Der Neubeginn an der Technischen Hochschule nach 1945 ist geprägt von den Demontagen durch die sowjetische Besatzungsmacht und der Entnazifizierung des Lehrkörpers. Er würde sich nicht nachvollziehen lassen, wenn man die Jahre des Nationalsozialismus nicht in die Betrachtung einbeziehen würde. Um auf diese Fragen eine Antwort zu finden soll nach einem allgemeinen Teil zur Geschichte der TH Dresden zwischen Kriegsende und Wiedereröffnung im Herbst 1946 versucht werden, die Entwicklungen, die für die Hochschulen in Deutschland insgesamt zutrafen, durch zwei biographische Skizzen zu verdeutlichen. Dazu sollen die Werdegänge von Kurt Beyer und Willy Gehler betrachtet werden. Beide waren während mehrerer Epochen deutscher Zeitgeschichte als ordentliche Professoren an der Bauingenieurabteilung bzw. der Fakultät für Bauwesen der TH tätig. Beide hatten auffällige Parallelen in ihren Karrieren und doch verliefen diese im „Dritten Reich“ und in der SBZ/DDR verschieden. Es soll untersucht werden, ob sich an diesen Lebensläufen das Verhältnis von Kontinuität und Umbruch in der deutschen Wissenschaft nach 1945 erkennen läßt. Eine entscheidende Frage dabei wird sein: Waren deutsche Wissenschaftler und Ingenieure „politisch“ oder „unpolitisch“? Es wird auf diese Frage keine befriedigende Antwort geben können, zumal der Begriff politisch in diesem Zusammenhang anders definiert werden soll, als das in der Auseinandersetzung mit der Funktion von Wissenschaft und Technik im allgemeinen geschieht. „Politisch“ soll hier als Indikator für politische Betätigung, die Zugehörigkeit zu politischen Organisationen und das Vorhandensein von politischen Überzeugungen verstanden werden. Nach dieser Definition kann ein Forscher also durchaus als unpolitisch gelten, auch wenn er in einer Diktatur seiner Arbeit nachgeht und diese durch sein Handeln stützt.
Das Bild des unpolitischen Wissenschaftlers ist ein Selbstbild dieses Berufsstandes. Es diente zum Teil der eigenen Rechtfertigung für das Arrangieren der deutschen Bildungseliten mit dem Nationalsozialismus. Die Annahme, daß genau dieses Anpassen politisches Handeln gewesen ist, bezieht sich jedoch auf die Funktion der Wissenschaft in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation, nicht auf die Einstellung und weltanschauliche Gesinnung des einzelnen. Es steht außer Zweifel, daß sich die deutsche Intelligenz vom nationalsozialistischen Staat vereinnahmen ließ und dies nicht ohne die Vereinnahmung des einzelnen funktionieren konnte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gegenstand und Zielstellung der Arbeit
- Forschungsstand
- Kurt Beyer
- Curriculum vitae Friedrich August Kurt Beyer
- Kindheit, Studium, Assistenz und Arbeit im Ausland (1881-1919)
- Kurt Beyer als Dresdner Hochschullehrer und Ingenieur (1919-1945)
- Kontinuität im neuen System – Kurt Beyer im „Dritten Reich“
- Kurt Beyer und der Neubeginn an der TH Dresden nach 1945
- Resümee
- Willy Gehler
- Das Wirken Gehlers bis zu seiner Berufung an die TH Dresden
- Willy Gehler in der Zeit des Nationalsozialismus
- Gehler nach 1945: Entlassung und Bemühen um Rehabilitation
- Der,,Persil-Schein“ vom 9. Mai 1946: Gehler ein Antifaschist?
- Zwei Facetten des unpolitischen Wissenschaftlers? – Der Versuch eines Vergleiches
- Exkurs: Entnazifizierung von Hochschullehrern in Ost und West
- Hochschulentnazifizierung in der SBZ
- Der Umgang mit NSDAP-Mitgliedern in den westlichen Besatzungszonen
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Neubeginn an der Technischen Hochschule Dresden nach 1945, wobei die Verstrickung von Teilen der Dresdner Akademiker in das NS-System im Vordergrund steht. Die Untersuchung soll die Spannungen zwischen radikaler Erneuerung und dem Überleben alter Strukturen am Beispiel der Technischen Hochschule Dresden beleuchten.
- Die Auswirkungen der Demontagen durch die sowjetische Besatzungsmacht und der Entnazifizierung des Lehrkörpers auf die Technische Hochschule Dresden.
- Der Umgang mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern im wissenschaftlichen Personal.
- Die Entwicklung der akademischen Karrieren von Kurt Beyer und Willy Gehler, die beide während des Nationalsozialismus und in der SBZ/DDR als Professoren an der Technischen Hochschule tätig waren.
- Die Frage, inwiefern die Lebensläufe von Beyer und Gehler das Verhältnis von Kontinuität und Umbruch in der deutschen Wissenschaft nach 1945 widerspiegeln.
- Die Rolle von Wissenschaft und Technik im Nationalsozialismus und die Kontroversen über die Verantwortung von Wissenschaftlern und Technikern im NS-Staat.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Gegenstand und die Zielsetzung der Arbeit dar. Sie skizziert die historische Situation der Technischen Hochschule Dresden nach dem Zweiten Weltkrieg und das Spannungsfeld zwischen Erneuerung und Kontinuität, das die Arbeit untersucht. Außerdem wird der Forschungsstand zum Thema beleuchtet.
- Kurt Beyer: Dieses Kapitel zeichnet die Biographie von Kurt Beyer nach, mit Schwerpunkten auf seiner Zeit als Dresdner Hochschullehrer und Ingenieur während des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit. Es wird untersucht, wie er mit dem neuen System umging und wie seine Karriere sich in den unterschiedlichen Epochen entwickelte.
- Willy Gehler: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Leben und Wirken von Willy Gehler. Es beleuchtet seine Zeit als Hochschullehrer in Dresden, sein Engagement im Nationalsozialismus und seine Situation nach 1945. Das Kapitel analysiert die Frage, ob Gehler als Antifaschist angesehen werden kann und untersucht die beiden Facetten des unpolitischen Wissenschaftlers.
- Exkurs: Entnazifizierung von Hochschullehrern in Ost und West: Dieser Exkurs vergleicht die Entnazifizierung an Hochschulen in der SBZ und in den westlichen Besatzungszonen. Er beleuchtet die Unterschiede im Umgang mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern im wissenschaftlichen Personal und die Widersprüche zwischen dem antifaschistischen Anspruch und der praktischen Durchsetzung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Technischen Hochschule Dresden, der Entnazifizierung, dem Neubeginn nach 1945, den Biographien von Kurt Beyer und Willy Gehler, dem Verhältnis von Wissenschaft und Politik im Nationalsozialismus und der Rolle von Wissenschaftlern und Technikern in der NS-Zeit. Die Forschungsarbeit greift auf Konzepte wie Kontinuität und Umbruch, politische Betätigung, unpolitisches Selbstverständnis und die Funktion von Wissenschaft und Technik in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation zurück.
- Quote paper
- M. A. Falk Hensel (Author), 2001, Der Wiederbeginn an der Technischen Hochschule Dresden 1945, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152696