Grundsätzlich ist die Schwierigkeit hervorzuheben, eine polnische
Minderheit in Oberschlesien überhaupt zu definieren, während man
zumindest die deutschstämmigen Einheimischen ohne größeres Nachdenken
objektiv zur deutschen Minderheit rechnen kann. Eigentlich sichere
Kriterien für nationale Zugehörigkeit, wie die Sprache, versagen im Falle dieser Region. Mit der Schaffung der Minderheitsschulen kam ein weiteres Zugehörigkeitskriterium hinzu, dass trotz seiner Außenwirkung, die individuelle nationale Zugehörigkeit nicht immer den Tatsachen entsprechend wiedergab. Viele national indifferente Oberschlesier handelten in dieser schwierigen Zeit aus pragmatischen Erwägungen, ließen sich durch Hilfsleistungen der jeweiligen Minderheit zur Anmeldung ihrer Kinder an Minderheitsschulen bewegen oder gaben im umgekehrten Falle dem
öffentlichen Druck nach und schickten ihre Kinder wieder auf die
Mehrheitsschulen.
Einen regelrechten administrativen Kampf gegen die Einrichtung und das Bestehen von Minderheitsschulen lieferten sich insbesondere die polnischen Behörden auf allen administrativen Ebenen mit den Vertretern der deutschen Minderheitsorgane. Für sie bedeutete jede neu errichtete Minderheitsschule den Verlust weiterer Kinder für die polnische Nation. Gleichzeitig stieg mit polnischen Augen gesehen die Anzahl des deutschen Elements auf polnischem Boden, was als große Gefahr wahrgenommen wurde. Zudem war das Unverständnis gegenüber einer Situation immens, in der polnischsprachige Menschen sich als Deutsche bezeichneten und Polen gegenüber negativ und misstrauisch standen. Da der nationale Kampf in die Schulen hineinragte, kam der Lehrerschaft eine besondere Bedeutung zu. Sie war dafür verantwortlich, die Kinder im 37 nationalen Geiste zu erziehen und für das Vaterland zu gewinnen. Sofern diese Aufgabe im polnischen Teil Oberschlesiens aufgrund der verfügbaren deutschen Lehrer ohne weiteres möglich war, war sie im deutschen Teil schlicht nicht ausführbar. Da es dort keine polnische Lehrerschaft gab,genügte der polnische Sprachunterricht nicht den einfachsten Anforderungen, ganz zu schweigen von der Vermittlung polnischer Kultur, Literatur oder Geschichte.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Einleitung
- Problem- und Fragestellung
- Terminologie
- Methodik
- Forschungsstand und Quellenlage
- Ausgangssituation
- Die Sprachrealitäten in Oberschlesien
- Das preußische Schulwesen in Oberschlesien
- Regelung des Minderheitenschulwesens in der Genfer Konvention
- Motivationen und Denkmuster
- Schulwahl als Kriterium individueller nationaler Zugehörigkeit
- Pragmatismus als Handlungsmotiv
- Kampf um die Gunst der Oberschlesier
- Gesellschaftlicher Druck auf Erziehungsberechtigte und Kinder
- Minderheitsschulen zwischen Einrichtung und Schließung
- Vorgehen örtlicher Behörden gegen die Einrichtung von Minderheitsschulen
- Reaktionen höherer Dienststellen auf Eingaben an den Präsidenten der Gemischten Kommission
- Sprache - ein objektives Differenzkriterium?
- Lehrerschaft an Minderheitsschulen und Vermittlung nationalen Geistes
- Anforderungen an Minderheitsschullehrer gemäß der Genfer Konvention
- Lehrerschaft an deutschen Minderheitsschulen
- Lehrerschaft an polnischen Minderheitsschulen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Geschichte des Minderheitenschulwesens im geteilten Oberschlesien nach 1921. Sie analysiert die national motivierten Agitationen, die in diesem Kontext stattfanden, und beleuchtet die Rolle der Minderheitsschulen in der Vermittlung nationalen Bewusstseins.
- Die Motivationen und Denkmuster von Eltern bei der Entscheidung für den Besuch von Minderheitsschulen.
- Die Schwierigkeiten bei der Einrichtung und Aufrechterhaltung von Minderheitsschulen, insbesondere in der Wojewodschaft Schlesien.
- Die Rolle der Sprache als Kriterium nationaler Zugehörigkeit und die damit verbundenen Konflikte zwischen den Behörden und den Minderheiten.
- Die Bedeutung der Lehrerschaft für die Vermittlung nationalen Bewusstseins an Minderheitsschulen.
- Die unterschiedliche Situation von deutschen und polnischen Minderheitsschulen im geteilten Oberschlesien.
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung beleuchtet die Spannungen und Konflikte im geteilten Oberschlesien nach dem Ersten Weltkrieg und die Rolle der Schulen in der Vermittlung nationaler Identität.
- Das zweite Kapitel schildert die Sprachsituation in Oberschlesien, das preußische Schulsystem und die Bestimmungen der Genfer Konvention hinsichtlich des Minderheitenschulwesens.
- Das dritte Kapitel analysiert die Motivationen und Denkmuster von Eltern bei der Entscheidung für den Besuch von Minderheitsschulen. Es untersucht die Rolle von gesellschaftlichem Druck und pragmatischen Erwägungen bei der Wahl der Schule.
- Das vierte Kapitel befasst sich mit den Schwierigkeiten bei der Einrichtung und Aufrechterhaltung von Minderheitsschulen. Es zeigt, wie die polnischen Behörden die Einrichtung von deutschen Minderheitsschulen erschwerten und wie die Gemischte Kommission auf Beschwerden reagierte.
- Das fünfte Kapitel untersucht die Lehrerschaft an Minderheitsschulen und ihre Rolle bei der Vermittlung nationalen Bewusstseins. Es betrachtet die unterschiedlichen Anforderungen an Lehrer in deutschen und polnischen Minderheitsschulen.
Schlüsselwörter
Minderheitenschulwesen, Oberschlesien, nationale Agitation, Genfer Konvention, Sprache, nationale Identität, gesellschaftlicher Druck, Pragmatismus, Lehrerschaft, deutsche Minderheit, polnische Minderheit.
- Quote paper
- David Skrabania (Author), 2009, Das Minderheitenschulwesen im geteilten Oberschlesien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157179