Diese Arbeit stellt eine Ausarbeitung zu einem in einem Hauptseminar gehaltenen Referat dar. Hierbei geht es um den Kyffhäuser-Mythos, wobei eine kurze Einleitung ins Thema gegeben wird, bevor es zur eigentlichen Behandlung der Thematik, somit zur Vorgeschichte und der Entstehung selbst kommt. Dabei werden Betrachtungsweisen verschiedener Historiker und geschichtswissenschaftliche Kontroversen hinzugezogen.
Die Entstehungszeit des Mythos und das Kyffhäuser Denkmal und die Burg rücken ebenfalls in den Blickpunkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Vorgeschichte
2. Die Betrachtungsweisen verschiedener Historiker
2.1. Eine geschichtswissenschaftliche Kontroverse
3. Der Kyffhäuser-Mythos in seiner Entstehungszeit
4. Die Kyffhäuser-Burg und das Denkmal
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Die Vorgeschichte
Die Entwicklung des deutschen Volkes im 19. Jahrhundert kann an dem bedeutenden nationalen Mythos des Friedrich I. Barbarossa im Kyffhäuser nachvollzogen werden, welcher auch als ein wichtiger Beitrag zur Mittelalterrezeption im 19. Jahrhundert gesehen werden kann.
Besonders in den Jahren nach der Revolution wuchs das Bedürfnis der Bevölkerung nach geschichtlicher Orientierung im deutschen Volk stetig an. Dies führte dazu, dass viele Gesamtdarstellungen, Überblickswerke, Monographien, historische Balladen, Dramen und auch Romane entstanden. Insbesondere die bürgerlichen Schichten setzten sich näher mit der Geschichte auseinander, da ihr persönlicher Bildungsanspruch die Auseinandersetzungen mit Geschichte und Geschichtswerken zum festen Lebensbestandteil machten.
Unter den Historikern wuchs der Wunsch, auf gesellschaftliche und politische Prozesse selbst Einfluss nehmen zu können, weshalb sie vermehrt geschichtsträchtige Werke veröffentlichten. In diesen wurde mit Vorliebe der Bezug zum staufischen Reich hergestellt und so das Verhältnis zum mittelalterlichen Reich untersucht.
2. Die Betrachtungsweisen verschiedener Historiker
Einen scharfen preußischen Schnitt zog erstmals Gustav Freytag in seinem 1867 erschienenen, fünf Bände umfassenden Werk „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“. Der erste Band „Bilder aus dem Mittelalter“ legt sowohl die Tugenden als auch die Fehler der Hohenstaufen dar. Diese schienen Freytag zu Folge an der Verfolgung der Idee des römischen Weltreichs gescheitert zu sein, da sie eher hätten in Betracht ziehen sollen, sich nach Osten anstatt nach Italien auszubreiten. „Friedrich Barbarossa wird […] zum Stellvertreter für die Erinnerung an nationale Kraft und Selbstgefühl, die das deutsche Volk unter seiner Herrschaft erleben durfte.“[1] Sein Vorbild sollte bis in die Gegenwart hinein wirken, um das Nationalempfinden zu stärken und ein Gefühl für die geschichtliche Identität der Nation zu wecken. Freytag schrieb Friedrich Wilhelm, der nach der Kaiserkrone strebte, ein Lehrgedicht, welches in Form eines Dialoges zwischen einem Schwaben und einem Preußen verfasst ist. Die beiden sprechen über die Verpflichtungen des Kaisertums ebenso wie über die Gefahren, die von selbigem ausgehen, wobei ihre Meinungen weit auseinander gehen. Der Preuße richtet sich in seinen Aussagen klar gegen das Kaisertum und tritt für die preußische Königswürde und somit für die an ihr haftenden Traditionen ein, während der Schwabe in der Kaiserkrone ein Zeichen der Vereinheitlichung für die verschiedenen in Deutschland lebenden Stämme sieht. Der Kyffhäuser-Mythos ist in den Augen der königstreuen Preußen als überholtes Wunschdenken und nicht als Symbol der Sehnsucht anzusehen, was die Aussage „Kiffhäuser heißt ein Hügel in Schwarzburg-Rudolstadt, dort haust in Spinnweben die Kaisermajestat“[2] deutlich belegt. Freytag stellt sich hauptsächlich gegen die mittelalterlichen Traditionen um das Kaisertum, da er befürchtet, das deutsche Volk könne in diesen konservativen Traditionen erstarren und sich dadurch nicht weiterentwickeln.
Ein weiterer Historiker namens „Wilhelm von Giesebrecht dagegen tritt in seiner „Geschichte der deutschen Kaiserzeit“ mit nationalgeschichtlichem Interesse an die Geschichte heran.“[3] Er sieht, anders als Freytag, in der Italienpolitik keinen Fehler, sondern deutet diese als Versuch, ein Monopol für die deutsche Nation zu schaffen. Des Weiteren verweist Giesebrecht darauf, dass die Sage des wiederkehrenden Kaisers erst 1519 Friedrich Barbarossa in Betracht zog, da sie zuvor an den Enkel, Friedrich II., anknüpfte. Die zwischen 1813 und 1817 von Friedrich Rückert gedichtete Ballade „Barbarossa“ legte aber endgültig fest, dass es sich bei dem im Kyffhäuser sitzenden Kaiser um Friedrich Barbarossa handelt. „Daß die Sage auf Friedrich Barbarossa übertragen wurde, beweist für Giesebrecht, daß dieser Herrscher im deutschen Volk die beliebteste und verehrteste Kaisergestalt geblieben ist, ein strahlender Held, auf dessen Erwachen man sehnsüchtig wartete.“[4]
Sowohl Giesebrecht als auch Freytag prägten durch ihre historischen Darstellungen das Geschichtsbild des deutschen Bürgertums. Freytag bezog sich dabei eher auf das bürgerliche Leben und den Alltag an sich, wohin gegen Giesebrecht sich auf politische Abläufe beschränkte, die er auch quellenkundlich verifizieren konnte. Nach Ansicht beider Geschichtsschreiber wurde das Zeitalter der Staufer in einem Herrscher konzentriert: „Weil der im Kyffhäuser schlafende Rotbart zum Symbol des erträumten Nationalstaats geworden war, blickten beide fast nur auf Barbarossa, den Staufer schlechthin.“[5]
In Preußen entwickelte sich derweil eine Schule von Historikern, die anhand ihrer Werke und ihres Wirkens die grundlegende Basis für Bismarcks Erfolg bilden sollten und den kleindeutschen Nationalstaat unter der Führung Preußens zum höchsten Ziel erklärten.
Gustav Droysen, einer der preußischen Historiker, unterlag in seinem Werk „Geschichte der Preußischen Politik“[6] dem Einfluss des Ziels der inneren Reform und Einheit Deutschlands und nutzte so die Geschichtswissenschaft als Lösung dieser politischen Aufgabe. Er sah seine selbst erklärte Aufgabe darin, als Historiker der Einheitsbewegung zu dienen und berief sich hierbei auf die Zeit der Hohenstaufen, welche er als „Gipfel der Geschichte“[7] bezeichnete. Die Erinnerung an die Staufer wurde zugleich zur Forderung an das neuzuschaffende einheitliche Reich, diente jedoch sowohl als mahnendes Bild dessen, was erstrebt werden sollte, aber auch als mahnendes Bild der Nation, die ihr Ziel nicht hartnäckig genug verfolgt hat, denn „an den alten Kaiser Rothbart, der nur des Erwachens harrt, ist in unseren Tagen wieder erinnert, nur nicht geglaubt worden.“[8] Droysen führte an, dass die nationale Machtentfaltung zum momentanen Zeitpunkt jedoch nur durch die Hohenzollern möglich sei.
Heinrich von Treitschkes subjektive Geschichtsdarstellung „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“[9] spiegelte deutlich seinen konservativen Nationalismus wider. Die „doppelte Leistung seines Lebens war, Deutschland zur Einheit zu erziehen und ihm den herrlichsten Spiegel seiner Vergangenheit vorzuhalten.“[10] Treitschke bezog sich stark auf das mittelalterliche Kaisertum, ließ jedoch das Kaisertum der Habsburger völlig außer Acht, und sah die Hohenzollern als rechtmäßige Nachfolger der Ottonen und Staufer.
[...]
[1] Kaul 2007, S. 297.
[2] Freytag 1889, S. 106.
[3] Kaul 2007, S. 300.
[4] Kaul 2007, S. 300.
[5] Kaul 2007, S. 300.
[6] Vgl. Droysen, Johann Gustav: Geschichte der Preußischen Politik. Theil 1: Die Gründung. Leipzig 1855.
[7] Droysen 1868, S. 5.
[8] Droysen 1868, S. 4.
[9] Vgl. Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 5 Teile. Leipzig 1879.
[10] Meinecke 1968, S. 205.
- Arbeit zitieren
- Susanne Flohr (Autor:in), 2009, Mittelalterrezeption im 19. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158241
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