Beim ersten Lesen der Erzählung „Das Urteil“ gab es Momente, Bilder und Aussagen, die sich mir nicht erschlossen. Bedingt durch das Seminar innerhalb dessen ich den Text las, liegt der Fokus meiner Lesart auf der Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung. Bei dem Interpretationsansatz, den ich an „Das Urteil“ herantrage, beziehe ich mich auf ein Therapiegespräch mit Ursula Wachendorfer, in dem auch die Beziehung zu meiner Mutter besprochen wurde. Außerdem beziehe ich mich auf Erfahrungen aus der eigenen Elternperspektive, auf die Erziehungswissenschaftlerin Aretha Schwarzbach-Apithy, bei der ich im Sommersemester 2008 ein Seminar besuchte , auf den Text „Weißsein in den Erziehungswissenschaften“ von Astrid Albrecht-Heide und auf die Autorinnen Grada Kilomba und Alice Miller. Ich werde diese Personen nicht direkt zitieren, sondern versuchen meine eigenen Worte zu finden, um den Text zu interpretieren. Da ich keine Expertin für Psychologie bin, ist es mir wichtig meinen theoretischen Hintergrund, so eingeschränkt dieser auch sein möge, nachvollziehbar zu machen.
Ich denke, dass „Das Urteil“ verschiedene Herangehensweisen zulässt. Die Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung erscheint mir jedoch zentrales Thema der Erzählung zu sein, was meine Herangehensweise und natürlich auch die Verwendung des Textes im Seminar rechtfertigt.
Beim ersten Lesen der Erzählung „Das Urteil“ gab es Momente, Bilder und Aussagen, die sich mir nicht erschlossen. Bedingt durch das Seminar[1] innerhalb dessen ich den Text las, liegt der Fokus meiner Lesart auf der Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung. Bei dem Interpretationsansatz, den ich an „Das Urteil“ herantrage, beziehe ich mich auf ein Therapiegespräch mit Ursula Wachendorfer, in dem auch die Beziehung zu meiner Mutter besprochen wurde. Außerdem beziehe ich mich auf Erfahrungen aus der eigenen Elternperspektive, auf die Erziehungswissenschaftlerin Aretha Schwarzbach-Apithy, bei der ich im Sommersemester 2008 ein Seminar besuchte[2], auf den Text „Weißsein in den Erziehungswissenschaften“[3] von Astrid Albrecht-Heide und auf die Autorinnen Grada Kilomba und Alice Miller. Ich werde diese Personen nicht direkt zitieren, sondern versuchen meine eigenen Worte zu finden, um den Text zu interpretieren. Da ich keine Expertin für Psychologie bin, ist es mir wichtig meinen theoretischen Hintergrund, so eingeschränkt dieser auch sein möge, nachvollziehbar zu machen.
Ich denke, dass „Das Urteil“ verschiedene Herangehensweisen zulässt. Die Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung erscheint mir jedoch zentrales Thema der Erzählung zu sein, was meine Herangehensweise und natürlich auch die Verwendung des Textes im Seminar rechtfertigt.
Ich habe folgende Thesen zu der Erzählung „Das Urteil“ formuliert.
Erste These:
Die Erzählung „Das Urteil“ handelt davon, wie ein Vater das Subjekt des Sohnes tötet, indem er ihn zum Objekt macht.
Ich verwende die Begriffe Subjekt und Objekt, in dem Sinne, dass ein Subjekt sich selbst definieren kann, während ein Objekt fremd definiert wird. Ein Subjekt ist autonom handlungsfähig, ein Objekt nicht.
Zweite These:
Verobjektivierung heißt zum Beispiel, dass die Eltern dem Kind keinen eigenen Willen zugestehen. Der erwachsene Sohn der Erzählung erinnert sich nicht mehr an einen eigenen Willen. Sein Wille im Text ist kein eigener Wille, sondern ein Wille zur Macht. Er möchte nicht mehr derjenige sein, an dem Macht ausgeübt wird, sondern derjenige der selbst Macht über andere hat.
Dritte These:
Die Geschichte wird aus der Perspektive des Sohnes Georg Bendemann erzählt, der gleich im zweiten Satz genannt wird.
Er und seine Verlobte Frieda Brandenfeld sind die einzigen Personen, die mit Namen benannt werden. Zu dem Namen Frieda Brandenfeld möchte ich bemerken, dass ihre Initialen dieselben sind, wie die von Felice Bauer – Kafkas Verlobten und zweimalig Entlobten. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass Kafka ihr die Geschichte öffentlich widmete.[4] Auf biografische Hintergründe, die der Erzählung zu Grunde liegen, werde ich nicht weiter eingehen, obwohl ich der Meinung bin, dass sich eine Erzählung nicht losgelöst von ihrem Entstehungsrahmen betrachten lässt.
Vierte These:
Georg Bendemann verdrängt die Gewalt, die sein Vater ihm antut bzw. die seine Eltern ihm angetan haben.
Da die Geschichte aus der subjektiven Perspektive Georgs erzählt wird, erscheint die Gewalt des Vaters, oder der Konflikt, den Georg mit seinen Eltern hat, nicht auf der Oberfläche der Erzählung, sondern spiegelt sich dort nur wider. Meine Interpretationsleistung ist es, mich aus der Perspektive Georgs heraus zu begeben und seine Verdrängungsmechanismen zu entschlüsseln, um den Konflikt erkennen zu können.
Fünfte These:
Nicht nur Georg verdrängt die erzieherische Gewalt, auch der Vater selbst tut dies.
Als Kind und auch später habe ich nicht wahrnehmen können, dass beispielsweise mein Streberdasein in der Schule nicht etwa mein eigenes Interesse am Lehrstoff widerspiegelte, sondern eine Anstrengung war, die Anerkennung – und damit Liebe – meiner Eltern zu erlangen. In „Das Urteil“ heißt es: „Er [Georg] schwang sich über, als der ausgezeichnete Turner, der er in seinen Jugendjahren zum Stolz seiner Eltern gewesen war.“[5] Der Zusatz „zum Stolz seiner Eltern“ heißt für mich, dass Georgs Turnerleistungen (ähnlich wie meine Schulleistungen) nicht etwa Resultat seines Interesses am Turnen waren, sondern sein Interesse widerspiegelte, die Anerkennung der Eltern zu bekommen.
[...]
[1] Frau Dr. Lüde>
[2] Der Titel des Seminars war: „Die Metamorphose zur Anti-Rasst_in. Die Erfindung des Anti-Rassismus Weißsein, (post?)koloniale Erziehung und Geschlecht im deutschen Kontext.“
[3] In: Kilomba, Grada, Peggy Piesche, Maureen Maisha Eggers und Susan Arndt. 2005. Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster: Unrast Verlag.
[4] In meiner Ausgabe heißt es unter der Unterschrift „Für F.“ in einer alternativen Ausgabe ist die Widmung noch eindeutiger als „Für Fräulein Felice B.“ formuliert. In: Hiebel, Helmut Hans. 1983. Die Zeichen des Gesetzes. Recht und Macht bei Franz Kafka, München: Wilhelm Fink Verlag, S.115.
[5] Kafka Franz. 1983 (1912). „Das Urteil“ in: Erzählungen, Leipzig: Reclam. S.77. Für alle weiteren Zitate aus diesem Text werde ich die Seitenangabe in Klammern direkt hinter das Zitat setzen.
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