Das Konzept zur Abgrenzung latenter Steuern kommt ursprünglich aus den angelsächsischen Ländern. Bereits 1967 hat das Accounting Principles Board (APB) des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) in seiner Opinion No. 11 eine wegweisende Stellungnahme zum Konzept der latenten Steuern abgegeben. Dabei wurden Begriff, Inhalt und Behandlung für die amerikanische Rechnungslegungspraxis festgelegt. Im Handelsgesetzbuch (HGB) wurden 1985 erstmals latente Steuern kodifiziert. Davor war der Tatbestand der latenten Steuerabgrenzung in der deutschen Rechnungslegung nicht zu finden.
Unter dem Begriff latente Steuern kann man sich zunächst nichts Konkretes vorstellen. Während der Bestandteil „Steuern“ durchaus verständlich und gegenwärtig ist, weiß man eine Latenz in diesem Zusammenhang nur schwer einzuordnen. Latenz, so ist dem Lexikon zu entnehmen, kommt von dem Lateinischen latens und bedeutet verborgen, nicht direkt hervortretend. Die Latenzzeit ist der Zeitraum zwischen einem verborgenen Ereignis und dem Eintreten einer sichtbaren Reaktion auf dieses.
Diese Arbeit soll als Leitfaden für die Bilanzierung von latenten Steuer genommen werden können. Es soll gezeigt werden, wo potenziell latente Steuern entstehen können. Die Abhandlung stellt heraus, welche Änderungen sich für die Bilanzierung latenter Steuern nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ergeben und stellt diese den Regelungen der internationalen Rechnungslegungsstandards gegenüber.
Die Annäherung des HGB an die IFRS ist sicher eine Richtung, die man in der deutschen Rechnungslegung noch mehrfach erleben wird. Ob das für alle Beteiligten immer wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt. Für die latenten Steuern gilt sowohl für das HGB als auch für die IFRS, dass ihre Bedeutung auch für die Steuerplanung zunehmen wird.
Letztlich kann nur jedem Unternehmen geraten werden, sich gründlich mit dem Thema latente Steuern zu befassen und die Regelungen, die es gibt, unabhängig davon, ob nach HGB oder IFRS bilanziert wird, für sich zu nutzen. Nur so ist es möglich, den Mehraufwand, den die neuen Regelungen des HGB nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, aber auch die internationalen Rechnungslegungsstandards bedingen, möglicherweise in einen Vorteil zu verwandeln.
Inhaltsverzeichnis
1 Untersuchungsgegenstand
2 Konzeption und Bewertung latenter Steuern
2.1 Arten von Differenzen
2.1.1 Zeitlich unbegrenzte Differenzen
2.1.2 Zeitlich begrenzte Differenzen
2.1.3 Quasi zeitlich unbegrenzte Differenzen
2.2.Timing-Konzept
2.3 Temporary-Konzept
2.4 Bewertung latenter Steuern
2.4.1 Deferred-Methode
2.4.3 Liability-Methode
3.Latente Steuern im HGB der neuen Fassung
3.1 Norm und Ausweis
3.1.1 Steuerliche Verlustvorträge
3.1.2 Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung
3.1.3 Angaben im Anhang
3.2 Erfasste Differenzen
3.3 Abweichungen zwischen der HGB-Handelsbilanz und der Steuerbilanz
3.3.1 Anlagevermögen
3.3.2 Immaterielle Vermögensgegenstände
3.3.3 Sachanlagen
3.3.4 Finanzanlagen
3.3.5 Umlaufvermögen
3.3.6 Aktive Rechnungsabgrenzung
3.3.7 Wertaufholung
3.3.8 Währungsumrechnung
3.3.9 Wahlrechte
3.3.10 Rückstellungen
3.3.11 Verbindlichkeiten
3.3.12 Abweichungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
4 Latente Steuern in den IFRS
4.1 Norm und Ausweis
4.1.1 Ausnahmen von der Ansatzpflicht
4.1.2 Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung
4.1.3 Angaben im Anhang
4.2 Erfasste Differenzen
4.3 Abweichungen zwischen der IFRS-Handelsbilanz und der Steuerbilanz
4.3.1 Immaterielle Vermögenswerte
4.3.2 Sachanlagen
4.3.3 Finanzanlagen
4.3.4 Umlaufvermögen
4.3.5 Forderungen
4.3.6 Wertpapiere
4.3.7 Eigenkapital
4.3.8 Sonderposten mit Rücklagenanteil
4.3.9 Verbindlichkeiten und Rückstellungen
5 Fazit und Ausblick
5.1 Das HGB – alter und neuer Fassung
5.2 HGB der neuen Fassung und IFRS
5.3 Perspektiven
Appendix (Bsp. zur Ermittlung von latenten Steuern)
Abkürzungsverzeichnis und Begriffserläuterungen
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichni
Literaturverzeichnis
1 Untersuchungsgegenstand
Das Konzept zur Abgrenzung latenter Steuern kommt ursprünglich aus den angelsächsischen Ländern. Bereits 1967 hat das Accounting Principles Board (APB) des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) in seiner Opinion No. 11 eine wegweisende Stellungnahme zum Konzept der latenten Steuern abgegeben. Dabei wurden Begriff, Inhalt und Behandlung für die amerikanische Rechnungslegungspraxis festgelegt (vgl. Coenenberg et al. 2009: 463). Im Handelsgesetzbuch (HGB) wurden 1985 erstmals latente Steuern kodifiziert. Davor war der Tatbestand der latenten Steuerabgrenzung in der deutschen Rechnungslegung nicht zu finden (vgl. Coenenberg et al. 2003: 382).
Unter dem Begriff latente Steuern kann man sich zunächst nichts Konkretes vorstellen. Während der Bestandteil „Steuern“ durchaus verständlich und gegenwärtig ist, weiß man eine Latenz in diesem Zusammenhang nur schwer einzuordnen. Latenz, so ist dem Lexikon zu entnehmen, kommt von dem Lateinischen latens und bedeutet verborgen, nicht direkt hervortretend. Die Latenzzeit ist der Zeitraum zwischen einem verborgenen Ereignis und dem Eintreten einer sichtbaren Reaktion auf dieses.
Wenn die Handelsbilanz und die Steuerbilanz den gleichen Gewinn ausweisen, fallen die Ertragsteuern bei beiden Gewinnermittlungen gleich aus. Doch nicht immer ist eine Gewinngleichheit gegeben, obwohl die Handels- und Steuerbilanz durch die allgemeine (materielle) Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 EStG) auch nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) miteinander verbunden sind. Die möglichen Abweichungen bestehen entweder darin, dass der Handelsbilanzgewinn zunächst höher als der Steuerbilanzgewinn ist oder, dass der Handelsbilanzgewinn zunächst niedriger als der Steuerbilanzgewinn ist (vgl. Buchholz 2009: 133). Tabelle 1 zeigt das Beschriebene in vier Perioden anschaulich, wobei von einem Ertragsteuersatz von 30 % ausgegangen wird.
Tabelle 1: Gewinn- und Steuerdifferenzen in Handels- und Steuerbilanz (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Buchholz 2009: 133)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weil die Steuerbemessungsgrundlage die Steuerbilanz ist, wird hierbei von der effektiven Steuer gesprochen. Die fiktive Steuer bezeichnet die Steuer, die fällig wäre, wenn die Handelsbilanz als Bemessungsgrundlage herangezogen würde. Aus der Sicht der Handelsbilanz ergibt sich für die Perioden 01 und 02 aus dem Beispiel eine zu hohe Steuerlast, also zu viel Steueraufwand. In den Perioden 03 und 04 kehrt sich das wieder um, und die effektive Steuerlast ist zu niedrig, was einen zu geringen Steueraufwand in diesen Perioden ergibt (vgl. Buchholz 2009: 133). In Summe wären die Differenzen bei diesem Beispiel nach vier Perioden wieder ausgeglichen.
Bei der Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) werden aktive latente Steuern als deferred tax assets angesetzt. Sie werden danach als asset (engl. für Vermögensgegenstand) angesehen, weil sie zukünftige Steuerzahlungen ersparen. Die passiven latenten Steuern werden hier als deferred tax liabilities ausgewiesen, da ihnen zukünftige Belastungen folgen (vgl. Buchholz 2009: 245).
Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, das die umfangreichste Modernisierung des HGB seit 20 Jahren darstellt, soll eine Rechnungslegung nach deutschem Handelsrecht ermöglicht werden, die näher an den internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards, IFRS) liegt. Auch im Bereich der latenten Steuern wurden dazu punktuell Konzepte der IFRS übernommen, Ansatz- und Bewertungsvorschriften angepasst sowie umfangreichere Anhangangaben vorgesehen (vgl. Kühne u.a. 2009: 1006). Obwohl in Deutschland grundsätzlich die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gilt, bestanden schon vor der Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Differenzen zwischen den steuerlichen Wertansätzen und denen in der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Die sogenannte „Einheitsbilanz“ existierte faktisch schon vor dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz nicht mehr (vgl. Herzig/Briesemeister 2009: 931). Diese Unterschiede werden mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz nicht verringert. Durch die Aufhebung der umgekehrten (formellen) Maßgeblichkeit sowie der Einführung zusätzlich abweichender Regelungen zwischen dem Handels- und Steuerrecht entstehen weitere Differenzen, so dass die Notwendigkeit der Abgrenzung und Bilanzierung latenter Steuern steigt (vgl. Wendholt/Wesemann 2009: 64 ff).
Diese Arbeit soll als Leitfaden für die Bilanzierung von latenten Steuer genommen werden können. Es soll gezeigt werden, wo potenziell latente Steuern entstehen können. Die Abhandlung stellt heraus, welche Änderungen sich für die Bilanzierung latenter Steuern nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ergeben und stellt diese den Regelungen der internationalen Rechnungslegungsstandards gegenüber.
2 Konzeption und Bewertung latenter Steuern
Nach den für Deutschland geltenden handelsrechtlichen Bestimmungen ist neben dem Jahresabschluss, unabhängig davon, ob er nach den Vorschriften des HGB oder der IFRS erstellt wurde, auch ein Abschluss nach den Vorschriften des Steuerrechts zu erstellen. Somit ergibt sich die Pflicht, sowohl eine Handelsbilanz als auch eine Steuerbilanz aufzustellen. Unterschiedliche Regelungen für die Handels- und Steuerbilanz sind der Ursprung für latente Steuern (vgl. Coenenberg et al. 2009: 462).
Im Handelsgesetzbuch ist die Steuerabgrenzung im § 274 HGB geregelt, der die Überschrift „Latente Steuern“ trägt. § 274 HGB ist in der Version vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz mit „Steuerabgrenzung“ betitelt. In den IFRS sind latente Steuern im International Accounting Standard (IAS) 12, der mit income taxes (Ertragsteuern) überschrieben ist, kodifiziert.
2.1 Arten von Differenzen
Latente Steuern entstehen durch Differenzen zwischen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz. Dabei werden drei Arten von Differenzen unterschieden: zum einen die zeitlich unbegrenzten Differenzen (permanente Differenzen, permanent differences), zum anderen die zeitlich begrenzten Differenzen (timing differences) und zum dritten die quasi zeitlich unbegrenzten Differenzen (quasi permanent differences). Im Timing-Konzept wird darauf abgehoben, dass die Abweichung nur beachtet wird, wenn sie sowohl bei ihrer Entstehung als auch bei ihrer Umkehr bzw. Auflösung ergebniswirksam ist. Im Unterschied dazu genügen im Temporary-Konzept Ansatz- oder Bewertungsunterschiede in den beiden Rechnungslegungswerken, die bei ihrer Umkehr oder Aufhebung erfolgswirksam werden.
2.1.1 Zeitlich unbegrenzte Differenzen
Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanzergebnis, die in einer Abrechnungsperiode entstehen und sich in den folgenden Perioden nicht wieder ausgleichen, werden als zeitlich unbegrenzte Differenzen bezeichnet. Solche Abweichungen entstehen durch Geschäftsvorfälle, die nur in einem der beiden Rechnungswerke erfolgswirksam behandelt werden, soweit es das Timing-Konzept angeht, bzw. durch außerbilanzielle Hinzurechnungen oder Kürzungen, die aus der steuerlichen Gewinnermittlung herrühren, sofern es das Temporary-Konzept betrifft. Beispiele für solche Abweichungen, die sich in den Folgejahren nicht wieder umkehren, sind steuerfreie Erträge wie Investitionszulagen oder Aufwendungen, die steuerrechtlich nicht anerkannt werden, nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 5 EStG, wie z.B. Strafen, Aufwendungen gemäß § 10 KStG, die nicht abziehbar sind und verdeckte Gewinnausschüttungen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Hier entstehen keine latenten Steuern, weil der Steueraufwand anderer Perioden nicht beeinflusst wird (vgl. Rabeneck/Reichert 2002: 1366).
2.1.2 Zeitlich begrenzte Differenzen
Werden Aufwendungen oder Erträge zwar in gleicher Höhe sowohl in der Handels- und Steuerbilanz erfasst, doch geschieht dies in unterschiedlichen Abrechnungsperioden und gleichen sich diese Differenzen in den Folgeperioden wieder vollständig aus, so ist von zeitlich begrenzten Differenzen die Rede (vgl. Rabeneck/Reichert 2002: 1367).
2.1.3 Quasi zeitlich unbegrenzte Differenzen
Zusätzlich zu den bisher genannten Abweichungen, den zeitlich begrenzten und den zeitlich unbegrenzten Unterschieden, gibt es eine Gruppe von Differenzen, die weder der einen noch der anderen Art eindeutig zugeordnet werden können. Es handelt sich dabei um die sogenannten quasi zeitlich unbegrenzten Differenzen (quasi permanent differences), welche sich erst in ferner Zukunft, im Extremfall erst bei der Liquidation des Unternehmens, nivellieren. Unterschiedliche handels- und steuerrechtliche Bewertungen von nicht abnutzbaren Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, wie z.B. bei Grundstücken, oder handelsrechtliche Abschreibungen auf Beteiligungen, sind ein Beispiel für quasi permanente Differenzen (vgl. Küting et al. 2009: 502).
Die quasi zeitlich unbegrenzten Differenzen können allerdings zu zeitlich begrenzten Differenzen werden. Somit ist jährlich zu überprüfen, ob sich aufgrund von Veränderungen der gesetzlichen Regelungen, eintretender veränderter unternehmerischer Verhältnisse oder einer geplanten Disposition in absehbarer Zeit diese Unterschiede nicht doch ausgleichen werden (vgl. IDW 1988: Tz. 3).
2.2.Timing-Konzept
Obwohl für die Zukunft in der deutschen Rechnungslegung, wie schon vorher in der internationalen Praxis, das Temporary-Konzept zu Grunde gelegt wird, gilt für Jahresabschlüsse bis zum 31.12.2009 noch die Fassung des HGB vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, in der das Timing-Konzept zur Anwendung kommt (vgl. Coenenberg et al. 2009: 463).
Im HGB a. F. ist keine Abgrenzungsmethode normiert. Nach herrschender Meinung (h. M.) basierte die Steuerabgrenzung gemäß § 274 HGB (a. F.) auf dem an der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) orientierten Timing-Konzept (vgl. Hayn/Waldersee 2008: 248). Als GuV-orientiert wird dieses Konzept deswegen bezeichnet, weil Ansatz- und Bewertungsunterschiede zwischen der Handels- und Steuerbilanz dann abgegrenzt werden müssen, wenn diese Differenzen sowohl im Zeitpunkt ihrer Entstehung als auch ihrer Umkehr zu einem unterschiedlichen handels- und steuerrechtlichen Ergebnis führen (vgl. Küting et al. 2009: 501). In diese Steuerabgrenzung werden also nur die Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede zwischen der Handels- und Steuerbilanz einbezogen, die sich sowohl bei ihrer Entstehung als auch bei der weiteren Entwicklung, demzufolge der möglichen Auflösung oder der Umkehrung, auf die Gewinn- und Verlustrechnung auswirken (vgl. Rabeneck/Reichert 2002: 1366).
Bei dieser Konzeption werden die oben genannten Arten von Differenzen unterschieden. In der Abbildung 1 wird dargestellt, dass sich das Timing-Konzept der latenten Steuerabgrenzung ausschließlich auf die zeitlich begrenzten Differenzen (timing differences) bezieht. Ist der Steuerbilanzgewinn infolge zeitlich begrenzter Differenzen zunächst niedriger und später entsprechend höher als in der Handelsbilanz, entsteht, verglichen mit dem Handelsbilanzgewinn, zunächst ein zu niedriger und später dann ein zu hoher Steueraufwand. Das Konzept der Steuerlatenzen gleicht diesen Zustand mit der Bildung eines passiven latenten Steuerpostens aus, der später bei Umkehrung des Effekts wieder aufgelöst wird. Ist der Steuerbilanzgewinn durch die zeitlich begrenzte Differenzen vorerst höher und anschließend niedriger als der Handelsbilanzgewinn, so kommt es entsprechend zu einer aktiven latenten Steuerabgrenzung (vgl. Coenenberg et al. 2009: 464). Würde auf eine latente Steuerabgrenzung verzichtet werden, so wäre der Steueraufwand zunächst zu hoch und später zu niedrig ausgewiesen, was zur Folge hätte, dass der Steueraufwand in keiner sinnvollen Relation zum Handelsbilanzgewinn stehen würde (vgl. Coenenberg et al. 2009: 465).
Abbildung 1: Timing-Konzept (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Coenenberg et al. 2009: 466)
Für quasi zeitlich unbegrenzte Differenzen ist im Timing-Konzept sicherzustellen, dass überprüft wird, ob aus quasi zeitlich unbegrenzten Differenzen zeitlich begrenzte Differenzen geworden sind. Dies muss anhand der am Bilanzstichtag erkennbaren Entwicklungen geschehen (vgl. Coenenberg et al. 2009: 465).
Nach der GuV-orientierten Sichtweise des Timing-Konzepts ist es das Ziel der Abgrenzung von latenten Steuern, in der Gewinn- und Verlustrechnung einen Steueraufwand auszuweisen, mit dem das handelsrechtlich ermittelte Ergebnis korrespondiert. Zweck des Timing-Konzepts ist also ein periodengerechter Erfolgsausweis (vgl. Küting et al. 2009: 502).
2.3 Temporary-Konzept
Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz hat der deutsche Gesetzgeber einen konzeptionellen Wandel in der Steuerabgrenzung vollzogen. In der Neufassung des § 274 HGB wird, wie bereits früher schon im IAS 12 geschehen, das bilanzorientierte Temporary-Konzept vorgeschrieben. Im Gesetzestext steht nun, dass Differenzen zwischen den „... handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen ...“ (vgl. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB.), die sich in zukünftigen Perioden umkehren und somit eine Steuerbe- oder -entlastung zur Konsequenz haben, abgegrenzt werden (vgl. Küting et al. 2009: 502). Die Bilanzorientierung ergibt sich aus dem Text, dass es eben für die Abgrenzungsnotwendigkeit genügt, eine Abweichung zwischen der Steuer- und der Handelsbilanz zu haben, die bei ihrer Umkehr einen Steuereffekt zu Folge hat. Unerheblich ist ferner, wann die Bewertungsunterschiede sich ausgleichen. Wichtig ist nur, dass sich die Differenzen im Zeitablauf ausgleichen.
Nach § 274 HGB in der Fassung (i. d. F.) des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ist es nicht erforderlich, dass Diskrepanzen zwischen dem handelsrechtlichen Ergebnis vor Steuern und dem zu versteuernden Einkommen vorhanden sind, vielmehr geht es nun um Buchwertunterschiede, die voraussichtlich in den Folgejahren zu Steuerbe- oder -entlastungen führen werden (vgl. Kirsch 2009: 511). Für das Temporary-Konzept ist es also im Gegensatz zum Timing-Konzept unerheblich, wenn die Differenzen erfolgsneutral entstanden sind. Um künftige Steuerbe- oder -entlastungen zum Bilanzstichtag korrekt auszuweisen, werden auch latente Steuern auf erfolgsneutral entstandene Wertdifferenzen abgegrenzt, da ihre zukünftige erfolgswirksame Auflösung eine korrespondierende steuerliche Wirkung auslösen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Temporary-Konzept (Quelle: eigene Darstellung)
Nach der neuen Konzeption, die für das HGB nach Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz gilt, ist das Ziel der Bilanzierung latenter Steuern nicht mehr der periodengerechte Erfolgsausweis. Vielmehr wird nun das Augenmerk auf eine zutreffende Abbildung der Vermögenslage gelegt. Die Rechnungslegungsadressaten sollen über die Steuermehr- oder -minderbelastungen, die dem Unternehmen zukünftig entstehen, informiert werden (vgl. Küting et al. 2009: 502). Die Abbildung 2 zeigt, was zu einer Abgrenzung latenter Steuern, folgt man diesem Verfahren, führt.
Das Temporary-Konzept ist weiter gefasst als das Timing-Konzept und enthält neben den zeitlich begrenzten Differenzen die quasi zeitlich unbegrenzten Differenzen, welche zusammen die temporären Differenzen bilden. In der Abbildung 3 ist grafisch gezeigt, wo die Unterschiede liegen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Unterschied zwischen Timing-Konzept und Temporary-Konzept (vgl. Küting et al. 2009: 503)
2.4 Bewertung latenter Steuern
Nachdem oben (2.1) die abzugrenzenden Wertunterschiede dargestellt worden sind, stellt sich jetzt die Frage, mit welchem Betrag der Posten in die Bilanz aufgenommen werden muss. In § 274 Abs. 2 HGB n. F. ist angegeben, dass die resultierende Steuerbe- und -entlastung mit dem unternehmensindividuellen Steuersatz zu bewerten ist. Die Tabelle 2 zeigt, wie der Steuersatz berechnet wird. Warum hier auf den unternehmensindividuellen Steuersatz abgehoben wird, erklärt sich im Zusammenhang mit der entsprechenden Regelung für Konzerne im § 306 Abs. 1 Satz 5 HGB n. F. Dort wird auf die entsprechende Anwendung des § 274 Abs. 2 HGB n. F. angeordnet und damit geklärt, dass für die Bewertung der latenten Steuern bei Konsolidierungsmaßnahmen auf die individuellen Steuersätze der integrierten Tochterunternehmen abgestellt werden soll (vgl. Küting et al. 2009: 516).
Einen gesonderten Standard für latente Steuern im Konzernabschluss gibt es bei den IFRS nicht. Es gelten die allgemeinen Regelungen des IAS 12.
Tabelle 2: Berechnung Steuersatz (Quelle: eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.4.1 Deferred-Methode
Zur Festlegung des maßgeblichen Steuersatzes kommen die Liability-Methode oder auch Verbindlichkeitsmethode und die Deferred-Methode, die auch Abgrenzungsmethode genannt wird, in Frage. Coenenberg führt noch eine dritte Methode, die sogenannte Net-of-Tax-Methode an. Da es mit diesem Konzept nicht gelingt, einen nachvollziehbaren und präzisen Zusammenhang zwischen dem Ergebnis und dem Steueraufwand der Handelsbilanz herzustellen, wird es nicht weiter erläutert (vgl. Coenenberg et al. 2009: 474).
Die Deferred-Methode orientiert sich am Ziel der periodengerechten Abrechnung, ähnlich wie das Timing-Konzept. Ihr Zweck ist der zusammenpassende Ausweis von Erfolg und Steueraufwand. Erhöht sich der Steueraufwand in der Bilanz, so ergibt sich eine passive Abgrenzung und im umgekehrten Fall eine zukünftige Steuererstattung. Der zu dieser Abgrenzung kompatible Steuersatz zur Bewertung der latenten Steuern ist derjenige der Abrechnungsperiode. Die abgegrenzten Steuern werden bei einer Änderung des Steuersatzes nicht angeglichen (vgl. Coenenberg et al. 2009: 471). Die Anwendung dieser Methode war bis zum Inkrafttreten der Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz-Regelungen möglich, sie passt zum Timing-Konzept. Nach h. M. wurde aber schon zu Zeiten des Timing-Konzepts die Liability-Methode angewandt, obwohl keine Methode vorbestimmt gewesen ist (vgl. Hahn 2009: 59 u. 69).
2.4.3 Liability-Methode
Der Ausgangspunkt der Liability-Methode ist die statische Bilanztheorie, in deren Fokus die richtige Darstellung der Vermögenslage steht. Die Verbindlichkeitsmethode, wie die Liability-Methode auch noch genannt wird, betrachtet latente Steuern als Forderungen bzw. Verbindlichkeiten. Entgegen der Abgrenzungsmethode müssen in diesem Fall die bestehenden latenten Steuern in jeder Periode an neue Steuersätze angepasst werden. Sofern es absehbar ist, dass ein geänderter Steuersatz zur Anwendung kommen wird, bevor die temporären Differenzen abgebaut werden, ist es verpflichtend, die bereits vorhandene Steuerabgrenzung anzupassen (vgl. Hahn 2009: 57).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 : Zusammenfassung Unterschiede der Liability-Methode und der Deferred-Methode (Quelle: eigene Darstellung)
Die IFRS und auch US-GAAP setzen die Liability-Methode im Endeffekt aus Gründen der Zweckmäßigkeit ein. Würde man die Deferred-Methode einsetzen, so hätte das zur Folge, dass eine Anpassung im Zeitablauf unterbleiben würde und somit bei der Auflösung der Differenzen die abgegrenzte Steuerlatenz geringer oder höher als die echte Steuerbe- bzw. entlastung ausfallen könnte. Die aufwendige Konsequenz daraus wäre, dass im Moment der Umkehrung der Differenzen eine Zuordnung der sich auflösenden Latenzen zu den Steuersätzen, mit denen sie in den Vorperioden eingebucht wurden, zu erfolgen hätte. Besonders bei sich im Zeitablauf ändernden Steuersätzen wäre das ein mühsames Verfahren (vgl. Hahn 2009: 58). Die Abbildung 4 stellt die beschriebenen Methoden gegenüber.
Eine Festschreibung der zu nutzenden Methode ist auch nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz im HGB nicht zu finden. Es ist jedoch herrschende Meinung, dass die Liability-Methode sowohl nach dem HGB in der neuen Fassung als auch nach den IFRS anzuwenden ist (vgl. Hahn 2009: 58; Schulz-Danso in Beck'sches IFRS-Handbuch 2009: 880). Wie § 274 Abs. 2 HGB n. F, so stellt auch IAS 12.47 zur Bewertung der latenten Steuern auf den im Zeitpunkt der voraussichtlichen Umkehrung der Differenz gültigen Steuersatz ab, was der Liability-Methode entspricht. Gleichzeitig wird in IAS 12.48 geregelt, dass zukünftige Steuersätze nur dann angewendet werden dürfen, wenn ein Steuergesetz „substantially enacted“ ist. Das ist in Deutschland dann der Fall, wenn der Bundestag und der Bundesrat der Änderung vor oder am Bilanzstichtag zugestimmt haben. Somit kommt im Normalfall der aktuelle Steuersatz zum Bilanzstichtag zur Anwendung. Nur wenn ein bereits verabschiedetes Steuergesetz andere Steuersätze vorsieht, kommt es diesbezüglich zu einer Ausnahme (vgl. Pawelzik in Heuser/Theile 2009: 539 Rz. 2648). Wann ein Steuersatz als Bewertungsgrundlage für die Berechnung der latenten Steuer als verabschiedet gilt, ist nach dem HGB und den IFRS für deutsches Recht identisch.
Abbildung 6: Ausweismöglichkeiten Passivüberhang (Quelle: eigene Darstellung)
3.Latente Steuern im HGB der neuen Fassung
3.1 Norm und Ausweis
Im HGB werden die latenten Steuern in § 274 HGB für Einzelabschlüsse und in § 306 HGB für den Konzernabschluss geregelt. Für aktive und passive latente Steuern ist im HGB n. F. je ein Posten auf der Aktiv- und Passiv-Seite vorgesehen (§ 266 Abs. 2 D, Abs. 3 E HGB). Die Abbildung 5 zeigt schematisch, wo der Ausweis zu erfolgen hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Ausweis latenter Steuern nach HGB (n. F.) (Quelle: eigene Darstellung)
Im HGB sind für die latenten Steuern das Saldierungswahlrecht und das Aktivierungswahlrecht kodifiziert. Standardmäßig geht der Gesetzgeber von der sogenannten Gesamtdifferenzbetrachtung aus. Dort wird laut § 274 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGB von einer sich insgesamt ergebenden Steuerbe- bzw. -entlastung gesprochen. Aktive latente Steuern werden hierbei zunächst mit den passiven latenten Steuern verrechnet. Ergibt sich daraus eine zukünftige Steuerbelastung, was einem Passivüberhang entspricht, so ist dieser in der Bilanz auszuweisen. Diese Passivierungspflicht steht dem Aktivierungswahlrecht des zweiten Satzes gegenüber. Entsteht bei der Saldierung also ein Aktivüberhang, so ist im Gesetz dafür ein Aktivierungswahlrecht verankert (vgl. Gelhausen et al. 2009: M12 ff.). Eine Teilaktivierung, die auf bestimmte Sachverhalte beschränkt ist, ist nicht zulässig (vgl. IDW ERS HFA 27 2009: Tz. 11). Weist der Bilanzierende aktive latente Steuern aus, so hat er darauf zu achten, dass nach § 268 Abs. 8 HGB eine Ausschüttungssperre für diesen Betrag besteht (vgl. Gelhausen et al. 2009: M14).
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- Quote paper
- Tuptus Virtual (Author), 2010, Leitfaden für die Bilanzierung latenter Steuern., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152739
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