Vorliegende Diplomarbeit analysiert, wie sich die Determiniertheit von Entscheidungen, die Manager im betriebswirtschaftlichen Kontext treffen, auf das Controlling auswirkt. Führungsverantwortliche, die nur durch ihre Gene und frühkindlichen Erfahrungen geleitet werden und somit keinen freien Willen besitzen, können in ihren Entscheidungen nur geringfügig beeinflusst werden. Somit scheint die Implementierung eines Controllingsystems obsolet. Die vorliegende Diplomarbeit entwickelt ein Controllingsystem, welches
determinierten Entscheidungen Rechnung trägt.
Im ersten Teil wird das Verhältnis von Controlling und Management im Allgemeinen untersucht. Das zweite Kapitel setzt sich mit dem Forscher- und Medizinerstreit hinsichtlich der Determiniertheit bzw. Indeterminiertheit von Entscheidungen auseinander. Im abschließenden Teil werden Charakteristiken eines Controllingsystems entwickelt, das die einzelnen Bereiche des Unternehmens auch bei determinierten Entscheidungen von Managern erfolgreich
koordiniert.
Ergebnis der Diplomarbeit ist, dass bei determinierten Entscheidungen ein Controllingsystem im Unternehmen implementiert werden sollte, das sowohl Managern in ihren Entscheidungen größere Freiheit zugesteht als auch den Schwerpunkt auf Koordination sowie den Aufbau eines Informationsnetzwerkes legt. Auf diese Weise können determinierte Entscheidungen von Managern dennoch teilweise beeinflusst werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellung
1.2. Ziele
1.3. Aufbau der Arbeit
1.4. Wissenschaftstheoretische Grundlagen
1.4.1. Definition: Wissenschaftstheorie
1.4.2. Notwendigkeit der Wissenschaftstheorie
1.4.3. Forschungskonzeptionen
2. Controlling und Management
2.1. Grundsätze und Definitionen
2.1.1. Management
2.1.2. Controlling
2.1.3. Aufgabenteilung zwischen Manager und Controller
2.2. Konzeptionen des Controllings
2.2.1. Controlling als Rationalitätssicherung
2.2.2. Controlling als Koordinationsfunktion
2.2.3. Controlling als umfassende Koordinationsfunktion
2.2.4. Controlling als Ergänzungsfunktion
2.3. Vorläufige Conclusio I
3. Der (un)freie Wille – Determinismus und Indeterminismus von Entscheidungen
3.1. Determinismus
3.1.1. Wissen
3.1.2. Bewusstsein
3.1.3. Freiheit
3.1.4. Entscheidungen
3.1.5. Zusammenfassung
3.1.6. Kritik
3.2. Indeterminismus
3.2.1. Das Bereitschaftspotential
3.2.2. Geist
3.2.3. Bewusstsein
3.2.4. Freiheit
3.2.5. Entscheidungen
3.2.6. Zusammenfassung
3.2.7. Kritik
3.3. Weitere Willenskonzepte
3.3.1. Der freie Wille als Vetofunktion
3.3.2. Kompatibilismus
3.4. Vorläufige Conclusio II
4. Controlling determinierter Entscheidungen
4.1. Determinierte Entscheidungen der Manager
4.1.1. Einfluss des Controllers
4.1.2. Entscheidungen von Managern in Unternehmen
4.1.3. Controlling von determinierten Entscheidungen
4.2. Konsequenzen für die Unternehmensorganisation
4.2.1. Determiniertheit als dezentrales Entscheidungssystem
4.2.2. Entwicklung eines dezentralen Entscheidungssystems
4.3. Ursachen für das Existieren eines Controllings
4.3.1. Existenz des Controllings als Erfolgsfaktor
4.3.2. Komplexität unternehmerischer Entscheidungen
5. Conclusio
Bibliographie
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Begriffs- und Aussagenbildung als zyklischer Prozess
Abbildung 2: Verantwortungsbereiche von Managern und Controllern
Abbildung 3: Controllingsystem als Koordinationsfunktion
Abbildung 4: Abgrenzung der Koordinationsaufgaben der Organisation und des Controllings
Abbildung 5: Einflussfaktoren auf deterministische Entscheidungen
Abbildung 6: Vergleich von aktiven willentlichen Bewegungen des rechten Zeigefingers mit ähnlichen passiven Bewegungen
Abbildung 7: Gehirnvergleich – Igel, Koboldmaki und Mensch
Abbildung 8: Aufgliederung der Hirnrinde in Funktionsfelder nach Kleist an der Innenseite der rechten Hemisphäre
Abbildung 9: Lokalisation der Funktionen an der Großhirnrinde auf zytoarchitektonischer Grundlage nach Karl Kleist
Abbildung 10: Einflussfaktoren auf indeterministische Entscheidungen
Abbildung 11: Selbst eingeleitete Handlung: Abfolge
Abbildung 12: Entscheidungssystem nach deterministischer Auffassung
Abbildung 13: Analoges Entscheidungssystem im Unternehmen unter Berücksichtigung determinierter Entscheidungen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gegenüberstellung Determinismus – Indeterminismus
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1. Fragestellung
Besitzt der Mensch einen freien Willen? Oder bildet er sich nur ein, dass er frei entscheiden könnte? Werden also Willensentscheidungen nur im Gehirn, durch uns mehr oder weniger bekannte Aktionen, ausgelöst? Bilden wir uns dabei lediglich ein, eine Entscheidung frei getroffen zu haben? Sobald man über diese Fragen beginnt nachzudenken, erkennt man, welche weitreichende Bedeutung die Beantwortung in die eine oder andere Richtung hat.
Die Forschungsfrage in der vorliegenden Diplomarbeit ist daher, welche Auswirkungen eine mögliche Determiniertheit der Entscheidungen des Managements auf das Controlling hat. Können Manager von Controllern überhaupt erfolgreich unterstützt, koordiniert und kontrolliert werden, wenn sie ihre Entscheidungen nicht selbst treffen, sondern diese schon von Vornherein bestimmt sind? Falls dem so ist, welchen Sinn hat dann ein Controlling? Nehmen wir beispielsweise an, ein Unternehmensführer möchte eine bestimmte, risikoreiche Investitionsentscheidung treffen. Ist der Manager in seinem Willen und seinen Entscheidungen determiniert und generell von seinen Anlagen her risikofreudig, so wird er unter Umständen die Entscheidung unabhängig von den Warnungen des Controllers treffen. Da Controller dem Management grundsätzlich organisatorisch untergeordnet sind, wird ein Unternehmensführer den Controller zwingen können, „ihm diesen Business Case positiv zu rechnen“. Was würde daraus folgen? Controller hätten einen äußerst begrenzten Einfluss auf die Unternehmensführung. Ihre einzige Aufgabe wäre es, nur solche Informationen bereitzustellen, die im Einklang mit der schon vorher getroffenen Management-Entscheidung sind. Jede Art von Einflussnahme bliebe auf das gleichzeitige Einverständnis des Managements beschränkt.
Gerade weil seit der Beschäftigung des Autors mit Unternehmensführung oftmals das Gefühl entstand, Manager „machen sowieso, was sie wollten“ und ließen es dann vom Controlling „schön rechnen“, ist die Frage, inwieweit Manager von Controllern beeinflussbar sind und welche Art von Controlling dafür am besten geeignet sein könnte, besonders interessant. Dies wird in der vorliegenden Diplomarbeit erörtert.
1.2. Ziele
Das Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist zu zeigen, welche Auswirkungen die (mögliche) Determiniertheit der Entscheidungen (durch Genom und Umfeld) von Managern auf das Controlling hat. Es soll geklärt werden, welchen Sinn ein Controlling bei Determiniertheit der Entscheidungen hätte und wie es dazu angepasst werden könnte.
Erstes Nebenziel ist es, einen Überblick über die gängigsten Controlling-Konzeptionen in der Theorie zu erlangen. Das zweite Nebenziel umfasst das eingehende Verständnis des Mediziner- und Forscherstreits hinsichtlich des (In-)Determinismus von Willensentscheidungen und dessen philosophischen Hintergrund mit seinen Auswirkungen.
Kein Ziel ist es, ein Urteil darüber abzugeben, ob Menschen einen freien Willen besitzen oder nicht. Diese Frage bleibt der Medizin, der Psychologie und der Philosophie überlassen.
1.3. Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Diplomarbeit gliedert sich in fünf Bereiche. Im ersten Teil werden nach einer kurzen Einleitung wissenschaftstheoretische Grundlagen (1.4.) der Diplomarbeit erklärt.
Hierauf wird Grundsätzliches zu Management und Controlling (2.) untersucht. Dabei wird zuerst auf eine Definition der beiden Begriffe (2.1.) Wert gelegt und in einem zweiten Schritt werden die verschiedenen Controlling-Konzeptionen (2.2.) untersucht. Schlussendlich wird ein vorläufiges Fazit (2.3.) bezüglich dieser beiden Funktionen im Unternehmen gezogen und so deren Anwendung innerhalb der folgenden Kapitel festgelegt.
Im dritten Teil wird ein Überblick über Streitfragen bezüglich Determinismus (3.1.), Indeterminismus (3.2.) und Zwischenpositionen (3.3.) gegeben. Die beiden ersten Unterkapitel weisen eine ähnliche Struktur auf; sie erklären den Prozess der Entscheidungsfindung, jeweils aus deterministischer und indeterministischer Sichtweise. Eine vorläufige Conclusio (3.4.) fasst die Ergebnisse zusammen und wirft Implikationen für weitere Kapitel auf. Die grundsätzliche Frage, ob der Mensch einen freien Willen besitzt, soll bewusst nicht beantwortet werden, da diese Frage sowohl aus philosophischer als auch medizinischer Sicht (noch) nicht eindeutig geklärt werden konnte.
Der vierte Teil erforscht das Verhältnis von Controlling und Management, falls Entscheidungen von Managern determiniert sind. Können solche Entscheidungen positiv beeinflusst werden? Welche Handlungsalternativen bestehen für das Controlling, um eine Unternehmen erfolgreich zu koordinieren? Zuerst wird erklärt, wie ein Controlling von determinierten Entscheidungen gestaltet sein könnte (4.1.). Das zweite Unterkapitel bezieht sich auf eine veränderte Unternehmensorganisation, die ähnlich dezentral und komplex wie das Entscheidungssystem nach deterministischer Auffassung aufgebaut ist (4.2.). Zuletzt werden Argumente für das Existieren von Controllingsystemen gegeben (4.3.).
In einem abschließenden Fazit (5.) werden neue Forschungsrichtungen für die neuroökonomische Wissenschaft und das Verhältnis zwischen einem im vorherigen Kapitel entwickelten Controllingsystem und determinierten Entscheidungen in zusammenfassender Form dargestellt.
1.4. Wissenschaftstheoretische Grundlagen
1.4.1. Definition: Wissenschaftstheorie
Entsprechend der Forderung von Chmielewicz, Definitionen am Anfang einer wissenschaftlichen Abhandlung zu setzen, werden im Folgenden die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der vorliegenden Diplomarbeit erklärt.[1] Wissenschaft wird nach Schülein/Reitze folgendermaßen definiert.
„Wissenschaft ist eine Sonderform von institutionalisierter Reflexion, die aus bestimmten historischen Umständen hervorgegangen und in ihrer Entwicklung eng mit der Dynamik moderner Gesellschaften verbunden ist. Für sie gilt immer, dass sie in ihrer Entwicklung und Funktionsweise von bestimmten Rahmenbedingung abhängig bzw. darauf bezogen ist.“[2]
Theorien versuchen dabei, die aus der Reflexion gewonnene Realität zu erklären. Sie geben bewiesenes Wissen wieder und „formulieren Gesetzmäßigkeiten, die die Welt in eine bestimmte Ordnung bringen“[3]. Das Ziel von Theorien ist ein „ logischer Zugang zur Welt“[4], der auch in der vorliegenden Diplomarbeit verfolgt wird. Bei Chmielewicz wird Theorie in Abgrenzung zur Praxis erklärt:
„Theorie ist, unabhängig von den jeweiligen Besonderheiten ihrer Institutionalisierung, die Form, die Reflexion dann entwickeln kann, wenn sie sich lösen kann von den Zwängen der Praxis [...].Theorien [sind] die Idealform (institutionalisierter) Reflexion.“[5]
Wissenschaftstheorie, oder Epistemologie, widmet sich demnach der speziellen Problemlage der Sonderform Wissenschaft und muss „die Funktionsweise einer besonderen Form von institutionalisierter Erkenntnis erfassen und begreifen“[6]. Epistemologie wird als die „ Lehre von der Wissenschaft bzw. [...] Wissenschaftswissenschaft “[7] bezeichnet. Sie ist eine Metawissenschaft, die sich entgegen der „Realwissenschaft [nicht] [...] mit realen Phänomenen der Erfahrungswelt als Objekt beschäftigt, [sondern] [...] mit den Aussagensystemen der Wissenschaft, insbes. der Realwissenschaft als Objekt“[8]. Zweck der Wissenschaftstheorie ist es demnach, in einer Metaebene, also in einer Ebene, in der Aussagen über Aussagen getroffen werden, eine rationale, wissenschaftliche Bearbeitung zu gewährleisten.[9] Epistemologie untersucht dabei „die wissenschaftliche Erkenntnis und damit die Struktur wissenschaftlicher Theorien“[10]. Auch Lauth/Sareiter definieren Wissenschaftstheorie als die Befassung mit logischen und methodischen Grundlagen.[11]
1.4.2. Notwendigkeit der Wissenschaftstheorie
Die Notwendigkeit der Beschäftigung mit Wissenschaftstheorie zu Beginn einer jeden wissenschaftlichen Abhandlung unterstreicht Chmielewicz mit folgenden Argumenten[12]:
-Erstens sollte sowohl die Wissenschaftstheorie per se als auch die wissenschaftliche Abhandlung auf rationalen Überlegungen basieren.
- Zweitens muss der wissenschaftlich Geschulte die methodologischen Spielregeln kennen. Von diesen kann er sich während der wissenschaftlichen Arbeit leiten lassen.
- Drittens besitzt die Wissenschaftstheorie ebenfalls eine gesellschaftskritische und aufklärerische Komponente, die beispielsweise unbegründbare oder dogmatische Aussagen als solche entlarven kann.
- Viertens unterstützt die Wissenschaftstheorie den Verfasser der wissenschaftlichen Arbeit bei der Vermeidung methodischer Fehler.
Die Beschäftigung mit Wissenschaftstheorie gilt gleichermaßen für die Betriebswirtschaftslehre als Orientierungshilfe, da auch dort unrationales Vorgehen, das zu einseitigen, dogmatischen Aussagen führen kann, vermieden werden soll.[13]
1.4.3. Forschungskonzeptionen
Um (wirtschafts-)wissenschaftliche Problemstellungen lösen zu können, muss laut Chmielewicz unterschieden werden, welche Forschungskonzeption für das Erreichen eines bestimmten Wissenschaftsziels am sinnvollsten ist. Er nennt dabei vier grundsätzliche Arten von Forschungskonzeptionen:[14]
· „Die Begriffslehre [...] begnügt sich mit der Bildung und Präzisierung von Begriffen und Definitionen“[15]. In Anlehnung an Popper sieht Chmielewicz die Aufgabe der Wissenschaft innerhalb dieser Forschungskonzeption, „das Wesen (die Essenz) der Dinge in möglichst exakten Definitionen zu erfassen“[16]. Raffée betont ebenfalls, dass „Aussagen über die Realität nur dann überprüfbar sind, wenn die Tatbestände, auf die sie sich beziehen, definiert sind“[17] Begriffe, die in der Diplomarbeit verwendet werden, werden zu Beginn der jeweiligen (Unter-)Kapitel definiert und dann im Verlauf der weiteren Abhandlung schrittweise präzisiert. Aussagen, die sich aus der Definition von Begriffen und der Untersuchung des Stoffes ergeben, sind dabei wiederum Grundlage für die Definition neuer Begriffe und Aussagen. Bereits eingeführte Begriffe werden jedoch auch „umdefiniert, um noch präzisere Aussagen bilden zu können“[18]. Ersichtlich wird dieser zyklische Prozess in folgender Abbildung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Begriffs- und Aussagenbildung als zyklischer Prozess
(Quelle: Chmielewicz (1994), S. 59)
In den folgenden Kapiteln wird zwischen Begriff und Aussagen nach obigem, dynamischen Erkenntnisprozess verfahren.
- „Die [Wirtschafts-]Theorie [...] verwendet [definierte] Begriffe als Elemente von theoretischen Aussagen“[19]. Die bloße Definition von Begriffen als Selbstzweck ist nicht die einzige Aufgabe der Wissenschaft; vielmehr muss untersucht werden, ob „sich damit leistungsfähige Aussagen bis hin zu umfassenden Theorien bilden lassen“[20]. Diese Aussagen müssen sowohl logisch und faktisch wahr sein[21], als auch einen Informationsgehalt besitzen.[22] Darüber sollte aus ihr auch ein wissenschaftlicher Fortschritt für die Gesellschaft oder Menschheit erwachsen.[23]
- „Die [Wirtschafts-]Technologie [...] basiert auf diesen theoretischen Aussagen und formt sie technologisch (instrumental, final, teleologisch, praxeologisch) um, indem die Wirkungen im ganzen oder zum Teil als Ziele angestrebt und dafür Ursachen, soweit sie gestaltbar sind, als Mittel herbeigeführt werden.“[24] Die Wirtschaftstechnologie erstellt demnach ein Zielsystem und formt Ursache/Wirkungs-Zusammenhänge in Zweck/Mittel-Zusammenhänge[25] um. Mittel sind dabei im Gegensatz zu Ursachen stets von Menschen beeinflussbar.[26] Die Technologie ist hierbei eine „anwendungsbezogene Umformung der Theorie“[27] und sollte der Konzeption nach werturteilsfrei sein[28].
- „Die [Wirtschafts-]Philosophie [...] legt die Technologie zugrunde und formuliert Werturteile“[29] über die verfolgten Ziele in der Technologie[30]. Nach Raffée können Aussagen „als Werturteile betrachtet werden, wenn sie einen auszeichnenden Realitätsbezug, eine implizite Bezugnahme auf Prinzipien und eine präskriptive Erwartung enthalten“[31]. Der Wirtschaftsphilosophie fehlt im Gegensatz zur Theorie und Technologie der Wahrheitswert, wobei dieser durch die normative Gültigkeit ersetzt wird[32].
Die vorliegende Diplomarbeit untersucht, wie bereits oben erwähnt, die Auswirkung möglicher determinierter Entscheidungen auf die Beziehung zwischen Controlling und Management. Daher wird als Forschungskonzeption sowohl die Wirtschaftstheorie, also die Frage nach nicht beeinflussbaren Ursache/Wirkungs-Zusammenhängen, als auch die Wirtschaftstechnologie, also die Frage nach beeinflussbaren Zweck/Mittel-Beziehungen, angewandt. In einem zweiten Schritt soll auch ein Werturteil hinsichtlich der Ausgestaltung des Controllings abgegeben werden, falls zumindest ein Teil der Entscheidungen des Managements determiniert ist. Daher wird dort die Forschungskonzeption der Wirtschaftsphilosophie angewandt.
2. Controlling und Management
2.1. Grundsätze und Definitionen
In der vorliegenden Diplomarbeit werden ausschließlich Entscheidungssysteme in Unternehmen untersucht, in denen eine dezidierte, vom Management getrennte Controlling-Funktion bzw. Controlling-Abteilung, bestehend aus wenigstens einer Halbzeitkraft, vorhanden ist. Erst dann ist rein logisch eine Unterscheidung und eine Untersuchung der gegenseitigen Beeinflussung von Entscheidungen von Managern und Controllern sinnvoll.[33]
Die enge Zusammenarbeit von Management und Controlling führt dazu, dass in der Literatur zahlreiche Abgrenzungsversuche existieren. Die Grenzen sind oftmals unterschiedlich gezogen, wodurch zahlreiche Überschneidungen hinsichtlich der Definition der verschiedenen Aufgabenbereiche entstehen. In der vorliegenden Diplomarbeit wird davon ausgegangen, dass Manager in den Bereichen Unternehmensführung, Management und Leadership tätig sind. Alle drei Bereiche beschreiben dabei das Führen von Unternehmen, jeweils aus anderen Blickwinkeln. Die Benützung des Begriffs Unternehmensführung betont die Führung des Unternehmens durch zielorientierte Leitung, Management ist die operative Lenkung des Unternehmens und Leadership bezeichnet personelle Aspekte der Führung.[34] Das Controlling als Managementunterstützung bleibt, solange es sich nicht um Führung oder Leitung handelt, in Unternehmen mit Controlling-Abteilungen fast ausschließlich den Controllern überlassen. Dies deshalb, da sich im deutschen Sprachgebrauch „Controlling“ als die institutionalisierte koordinierende Funktion der Informations- und Planungsunterstützung eingebürgert hat.[35]
2.1.1. Management
In der vorliegenden Diplomarbeit wird der Begriff Management sowohl in seiner Form als Funktions- und Aufgabenbereich für Personen oder Personengruppen, als auch als Institution, Personenkreis oder Hierarchieebene in der Unternehmensorganisation (z.B.: „Das Top-Management des Unternehmens“) gebraucht. Wenn betont werden soll, dass es sich um Personen handelt, die im Management Funktionen innehaben oder dort Aufgaben ausführen, so werden die Begriffe Manager, Führungsverantwortlicher, Leiter und ähnliche, klar personelle Bezeichnungen verwendet.
Die Definition von Management erscheint allein schon deshalb schwierig, da es ein aus dem Englischen in das Deutsche übernommener Begriff ist. Management stammt vom Englischen to manage = führen, leiten[36] und geht über das Italienische maneggiare = handhaben, bewerkstelligen auf das Lateinische manus = Hand zurück.[37] Gebräuchliche Übersetzungen des englischen Begriffs sind u.a.: Betriebsleitung, Direktion, Führung, Geschäftsführung, Handhabung, Leitung, Unternehmensführung, Verwaltung und Wirtschaftsführung.[38] Zur Definition von Management wird hier bewusst auf deutschsprachige Literatur verwiesen, um dem Problem einer Übersetzung der Begriffsdefinition aus dem Englischen entgegenzuwirken.
Nach Drucker ist das Management bzw. der Manager metaphorisch gesehen gleichzeitig Komponist der Partitur/Produktionsmittel und Dirigent des Orchesters/Unternehmens. Der Manager muss die Gesamtleistung des Unternehmens im Auge haben. Zweitens muss er alle Tätigkeiten und Erfordernisse des Unternehmens koordinieren. Der Manager erschafft also einerseits Dinge, und ist gleichzeitig für die Führung und Koordination dieser von ihm erschaffenen Dinge verantwortlich.[39] Aufgaben des Managements sind innovative Lösungen in einem zu gestaltenden Bereich. Management bedeutet, konkrete Ziele zu vereinbaren und die Umsetzung zu überwachen.[40] Bartz bezieht sich in seiner Definition fast ausschließlich auf den personellen Bedeutungssinn von Management. Er beschreibt jedoch auch die Aufgaben, so sind das Planung, Entscheidung, Organisation und Kontrolle.[41] Rittershofer erklärt Management nur in seiner institutionellen Rolle als Personenkreis bzw. Hierarchieebene.[42] Die weitaus umfangreichste und genaueste Definition befindet sich hingegen im Gabler Wirtschaftslexikon unter „II. M[anagement] als Funktion:
Tätigkeiten, die von Führungskräften in allen Bereichen der Unternehmung (Personalwirtschaft, Beschaffung, Absatz, Verwaltung, Finanzierung etc.) in Erfüllung ihrer Führungsaufgabe [...] zu erbringen sind. Häufig wird hier zwischen Plan, Realisierung und Kontrolle differenziert. – a) Zur Planung zählen die Problem- und Aufgabendefinition, die Zielsetzung, die Alternativenplanung und die Entscheidung. – b) Die Realisierung umfasst die Organisation, die Information, Kommunikation, Motivation der Mitarbeiter und deren Koordination. – c) Die Kontrolle besteht aus Rückmeldung, Soll/Ist-Vergleich für die weitere Planung und Steuerung.“[43]
Sowohl im Wirtschafts-Lexikon Kyrers als auch im Gabler Wirtschaftslexikon besitzen die Management-Bereiche Zielfestsetzung und Planung sowie Überwachung und Kontrolle eine große Nähe zum Controlling.
2.1.2. Controlling
Der Begriff Controlling, an sich ein englischer Begriff, wurde von Deyhle in den 70er Jahren als Unterstützungsfunktion für die Unternehmensführung in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt. Rück-Übersetzungen des deutschen Begriffs ins Englische sind control und supervision[44] , management control und accounting control. Besonders die Bedeutung des Begriffs control lässt darauf schließen, dass Controlling in engem Zusammenhang mit Leitung, Lenkung, Beeinflussung und Beherrschbarkeit steht.[45] Die spezifischen Aufgaben des Controllers im Unternehmen werden mit controllership bezeichnet.[46]
Der etymologisch Ursprung des Begriffs Controller stammt vom mittelalterlichen Latein contra rolatus = Gegenrolle. Sie war „die Bezeichnung für eine zweite – für Kontrollzwecke vorgenommene – Aufzeichnung über eingehende bzw. ausgehende Güter und Gelder“[47].
Obwohl in der Wirtschafts- und Controlling-Literatur verschiedenste Ansätze existieren[48] (siehe dazu später, 2.2.), bezeichnet Controlling „in einer sehr weiten Auslegung die Versorgung von Führungsverantwortlichen mit entscheidungsrelevanten Informationen“[49]. Laut Schultes Lexikon des Controlling herrscht Konsens darüber, dass Controlling eine Managementfunktion ist, die der zielorientierten Steuerung der Unternehmensprozesse durch Planung, Informationsversorgung und Kontrolle dient. Sie ist für betriebliche Informationsrechnungen verantwortlich und unterstützt das Management durch Koordination und Integration von Verantwortungsbereichen.[50] Ähnlich erklärt Peemöller die Grundfunktionen des Controllings, nämlich Planung, Kontrolle, Informationsversorgung und Steuerung.[51]
Demnach existieren nach Zusammenfassung aller Definitionsansätze einige grundsätzliche Aufgaben des Controllings. Dabei werden je nach Autor verschiedene Aufgabenbereiche wie Informations-, Planungs-, Kontroll- und Koordinations-Funktion betont. Folgende exemplarische Zusammenstellung der Definitionsversuche bzw. Auffassungen unterstreicht diese These:
- Deyhle: „Zusammengefasst heißt Controlling: Rechnen und planen und Mitarbeiter überzeugen, dass sie dabei mitmachen.“[52] Er betont nur eine Unterstützungsfunktion durch das Controlling.
- Rittershofer: Controlling ist ein „Führungsinstrument zur Koordination und Kontrolle unternehmerischer Zielvorgaben“[53]. Er betont die Informationsfunktion, weist dem Controlling eine „Vordenkerrolle“ hinsichtlich der strategischen Unternehmensführung zu und grenzt das Controlling von der vergangenheitsorientierten internen Revision ab.
- Hahn: „Controlling ist primär eine Führungsunterstützungsfunktion zur informationellen Sicherung ergebnisorientierter Unternehmensführung. Als Führungsphilosophie verlangt es, das gesamte Entscheiden und Handeln in der Unternehmung ergebnisorientiert auszurichten. Controller üben zudem als Führungskräfte originäre Führungsfunktionen aus.“[54] Er misst Controllern eine exekutive Aufgabe innerhalb der Führung des Unternehmens zu.
- Mayer: „Controller bemühen sich, mit Hilfe ihres Navigationsbestecks – den Werkzeugkästen – als betriebswirtschaftliche Fluglotsen ihr Unternehmen in die Gewinnzone zu steuern.“[55] Mayer erlaubt Controllern ähnlich wie Hahn eine Funktion innerhalb der Steuerung bzw. Führung des Unternehmens.
- Hórvath: „Controlling ist – funktional gesehen – dasjenige Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt. Controlling stellt damit eine Unterstützung der Führung dar: Es ermöglicht ihr, das Gesamtsystem ergebniszielorientiert an Umweltänderungen anzupassen und die Koordinationsaufgaben hinsichtlich des operativen Systems wahrzunehmen.“[56] Für ihn ist Controlling zwar ebenfalls ein Teil der Führung, jedoch übt Controlling primär Führung nicht aus, sondern unterstützt sie.
2.1.3. Aufgabenteilung zwischen Manager und Controller
Bezüglich der Aufgaben von Managern und Controllern im Controlling bietet die Schnittmengendarstellung der International Group of Controlling Relevanz:[57]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Verantwortungsbereiche von Managern und Controllern
(Quelle: International Group of Controlling (2005), S. 58)
Controlling wird nach der International Group of Controlling und Hórvath nicht nur vom Controller, sondern auch vom Manager durchgeführt. Manager sind ergebnisverantwortlich als Projekt-, Produkt- und Bereichsverantwortliche sowie für strategische Erfolgspositionen. Controller sind transparenzverantwortlich mit Informations-Service, Entscheidungs-Service und Koordinations-Service sowie als Planungsmoderator.[58]
[...]
[1] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 59.
[2] Schülein/Reitze (2005), S. 25.
[3] Popper (1994), S. 14 ff.; Ruß (2004), S. 81 ff., zitiert nach Kirsch/Seidl/van Aaken (2007), S. 7.
[4] Schülein/Reitze (2005), S. 221.
[5] Schülein/Reitze (2005), S. 21.
[6] Schülein/Reitze (2005), S. 26.
[7] Raffée (1993), S. 17.
[8] Chmielewicz (1994), S. 34.
[9] Vgl. Raffée (1993), S. 17-20.
[10] Lütge (2001), S. 18.
[11] Vgl. Lauth/Sareiter (2005), S. 12.
[12] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 5-6.
[13] Vgl. Raffée (1993), S. 20.
[14] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 8-17.
[15] Chmielewicz (1994), S. 10.
[16] Chmielewicz (1994), S. 49.
[17] Raffée (1993), S. 28.
[18] Chmielewicz (1994), S. 59.
[19] Chmielewicz (1994), S. 11.
[20] Chmielewicz (1994), S. 11.
[21] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 90-98.
[22] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 123-124.
[23] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 132.
[24] Chmielewicz (1994), S. 11.
[25] Vgl. Kirsch (2007), S. 176.
[26] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 12-14.
[27] Chmielewicz (1994), S. 182.
[28] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 276-277.
[29] Chmielewicz (1994), S. 14.
[30] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 207-208.
[31] Raffée (1993), S. 45.
[32] Vgl. Chmielewicz (1994), S. 216-217.
[33] In Unternehmen, in denen die Funktionen Management und Controlling nicht getrennt sind, ist der Unternehmensführer gleichzeitig Manager, Controller, Finanzchef, Personalchef etc. Dort macht es keinen Sinn, zwischen Entscheidungen ein und derselben Person in verschiedenen Aufgabenbereichen und deren Einfluss aufeinander zu unterscheiden.
[34] Vgl. Inhalt und Folien der Vorlesung „Unternehmensführung und Controlling“ (Prof. Dr. Speckbacher), Institut für Unternehmensführung, Controlling und Beratung, Wirtschaftsuniversität Wien.
[35] Vgl. Hórvath (2009), S. 18.
[36] Vgl. Rittershofer (2002), S. 646.
[37] Vgl. Bartz (2002), S. 299.
[38] Vgl. Leo 1, 06.03.2009.
[39] Vgl. Drucker (1970), S. 407-409.
[40] Vgl. Kyrer (2001), S. 352.
[41] Vgl. Bartz (2002), S. 299.
[42] Vgl. Rittershofer (2002), S. 646.
[43] Gabler (2004), S. 1964.
[44] Vgl. Leo 2, 07.03.2009.
[45] Vgl. Steinle/Daum (2007), S. 7.
[46] Vgl. Hórvath (2009), S. 18.
[47] Hórvath (2009), S. 20.
[48] Vgl. Gabler (2004), S. 618.
[49] Hórvath/Reichmann (2003), S. 122; vgl. Littkemann (2006), S. 10.
[50] Vgl. Schulte (1996), S. 144 ff.
[51] Vgl. Peemöller (2005), S. 39 ff.
[52] Deyhle (1984), S. 35.
[53] Rittershofer (2002), S. 219-220.
[54] Hahn (1997), S. 21.
[55] Mayer/Mann (1990), S. 46 f.
[56] Hórvath (2009), S. 125.
[57] Vgl. IGC (2005), S. 58.
[58] Vgl. Hórvath (2009), S. 18.
- Arbeit zitieren
- Roman Wachtel (Autor:in), 2009, Der Freie Wille und Controlling, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157329
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