Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten ist das zentrale Werk in Immanuel Kants
Moralphilosophie. In ihr entwickelt Kant erstmals eine reine, d.h. apriorische, deontologische,
formale und universale Moraltheorie1, deren Ergebnis im zweiten Abschnitt der kategorische
Imperativ ist. Der kategorische Imperativ in seiner Grundform, auch Allgemeine-
Gesetzesformel2 genannt, lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich
wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde“3. Der kategorische Imperativ fordert
somit auf, zu überprüfen, ob man wollen könne, dass die eigene subjektive Maxime, die das
Handeln bestimmt, verallgemeinert wird.
Im dritten Abschnitt, nachdem in den Vorigen die zentralen Begriffe der Moral mittels
reiner Vernunft analysiert wurden, ist es nun Kants Anliegen, seine Moraltheorie auf ihre
praktische Anwendbarkeit zu überprüfen. Schließlich war sein Vorhaben bisher nur ideeller
Natur. Nun gilt es zu zeigen „wie reine Vernunft praktisch sein könne“4, damit sein zu Beginn
des ersten Abschnitts selbst geäußerter Zweifel, dass seine Theorie „bloß hochfliegende
Phantasterei“ ist, ausgeräumt werden kann.
Die Möglichkeit eines moralischen Prinzips ist unmittelbar mit der Möglichkeit eines
freien Willens verbunden, also der Fähigkeit der Menschen sich selbst ein Gesetz
aufzuerlegen, unabhängig von sinnlichen Neigungen oder Begierden. Somit geht es bei der
Beweisfüh- rung, wie Moralität möglich ist, immer zugleich auch um den freien Willen. So
kommt es, dass Kant die Argumentation mit der Analytizität von Freiheit und Moralität
beginnt. Worin die Argumentation genau besteht und inwiefern die Lehre von den zwei
Standpunkten aus der Kritik der reinen Vernunft etwas zu der Legitimation des kategorischen
Imperativs beitragen kann, soll in dieser Arbeit thematisiert werden.
Kant hat den dritten Abschnitt in sechs Sektionen eingeteilt, die jeweils das Ihre zu der
„Deduktion“5, d.h. zu dem Nachweis der Legitimität des kategorischen Imperativs, beitragen.
Ich werde versuchen den Argumentationsgang – nach meiner Interpretation – aufzeigen, dabei
soll sich herauskristallisieren, von welcher Relevanz die Zwei-Standpunkte-Lehre für
jenen ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Einführung in die Argumentation
- 1.1. Die Analytizität von Freiheit und Moralität (Sektion I)
- 1.2. Freiheit als Eigenschaft vernünftiger Wesen (Sektion II)
- 2. Homo noumenon und homo phaenomenon: die Zwei-Standpunkte-Lehre
- 2.1. Warum soll ich mich dem kategorischen Imperativ unterwerfen? (Sektion III)
- 2.2. Normativität der Verstandeswelt (Sektion IV)
- 2.3. Scheinwiderspruch zwischen Freiheit und Naturnotwendigkeit (Sektion V)
- 3. Ergebnis der Argumentation: Freiheit und kategorischer Imperativ nur verpflichtende Ideen? (Sektion V)
- 4. Relevanz der Zwei-Standpunkte-Lehre
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Relevanz der Kantischen Lehre von den zwei Standpunkten für Freiheit und Moralität im Kontext seiner „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“. Ziel ist es, die Argumentation Kants im dritten Abschnitt des Werks zu analysieren und zu zeigen, inwiefern die Unterscheidung zwischen „homo noumenon“ und „homo phaenomenon“ zur Legitimation des kategorischen Imperativs beiträgt.
- Analytizität von Freiheit und Moralität
- Die Zwei-Standpunkte-Lehre
- Die Freiheit des Willens und der kategorische Imperativ
- Die Rolle der Vernunft im moralischen Handeln
- Die Verbindung zwischen Freiheit und Sittlichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über Kants Moralphilosophie und die zentrale Rolle der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“. Im ersten Kapitel wird die Argumentation Kants zur Analytizität von Freiheit und Moralität in Sektion I und II dargestellt. Im zweiten Kapitel werden die beiden Standpunkte der „Zwei-Standpunkte-Lehre“ vorgestellt, und es wird untersucht, wie Kant die Frage nach der Motivation zum moralischen Handeln in Sektion III angeht.
Schlüsselwörter
Im Zentrum der Arbeit stehen die Schlüsselbegriffe Freiheit, Moralität, Vernunft, kategorischer Imperativ, Zwei-Standpunkte-Lehre, „homo noumenon“, „homo phaenomenon“, deontologische Moraltheorie und apriorische Erkenntnis.
- Quote paper
- Niels von Wardenburg (Author), 2010, Relevanz der Kantischen Lehre der Zwei Standpunkte für Freiheit und Moral, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158323