Sport kann viel sein. Sport kann verbinden, dann wieder trennen oder einfach nur Sport sein. Unter dem Leitfaden "Fußball-Diplomatie" werden exemplarisch vier Fälle der Sport- bzw. Fußballgeschichte untersucht. Zuerst der sogenannte Fußballkrieg, der nach einem Qualifikationsspiel zur Fußballweltmeisterschaft in Mexiko 1970 zwischen Honduras und El Salvador ausbrach. Der zweite Fall untersucht die Weltmeisterschaft in Argentinien 1978. Eine Militärjunta regiert das Land und alle "zivilisierten" Nationen prangern die menschenunwürdigen Verhältnisse an. Jedoch kein Land unternimmt etwas konstruktives. Wieso? Die letzten beiden Fälle hängen mit der WM in Korea/Japan 2002 zusammen. Japan und Korea, die beiden asiatischen Erzfeinde, richten gemeinsam ein Weltmeisterschaft aus. Nur des Sportes wegen? Und schließlich versucht Südkorea, die "Achsenmacht" Nordkorea symbolisch an der Weltmeisterschaft partizipieren zu lassen.
Inhaltsangabe
I. Einleitung
II. Der Fußballkrieg - Vom Spielfeld zum Schlachtfeld
1. Das Rückspiel - El Salvador gegen Honduras
2. Eine Woche zuvor - Das Hinspiel
3. Die Beziehungen der beiden Länder zueinander vor den beiden Weltmeisterschaftqualifikationsspielen
4. Der Krieg - Der Verlauf, das Ende und die Folgen
III. Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien - Der Fußball ist frei, die Bevölkerung unterdrückt
1. Die Situation Argentiniens vor der Weltmeisterschaft
2. Das Interesse deutscher Konzerne und der deutschen Regierung an Argentinien
3. Die Versuche der Junta, die Realisierung der Weltmeisterschaft zu ermöglichen
4. Die Stellung der FIFA zur Junta und den Menschenrechtsverletzungen
5. Gewalt und Folter - Und keiner sieht hin?
6. Der gekaufte Sieg
IV. Die Weltmeisterschaft in Korea und Japan
1. Die gemeinsame Geschichte beider Länder
2. Mong-Jong Chung - Der Initiator der koreanischen Bewerbung
3. Die Beziehungen zwischen Japan und Südkorea
4. Diplomatische Schwierigkeiten im Vorfeld der WM
V. Nordkorea als Gastausrichter bei der Weltmeisterschaft Korea/Japan?
1. Die allgemeine Situation beider Länder
2. Die Konkreten Pläne zur Einbeziehung Nordkoreas
VI. Schlussbetrachtungen
VII. Abkürzungen
VIII. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Fußball und Politik. Unter diesem Leitfaden untersucht diese Arbeit vier Ereignisse. Es soll der Frage nachgegangen werden, in wie weit Fußball und Politik miteinander einhergehen. Kann der Sport auf zwischenstaatlicher Ebene neue Brücken schlagen, oder zerstört er gar alte? Vielleicht hat Sport auch überhaupt keinen Einfluss auf die Politik und wird nur als Spielball missbraucht. Der schwedische Parlamentsabgeordnete Lars Gustafsson schlug sogar vor, den Friedensnobelpreis 2001 dem Fußball zu widmen. Demnach muss Fußball mit Politik zu tun haben. Um dieses näher zu beleuchten, sollen hier vier ausgewählte Fälle untersucht werden.
Bei Fall Nummer eins handelt es sich um den sogenannten Fußballkrieg zwischen El Salvador und Honduras. Nach einem WM-Qualifikationsspiel kam es zwischen diesen beiden Ländern zu einem bewaffneten Konflikt. Wurde das Spiel mit unfairen Mittel geführt, oder stecken vielleicht andere Gründe außerhalb der fußballerischen Hemisphäre dahinter?
Da der Fußballkrieg schon 1969 stattfand gibt es Literatur, auf die sich hier bezogen wird. Hauptsächlich wird auf das Buch Der Fußballkrieg von dem polnischen Journalisten Ryszard Kapuscinski verwiesen. Es gilt aber dabei zu beachten, dass es sich um einen Erfahrungsbericht handelt, und er deswegen mit Vorsicht zu betrachten ist. Weiterhin wurden einige Zeitungsartikel herangezogen.
Die Weltmeisterschaft 1978 stellt einen völlig anders gelagerten Fall dar. In Argentinien regierte zur WM eine Militärjunta, die durch gröbste Menschenrechtsverletzungen auf sich aufmerksam machte. Heute stellt sich die Frage, wieso eine Weltmeisterschaft in einem Land ausgetragen wurde, deren Regierung jegliche ethische Werte missachteten? Wieso wurde die Weltmeisterschaft nicht in ein anderes Land verlegt oder wenigstens von den westeuropäischen Staaten boykottiert, die immer ihre Wertegemeinschaft und hohen moralischen Ansprüche preisen.
Die Literatur zu diesem Teil der Arbeit setzt sich aus Erich Laasers Die Fußballweltmeisterschaft 1978 in der Tagespresse der Bundesrepublik Deutschland und dem Aufsatz Folter ja, Folter nein in Die Geschichte der Fußballweltmeisterschaften von Dietrich Schulze-Marmeling und Hubert Dahlkamp zusammen.
Die beiden letzten Teile beschäftigen sich mit der Weltmeisterschaft in Korea und Japan. Vergeben wurde die WM an beide Länder, damit es in diesem brisanten Wettstreit keinen Verlierer gab. Den ehemals verfeindeten Ländern sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre nicht optimalen Beziehungen zu verbessern. Die Frage bleibt, ob dieser Schachzug gelungen ist.
Mit Südkorea richtete nur ein Teil des Landes die WM aus. Nordkorea sollte aber nicht außen vor bleiben. Wenigstens symbolisch sollte der kommunistische Norden teilhaben. Wäre dies gelungen, hätte es wahrscheinlich einen Meilenstein auf dem Weg zur Wiedervereinigung bedeutet. Der Versuch scheiterte aber. Mit den Fragen, wie die Teilnahme ermöglicht werden sollte und wieso es nicht geklappt hat, befasst sich der vierte und letzte Teil dieser Arbeit.
Da es sich um zwei sehr zeitnahe Ereignisse handelt, liegt Forschungsliteratur zu diesen Themen noch nicht vor. Daher wurden zur Bearbeitung eine Vielzahl von Zeitungsartikeln herangezogen.
II. Der Fußballkrieg - Vom Spielfeld zum Schlachtfeld
1. Das Rückspiel - El Salvador gegen Honduras
Vor einem Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko zwischen El Salvador und Honduras kam es zu einem Eklat. Die Spieler von Honduras wurden von den einheimischen Fans die Nacht über in ihrem Hotel terrorisiert. Alles was an Steinen, Fäkalien, Kadavern und faulem Obst in die Hände der Fans aus El Salvador gelang, wurde in Richtung Hotel geworfen. Die ganze Nacht wurde auf der Straße vor dem Hotel so viel Lärm gemacht, durch hupende Autos, schreiende und pfeifende Menschen etc., damit die Mannschaft von Honduras übermüdet und nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte das Spiel am darauffolgenden Tag bestreiten musste. Während des Spieles wurde die psychologische Kriegsführung seitens El Salvadors fortgesetzt. Das Stadion in San Salvador, der Hauptstadt El Salvadors, war vom Militär hermetisch abgeriegelt und um das Spielfeld herum waren Einheiten der Guardia National mit schussbereiten Maschinenpistolen in Stellung gegangen. Als die Nationalhymne Honduras gespielt wurde, schrie und pfiff fast das gesamte Stadion. Anstelle der hondurischen Flagge wurde ein alter dreckiger Fetzen Stoff auf den Fahnemast gezogen während die eigentliche Fahne in Flammen aufging.
Auf Grund dieser aufgeheizten, feindseligen und äußerst aggressiven Atmosphäre im Stadion Flor Blanca waren die Spieler von Honduras dermaßen eingeschüchtert, dass sie hofften, El Salvador wieder gesund verlassen zu können. Selbst der Trainer von Honduras, Mario Griffin, äußerte sich nach der 0:3 Niederlage erleichtert, dass er und seine Mannschaft zum Wohle der eigenen Gesundheit nicht gewonnen habe (Kapuscinski; Der Fußballkrieg; F´furt/Main 32001; S. 254). Die Spieler von Honduras wurden nach dem Abpfiff direkt vom Spielfeld mit einem Panzerwagen über die Grenze nach Honduras in Sicherheit gebracht. Die wenigen mitgereisten hondurischen Fans hingegen hatten keine Panzerwagen mit dem sie sich vor dem Ansturm der Salvadorer in Sicherheit hätten bringen können. Sie wurden aus El Salvador hinausgeprügelt. Viele mussten sich anschließend in ärztliche Betreuung begeben. Zwei Hondurer verloren bei der Hetzjagd gar ihr Leben. Im Anschluss an diese Vorgänge wurde die gemeinsame Grenze beider Länder geschlossen.
2. Eine Woche zuvor - Das Hinspiel
Natürlich ist dieses Vorgehen der salvadorer Fans nicht einfach spontan entstanden. Diesem Spiel der beiden Nachbarstaaten ging das Hinspiel am 8. Juni 1969, eine Woche vor den tragischen Ereignissen des Rückspiels, voraus. Wie auch bei dem Rückspiel in El Salvador hatten die Fans des gastgebenden Landes den Spielern der Gäste keine ruhige Minute in der Nacht vor dem Spiel gelassen. Dieser Teil der Vorbereitung auf ein Spiel soll in Südamerika kein ungewöhnlicher Umstand sein (Kapuscinski; Der Fußballkrieg; F´furt/Main 32001; S. 252). Die tragische Verlauf der nachfolgenden Ereignisse begann aber in dieser Nacht. Nachdem die Mannschaft aus El Salvador übermüdet und unausgeschlafen durch ein Tor in der letzten Minute das Spiel mit 1:0 verlor, erschoss sich in Salvador ein Mädchen mit der Waffe ihres Vaters. Für die Regierung und Presse in El Salvador war eine Märtyrerin geboren. Ob sich das Mädchen namens Amelia Bolanios wirklich erschoss, weil sie eine Niederlage ihres Vaterlandes nicht ertragen konnte, wie die Tageszeitung El Nacional behauptete (Kapuscinski; Der Fußballkrieg; F´furt/Main 32001; S. 252), soll hier nicht beantwortet oder kommentiert werden. Schließlich war nicht der Suizid des Mädchens der Grund für den darauffolgenden Krieg, sondern die Inszenierung rund um diesen Vorfall. Amelia Bolanios erhielt ein Staatsbegräbnis erster Kategorie. Ihr Sarg war durch die Fahne El Salvadors verhüllt und von einer Ehrengarde der Armee flankiert. Dem Sarg folgten der Präsident Sanches-Hernandez mit seinen Ministern und dem eigens dafür eingeflogenen unterlegen Fußballteam. Das Rückspiel in El Salvadors Hauptstadt San Salvador stand demnach unter dem Motto „ Rache für Amelia Bolanios“. Die Bevölkerung El Salvadors sprang auf diese Inszenierung an und nahm an den mitgereisten Hondurern Rache.
3. Die Beziehungen der beiden Länder zueinander vor den beiden Weltmeisterschaftqualifikationsspielen
Ein bisschen Lärm, ein wenig Geschrei und mit Honduras ist´s vorbei
Dass es hinter den Ereignissen und Inszenierungen rund um die beiden Weltmeisterschaftsqualifikationsspielen andere Gründe für den Krieg zwischen den beiden Staaten gibt, sollte relativ schnell einsichtig werden. Schließlich werden keine Kriege nur wegen eines verloren Spieles und dem Tod eines Mädchen begonnen. Kriege werden um Märkte bzw. wirtschaftliche Interessen geführt. Die Ausschreitungen der Zuschauer während des Rückspiels lassen sich noch mit dem Temperament der Südamerikaner und der Wut über die Hinspielniederlage erklären, aber nicht der Krieg, der rund sechstausend Menschen das Leben kostete. Ein Feldzug gegen ein anderes Land muss vorbereitet sein und kann nicht ad hoc begonnen werden. Dass nur kurze Zeit nach Beendigung des Spiels Truppen El Salvadors in Honduras einrückten, muss demnach andere Gründe haben.
Die wahren Gründe für den Krieg zwischen El Salvador und Honduras liegen nicht im Fußball begraben. El Salvador ist das flächenmäßig kleinste mittelamerikanische Land (21.041 km2 ), hat jedoch die größte Bevölkerungsdichte (260 Einwohner/ km2 ). Honduras hingegen weist fast genau konträre Zahlen auf (Fläche: 112.088 km2 / Bevölkerungsdichte 49 Einwohner/km2 ). Da es in El Salvador kein freies Land mehr für die Bevölkerung gab, emigrierten viele von El Salvador nach Honduras, um sich ein Stück von dem vielen freien Land zu nehmen. Dieser Vorgang wurde von Honduras lange stillschweigend toleriert. Zur Zeit der beiden Länderspiele lag die Zahl der nach Honduras emigrierten bei etwa dreihunderttausend Menschen, was etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte. Die Wanderung vieler Bauern nach Honduras wurde noch durch die sehr einseitigen Besitzverhältnisse in El Salvador forciert. Während zwei Drittel der Bevölkerung in El Salvador über kein eigenes Land verfügte, teilten sich wenige reiche Familien das Land untereinander auf. Tausend Latifundienbesitzer verfügten über zehnmal mehr Land als hunderttausend Bauern (Kapuscinski; Der Fußballkrieg; F´furt/Main 32001; S. 286). Während in den sechziger Jahre der Boden in Honduras geringer wurde, fingen die Bauern an, sich zu beklagen. Die Regierung von Honduras unter Oswaldo Lopez beschloss daraufhin eine Landreform. Allerdings wurde das Land nicht neu verteilt, weder die großen Latifundienbesitzer noch die US-amerikanische United Fruit Company, die riesige Bananenplantagen unterhielt, mussten Land abtreten, sondern den nach Honduras emigrierten Bauern sollte das Land entzogen werden. Diese dreihunderttausend in Honduras lebenden Bauern sollten wieder in ihr Heimatland und in ihre mittellose Armut zurückkehren. El Salvador lehnte dies aber ab. Die Angst, diese Bauern, die weder in El Salvador noch in Honduras gerne gesehen wurden, könnten die Initialzündung für eine Bauernrevolte sein, war der Regierung zu groß. In dem oligarchen El Salvador war die Furcht vor eigenen Einbußen zu groß, um die Bauern wieder aufzunehmen. Die Oligarchie in Honduras wählte bei der Landreform den einfachsten und bequemsten Weg und lastete den wirtschaftlich und gesellschaftlich Schwächsten die Bürde auf. Beide Länder beharrten auf ihrem Standpunkt: El Salvador wollte die Emigranten nicht wieder zurückemigrieren lassen, Honduras sie nicht länger in seinem Land dulden. Durch das gegenseitige Nichtentgegenkommen verschlechterten sich die Beziehungen der Nachbarstaaten.
Die Regierungen beider Länder sowie die Presseorgane begannen, den jeweils anderen als den Schuldigen auszumachen und die Bevölkerung zu mobilisieren. Dadurch wurde der Haß untereinander gezielt geschürt. Die beiden Weltmeisterschaftqualifikationsspiele fanden dann in diesem schwierigen Umfeld statt und wurden von beiden Seiten für ihre Sache instrumentalisiert.
4. Der Krieg - Der Verlauf, das Ende und die Folgen
El Salvador begann letztendlich zuerst, in das Nachbarland einzufallen. Die Armee von Honduras war den Angreifenden zahlenmäßig deutlich unterlegen, und so wurde von Seiten El Salvadors ein schneller Sieg erwartet und erhofft. Während das Entscheidungsspiel zwischen El Salvador und Honduras durch ein 3:2 mit einem Sieg für El Salvador endete, ging der Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten unentschieden aus. Die Grenze blieb unverändert und die Emigranten blieben zu einem Teil in Honduras. Der andere Teil kehrte in ihre ursprüngliche Heimat nach El Salvador zurück.
Die Organisation amerikanische Staaten (OAS) konnte in dem kriegerischen Konflikt zwischen den beiden Ländern vermitteln und einen Frieden erzwingen. Allerdings einen Frieden, der auf keinem festen Fundament errichtet wurde. Die Spannungen blieben zu großen Teilen erhalten und schon ein Jahr später drohte der Krieg erneut auszubrechen. Der Krieg verursachte für die beiden Regierungen keinen Schaden. Vielmehr wurden sie durch den Krieg gestärkt. Die nationale Geschlossenheit fokussierte sich auf den äußeren Feind und ließ innenpolitische Spannungen in Vergessenheit geraten.
Ein wirklicher Abschluss durch einen Friedensvertrag kam erst 1985 auf Drängen der Vereinigten Staaten von Amerika zustande. Der Konflikt um die Grenzziehung zwischen beiden Staaten wurde 1992 durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag beendet.
Das für die Fußballweltmeisterschaft qualifizierte El Salvador schied im Übrigen mit 0:3 gegen Belgien, 0:4 gegen Mexiko und 0:2 gegen Russland in der Vorrunde aus.
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- Arbeit zitieren
- Thomas Löwer (Autor:in), 2002, Fußball-Diplomatie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15348
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