Kunstfreiheit – schön und gut. Darauf können sich die Demokraten schnell einigen. Seit 60 Jahren wird durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Freiheit der Kunst vom Grundgesetz garantiert und diese Garantie ist noch nicht abgelaufen. Selbstverständlich soll die Kunst frei sein. Wie sieht es aber aus, wenn sich eine berühmte Persönlichkeit in einem Roman als Negativfigur wiedererkennt bzw. man sich selber von dem Autor als Vorbild in einem Roman als dargestellte fiktive Figur wiederfindet? Wenn man sich oder einen geliebten Menschen durch ein Kunstwerk öffentlich bloß gestellt sieht? Und schon ist sie dahin, die Vorstellung der absoluten Kunstfreiheit. Ist die Kunst dann immer noch frei oder wird die vorbehaltslos gewährleitete Kunstfreiheit doch irgendwie eingeschränkt?
Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Fälle zu entscheiden gehabt, in denen es um die Freiheitsgarantie der Kunst ging. Das reicht vom 1971 ergangenem Grundsatzurteil zum Schlüsselroman „Mephisto – Roman einer Karriere“, in dem ein Erbe das Andenken des berühmten Schauspielers Gustaf Gründgens geschmäht sah, bis zum vieldiskutierten Rechtsstreit um intime Offenbarungen in dem Buch „Esra“ von Maxim Biller. Nicht immer fielen die Urteile zu Gunsten der Kunstfreiheit aus. Die einen, die glaubten, sich in dem Roman wiedererkannt zu haben machten ihr Persönlichkeitsrecht geltend und im Gegenzug wurde von dem Autor bzw. dem Verleger die Kunstfreiheit entgegengehalten.
Es gibt sie eben nicht die ganz und gar unbeschränkte Freiheit der Kunst. Wenn sie mit anderen Grundrechten kollidiert, muss eine höchstrichterliche Abwägung vorgenommen werden, die selten einmütig ausfällt. In der Residenz des Rechts wurde die Kunstfreiheit nicht beschnitten, sondern höchstrichterlich mit Konturen versehen. Es gab in den vergangenen sechzig Jahren eine ganze Menge Bücher, Bilder, Theateraufführungen und Filme, die Anstoß und Missfallen erregt, die den Freiheitsraum der Kunst ausgelotet haben. Die Kunstfreiheit, wie sie in Art. 5 Abs. 3 GG steht, ist aus gutem Grund ein Grundrecht.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einführung
- I. Problem zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht
- II. Verlauf der Ermittlungen
- B. Die beiden Leitentscheidungen: „Mephisto“ & „Esra“
- I. „Mephisto“-Fall (BVerfGE 30, 173)
- 1. Sachverhalt
- 2. Die Eingriffsbefugnis des BVerfG
- a) Mehrheitsvotum
- b) Sondervotum¸
- II.,,Esra\"-Fall (BVerfGE 119, 1 ff)
- 1. Sachverhalt
- 2. Die Eingriffsbefugnis des BVerfG
- I. „Mephisto“-Fall (BVerfGE 30, 173)
- C. Die beiden Grundrechte
- I. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
- II. Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG
- 1. Bedeutung der Kunst und ihre Aufgabe
- 2. Schutzbereich
- a) Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff
- aa),,Mephisto\"-Entscheidung.
- (1) Kritik in der Literatur / Literaturmeinung
- (2) Reaktion des BVerfG auf die Kritik
- (a),,Materieller“ Kunstbegriff_
- (b),,Formaler\" Kunstbegriff
- (c),,Kommunikationstheoretischer“ Kunstbegriff
- (3) Zusammenfassung.
- bb),,Esra\"-Entscheidung_
- aa),,Mephisto\"-Entscheidung.
- b) Der Geltungsbereich
- aa) Der sachliche Geltungsbereich
- (1),,Mephisto\"-Entscheidung
- (2) „Esra“-Entscheidung
- bb) Der persönliche Geltungsbereich
- (1),,Mephisto\"-Entscheidung
- (2),,Esra“-Entscheidung
- aa) Der sachliche Geltungsbereich
- 3. Schranken der Kunstfreiheit
- I) Die Vorbehaltlosigkeit der Gewährleistung
- aa),,Mephisto\"-Entscheidung.
- bb) „Esra“-Entscheidung.
- II) Verfassungsimmanente Schranken
- aa),,Mephisto\"-Entscheidung.
- bb) „Esra“-Entscheidung.
- III) Persönlichkeitsrecht als Schranke der Kunstfreiheit_
- aa),,Mephisto\"-Beschluss.
- (1) Dauer des Persönlichkeitsrecht
- (2) Lösungsmethoden der Spannungslage_
- (3) Sondervotum
- (4) Kritik in der Literatur / Literaturmeinung.
- bb),,Esra\"-Beschluss_
- (1) Mehrheitsmeinung des BVerfG
- (2) Sondervotum
- (a) Ansicht der Richter Hohmann-Dennhardt und Gaier
- (b) Ansicht des Richters Hoffmann-Riem_
- (3) Kritik in der Literatur / Literaturmeinung
- aa),,Mephisto\"-Beschluss.
- 4. eigene Stellungnahme zu den beiden Leitentscheidungen
- a) Kunstbegriff
- aa),,Mephisto\"-Beschluss.
- bb),,Esra\"-Entscheidung
- b) Schranken
- aa),,Mephisto\"-Beschluss.
- bb),,Esra“-Entscheidung.
- a) Kunstbegriff
- I) Die Vorbehaltlosigkeit der Gewährleistung
- a) Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff
- D. Schlussworte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Spannungsverhältnisse zwischen der Kunstfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht, insbesondere im Hinblick auf die Verarbeitung von Personen und Stoffen in künstlerischen Werken. Im Fokus stehen die beiden Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts „Mephisto“ und „Esra“, die als wegweisend für die Abgrenzung der beiden Grundrechte gelten. Die Arbeit analysiert die Rechtsauffassungen aus Rechtsprechung und Literatur, insbesondere die ratio decidendi der beiden Entscheidungen, und nimmt dazu Stellung.
- Abgrenzung der Kunstfreiheit und des Persönlichkeitsrechts
- Verfassungsrechtlicher Kunstbegriff und seine Anwendung in der Rechtsprechung
- Schranken der Kunstfreiheit, insbesondere durch das Persönlichkeitsrecht
- Relevanz der beiden Leitentscheidungen „Mephisto“ und „Esra“ für die heutige Rechtsprechung
- Kritik und Diskussion der Rechtsauffassungen in Literatur und Rechtsprechung
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel A: Einführung: Dieses Kapitel führt in die Thematik der Kunstfreiheit und des Persönlichkeitsrechts ein und beleuchtet die Spannungsverhältnisse zwischen beiden Grundrechten im Kontext der Verarbeitung von Personen und Stoffen in Kunstwerken.
- Kapitel B: Die beiden Leitentscheidungen: „Mephisto“ & „Esra“: Hier werden die beiden wegweisenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts „Mephisto“ und „Esra“ ausführlich dargestellt. Die Kapitel beinhalten eine detaillierte Analyse der Sachverhalte, der Argumente der Mehrheits- und Sondermeinungen sowie der Eingriffsbefugnis des BVerfG.
- Kapitel C: Die beiden Grundrechte: Dieses Kapitel analysiert die beiden Grundrechte Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht im Detail. Es behandelt den verfassungsrechtlichen Kunstbegriff, seinen Geltungsbereich sowie die Schranken der Kunstfreiheit, insbesondere durch das Persönlichkeitsrecht.
Schlüsselwörter
Kunstfreiheit, Persönlichkeitsrecht, Bundesverfassungsgericht, „Mephisto“-Entscheidung, „Esra“-Entscheidung, verfassungsrechtlicher Kunstbegriff, Schranken der Kunstfreiheit, Eingriffsbefugnis, ratio decidendi, Rechtsprechung, Literatur, Meinungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit, künstlerische Freiheit, Persönlichkeitsrechte, Datenschutz, Urheberrecht, Schutz von Personen, Verarbeitung von Personen, Verarbeitung von Stoffen, öffentliche Meinung, Kritik, Satire, Kunstwerke, Medien, öffentliche Interessen, private Interessen, Rechtsschutz, Grundrechte
- Citar trabajo
- Gülay Utanir (Autor), 2009, Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht: Welche Grenzen zieht das Persönlichkeitsrecht der Kunst bei der "Verarbeitung" von Personen und Stoffen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153261