Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwieweit Feminismus und Mediation „zusammenpassen“. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der weiblichen Sicht und Praxis der Mediation.
Der theoretische Teil widmet sich der Beschreibung der Welt- und Menschenbilder, die in der Mediation vertreten wurden und werden, sowie der Welt- und Menschenbilder, die mit dem Feminismus verknüpft sind. Die praktische Erforschung des Themas erfolgt durch zwei Gruppendiskussionen sowie anschließender Analyse derselben. Dabei haben
zum einen feministische Mediatorinnen miteinander diskutiert und zum anderen nichtfeministische Mediatorinnen.
Die Gruppendiskussionen haben gezeigt, dass zentrale Begriffe der Mediation wie Neutralität oder Allparteilichkeit nicht haltbar sind. Dasselbe gilt für die Freiwilligkeit. Sofern von einem weiblichen Mediationsverständnis ausgegangen wird, das mit den üblichen Vorgaben bricht, zeigt sich, dass Feminismus und Mediation nicht nur gut zueinander passen sondern einander verstärken. Mediation ist weiblich.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort und Danksagung
Einleitung
1 Theoretische Annäherung
1.1 Feminismus
1.1.1 Theoretische Annäherung – Feminismus
1.1.2 Feminismus – Wurzeln und Entwicklung
1.1.3 Das generische Maskulin
1.1.4 Geschlechterdifferenz
1.1.5 Identität, Sex, Gender und Queer
1.2 Mediation
1.2.1 Geschichte der Mediation
1.2.2 Weltbild der Mediation
1.2.3 Allparteilichkeit
1.2.4 Gerechtigkeit
2 Empirischer Teil
2.1 Erkenntnisinteresse
2.2 Die Gruppendiskussion als Methode
2.3 Vorarbeiten und Aufbau der Gruppendiskussionen
2.4 Beschreibungen und Einzelauswertungen
2.4.1 Die Gruppe der Nicht-Feministinnen – Auswertung
2.4.2 Die Gruppe der Nicht-Feministinnen – zusammenfassende Beschreibung
2.4.3 Die Gruppe der Feministinnen – Auswertung
2.4.4 Die Gruppe der Feministinnen – zusammenfassende Beschreibung
2.5 Beantwortung der Forschungsfragen – beide Gruppen
3 Zusammenfassung und Ausblick
3.1 Zusammenfassung
3.2 Ausblick
4 Literaturverzeichnis
5 Abbildungsverzeichnis
Vorwort und Danksagung
Bereits bei meiner ersten Mediation ist mir ein Auseinanderklaffen von Theorie, wie sie in der Ausbildung zur Mediatorin gelehrt wird, und Praxis, wie und unter welchen Voraussetzungen Mediation tatsächlich passiert, aufgefallen. Besonders die Forderungen der Freiwilligkeit und der Allparteilichkeit in der Mediation hinterließen ein Gefühl des Zweifelns, hatte ich doch erlebt, dass eine Frau sicher nicht so freiwillig, sondern mehr aus Angst ansonst ihre Arbeitsstelle zu verlieren zur Mediation kam, und auch, dass es mir als Mediatorin nicht gelang allparteilich zu sein – vor allem, wenn Ereignisse geschildert wurden, die ich als ungerecht empfand. Diese Zweifel an der Theorie bestätigten sich im Lauf der Zeit immer wieder, sodass ich beschloss mich noch einmal und gründlicher damit zu beschäftigen. Im Zuge dessen entstand diese Arbeit.
Bedanken möchte ich mich besonders bei meinem Betreuer Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Benetka für die intensive Diskussion, Klärung und Erweiterung des Themas und für die wertvollen Hinweise, die ich von ihm erhalten habe. Meiner Betreuerin Frau Maga. Stefanie Granzner-Stuhr, M.A., möchte ich ebenfalls von Herzen Danke sagen. Sie hat mir ihr Fachwissen und ihre Kompetenz mit einer Selbstverständlichkeit zur Verfügung gestellt, die heute schon selten zu finden ist. Beiden danke ich für das große teilnehmende Interesse, mit dem sie mich unterstützt und ermutigt haben. Ich habe mich außerordentlich gut betreut gefühlt.
Mein herzlicher Dank gilt auch den Diskutantinnen, die mir die „Diskussionsleitung“ so leicht gemacht haben. Ich bedanke mich für die zur Verfügung gestellte Zeit und Energie, für zwei äußerst spannende Diskussionen mit höchst interessanten Ergebnissen. Ich freue mich sehr darüber.
Abschließend danke ich all jenen Personen, die mir mit Anregungen, Hinweisen und Klärungen zur Seite gestanden sind, und die die mühevolle Arbeit des Korrektur Lesens geleistet haben: Prof. Dr. Yvanka B. Raynova, Walter Weinberger, Birgit Homola, Elfriede Löcker, Karoline Pfeffer, Walter Maria Elisabeth und Mag. Gerald Wippel.
Einleitung
In jeder Sprache kann das Geschlecht einer Person, auf die Bezug genommen wird, ausgedrückt werden.
Bettina Jobin
Der konkrete Anlass für diese Arbeit war die Tatsache, dass für die Masterthesis zum Upgrade „Master of Arts – M.A. (Mediation)“ bei der ARGE Bildungsmanagement in Wien im Jahr 2009/10 die Verwendung des generischen Maskulins – unter Hinweis auf eine bessere oder leichtere Lesbarkeit des Textes – gestattet ist. Sofort stellte sich die Frage: Warum wird im Bereich der wissenschaftlichen Literatur immer noch die Verwendung des generischen Maskulins gepflogen, das – vereinfacht gesagt – männliche Personenbezeichnungen in geschlechtsneutralisierender Form verwendet?
Da es viele Frauen gibt, die sich nicht mitgemeint bzw. sogar ausgeschlossen fühlen, wenn in Texten nur die männlichen Formen verwendet werden, waren die nächsten Fragen absehbar: Was geschieht, wenn im Studium und in der Arbeit vorrangig Texte zu finden sind, die in einer Sprache geschrieben sind, die Frauen zwar mitmeinen will, der das aber nicht gelingt? Wie verträgt sich das diesen wissenschaftlichen Texten zugrundeliegende Weltbild mit dem der Mediation zugrunde liegenden? Gibt es Unterschiede? Wenn ja, welche? Wie wird damit umgegangen? Welche Auswirkungen haben sie? Inwiefern ist ein Kernstück der Mediation – die Allparteilichkeit, welche die Gleichrangigkeit aller Parteien, damit auch die von Mann und Frau postuliert, davon betroffen? Welche Verzerrungen entstehen durch die zumindest teilweise Unsichtbarkeit von Frauen in der wissenschaftlichen Literatur? Welche Auswirkung hat das auf den Beruf, die Tätigkeit als Mediatorin? Ist oder muss feministische Mediation „anders“ sein?
1 Theoretische Annäherung
1.1 Feminismus
1.1.1 Theoretische Annäherung – Feminismus
Aber ich werfe unserer Zeit vor, daß sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.
Theresa von Avila
Ausgehend von diesen Fragestellungen war die Überlegung[1], dass die Verwendung oder Nichtverwendung des generischen Maskulins nur ein Aspekt eines größeren Ganzen ist, das betrachtet werden muss. Dabei handelt es sich um die feministischen Forderungen im Zusammenhang mit der Geschlechterdifferenz, die im Lauf der Zeit in unterschiedlichen Sichtweisen diskutiert wurden und werden – von der Konstruktion der Kategorien „weiblich“ und „männlich“, über die Differenzierung von „sex“ und „gender“ zur Dekonstruktion derselben und den Betrachtungen in den Queer-Theories.
Die feministische Forschung ist zugleich eine politische. Sie entstand, weil Frauen benachteiligt waren – und sind – um der Bewertung, Festschreibung und Behandlung von Frauen als minderwertig entgegen zu wirken. Auch wenn heute Frauen und Männer in Europa vor dem Gesetz gleichgestellt sind, so bezeugt die täglich erfahrene Praxis das Gegenteil. Das Versprechen der „Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit“ ist keineswegs bereits erfüllt.
Im Gegenteil – es bestehen nach wie vor die gleichen Naturalisierungen wie vor Generationen. Das heißt: es werden nach wie vor den Frauen bzw. den Männern bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten und Motivationen – als gleichsam ihrer „Natur“, ihrem „Wesen“ inhärent – zugeschrieben und zwar gerade auch im wissenschaftlichen Bereich (vgl. Schmitz, 2008, S. 246). Festgestellt wurde jedoch eine Verschiebung der Bewertung. Wurde früher die von Frauen geleistete Arbeit generell als weniger wertvoll angesehen, so ist das heute nicht mehr in allen Bereichen in dem Ausmaß der Fall. Einer der neueren Tricks ist es, besonders die Reproduktionsarbeit von Frauen als spezifische und für die Entwicklung der Menschheit wichtige Leistung hervorzuheben – zumindest verbal. Über eine entsprechende Entlohnung derselben wird nicht verhandelt. Frauen „gehören“ immer noch in die Ver- und Besorgung des Hauses, während Männer im Lebenskampf außerhalb des Hauses glänzen.
Diese seit Jahrhunderten unveränderten Zuschreibungen sind auch heute noch als naturgegebene Basis – genauso gut könnte hier auch gottgegebene Basis stehen – gesellschaftlich wirksam. Der Unterschied zu früher liegt ausschließlich in der Bewertung. Dennoch wurde – wieder einmal – mit Beginn des Neuen Jahrtausends das „Ende des Feminismus“ proklamiert. Einerseits sei er alt und überflüssig geworden, andererseits hätte „die Frau von heute“ ihn nicht nötig. Gerhard gibt dazu 2009 zur Antwort, dass: „[...] frauenspezifische Unrechtserfahrungen, die Verletzung persönlicher Integrität und Autonomie [...] in fast allen Kulturen selbstverständlicher Bestandteil der Geschlechterordnung und damit der Frauenrolle sind [...].“ (Gerhard, 2009a, S. 124). Es brauche daher: „[...] eine Bewegung, die die Rechte der Frauen in der Öffentlichkeit zur Sprache bringt.“ (ebd. S. 125).
Die Naturalisierungen selbst sind politisch und zu einem guten Teil auch wissenschaftlich nicht nur unangefochten sondern es erfolgt sogar eine Festigung derselben. So schreibt Schmitz: „Die Struktur der Gesellschaft – genauer der gesellschaftlichen Sozietäten von Menschengruppen beiderlei (und nur zweierlei) Geschlechts – erhält gleichzeitig ihre Begründung aus der biologischen Überlebensnarration. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sei die erfolgreichste Strategie der Frühmenschen im Kampf ums Dasein gewesen.“ (Schmitz, 2008, S. 247). Diese Verfestigung der Zuschreibungen bei gleichzeitiger verbaler Aufwertung der als weiblich definierten Leistungen dient primär dazu, den Status quo zu erhalten und damit der Ausgrenzung – nicht nur – von Frauen.
Auf die Erfüllung der aus den geschlechterdifferenten Lebensweisen entstandenen und entstehenden Forderungen, auf die Betrachtung und Beachtung der männlichen, der weiblichen und anderen Wirklichkeiten kann nicht verzichtet werden, solange eine Schlechterstellung – nicht nur – der Frauen tagtäglich erlebte Realität für den größten Teil der Weltbevölkerung ist. Es ist davon auszugehen, dass Frauen erst in der Mitte dieses Jahrtausends – also in ca. 490 Jahren! – in der Wirtschaft in Führungspositionen gleichberechtigt vertreten sein werden (vgl. Holland-Cunz, 2003, S. 7). Es kann daher nicht in Abrede gestellt werden, dass die Thematisierung der Geschlechterdifferenz auch heute, morgen und wohl auch übermorgen noch eine politische Aufgabe zu erfüllen hat.
1.1.2 Feminismus – Wurzeln und Entwicklung
Der Mensch stirbt in all jenen, welche schweigen angesichts von Tyrannei.
Wole Soyinka
Was alles unter Feminismus verstanden wird ist so vielfältig, dass sich die Frage stellt, ob es überhaupt so etwas wie eine Definition dafür gibt. Der Begriff Feminismus ist – laut Gerhard (2009) – in den 1880er Jahren von Hubertine Auclert geprägt worden, zur Kennzeichnung einer politischen Leitidee, die sich gegen die Männergesellschaft ihrer Zeit in Frankreich richtet.
Für diese Arbeit wird es genügen müssen darunter sowohl eine Theorienansammlung zu verstehen, die auf einen gesellschaftlichen Wandel besonders der Geschlechterhierarchien und der daraus resultierenden Benachteiligung abzielt, als auch das gemeinsame soziale Handeln (Bewegung) in diesem Sinne. French schreibt 1990 sinngemäß, dass der erste Schritt die Ablehnung aller patriarchalen Vorgaben ist, auf die Gefahr hinauf in einer Welt zu leben die aus „[...] einer Aneinanderreihung von „Du-sollst-nicht“-Geboten [...]“ (French, 1990, S. 712) besteht. Erst danach werde es möglich sein Alternativen zu entwickeln.
Diese Vorgaben zu erkennen, zu benennen und die Forderung der Frauenrechte als Menschenrechte zu stellen ist Olympe de Gouges in Frankreich angetreten. Sie spricht eine deutliche Sprache, wirft Männern Selbstherrlichkeit, Machtmissbrauch und tyrannische Herrschaft vor und beginnt die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin mit den Worten: „Mann bist du fähig gerecht zu sein?“ (de Gouges, 1791). De Gouges fordert die Anerkennung der Frauen als gleichberechtigte Menschen und erklärt eine jede Verfassung für „[...] null und nichtig, wenn die Mehrheit der Individuen, die die Nation darstellen, an ihrem Zustandekommen nicht mitgewirkt hat.“ (ebd.; vgl. auch Gerhard, 2009a, S. 17).
Ging es Olympe de Gouges primär um das Recht auf Gleichheit, so sah Mary Wollstonecraft in England vor allem das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung als unabdingbar an. In A Vindication of the Rights of Woman schreibt sie 1792 gegen die vorherrschende Meinung über die „Natur der Frau“ als eine dem Mann gefällige an. Sie appelliert an die Vernunft: „Die Vernunft verlangt, dass die Rechte der Frauen geachtet werden [...].“ und fordert die Berücksichtigung weiblicher Lebensweisen: „Die Frauen werden nie die ihrem Geschlecht eigentümlichen Pflichten erfüllen, [...], solange sie nicht frei sind, [...], unabhängig von dem Mann, [...].“ (Wollstonecraft , 1975/1976; zit. n. Gerhard, 2009a, S. 22f). Wollstonecraft legt große Wichtigkeit auf eine unterschiedliche „Natur“ von Frauen und Männern, sieht jedoch keineswegs Frauen als minderwertig an. Beiden Autorinnen gemeinsam ist die Grundidee, dass Frauen und Männer gleich an Rechten geboren sind, und dass diese Rechte den Frauen geraubt wurden und zurückgegeben werden müssen.
Es dauerte etwa 200 Jahre bis die Anerkennung der Forderung von Frauenrechten als Menschrechten eine grundsätzliche ist (vgl. Senghaas-Knobloch, 2006, S. 20). Innerhalb der Frauenbewegungen war diese Position umstritten. So hielt z. B.: die Deutsche Helene Lange 1924 die Gleichstellung von Frauen auf Basis des Menschenrechts für unangebracht in Deutschland (ebd. S. 23).
Dass auch heute die Anerkennung von Frauenrechten als Menschenrechten weltweit nicht gelungen ist, bezeugen zahllose Untersuchungen, Projekte, Lebenserfahrungen von Frauen, Berichte in Medien aller Art und sehr deutlich und klarsichtig auch die Kommission der europäischen Gemeinschaften im Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010: „Die Position von Frauen am Arbeitsmarkt spiegelt die von ihnen erzielten Fortschritte, einschließlich [...] der Bildung und der Forschung, nicht wider.“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2006; zit. nach Kahlert, 2009, S. 286f).
Die höchst interessante Fortsetzung des Textes lautet: „Diese Verschwendung von Humankapital kann sich die EU nicht leisten.“ (ebd.). Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Warum schellen nicht alle Alarmglocken laut wie Feuerwehrsirenen in allen feministischen und auch allen zumindest nicht menschen- und frauenfeindlichen Kreisen?
Es ist doch – schon auf sprachlicher Ebene betrachtet – offensichtlich, dass es hier nicht um Menschen, gleichgültig welchen Geschlechts (weiblich, männlich, sonstiges, konstruiert oder dekonstruiert), welcher Rasse, welcher Gesellschaft gehen kann. Es geht um Kapital, das mit Menschen gleichgesetzt wird und das verschwendet werden kann. Daraus ist abzuleiten, dass in der Europäischen „Gemeinschaft“ die Verschwendung bzw. Nichtverschwendung von Menschen Thema ist. Eine ekelerregende Idee?
Wozu „das Kapital“ zu dienen hat wird im nächsten Satz deutlich: „Gleichzeitig gefährden niedrige Geburtenraten und eine geringe Erwerbsbevölkerung die politische und wirtschaftliche Position der EU.“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2006; zit. nach Kahlert, 2009, S. 286f).
Es muss die Frage gestellt werden, ob „dieser Preis bezahlt“ werden darf! Ist das das, was Feminismus erreichen wollte und will? Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit als kapitalistische Notwendigkeit – eine Vision des Grauens? Muss daraus geschlossen werden, dass heute die Forderungen von damals gefährdeter denn je sind – und keineswegs nur für Frauen? Ist es heute mehr denn je dringendste Notwendigkeit dem Selbstläufer „freie“ Marktwirtschaft entschieden entgegenzutreten und mit French zuerst einmal radikal „Nein“ zu sagen?
Und wo sind die Männer angesichts der derzeitigen politischen Lage? Die an den ersten Weltkrieg erinnernde „Menschenmaterial“-Verschwendungs-Philosophie betrifft auch sie! Nicht nur hat der weltweite Feminismus nicht das Aller-allergeringste an seiner Notwendigkeit und Berechtigung eingebüßt, es fehlt auch eine weltweite Bewegung der Männer zur Forderung ihrer Rechte als Menschenrechte. Letzteres kann und wird der Feminismus nicht leisten.
Insofern genügt es heute nicht mehr, die de Gougessche Forderung nach Gerechtigkeit, die der Wollstonecraft nach Freiheit und beider Forderung nach Gleichheit an „die Männer“ zu adressieren. Es genügt noch nicht einmal diese Forderungen an „die Politiken“ – lokal oder international – zu stellen, doch auch dies muss getan werden. Zugleich sind diese Forderungen von jeder und jedem an jede und jeden einzelnen zu stellen und an sich selbst, denn es gilt die Verantwortung zu übernehmen. Das „Persönliche ist politisch!“ – der Ruf auch wider die staatliche Bevormundung der Neuen Frauenbewegung aus den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist in seiner Gesamtheit viel brisanter, als er damals schien.
1.1.3 Das generische Maskulin
Hätten wir das Wort, hätten wir die Sprache, wir bräuchten die Waffen nicht.
Ingeborg Bachmann
Unter dem generischen Maskulin wird die grammatisch männliche Form für Personenbezeichnungen verstanden, die sowohl weibliche als auch männliche Personen meint (vgl. Massner, 2009, S. 3). Zu Personen, die weder dem einen noch dem anderen Geschlecht eindeutig zuordenbar sind, oder die beiden Geschlechtern angehören wird keinerlei Stellung genommen – diese gibt es scheinbar nicht.
Dies hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Ob ein generisches Maskulin ein solches ist oder aber nicht, bleibt immer mit dem Makel der Unsicherheit behaftet. So kann zum Beispiel „der Landeshauptmann“ ein Mann sein, es könnte sich aber auch um die generisch maskuline Bezeichnung der Funktion „Landeshauptmann“ handeln, mit der z. B.: auch eine Frau gemeint sein kann (vgl. Hentschel & Weydt, 1990, S. 148).
Erhärtet wird das auch durch eine historisch relevante Tatsache: „In der Schweiz z. B. wurde Frauen das Wahlrecht unter anderem mit dem Hinweis vorenthalten, dass im Gesetz von Schweizern und nicht von Schweizerinnen die Rede war“ (Braun, Gottburgsen, Stahlberg, Sczesny, 1998, S. 266; zit. n. Klann-Delius, 2005). Spricht man von Schweizern wird die gedankliche Verbindung: Schweizer = Mann immer richtig sein. Die Verbindung Schweizer = Frau oder keinem oder beiden Geschlechtern zuordenbar ist fraglich, im obigen Beispiel ist sie falsch.
Die festgeschriebene Geschichte des generischen Maskulins ist eine relativ junge, wie Doleschal (2002) in ihrer Durchforstung der Grammatiken der deutschen Sprache zeigt. Es tritt als solches explizit niedergeschrieben erstmals im Jahr 1995 auf – und zwar im Duden.
[...]
[1] Diese Überlegung stammt von Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Benetka anlässlich der Besprechung des Themas des Masterthesis am 13.10.2009
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- Ulrike Bach (Author), 2010, Feminismus und Mediation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156515
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