Wir orientieren uns in einer Welt der subjektiven Erscheinungen, woher nimmt sich
dann der/die AlltagsbeobachterIn die Sicherheit, sich in der objektiven Realität zu
bewegen und diese zu verändern? Woher nimmt er/sie sich die Sicherheit über die
wirkliche Existenz der ihn/ihr umgebenden Welt? Nach erkenntnistheoretischen Überlegungen wird zwischen der unmittelbar erlebten
Wirklichkeit (der Welt der Erscheinungen – phänomenale Welt) und der
transzendentalen Realität (den Dingen „an sich“ – transphänomenale Welt)
unterschieden. Wir sprechen hier von Realität (= physikalische Welt) und Wirklichkeit
(= alle subjektiven Erscheinungen der Realität). [...] Im Kritischen Realismus wird die These vertreten, dass die gesamte vorgefundene
Welt - also die Innenwelt, aber auch die wahrgenommene Außenwelt - zu unserer
anschaulichen, erlebten Welt, d.h. der phänomenalen Wirklichkeit gehört
(Mikrokosmos). Diese ist streng von der physikalischen bzw. transphänomenalen
Welt zu unterscheiden (Makrokosmos); diese ist uns niemals unmittelbar gegeben,
sondern kann nur indirekt erschlossen und in theoretischen Modellen, z.B. in Form von physiologischen Theorien über den menschlichen Organismus, abgebildet
werden. Aus dieser Sicht wird die Welt gleichsam verdoppelt. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Was ist Wirklichkeit?
- 2.1. Kritischer Realismus
- 2.2. Theorien der Wahrnehmung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der Frage nach Wirklichkeitskriterien und analysiert unterschiedliche Perspektiven auf das Verhältnis von Realität und Wirklichkeit. Er untersucht, wie wir uns in der Welt der subjektiven Erscheinungen orientieren und welche Bedeutung die phänomenale Welt für unser Verständnis der objektiven Realität hat.
- Kritischer Realismus und die Unterscheidung zwischen phänomenaler und transphänomenaler Welt
- Theorien der Wahrnehmung und ihre unterschiedlichen Ansätze zur Beschreibung des Verhältnisses von Realität und Wirklichkeit
- Der Einfluss von kognitiven Prozessen, Erfahrungshintergrund und Kultur auf die Konstruktion der Wirklichkeit
- Die Rolle der Gestaltpsychologie und ihrer Theorien im Zusammenhang mit Wirklichkeitskriterien
- Die Bedeutung von Wahrnehmungstäuschungen für das Verständnis der Eigenständigkeit des kognitiven Systems
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einführung
Der Text stellt die grundlegende Frage nach der Orientierung in einer Welt der subjektiven Erscheinungen und untersucht die Sicherheit, die wir über die objektive Realität haben.
2. Was ist Wirklichkeit?
Dieses Kapitel beleuchtet den Unterschied zwischen der unmittelbar erlebten Wirklichkeit (phänomenale Welt) und der transzendentalen Realität (die Dinge „an sich“). Der kritische Realismus wird als ein Ansatz vorgestellt, der beide Arten von Wirklichkeit als reale Existenz betrachtet. Das Kapitel analysiert die Bedeutung der Erlebniswelt des Menschen im Vergleich zu wissenschaftlichen Erkenntnissen über die physikalische Welt.
2.1. Kritischer Realismus
Der kritische Realismus unterscheidet zwischen der transphänomenalen Welt (physikalische Umwelt und physiologischer Organismus) und der phänomenalen Welt (erlebte Vorgänge in der Außenwelt und Körper-Ich-Vorgänge). Das Kapitel präsentiert die beiden Sinne von Wirklichkeit nach Wolfgang Metzger, wobei der Fokus auf der Unterscheidung zwischen der „Welt an sich“ und der uns direkt zugänglichen, erlebten Welt liegt.
2.2. Theorien der Wahrnehmung
Das Kapitel analysiert verschiedene Theorien der Wahrnehmung im Hinblick auf das Verhältnis von Realität und Wirklichkeit. Die ökologische Wahrnehmungstheorie wird als naiv-realistisch dargestellt, während die repräsentationalen Wahrnehmungstheorien eine Abbildfunktion der Wirklichkeit annehmen. Die Widerspiegelungstheorie des dialektischen und historischen Materialismus betrachtet die Abweichungen im Abbild von der Realität als Ausdruck des Erkenntnisprozesses. Schließlich wird die kognitive Selbstreferenz des radikalen Konstruktivismus vorgestellt, die Wirklichkeit als Funktion von sich selbst, dem Erfahrungshintergrund und dem Kontext der Reize betrachtet.
Schlüsselwörter
Der Text befasst sich mit den zentralen Begriffen und Konzepten von Wirklichkeit, Realität, Phänomenologie, Transzendenz, kritischer Realismus, Wahrnehmungstheorie, kognitive Selbstreferenz, Gestaltpsychologie, Wahrnehmungstäuschungen und dialektischer und historischer Materialismus.
- Quote paper
- Christian Schönherr (Author), 2002, Über Wirklichkeitskriterien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15744