Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir, und einer der zähesten Restbestände der klassischen Bildung, seit dem Altertum begegnet einem im Mythos vom Trojanischen Pferd, im Topos der Odyssee, einer Irrfahrt und in alltäglichen Begriffen wie ‚bezirzen’ oder ‚jemanden zur Sau machen’ – zugestanden: letzteres war nicht fein. Doch die Welt beider großer Epen des rätselhaften Dichters, den wir Homer nennen, sie fesselt die Menschen heute noch wie vor fast dreitausend Jahren. Der gesamte Sagenkreis um Troja und Irrfahrt des Königs von Ithaka stellt nicht nur das erste, sondern auch eines der fesselndsten, epischen literarischen Werke überhaupt dar. Dies mag in vielem seine Ursache haben, sicher aber auch in den Schwierigkeiten des Odysseus während der erstrebten Heimfahrt nach dem Ringen um Troja, den Komplikationen, die eine Begegnung mit diesem klugen Kopf mitunter haben kann, seinem listenreichen und bisweilen zynischen Vorgehen (um es freundlich zu formulieren), seinem Umgang mit anderen Figuren, seiner Demut und deren Zurschaustellung, und schließlich dem charakteristischen Merkmal, indem Max Horkheimer und Theodor Adorno den ersten aufgeklärten Menschen der Weltliteratur ausgemacht haben und an ihm auch das Wesen dieses Begriffs (Aufklärung) festmachen, seine Dialektik.Genau dies will die vorliegende Arbeit leisten, nämlich, sich dem Wesen dieser mythologischen Urfigur in der europäischen Literatur anzunähern und seine wesentlichen Züge herauszuarbeiten, um Antworten zu finden auf die Frage ‚Wie modern war Odysseus? Und was macht ihn zu einem modernen Menschen?’ Hierfür hält sie sich eher am Gehalt der Handlung fest als am buchstabengetreuen Zitat, aufgrund noch zu zeigender Umstände ist die Odyssee hierfür wesentlich interessanter als die Ilias, auf die nur am Rande und wenn dies notwendig erscheint, Bezug genommen wird. Einer dieser Umstände ist der, dass die für diese Arbeit zentrale Figur des Odysseus in der Ilias zwar vorkommt, aber erst in der Odyssee maßgeblich behandelt wird und vieles, was Odysseus angestellt haben soll, erst in der Odyssee erwähnt und beschrieben wird. Außerdem bringt der vorrangige Blick auf die Odyssee das Vergnügen, nicht jähzornigen Männern, sondern anmutigen und gescheiten Frauen beim Kampf mit den Gegebenheiten zuzusehen. Kirke, Penelope und Athene faszinieren nicht nur Odysseus, sie sind Wegbegleiterinnen auf dem Weg der nächsten Seiten, die einen Zugriff auf das Wesen des europäischen Menschen versuchen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Das doppelte Odysseus-Problem
- 2.1 Das Problem des Odysseus
- 2.2 Das Problem mit Odysseus
- 3. Die Wahl der Mittel
- 3.1. List und Tücke
- 3.2 Gutes Benehmen
- 3.3 Die Opfer und die Götter
- 4. Wieso eigentlich Aufklärung...?
- 4.1. Der kalkulierte Einsatz
- 4.2 Die rationale Vorgehensweise
- 5. Rezeptionsgeschichtliche Anmerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Figur des Odysseus in der europäischen Literatur und versucht, seine wesentlichen Züge herauszuarbeiten. Die Frage, „Wie modern war Odysseus? Und was macht ihn zu einem modernen Menschen?“, steht im Mittelpunkt der Untersuchung. Die Arbeit konzentriert sich auf die Handlung der Odyssee und analysiert, wie Odysseus mit verschiedenen Herausforderungen umgeht.
- Das doppelte Odysseus-Problem: Die Figur des Odysseus als kriegsmüder Held, der die Heimkehr erstrebt und die Schwierigkeiten während seiner Irrfahrt.
- Die Wahl der Mittel: Odysseus' Einsatz von List und Tücke, gutes Benehmen und Opferbereitschaft im Umgang mit verschiedenen Situationen.
- Das Wesen der Aufklärung: Odysseus' rationale Vorgehensweise, kalkulierter Einsatz und seine Fähigkeit, Regeln zu beherrschen.
- Die Rolle der Frauen: Odysseus' Beziehungen zu Kirke, Penelope und Athene und ihre Bedeutung für seine Reise.
- Rezeptionsgeschichte: Die verschiedenen Interpretationen der Figur des Odysseus in der Literatur und Kunstgeschichte.
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und stellt die Relevanz der Figur des Odysseus für die europäische Literatur und Kulturgeschichte dar.
- Kapitel 2: Das doppelte Odysseus-Problem: Dieses Kapitel untersucht die beiden Seiten der Odysseus-Figur: den kriegsmüden Helden und die Schwierigkeiten, die er auf seiner Irrfahrt erlebt. Es werden die Hintergründe der Odyssee und die Beziehung zu anderen mythischen Ereignissen beleuchtet.
- Kapitel 3: Die Wahl der Mittel: Dieses Kapitel analysiert Odysseus' Umgang mit verschiedenen Situationen und zeigt, wie er List, Tücke, gutes Benehmen und Opferbereitschaft einsetzt, um seine Ziele zu erreichen.
- Kapitel 4: Wieso eigentlich Aufklärung...?: Dieses Kapitel analysiert Odysseus' rationale Vorgehensweise und seine Fähigkeit, Regeln zu beherrschen. Es wird die Frage untersucht, inwiefern Odysseus als eine Figur der Aufklärung verstanden werden kann.
- Kapitel 5: Rezeptionsgeschichtliche Anmerkungen: Dieses Kapitel beleuchtet die verschiedenen Interpretationen der Figur des Odysseus in der Literatur und Kunstgeschichte und zeigt, wie er im Laufe der Zeit immer wieder neu interpretiert wurde.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themenbereiche der europäischen Literatur, Mythologie, Heldenfiguren, Heimkehr, Irrfahrt, List, Tücke, Aufklärung, Rationalität, Frauenfiguren und Rezeptionsgeschichte. Zu den wichtigsten Schlüsselbegriffen zählen: Odysseus, Odyssee, Ilias, Homer, Troja, Ithaka, Penelope, Kirke, Athene, Poseidon, Polyphem, Skylla, Charybdis, Sirenen, Krieg, Heimkehr, Irrfahrt, List, Tücke, Aufklärung, Rationalität, Mythos, Rezeption.
- Quote paper
- Ivo Gebert (Author), 2009, List und Tücke des Odysseus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154265