sehen, zu den Medien und nicht zur Kreation, zum Ausborgen und nicht zum Erschaffen.“[22]

Aus der Geschichte der Jugendkultur geht hervor, dass die Medien und die Industrie einen großen Einfluss auf die Jugendkulturen haben. Durch die Einführung des Begriffes der Jugend und der damit verbundenen Jugendphase wurde die Möglichkeit geschaffen, eine Jugendkultur überhaupt erst entstehen zu lassen. An der Geschichte der Jugendkultur wird deutlich, dass ein negatives Bild auf die Phase der Jugend schon lange Bestand hat. Im Kapitel „Jugendkultur und Medien“ (siehe 3.4) wird auf den obig genannten Einfluss der Medien eingegangen. Der andere obig genannte Aspekt der Kommerzialisierung wird im Kapitel „Jugendkultur und die Kommerzialisierung“ (siehe 3.6) behandelt.

3.3 Jugendkultur heute

„Ich sehe die Szene seit mehr als lOJahren wachsen,/

wie es die einen schaffen und die anderen verpassen./

Ich weiß, dassjeder mal ne Revolution wollte,/ aber nur solange bis der große Rubel rollte./“[23]

Die Jugend hat sich aufgelöst in nicht überschaubare Parzellen wie Cliquen, Gangs, Crews, Szenen und Kulturen. Dadurch hat es eine dynamische Entwicklung in den letzten Jahren gegeben, die verschiedene Einflüsse, Strömungen und Abspaltungen in den einzelnen Jugendkulturen zur Folge hatte. Das Ergebnis war eine Durchmischung der facettenreichen Arten von Subtypen und Untergründen.[24]

In den letzten 25 Jahren hat ein Wandel der Jugendkulturen stattgefunden, es hat sich eine unübersichtliche große Anzahl an verschiedenen Arten von Jugendkulturen gebildet. Von 400 Jugendkulturen alleine in Deutschland sprechen die Marketingexperten der Industrie. Der jugendliche Mainstream dominiert, aber parallel dazu entwickelten sich viele subkulturelle Szenen mit ihrem eigenen Outfit, eigener Musik, eigener Sprache und eigenen Ritualen. Die Grenzen zwischen einzelnen Kulturen sind fließend, die Grenzlinie zum Mainstream ist allerdings deutlich. Die enorme Zunahme an Jugendkulturen stieg in dem Moment an, in welchem der Prozess der Individualisierung der deutschen Gesellschaft den ersten Höhepunkt erreichte. Die in ökonomischen, politischen und kulturellen Kontexten stattfindende Subjektivierungs-, Pluralisierungs- und Globalisierungsprozesse lösten die lebenspraktische Relevanz der dominierenden Klassen- und Schichtstrukturen immer mehr ab. Durch diese Entwicklung werden die klassischen Gesellungsformen wie beispielsweise Familie, Nachbarschaft, Vereine, Parteien oder die Kirchengemeinde grundlegend verändert. Die bestehenden verbindlichen Grenzen wie das Soziale Milieu fangen durch diesen Prozess an zu erodieren. Die traditionelle Familienkonstruktion verliert ihr Monopolstellung, an ihre Stelle treten Wohngemeinschaften und Single­Haushalte. Neue Entwicklungen wie die des Internets, gleichaltrige Cliquen und attraktive Angebote zur Identifikation des kommerziellen Freizeitmarktes sorgen dafür, dass die Partizipationsangebote der Erwachsenenstrukturen wie Kirchen und Parteien im Kontext der jugendlichen Lebenswelt in den Hintergrund treten. Die Lebensgestaltung und die damit verbundenen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen wurden zunehmend individualisiert. Das hat wesentliche Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zur Folge: dem Anstieg des durchschnittlichen Gehalts und der Freizeit steht der gestiegene Konkurrenzdruck und immer höher werdende Erwartungen in Bereichen der Kompetenz, der Flexibilität und der Mobilisierung gegenüber.[25] „Einerseits wird das Individuum aus überkommenen Beziehungen freigesetzt, wodurch es mehr Entscheidungschancen und Lebensoptionen erhält. Anderseits verliert es nicht nur gemeinschaftliche, sondern zusehends auch bislang gesellschaftliche garantierte Verläßlichkeiten.“[26] Wenn eine junge Generation in Gruppen, Szenen oder Cliquen zerfällt, wird von Tribalisierung gesprochen. Dieser Prozess der Tribalisierung vollzieht sich momentan in nicht absehbaren Grenzen: erlaubt ist was Spaß macht und wofür Anhänger gefunden werden können. In dieser Entwicklung spricht Baacke von Ablösung: die Jugendstile welche an historische Zeitläufe, Territorien und soziale Herkünfte gebunden waren, heben sich von ihrem Ursprung ab. Die Stile werden durch die Ablösung zu Szenen. Im äußeren Erscheinungsbild und an manchen Accessoires bestehen noch Gemeinsamkeiten der verschiedenen Gruppen. Das hat zur Folge, dass die bewusste Abgrenzung erschwert wird, wodurch wiederum spezifische Ausdrucksmittel benötigt werden.[27]

„Was Jugendliche konkret wollen, kann deshalb oft nur noch an einzelnen Personen ausgemacht werden, da sich nicht nur die Szenen komplex ausdifferenziert haben, sondern auch durchlässiger geworden sind. In Bezug auf Mode und Musik hat sich ein Pluralismus herausgebildet, der grobe Einstellungen kaum zuläßt. So gibt es eine Vielzahl von Stilen und Outfits und die Möglichkeiten des Wechsels zwischen Gruppierungen, die aber gleichzeitig kaum mehr eine Provokation darstellen.“[28] Das Produkt der Entwicklung der Ausdifferenzierung von Szenen und Gruppen ist das, dass Jugendliche immer mehr Zeit in ihren Peergroups verbringen. Die Jugendlichen sehen die Peergroup als entscheidenden Impulsgeber für die persönliche Lebensgestaltung. Sie erfahren dort menschliche Nähe, Geborgenheit und die Möglichkeit zur Kommunikation. In den Gleichaltrigengruppen besteht die Option, die sozialen und materiellen Ressourcen zu bearbeiten. Jugendliche von heute tun dies äußerst kreativ. Durch die kulturellen Ausdrucksmittel können sie innerhalb der Gruppe auf die Probleme in der Erwachsenenwelt aufmerksam machen. Sie realisieren diese Probleme nicht alleine, sondern im Gruppenverband. Die Jugendlichen widersetzen sich somit dem Individualisierungsprozess und setzten dem Prozess die Gruppenidentität entgegen.[29] „Sie ist sicher auch Ausdruck des größeren Geborgenheits- und Selbstsicherheitsgefühls in der Clique, die zwar Heimstatt für individuell erlebte, aber gruppenspezifisch verarbeitete Identität ist.“[30]

Der Prozess der Individualisierung der Jugendkulturen ist ein Produkt der Individualisierung der Gesellschaft. Das Ergebnis ist eine enorme Artenvielfalt der Jugendlichen. Es gibt Jugendkulturen für viele verschieden Interessen. Die enorme Artenvielfalt hat aber zur Folge, dass manche Jugendkulturen nur von kurzer Dauer sind. HipHop kann dagegen auf eine Tradition von mehr als 30 Jahren zurückblicken und gehört damit wohl zu einer der beständigsten Jugendkulturen.

3.4 Jugendkultur und Medien

„Ich brauch 'n Popschutz, der Popschmutz macht mich müde,/ die Plattitüden, die aufgesetzten Attitüden!/“ [31]

Die Entstehung und Entwicklung der Jugendkulturen wie wir sie heute kennen, wäre ohne Medien nicht möglich gewesen. Medien zeigen alternative Lebensstile auf und reflektieren bereits bestehende Jugendkulturen und Jugendströmungen. Durch oft schlecht recherchierte Dokumentarfilme und Nachrichtenberichte kann ein verschobenes Bild der jeweiligen Kultur entstehen. Medien machten es möglich, dass überregionale Jugendkulturen wie beispielsweise aus Amerika und Großbritannien in Deutschland entstehen konnten. [32]

Im fünften Kapitel „HipHop“ wird darauf eingegangen, wie die Aufführung des Filmes „Wildstyle“ im ZDF die Jugendkultur HipHop nach Deutschland brachte. In den Medien werden teilweise ganze Jugendgruppen stigmatisiert und durch dieses Stigma beeinflusst, was das Ergebnis einer oberflächlichen Berichterstattung ist. Die schlechte Berichterstattung kann zur Folge haben, dass die Jugendlichen die Inhalte der Berichte verinnerlichen und die darin dargestellten Haltungen und Vorurteile in ihr reales Verhalten aufnehmen. Die Intensität und der Einfluss der Medien auf die Popularität verschiedener Jugendkulturen muss differenziert betrachtet werden, denn nicht jede Jugendkultur bekommt in den Medien den gleichen Raum. Aber ohne Medien wären wohl keine der neuen Jugendkulturen entstanden. Diese Abhängigkeit der Jugendkulturen von den Medien durchzieht alle Jugendkulturen und geht zurück bis in die 50er Jahre. Die Rocker waren begeistert von den Film „The wild one“ mit ihrem Idol Marlon Brando. Die Bezeichnung Generation X fand auch durch den Film „Reality Bites“ mit Wynona Ryder ihren Weg in die Jugendkultur. Die problematische Konstellation zwischen Kunst, Jugendkulturen und Kommerz führt zu einem solchen Ergebnis. Das Interesse der Medien liegt primär auf Schlagzeilen, Auflagen und Sensationen. Die meisten Medienbenutzer setzen sich nur selten mit den kausalen Bedingungen auseinander, sie wollen lieber mit leichter Unterhaltung berieselt werden. Die Folge hieraus wiederum ist das Entstehen einer sogenannten Symbolwelt. Die Jugendlichen benutzen die Medien relativ unbefangen und vorurteilsfrei - die bewussten Entscheidungen bei der Auswahl beispielsweise von Filmen und Kinobesuchen können auf dem persönlichen Interesse und den individuellen Bedürfnissen der Jugendlichen beruhen. Kindheit bedeutet heute primär Medienkindheit und Jugend Medienjugend.[33] „Medienkonsum ist zum „konstitutiven Element“ des jugendlichen Alltages geworden. Jugendliche können heute gar als Vertreter einer Multimediageneration gelten, da sie im Freizeitverhalten sowohl bei der Medienausstattung als auch bei der Mediennutzung die Erwachsenengeneration längst überholt haben.“[34]

Medien sind nicht unabhängig und waren dies auch nie. Die Privatisierung des Fernsehens in den Achtzigern brachte eine enorme Veränderung der Medienwelt mit sich. Durch die Privatisierung des Fernsehens wurde es möglich, dass die Medien ein Teil der Vermarktungsstrategie der Wirtschaft wurden. Kinder und Jugendliche werden zu jeder Tageszeit mit Botschaften aus der Werbung konfrontiert und ihnen wird dadurch vermittelt was im Trend liegt und was nicht.35 Die Jugendlichen sollten schon früh Medienkompetenz erwerben damit diese Botschaften richtig verstanden und durchschaut werden können. Die Jugendkultur HipHop kam wie bereits erwähnt durch das Fernsehen nach Deutschland. Die Übertragung des Film „Wildstyle“ im ZDF war in Deutschland der Ursprung der Jugendkultur HipHop.[35]

3.5 Jugendkultur und Musik

„Meine Kollegen reden über Stefan Raab von letzter Nacht/

Ich denk während dessen über HipHop nach/“[36]

Das Interesse an der mit der jeweiligen Jugendkultur verbundenen Musik entsteht oft zufällig. Der erste Kontakt zur jeweiligen Musik kommt über Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte zustande. Ein anderer Zugang zur Musik können die Medien darstellen. Durch Berichte über die Jugendkultur und die dazu gehörende Musik kann die Neugier geweckt werden. Der erste zentrale Berührungspunkt mit einer Jugendkultur ist die Musik. Punks, Rapper, Raver oder Gothics sind alles Mitglieder einer Musikkultur. Die Jugendkultur der Skinheads wäre auch nie ohne die Musikstile Ska, Reggae und Punk entstanden.[37]

„Die Musik ist das Leitmedium aller Jugendkulturen. Musik gibt die Geschwindigkeit, den Rhtymus des Lebens in den Szenen vor, beeinflusst die Stimmung und transportiert die Szene-Philosophie.“[38]

Durch die Bewertung der Beziehung zwischen der Szene zur Musik kann festgestellt werden, ob die jeweilige Jugendkultur im Mainstream stattfindet oder im Untergrund verankert ist. Für die Jugendkultur der Computerspieler ist die Musik beispielsweise nebensächlich, sie haben keinen ausgeprägten Musikgeschmack. Ob nun Mainstream oder Untergrund ist den meisten Jugendlichen gleichgültig. Die meisten Jugendkulturen hören Musik, weil sie ihren Geschmack trifft und mit ihren Stimmungslagen am besten übereinstimmt. Dass die Musik im Trend liegt, kann auch ein Motiv dafür sein, die jeweilige Musik zu hören. Das Image welches durch die Musik vermittelt wird, kann auch dazu führen, mit dieser Musik zu sympathisieren. Es entsteht eine Sympathie zu einer Musikrichtung und der dazugehörigen Szene, aber eine Identifikation findet nicht statt. Die Jugendlichen werden über kurz oder lang zu anderen Musikrichtungen oder Szenen wechseln. Der durchschnittliche Jugendliche durchläuft nach Schätzungen von Experten im Lauf seiner Teenager-Zeit ein halbes Dutzend Jugendkulturen. Die Abwechslung steht im Interesse der Jugendlichen, sie suchen den schnellen Kick.[39] „Maximal ein Viertel aller Jugendlichen meint es ernster. Sie suchen nicht den schnellen Kick sondern ihren way of life. Sie wollen mehr wissen, als sie bei MTViva jemals erfahren werden. Und so begeben sie sich auf die Suche nach den wirklichen Stammesangehörigen ihrer Szene.“[40]

Die Zugehörigkeit zu einer Szene macht sich demnach an der Leidenschaft und der Dauer, wie lange man der Szene angehört, fest. Dieses Paradigma der Leidenschaft und Dauer trifft auch auf die Jugendkultur HipHop zu, wo die Musik von großer Relevanz ist.

3.6 Jugendkultur und die Kommerzialisierung

„Was ich mein, mein ich ehrlich, gute Rapper sind spärlich,/ ein falsches Rap-Image ist und bleibt mir zu gefährlich./

Denn es geht nicht um Hip-Kleidung, Hop-Konsum,/ der Kaufmonsum zerstört mein Hip Hop-Heiligtum./“[41]

Durch die erreichte Akzeptanz der Jugendkulturen in der Gesellschaft führte diese Entwicklung dazu, dass das Interesse der Wirtschaft dafür anstieg. Die Rocker mussten in den Fünfziger Jahren noch gegen die Windmühlen der Gesellschaft kämpfen, heute dagegen wird kaum noch jemand aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes und der damit verbundenen Zugehörigkeit zu einer Jugendkultur diskriminiert. Nach den Ausgrenzungen bis in die Siebziger Jahre, wurde die Gesellschaft verhältnismäßig toleranter als zuvor. Die einzigsten Tabus der Abgrenzung in der Gesellschaft waren beispielsweise Rassismus, Gewalt, Drogen und Faschismus. Die Wirtschaft hat schnell ihre Chance erkannt, damit ein Geschäft zu machen. Viele Jugendlichen verfügten über finanzielle Ressourcen, die fast vollständig für Kleidung, Platten und ähnliches genutzt wurden. Kleidung und Accessoires waren die Mittel, mit denen sich die Jugendlichen von der Gesellschaft abgrenzen konnten. Zusätzlich waren diese Mittel ein Ausdrucksmittel ihrer Identität. Die Wirtschaft beachtet solche Entwicklungen wie z.B. Kleidungscodes der jeweiligen Kultur, welche wiederum Einfluss auf das jeweilige Warensortiment haben. Anfangs mussten sich die Jugendlichen die Kleidung ihrer

Kultur selbst anfertigen, heute gehen sie ins Warenhaus und kaufen von der Stange. Das Ergebnis dieser Entwicklung war ein Verlust an Facettenreichtum, Phantasie und Individualität in den Jugendkulturen. Viele Stilelemente und Accessoires werden in den Mainstream übergehen und von den allgemeinen Jugendmoden übernommen. Dadurch einsteht eine Vermischung von verschiedenen Stilen, was wiederum dazu führt, dass eine Abgrenzung für die Jugendlichen immer schwieriger wird.[42] „Massengeschmack und Mainstream werden den Konsum und die Medien bestimmen. Zum anderen wird es zu einer Verfeinerung der verschiedenen kleinen Szenen und deren Stilen kommen, die sich wiederum aufspalten und verändern werden.“[43]

Durch feine individuelle Stile und Accessoires bewahren sie sich ihre Authentizität und sind für die Konsuminteressen der Wirtschaft schwerer erreichbar. Das Erscheinungsbild einer Jugendkultur steht unter direktem Einfluss der Konsumbranche. Die Wirtschaft beeinflusst die Jugendkulturen, aber jede Jugendkultur entscheidet über ihr Erscheinungsbild selbst. Durch die individuellen Kleidungsstile und Accessoires wird eine Werthaltung und Lebensauffassung ausgedrückt. Die Kleidungsstile der jeweiligen Jugendkultur variieren wie beispielsweise:[44]

- „körper - und aktionsorientiert wie Punks oder Hooligans,
- kritisch - engagiert wie Friedens- und Ökologieaktivisten,
- religiös - spirituell wie Grufties und Satanskinder oder
- manieristisch - postalternativ wie Girlies, Popper oder Yuppies.“[45]

Trendscouts der Konsumbranche sitzen in jeder Jugendkultur und können dadurch auf jeden Trend reagieren. Die Wirtschaft versucht durch das Wissen der Trendscouts selbst Trends zu setzten. Ein neuer Trend funktioniert aber nur, wenn die drei Aspekte Innovation, Identifikation und Multiplikation miteinander harmonisieren. Unter Innovation wird ein neues Phänomen verstanden das eine Ausstrahlungskraft besitzt. Mit Identifikation ist gemeint, dass es den Nerv der Jugendlichen trifft und ihr Interesse weckt. Die Multiplikation wird mit der Marketing-Maschinerie gleichgesetzt. Wie sehr die drei Aspekte miteinander harmonisieren entscheidet, ob es ein erfolgreicher Trend wird oder nicht. Das Bild der Jugendkulturen ist unüberschaubar groß und zersplittert.

[...]


[1] Freundeskreis; Erste Schritte, Esperanto, 1999

[2] Vgl. Juice Magazine 2010, Ausgabe 1, S. 130

[3] Vgl. Rösel, VDM Verlag Dr. Müller, 2007, S. 3

[4] Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 47

[5] Vgl. Rösel, VDM Verlag Dr. Müller, 2007, S. 3

[6] Vgl. Keupp, kopaed, 2009, S. 53

[7] Vgl. Krekow/Steiner/Taupitz, Lexikon Imprint Verlag, 1999, S. 164

[8] Vgl. Luh, GRIN Verlag, 2005, S. 13

[9] D-Flame; Mehr als nur Musik feat. Tone, 2002

[10] KIZ; Halbstark, Sexismus Gegen Rechts, 2009

[11] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 49 f.

[12] Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 50 f.

[13] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 50 f.

[14] Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 51 f.

[15] D-Flame; Mehr als nur Musik feat. Tone, 2002

[16] Vgl. Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 29 f.

[17] Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 30

[18] Vgl. Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 32 f.

[19] Vgl. Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 30-49

[20] Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 51 f.

[21] Vgl. Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 61-71

[22] Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 71

[23] MC Rene; Namenlose MC's, Scheiss auf Euren HipHop, 2002

[24] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 47

[25] Vgl. Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 72 ff.

[26] Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 74

[27] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 48

[28] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 48

[29] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 48

[30] Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 48

[31] Spax; Popschutz, Privat (Style Fetisch), 1998

[32] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 55 f.

[33] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 56 f.

[34] Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 57

[35] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 57

[36] Kaas; Nichtsnutz 09, T.A.F.K.A.A.Z. :D, 2009

[37] Vgl. Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 91 f.

[38] Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 92

[39] Vgl. Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 92 f.

[40] Farin, Verlag C.H. Beck, 2001, S. 93

[41] Stieber Twins; Fenster zum Hof, Fenster zum Hof, 1996

[42] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 57 f.

[43] Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 58

[44] Vgl. Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 58 f.

[45] Thiele/Taylor, VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 1998, S. 59

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Die Jugendkultur HipHop als Ausdruck von Identitätssuche
Untertitel
Ein Generationenvergleich zwischen Jugendlichen und Erwachsenen
Hochschule
Hochschule Darmstadt  (Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit)
Note
2,1
Autor
Jahr
2010
Seiten
90
Katalognummer
V159830
ISBN (eBook)
9783640745517
ISBN (Buch)
9783640745623
Dateigröße
813 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendkultur, HipHop, Ausdruck, Identitätssuche, Generationenvergleich, Jugendlichen, Erwachsenen
Arbeit zitieren
Stefan Wilczynski (Autor:in), 2010, Die Jugendkultur HipHop als Ausdruck von Identitätssuche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159830

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