In rhetorischer und kommunikationswissenschaftlicher Hinsicht ist Luthers Einfluss auf die deutsche Sprache von besonderer Bedeutung.
Aufbauend auf das Hauptseminar „Predigt. Theorie, Geschichte und Praxis der homiletischen Beredsamkeit“ unter der Leitung von Dr. Gregor Kalivoda soll in der vorliegenden Arbeit Luthers Stellenwert als Rhetor und gleichermaßen als Prediger untersucht werden. Zum Einstieg wird der Leser durch einen kurz gefassten Einblick in das Leben und den Bildungsweg Martin Luthers in das Thema eingeführt. Es folgt darauf eine Zusammenfassung der Hauptmerkmale der reformatorischen Bewegung, mitsamt den Anklagepunkten, Missständen und Prinzipien, für die sich insbesondere Luther aussprach. Im Folgenden verlagert sich der Schwerpunkt auf die Rhetorik. Auf welche rhetorischen Autoritäten und Traditionen greift Luther zurück? Luthers rhetorisches Werk wird unter den Devisen „Res statt Verba!“, „Sermo humilis“ und „Ipse moveatur“ auf einen Nenner gebracht. Ein weiteres Kapitel widmet sich seiner eigenen Sprachauffassung. Den Abschluss dessen bildet die Suche nach Merkmalen, die Martin Luther von der rhetorischen Systematik adaptierte. Es stellt sich heraus, dass sich Luthers Redekunst als „Rhetorik des Herzens“ abgrenzend zu vorhergehenden und späteren Strömungen in besonderer Weise auszeichnet.
Der nächste Schritt begibt sich sodann in die Theorie der Homiletik. Es stellt sich hierbei die Frage nach einer umfassenden Systematik Luthers. Des Weiteren ist zu beachten, unter welchen Gesichtspunkten Luthers Predigten und seine homiletischen Vorgaben zu fassen sind. Dabei wird ein Kommunikationsmodell seiner Predigtlehre aufgestellt, das die rhetorischen Komponenten mit Luthers theologischen Prämissen verbindet. Abschließend zeigt ein Vergleich die Schnittpunkte der Lutherschen Predigten mit Quintilians Volksberatungsrede. Zum Abschluss der Arbeit soll auf die problematische Quellensituation der Texte Martin Luthers verwiesen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITEND
2. MARTIN LUTHER
2.1. Luthers Bildungsweg
2.2. Beginn der Reformation
2.2.1. Exkurs: Hauptschriften Martin Luthers „An den christlichen Adel deutscher Nationen von des christlichen Standes Besserung “
„Über die Freiheit eines Christenmenschen“
„Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“
3. REFORMATION
3.1. Anklagepunkte
3.2. Systematik/Hauptmerkmale
4. RHETORIK
4.1. rhetorische Autorität
4.2. Res statt Verba !
4.3. Luthers Sprachauffassung
4.4. Sermo humilis
4.5. Ipse moveatur
4.6. Adaption der rhetorischen Systematik
5. RHETORIK DES HERZENS
6. PREDIGT
6.1. Rhetorische Pflichten des Predigers
6.2. Grundaspekte der Homiletik
6.3. Kommunikationsmodell der Lutherischen Predigtlehre
6.4. Luthers Methode den Adressaten kennenzulernen
6.5. Luthers Predigt nach Quintilians Volksberatungsrede
7. FAZIT
8. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitend
In rhetorischer und kommunikationswissenschaftlicher Hinsicht ist Luthers Einfluss auf die deutsche Sprache von besonderer Bedeutung. Das Wirken Luthers trug maßgeblich zur Weiterentwicklung und dem Ausbau dieser bei. Die Innovation lag darin, dass er die deutsche Sprache als gleichberechtigt neben den drei bis dato als heilig betrachteten Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein erachtete.[1] Luthers Sprache zeichnete sich durch eine kräftige, bilderreiche, volkstümliche und allgemein verständliche Ausdrucksweise aus. Er wollte „dem Volk aufs Maul schauen“[2] und daraus lernen. Man kann seinen Schreibstil als stil- und sprachbildend über Jahrhunderte nach ihm bezeichnen. Viele noch heute umgangssprachlich verwendete Ausdrücke wie „Feuertaufe“, „Machtwort“, „Schandfleck“, „Lästermaul“ oder „Lockvogel“ entstammen der Feder Luthers.[3] Ebenso gehen Metaphern wie „Perlen vor die Säue werfen“, „im Dunkeln tappen“ oder „ein Herz und eine Seele“ auf ihn zurück.[4] Walter Jens fasste Luthers sprachliches Vermögen treffend zusammen: „Luther beherrschte alle Redeweisen und setzte sie ein, wenn Wirkungszweck und Adressaten das verlangten. Was er auch tat, Gedichte schreiben, Fabeln erzählen, Lieder komponieren [...] - er hat immer gepredigt, sprach von der Kanzel herab, auch wenn er in der Schreibstube saß, und zielte, als geistlicher Lehrer, in allen Gattungen der Schriftstellerei auf jene Verbindung von herzbewegender Rede und schlichter Diktion ab, die ihm seine rhetorische Tradition offerierte.“[5]
Zeitgenossen bezeichneten ihn gar als „rechter Teutscher Cicero“[6] oder „Meister Teutscher Wohlredenheit und beweglicher Zier“[7] Die Gegner Luthers sahen in seiner Sprachkunst allerdings eine ernstzunehmende Bedrohung. Ergo warnten die Katholiken vor seiner „zierlichen und feinen“[8] Sprache. Martin Luther selbst verstand sich, gemäß Walter Jens, als „Wortführer Gottes“ und „Mund Christi“, als einen Gefangenen des Wortes, dessen Aufgabe es sei, das Evangelium unter die Menschen zu bringen.[9] Er fasste seine Auffassung folgendermaßen zusammen: „nos versus sumus et carmina quae condidit“: „Gott selbst ist der Dichter, wir sind seine Verse. Wir sind die Gedichte: Er hat sie geschrieben.“[10]
Aufbauend auf das Hauptseminar „Predigt. Theorie, Geschichte und Praxis der homiletischen Beredsamkeit“ unter der Leitung von Dr. Gregor Kalivoda soll in der vorliegenden Arbeit Luthers Stellenwert als Rhetor und gleichermaßen als Prediger untersucht werden. Zum Einstieg wird der Leser durch einen kurz gefassten Einblick in das Leben und den Bildungsweg Martin Luthers in das Thema eingeführt. Es folgt darauf eine Zusammenfassung der Hauptmerkmale der reformatorischen Bewegung, mitsamt den Anklagepunkten, Missständen und Prinzipien, für die sich insbesondere Luther aussprach. Im Folgenden verlagert sich der Schwerpunkt auf die Rhetorik. Auf welche rhetorischen Autoritäten und Traditionen greift Luther zurück? Luthers rhetorisches Werk wird unter den Devisen „Res statt Verba!“, „Sermo humilis“ und Ipse moveatur“ auf einen Nenner gebracht. Ein weiteres Kapitel widmet sich seiner eigenen Sprachauffassung. Den Abschluss dessen bildet die Suche nach Merkmalen, die Martin Luther von der rhetorischen Systematik adaptierte. Es stellt sich heraus, dass sich Luthers Redekunst als „Rhetorik des Herzens“ abgrenzend zu vorhergehenden und späteren Strömungen in besonderer Weise auszeichnet.
Der nächste Schritt begibt sich sodann in die Theorie der Homiletik. Es stellt sich hierbei die Frage nach einer umfassenden Systematik Luthers. Des Weiteren ist zu beachten, unter welchen Gesichtspunkten Luthers Predigten und seine homiletischen Vorgaben zu fassen sind. Dabei wird ein Kommunikationsmodell seiner Predigtlehre aufgestellt, das die rhetorischen Komponenten mit Luthers theologischen Prämissen verbindet. Abschließend zeigt ein Vergleich die Schnittpunkte der Lutherschen Predigten mit Quintilians Volksberatungsrede. Zum Abschluss der Arbeit soll auf die problematische Quellensituation der Texte Martin Luthers verwiesen werden.
Wichtige Ergebnisse in der rhetorisch-homiletischen Forschung um Martin Luther legte vor allem Birgit Stolt mit ihrer Veröffentlichung „Martin Luthers Rhetorik des Herzens“[11] sowie ihrem Aufsatz zur „Luthersprache“[12] vor. Die vorliegende Arbeit stützt sich des Weiteren hauptsächlich auf die Forschungsergebnisse Ulrich Nem- bachs[13], Wolfgang Maasers[14] und Helmar Junghans’[15]. Auch Dietrich Rössler[16] und Susanne Dähn[17] legten einige für den Themenkomplex interessante Arbeiten vor.
2. Martin Luther
Luthers Persönlichkeit und sein Werk lassen sich am besten anhand eines kurzen Überblicks über seinen Lebens- und Bildungsweg erschließen. Daneben soll im folgenden Kapitel eine knappe Skizzierung der wichtigsten Werke Luthers von seinen Ideen und Idealen zeugen.
2.1. Luthers Bildungsweg
Der akademische Bildungsweg Martin Luthers, geboren im Jahre 1483 in Eisleben als Sohn eines Bergmanns, begann mit dem Studium an der Universität Erfurt in den Jahren 1501 bis 1505.[18] Luther erlangte dort den Magister Artium der Philosophischen Fakultät. Das Studium schloss eine Grundausbildung in Latein in den Fächern Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie ein. Um dem Wunsch seines Vaters zu entsprechen, schrieb sich Luther daraufhin an der juristischen Fakultät ein.[19] Nach nur zwei Monaten brach er diesen zweiten Studiengang jedoch ab.
Im Juli des Jahres 1505 erfuhr der junge Luther ein einschneidendes religiöses Erlebnis: Nach einem Besuch bei den Eltern wurde er von einem Gewitter überrascht und rief, den Tod fürchtend, zur Heiligen Anna, der Mutter Marias. Seine überlieferten Worte: „Heilige Anna, hilf! Lässt Du mich leben, so will ich ein Mönch werden.“[20] Historisch tradiert ist der darauffolgende Eintritt Luthers in das Erfurter Augustiner-Eremitenkloster.
Zwei Jahre darauf begann Martin Luther das Theologiestudium und wurde zum Priester geweiht. Es folgte 1512 die Versetzung in den Wittenberger Ordenskonvent. Martin Luther schloss dort seine universitäre theologische Ausbildung mit der Promotion zum Doktor der Theologie und der Professur für Bibelauslegung ab.[21]
2.2. Beginn der Reformation
Luther setzte sich fortan stark mit religiösen Thesen und den Positionen der christlichen Kirche auseinander. Seine Vertiefung mündete im sogenannten (historisch nicht belegten) „Thesenanschlag“.[22] Es soll so geschehen sein, dass Luther am 31. Oktober 1517 in Wittenberg 95 Thesen über den Ablasshandel der Kirche an ein Portal anschlug, um damit zu einer Disputation aufzufordern. Dass er sich nicht allein in seiner kirchenkritischen Position wähnte, bewies die unerwartet große Öffentlichkeitswirkung und Zustimmung nach der Veröffentlichung seiner Thesen. Es hatte sich in Deutschland großer Protest gegen den Ablasshandel und die damit einhergehende Verweltlichung der Kirche angestaut. Man befand, die Kirche nähme ihren geistlichen Auftrag in hohem Maße nicht mehr wahr. Diese Zuspitzung der Kirchenkritik in den Positionen Luthers gilt als faktischer Beginn der Reformation.[23]
Der Fortgang der Ereignisse lässt sich kurz skizzieren. Es führten mehrere Anzeigen in Rom zu einem Ketzerprozess gegen Luther. Der Theologe verteidigte seine Standpunkte 1521 vor dem Reichstag in Worms mit den Worten: „Hier steh ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen!“[24]. Zuvor hatte Luther seine Ansichten vor allem in den sogenannten reformatorischen Hauptschriften niedergelegt.
2.2.1. Exkurs: Hauptschriften Martin Luthers
Um Luthers Positionen verständlich zu machen, sollen diese anhand eines Exkurses zu seinen Hauptschriften dargelegt werden. Man zählt dazu die Werke: „An den christlichen Adel deutscher Nation“, „Von der babylonischen Gefangenschaft der
Kirche“ und „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Alle wurden 1520 niedergeschrieben.[25]
„An den christlichen Adel deutscher Nationen von des christlichen Standes Besserung“ Veröffentlicht im August 1520 gipfelte dieser erste Text in einer Aufforderung an den Kaiser und die Reichsfürsten das „römische Joch“ abzuwerfen. Zu den Prämissen des Appells zählten dabei, dass von der Papstkirche keine weltliche Gewalt auszugehen habe. Luther sprach sich für das Priestertum aller Gläubigen aus. Weiter sollte keine alleinige Lehrautorität vom Papst ausgehen, sondern es habe das Schriftprinzip zu herrschen. Martin Luther schlug ebenfalls das Konzil als übergeordnetes Repräsentationsorgan der Kirche über dem Papst vor.[26]
„Über die Freiheit eines Christenmenschen“
Im Oktober 1520 folgte „Über die Freiheit eines Christenmenschen“ als „radikale Gegenüberstellung des äußeren und inneren Menschen, des Gesetzes (Altes Testament) und der Gnade (Neues Testament) des Reiches Christi und des Reiches der Welt“[27]. Luthers Definition von der Freiheit des Christen schloss ein, „freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“[28] zu sein. Im Gegensatz sei der Christ aber ein „dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“[29].
„Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“
Unter dem Originaltitel „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ erschien im Sommer 1520 ein weiterer theologischer, nun lateinisch verfasster Traktat. Dieser befasste sich mit der Sakramentenlehre der Kirche. Konzipiert war er als Reaktion auf die päpstliche Bannbulle. In polemischem Stil hetzte Luther darin gegen den Papst als Antichristen. Der Papst betrüge die Gläubigen, durch den misslichen Umgang mit den Sakramenten, um ihr Seelenheil. Die Sakramente galten Luther als Zeichen für die Verheißung Christi. Er schlug vor, diese auf die drei elementaren Bestandteile Taufe, Abendmahl und Buße zu reduzieren. Nur diese seien nach der Heiligen Schrift von Christus selbst eingesetzt.[30]
Mit dem Papsttum und der Reichsführung befand sich der Kirchenkritiker sodann in einer offenen Auseinandersetzung. Den von der Gegenseite verlangten Widerruft lehnte Martin Luther vehement ab. Daraufhin wurde über ihn bekanntlich die Reichsacht verhängt. Es soll sich nun zugetragen haben, dass der Geächtete auf Veranlassung Kurfürst Friedrichs III., des Weisen, hin auf dem Rückweg von Worms überfallen und zu seinem Schutz auf die Wartburg gebracht wurde. Dort soll er zehn Monate als „Junker Jörg“[31] verbracht haben. Überliefert ist aus dieser Zeit auch Luthers populäre Übersetzung des Neuen Testaments.[32]
Nach 1522 befand sich Luther in vielen theologischen Auseinandersetzungen mit anderen Reformatoren, wie Karlstadt, Müntzer oder den Täufern. Man spricht davon, dass sich Luther seit 1526 vor allem in Zusammenarbeit mit Melanchthon dem Ausbau und der inneren Festigung des neu entstehenden evangelischen Landeskirchen- und Schulwesens widmete. Hauptsächliche Inhalte der Beschäftigung waren die Einführung von Kirchen- und Schulvisitationen und die Neuordnung des Gottesdienstes. Bis in das Jahr 1545 hielt der Theologe noch Vorlesungen in Wittenberg und verstarb dann im Januar 1546 in Eisleben an einem Herzleiden.[33] [34]
3. Reformation
In einem ersten Schritt soll eine Vorstellung der Inhalte, Anklagepunkte und des Wesens der Reformation das Verständnis für die Luthersche Sprache und Agitation unterstützen. Allgemein bot das reformatorische Gedankengut mehrere Interpretationen und Spielraum zur Auslegung; man spricht deshalb davon, dass es mehrere Reformationen gab. Drei Strömungen sind als hauptsächliche hervorzuheben. Darunter gilt als maßgeblichste die Wittenberger Reformation mit den Vordenkern Martin Luther und Philipp Melanchthon. Zudem zählt die Oberdeutsche Reformation unter Ulrich Zwingli, Johannes Calvin und Martin Butzer dazu. Als dritter, extremster Flügel gilt die Radikale Reformation um Thomas Müntzer und die Bewegung der Täufer.5^
3.1. Anklagepunkte
Die Anklagepunkte, die Luther und andere Reformatoren an das Papsttum richteten, lassen sich mit einigen Begriffen zusammenfassen. Es zählte dazu an prominenter Stelle vor allem die Position des Papstes, die als problematisch aufgefasst wurde. Die Reformatoren befanden die päpstliche Leitung der Kirche als verweltlicht, sowohl in Lebensführung als auch Amtsauffassung. Gleichermaßen wurde auch dem Klerus Verweltlichung vorgeworfen. Dieser befände sich in geistigen und moralischen Missständen. Dem schloss sich der Vorwurf der unzureichenden theologischen Ausbildung der Kleriker an. Das Problem, das hier vor allem aufkam, war, dass die Sakramente „ex opere operato“, das heißt durch sich selbst und nicht abhängig von der Würdigkeit des Priesters oder des Empfängers wirkten. Hinzu kamen weitere Fehlentwicklungen in der kirchlichen Praxis. Unter anderem die Verdinglichung des Sakramentsverständnisses: Der Transsubstantiationsgedanke, der Wandel von Brot und Wein in den Leib Christi, hatte einen fast magischen Charakter an sich und nach Ansicht der Reformatoren einen viel zu hohen Stellenwert inne.
Angestoßen wurden ursprünglich alle reformatorischen Bestrebungen durch das Aufblühen des Ablasshandels. Man kann generell von einer Fiskalisierung und Kommerzialisierung der spätmittelalterlichen Kirche sprechen. Üblich waren Simonie, der Kauf von Ämtern sowie der kirchliche Dispens, beispielsweise bei Ehescheidungen oder wenn ein Bischof mehrere Bistümer unter sich hatte. Genau dagegen sprachen sich die Reformatoren aus.[35]
3.2. Systematik/Hauptmerkmale
Ausgehend von den Missständen, derer Luther die päpstliche Kirche bezichtigte, entwickelte er eine eigene Systematik. Auf einigen wichtigen Prinzipien aufbauend, lässt sich Luthers Theologie mit den vierfachen Sola zusammenfassen:
Sola scriptura: „Allein die Heilige Schrift“ sei die Quelle allen Glaubens und Wissens von Gott und daher der kritische Maßstab allen christlichen Redens und Handelns. Die Schrift fungiert somit als alleinige maßgebliche Autorität. Sola gratia: „Allein durch Gnade“ geschieht das Heil. Demgemäß werde der Mensch ohne jedes eigene Zutun von Gott gerechtfertigt. Sola fide: „Allein der Glaube“, also das Geschenk (nicht: die menschenmögliche Leistung) der Annahme des Wortes Gottes in Christus, schaffe das Heil der Gläubigen. Solus christus: „Allein Jesus Christus“ sei der wahre Mensch und wahre Gott. Die Rechtfertigung des Christen sei das Gnadengeschenk Gottes. Dies sei ausschließlich und unmittelbar in der stellvertretenden Hingabe am Kreuz begründet. Sie kann weder durch verdienstliche Werke noch durch kirchliche Vermittlung - wie beim Ablass - erlangt werden.[36]
Darüber hinaus zählen zur Lutherischen Theologie einige wichtige Merkmale, auf die sich das Protestantentum bis heute beruft. Dazu zählen das Priestertum aller Gläubigen: Die christliche Existenz ist demzufolge in der Nachfolge des Gekreuzigten zu sehen. Hierbei machte Luther keine Unterscheidung zwischen den geistlichen und weltlichen Ständen - alle Christen seien in Nachfolge und zur Priesterschaft berufen. Ebenso die Zweireichelehre: In der staatlichen Gewalt sah Luther die von Gott gewollte äußere Ordnung der Welt.[37]
4. Rhetorik
4.1. rhetorische Autorität
Nicht nur bei den Reformatoren wurde die Rhetorik als ars bene dicendi hoch geschätzt, generell erlangte diese im 15. und 16. Jahrhundert einen Aufschwung. In der Wissenschaft wurde die Rhetorik, in Übereinstimmung mit Aristoteles, als „Wahrheitsvermittlung mit dem Ziel des Überzeugens“[38] definiert. Besonders die Reformatoren schätzten die Rhetorik sehr hoch ein. Dies lässt sich mit der humanistischen Erneuerung, als Mittel der Verkündigung und Waffe in den konfessionellen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts, begründen.[39] Es lässt sich mutmaßen, dass auch die Rhetorik selbst vom reformatorischen Interesse profitierte. Durch die intensive Beschäftigung mit Predigt und Exegese wurde ihr im universitären und schulischen Bereich eine wichtige Stellung im Bildungssystem zuteil.
[...]
[1] Stolt, Birgit: Luthersprache. In: HWdR Band 5: L-Musi. Tübingen 2001; Sp. 677-690. Im Folgenden zitiert als Luthersprache. Sp. 678.
[2] Nembach, Ulrich: Predigt des Evangeliums. Luther als Prediger, Pädagoge und Rhetor. Neukirchen 1972. Im Folgenden zitiert als Nembach. S. 65.
[3] Vgl. Von Flocken, Jan: Wie Martin Luthers Bibel unsere Sprache prägt. In: DIE WELT vom 25. Januar 2008. Siehe dazu: http://www.welt.de/wissenschaft/history/article1590611/Wie_Martin_Luthers_Bibel_unsere_Sprache_praegt.html [Letzter Zugriff: 29. März 2009; 14:03 Uhr]. Im Folgenden zitiert als von Flocken.
[4] Vgl. von Flocken.
[5] Jens, Walter zitiert nach Ueding, Gert/Steinbrink, Bernd: Grundriss der Rhetorik. Stuttgart4 2005. Im Folgenden zitiert als Grundriss. S. 82.
[6] Luthersprache, Sp. 680.
[7] Ebd., Sp. 680.
[8] Vgl. ebd., Sp. 680.
[9] Vgl. Jens, Walter: Martin Luther. Prediger, Poet, Publizist. Hamburg 1984. Im Folgenden zitiert als Jens. S. 12.
[10] Luther, Martin zitiert nach Jens, S. 24.
[11] Stolt, Birgit: Martin Luthers Rhetorik des Herzens. Tübingen 2000. Im Folgenden zitiert als Stolt 2000.
[12] Luthersprache. Siehe auch: Stolt, Birgit: Docere, delectare und movere bei Luther. In: DVjs 44, Heft 3, 1970. Stuttgart 1970; S. 433-474. Im Folgenden zitiert als Stolt 1970.
[13] Nembach.
[14] Maaser, Wolfgang: Die schöpferische Kraft des Wortes. Die Bedeutung der Rhetorik für Luthers Schöpfungs- und Ethikverständnis. Neukirchen 1999. Im Folgenden zitiert als Maaser.
[15] Junghans, Helmar: Martin Luther und die Rhetorik. Leipzig 1998. Im Folgenden zitiert als Junghans.
[16] Rössler, Dietrich: Beispiel und Erfahrung. Zu Luthers Homiletik. In: Albrecht, Christian/Weeber, Martin (Hg.): Klassiker der protestantischen Predigtlehre. Tübingen 2002; S. 9-25. Im Folgenden zitiert als Rössler.
[17] Dähn, Susanne: Rede als Text. Rhetorik und Stilistik in Luthers Sakramentssermonen von 1519. Frankfurt am Main 1997. Im Folgenden zitiert als Dähn.
[18] Beutel, Albrecht: Martin Luther. München 1991. Im Folgenden zitiert als Beutel. S. 20f.
[19] Beutel, S. 25ff.
[20] Ebd., S. 28ff.
[21] Beutel, S. 32ff.
[22] Vgl. Holtz, Sabine: Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650. Deutsche Geschichte im europäischen Kontext 1500-1650. Vorlesung im Fach Neuere Geschichte, gehalten an der Universität Tübingen im Wintersemester 2007/08. Im Folgenden zitiert als Holtz.
[23] Vgl. Holtz.
[24] Vgl. ebd.
[25] Vgl. Holtz.
[26] Vgl. ebd.
[27] Vgl. ebd.
[28] Vgl. ebd.
[29] Vgl. ebd.
[30] Vgl. ebd.
[31] Vgl. Moeller, Bernd: Deutschland im Zeitalter der Reformation. Göttingen4 1999. Im Folgenden zitiert als Moeller.
[32] Vgl Beutel S. 54ff sowie Moeller S. 90ff.
[33] Vgl. Holtz.
[34] Vgl. ebd.
[35] Vgl. Holtz.
[36] Vgl. Holtz.
[37] Vgl. ebd.
[38] Stolt 2000, S. 42.
[39] Vgl. Gutzen, Dieter/Ottmers, Martin: Christliche Rhetorik. In: HWdR Band 2: Bie-Eul. Tübingen 1992; Sp. 197-222. Im Folgenden zitiert als Christliche Rhetorik. Sp. 216.
- Arbeit zitieren
- Lena Maier (Autor:in), 2008, Der Reformator Martin Luther als Rhetor und Prediger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153413
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