Eudaimonia, das „von einem guten (eu) Geist (daimon) begünstigt oder beseelt sein“, ist der zentrale Begriff der aristotelischen Ethik. Verstanden als die „Glückseligkeit“ oder „das vollständig gelungene Leben“,1 ist die Eudaimonia das höchste anzustrebende Gut, das idealiter das Ziel allen Strebens in der persönlichen und politischen Praxis eines Menschen darstellt.
Dieses teleologische Verständnis menschlichen Seins und eines genuin menschlichen Guts ist der Philosophie der Neuzeit, mit einigen wenigen Ausnahmen, weitgehend abhandengekommen.
Die Philosophie getraut sich nicht mehr, das umfassende menschliche Glück zu definieren und lässt „in eudämonistischer Resignation die Individuen mit ihren Präferenzen alleine“.2 Infolge des „unüberwindbaren Pluralismus der Lebensentwürfe“ muss eine moderne Moraltheorie, will sie nicht Gefahr laufen, als subjektivistisch abgelehnt zu werden, „eine strikte Unabhängigkeit gegenüber jeder partikulären Sicht vom guten Leben wahren“.3
Trotz dieser grundsätzlichen Divergenz zwischen antiker und neuzeitlicher Philosophie ist das Interesse an der aristotelischen Ethik ungeschmälert und die Nikomachische Ethik zählt zu den Grundtexten des abendländischen Geistes überhaupt.4 Das liegt möglicherweise daran, dass einzelne Kapitel der Nikomachischen Ethik bis heute nichts an Aktualität verloren haben, so zum Beispiel die Bestimmungen über die Gerechtigkeit oder über die Freundschaft.
Vielleicht ist es auch die Hoffnung, das schlechthin Gute doch noch zu finden, vielleicht auch die Ziellosigkeit der neuzeitlichen Philosophie, die uns immer wieder zurückführt zu Aristoteles und seinem Konzept des gelungenen Lebens. Die Schriften von Alasdair MacIntyre5 oder Philippa Foot6, auf die ich am Schluss der Arbeit kurz eingehen werde, lassen jedenfalls vermuten, dass die moderne Philosophie der antiken nicht notwendig überlegen und deshalb vorzuziehen ist.
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1 Höffe (2005b), S.216.
2 Kersting (2005), S.199.
3 Hübenthal (2002), S.90.
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG
- DIE SUCHE NACH DER GLÜCKSELIGKEIT
- Das höchste Gut
- Die Stellung des höchsten Gutes
- Die Natur des Menschen
- DAS GLÜCKSELIGE LEBEN
- Das kontemplative Leben des Philosophen
- Zurück in die Realität
- Die Eudaimonia des Menschen
- Die Rolle der Klugheit
- Das Staaten bildende Wesen
- Das kontemplative Leben des Philosophen
- SCHLUSSBEMERKUNGEN
- Von Göttern und Menschen
- Aussicht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem aristotelischen Begriff der Eudaimonia, der im Text als „Glückseligkeit“ oder „das vollständig gelungene Leben“ definiert wird. Das Ziel der Arbeit ist es, dieses Konzept im Detail zu analysieren und seine Bedeutung im Kontext der aristotelischen Ethik aufzuzeigen. Die Arbeit beleuchtet die teleologische Argumentation von Aristoteles und die besondere Stellung der Eudaimonia innerhalb seiner Philosophie. Dabei wird die Frage aufgeworfen, wie man das gute Leben im Sinne des Aristoteles überhaupt definieren kann und wie es sich mit modernen eudämonistischen Konzepten des guten Lebens verhält.
- Das teleologische Argument von Aristoteles
- Die Eudaimonia als höchstes Gut im aristotelischen Sinne
- Das kontemplative Leben des Philosophen als ein mögliches Lebensmodell
- Das Leben innerhalb der Gemeinschaft und das gute Handeln als ein weiteres Lebensmodell
- Die Bedeutung des Begriffs Eudaimonia im Vergleich zu modernen eudämonistischen Ansätzen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit beschäftigt sich mit dem teleologischen Argument von Aristoteles, das die Grundlage für seine Ethik bildet. Dabei wird die Frage nach dem höchsten Gut in der aristotelischen Philosophie beleuchtet. Es wird darauf hingewiesen, dass das gute Leben bei Aristoteles kein absolut einheitliches Konzept ist, sondern zwei unterschiedliche Auslegungen zulässt. So stellt das erste Kapitel verschiedene Interpretationen der Stellung des höchsten Gutes innerhalb einer Hierarchie von Gütern dar. Es wird deutlich, dass das gute Leben bei Aristoteles sowohl das Leben der korrekten Taten und des guten Handelns innerhalb der Gemeinschaft als auch das selbstgenügsame, kontemplative Dasein des Philosophen beinhaltet.
Das zweite Kapitel setzt sich mit den beiden unterschiedlichen Bestimmungen des guten Lebens auseinander. Es beleuchtet das kontemplative Leben des Philosophen und das Leben innerhalb der Gemeinschaft und dessen Bedeutung im Kontext der Eudaimonia. Dieses Kapitel analysiert die Rolle der Klugheit und das Staatenbildende Wesen des Menschen in Bezug auf das gute Leben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der aristotelischen Ethik, insbesondere der Eudaimonia als dem Ziel des menschlichen Lebens. Wichtige Schlüsselwörter sind: Teleologie, höchstes Gut, Glückseligkeit, kontemplatives Leben, politisches Leben, Gerechtigkeit, Freundschaft, Klugheit, Staatenbildende Wesen.
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- Patrick Weber (Author), 2009, Eudaimonia. Die aristotelische Konzeption des vollkommenen Lebens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156714