Die Arbeit unternimmt den Versuch, Melvilles Moby-Dick als einen Vorboten postmoderner Literarizität in den Blick zu nehmen, der in seiner Autoreferentialität den eigenen textuellen Status kritisch-ironisierend reflektiert und Sprache als einen krisenhaften Zugang zu Welt und Kosmos ins Spiel bringt. Sie legt dar, dass Melvilles opus magnum ein im Verlaufe der abendländischen Philosophie epistemologisch und semiologisch virulent gewordenes Krisenbewusstsein vom "Phantasma der Umfassung der Wirklichkeit" (Lyotard) einerseits auf inhaltlicher und andererseits autoreferentiell auf der Ebene der écriture inszeniert. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass die vom Text absorbierten Diskurse in ihrer schieren Vielzahl nicht als partikulare Bezüge hermeneutisch isoliert werden können, sondern stattdessen in ihrer Heterogenität selbst die zentrale Problematik illustrieren, in deren Dienst sie als konstitutive Elemente stehen: Statt positiven Sinn zu stiften, verunmöglichen sie jegliche interpretatorische Direktive und verweisen dadurch auf eine dem Roman inhärente negative Dimension von Sinn – sie sind also vielmehr Bestandteile eines verhandelten Problems als dessen Lösung.
Wesentliche Merkmale der Melvilleschen écriture sind Ambivalenz, Parodie und Dialogizität. Er verwendet stilistische und motivische Versatzstücke, destruiert sie und unterläuft so permanent die Ernsthaftigkeit der den Roman strukturierenden Schicksalszeichen wie auch die interpretativen Anstrengungen des Lesers. Die Autorität des eigenen Diskurses wird ironisch unterminiert und der Text damit in einer Schwebe zwischen Parodie und Monomanie, Unabschließbarkeit und Universalanspruch gehalten. Als die figurativen Kraftfelder dieser konkurrierenden Paradigmen stehen Ahab und Ishmael auf der Handlungsebene personifizierend für die paradoxe Konstellation des gesamten Textes, der nicht die Auflösung oder Aufhebung seiner konfliktiven Elemente sucht, sondern als ästhetischer Ausdruck des Paradoxen feste Orientierungspunkt vorenthält. In Analogie zum Konzept der romantischen Ironie Friedrich Schlegels wird Ahab hierbei als prototypischer Allegorisierer begriffen, wohingegen Ishmael als Ironiker für die Relativierung derartig monomanischer Kraftakte steht – zwischen Anspannung und Abspannung, Unbedingtem und Bedingtem baut sich jene Dynamik auf, die den gesamten Text durchwaltet.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Annäherung
- I. Un-motivierte Spuren, (end)lose Leinen: Die Spurlosigkeit des Wals als >>Horror metaphysicus<<
- Seite 15-47
- II. ›Blankness, full of meaning‹: Metaphorische Ausgriffe auf das Undarstellbare und Sprachspiele vom Unsagbaren
- Seite 48-94
- III. Schluss
- Seite 95-99
- 00. Literatur/Nachweise
- Seite 100... 108
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Roman Moby-Dick von Herman Melville im Hinblick auf die Darstellung des Undarstellbaren und die Aporien der Sprache. Der Fokus liegt auf der Frage, wie Melville das Transzendentale, das Absolut, im Roman durch die Figur des weißen Wals und durch sprachliche Mittel darstellt.
- Das Unsagbare und die Grenzen der Sprache
- Die Aporien des Transzendentalen und der metaphysischen Sehnsucht
- Die Rolle des weißen Wals als Chiffre für das Undarstellbare
- Metaphorische Ausgriffe und Sprachspiele als Mittel der Darstellung
- Die Bedeutung des Romans als Text des Zweifels und der Unsicherheit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die grundlegenden Themen und Fragestellungen der Arbeit einführt. Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Spurlosigkeit des Wals als "Horror metaphysicus". Hier werden die sprachlichen und narrativen Mittel analysiert, die Melville verwendet, um die Unzugänglichkeit und Unerklärlichkeit des Wals darzustellen. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit dem metaphysischen Aspekt von Moby-Dick. Es werden die metaphorischen und sprachlichen Spiele analysiert, die Melville einsetzt, um das Undarstellbare, das Absolut, zu umschreiben.
Schlüsselwörter
Moby-Dick, Herman Melville, Transzendental, Absolut, Undarstellbarkeit, Sprache, Aporie, Metapher, Chiffre, Horror metaphysicus, Metaphysische Sehnsucht.
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- Matthias Peters (Author), 2010, Moby-Dick als Leerstelle und romantische Chiffre für die Aporie eines transzendentalen Signifikats, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153462