Wernher der Gartenære ist eines der vielen Fragezeichen in der Mediävistik. Wer er war und woher er kam ist bis heute ungewiss. Sein sprechender Name und ein paar Hinweise in seinem etwa zwischen 1240 und 1280 entstandenen Werk „Helmbrecht“ lassen jedoch die Vermutung zu, dass er ein fahrender Berufsdichter war.
Der „Helmbrecht“ selbst ist sowohl in der Ambraser als auch in der Berliner Handschrift überliefert. Beide Versionen weichen zum Teil stark voneinander ab, zum Beispiel was den Ort des Geschehens betrifft. Der Kern der Geschichte ist jedoch in beiden Handschriften gleich überliefert. Es handelt sich beim „Helmbrecht“ um eine der wenigen Dichtungen des Mittelalters, „die von den Problemen des sozialen Lebens in einer ständisch gestuften Ordnung unmittelbar Kunde gibt“ .
In dieser Hausarbeit soll der mittelalterliche ordo-Gedanke im „Helmbrecht“ von Wernher der Gartenære dargestellt und erläutert werden. Dazu ist zuerst eine Definition und Vor-stellung des ordo-Gedankens nötig, sowie eine Einführung in die Drei-Stände-Lehre des Mittelalters. Beides findet sich in den ersten zwei Kapiteln der Arbeit. Bei der Drei-Stände-Lehre werde ich zudem näher auf die beiden Stände des ordo militaris und des ordo rusticorum eingehen, da beide in Wernhers Werk eine große Rolle einnehmen. Den ordo clericorum werde ich nicht weiter erläutern, da er für den Verlauf der Hausarbeit keine besondere Rolle spielt.
Nachdem Allgemeines über den ordo-Gedanken und die Drei-Stände-Lehre im Mittelalter ausgesagt wurde, werde ich dieses Wissen auf das Werk anwenden und den ordo-Gedanken im Helmbrecht analysieren. Dabei finden vor allem die Bereiche „Verhalten“, „Kleidung“, „Familie“ und „Ehe“ Beachtung, da sich hier der mittelalterliche ordo-Gedanke besonders ausdrückt.
Im Helmbrecht findet in allen Bereichen eine Missachtung des ordo statt. Das erfordert nach mittelalterlichem Denken eine angemessene Bestrafung. Da die Strafe in diesem Fall in mehrfacher Weise geschieht, habe ich ihr ein eigenes Kapitel gewidmet.
Zum Schluss sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammenfassend dargestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der ordo-Gedanke
3. Die Drei-Stände-Lehre
3.1. Ordo militaris
3.2. Ordo rusticorum
4. Der ordo-Gedanke im „Helmbrecht“
4.1. Verhalten
4.2. Kleidung und Ausrüstung
4.3. Familie
4.4. Ehe
5. Strafe
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wernher der Gartenære ist eines der vielen Fragezeichen in der Mediävistik. Wer er war und woher er kam ist bis heute ungewiss. Sein sprechender Name und ein paar Hinweise in seinem etwa zwischen 1240 und 1280 entstandenen Werk „Helmbrecht“ lassen jedoch die Vermutung zu, dass er ein fahrender Berufsdichter war.
Der „Helmbrecht“ selbst ist sowohl in der Ambraser als auch in der Berliner Handschrift überliefert. Beide Versionen weichen zum Teil stark voneinander ab, zum Beispiel was den Ort des Geschehens betrifft. Der Kern der Geschichte ist jedoch in beiden Handschriften gleich überliefert. Es handelt sich beim „Helmbrecht“ um eine der wenigen Dichtungen des Mittelalters, „die von den Problemen des sozialen Lebens in einer ständisch gestuften Ordnung unmittelbar Kunde gibt“1.
In dieser Hausarbeit soll der mittelalterliche ordo-Gedanke im „Helmbrecht“ von Wernher der Gartenære dargestellt und erläutert werden. Dazu ist zuerst eine Definition und Vor- stellung des ordo-Gedankens nötig, sowie eine Einführung in die Drei-Stände-Lehre des Mittelalters. Beides findet sich in den ersten zwei Kapiteln der Arbeit. Bei der Drei- Stände-Lehre werde ich zudem näher auf die beiden Stände des ordo militaris und des ordo rusticorum eingehen, da beide in Wernhers Werk eine große Rolle einnehmen. Den ordo clericorum werde ich nicht weiter erläutern, da er für den Verlauf der Hausarbeit keine besondere Rolle spielt.
Nachdem Allgemeines über den ordo-Gedanken und die Drei-Stände-Lehre im Mittelalter ausgesagt wurde, werde ich dieses Wissen auf das Werk anwenden und den ordo- Gedanken im Helmbrecht analysieren. Dabei finden vor allem die Bereiche „Verhalten“, „Kleidung“, „Familie“ und „Ehe“ Beachtung, da sich hier der mittelalterliche ordo- Gedanke besonders ausdrückt.
Im Helmbrecht findet in allen Bereichen eine Missachtung des ordo statt. Das erfordert nach mittelalterlichem Denken eine angemessene Bestrafung. Da die Strafe in diesem Fall in mehrfacher Weise geschieht, habe ich ihr ein eigenes Kapitel gewidmet.
Zum Schluss sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammenfassend dargestellt werden.
2. Der ordo-Gedanke
Die Menschen im Mittelalter vertraten die Überzeugung, dass eine gottgewollte hierarchi- sche Gliederung der Welt existiert, die Menschen also natürlicherweise in verschiedenen Über- und Unterordnungsverhältnissen miteinander leben2.
Man spricht hier von dem mittelalterlichen ordo-Gedanken. „Ordo“ bezeichnet dabei die Ordnung einer jeden geschichtlichen Gemeinschaft bzw. die Sozialordnung des gesell- schaftlichen Miteinanders3. Der ordo-Gedanke des Mittelalters bezieht sich allerdings nicht nur auf die hierarchische Gliederung der Menschen untereinander – was auch die Ordnung innerhalb der Stände und innerhalb der Familie mit einschließt -, sondern umfasst auch die göttliche Ordnung des Pflanzen- und Tierreichs auf der Erde. Auf letzteres soll in dieser Hausarbeit allerdings nicht weiter eingegangen werden, da es für den „Helmbrecht“ nicht weiter von Bedeutung ist.
Der wie oben definierte ordo-Gedanke war im Mittelalter das zentrale Ordnungsprinzip der europäischen Gesellschaft. Es gab eine Ständeordnung, die als gottgewollt angesehen war. Zunächst handelte es sich bei den Ständen um Berufs- und nicht um Geburtsstände. Das heißt, dass es im Prinzip jedem Bauern möglich war, durch entsprechende Qualifikationen in einen höheren Stand aufzusteigen. Dabei wurde grob unterschieden in geistliche und weltliche Stände. Vor allem auf letztere soll im Folgenden noch ausführlicher eingegangen werden.
3. Die Drei-Stände-Lehre
Im Verlauf des 10. Jahrhunderts fand eine erste funktionale Gliederung der Gesellschaft nach Berufsgruppen statt. Es wurde grob unterschieden zwischen ordo clericorum (Kleri- ker), ordo militaris (Ritter) und ordo rusticorum/ordo laborates (Bauern und Handwerker), kurz zwischen Lehr-, Wehr- und Nährstand. Freidank verdeutlichte dieses Denken in „Be- scheidenheit“ mit folgenden Versen:
Got hât driu leben geschaffen gebûre, ritter, phaffen 4
Diese Gliederung ist allerdings nur als Ideal einer Ständegliederung zu verstehen, an dem sich die Menschen orientieren sollten5 und spiegelt nicht die wirkliche Ständegliederung dar, die wesentlich komplexer war und einige Stände mehr umfasste.
Die Stände unterschieden sich vor allem durch ihre Rechte und Pflichten, durch ihre ethi- schen Normen und ihre jeweilige Kultur. Sie waren in dem Bewusstsein der Menschen durch eine allumfassende göttliche Ordnung zu einem Ganzen zusammengefasst. Mit der funktionalen Gliederung in Berufsgruppen kam es zu einer starren Gesellschaftsordnung, in der menschlichem Aufstiegswillen kein Raum mehr gegeben wurde. Während es sich vorher um Berufsstände handelte, gab es bald nur noch den Geburtsstand. Das heißt, dass man nur dem Stand angehören konnte, dem auch die Eltern angehörten. Der Versuch, in einen anderen Stand aufzusteigen wurde als Verstoß gegen die göttliche Weltordnung ge- wertet und bestraft. Die Verurteilung erfolgte aber vor allem deshalb, weil der Aufstieg in einen höheren Stand den gesellschaftlichen Status der herrschenden Gruppen und deren Macht gefährdete6.
In „Der Renner“ Verse 4485 bis 4487 von Hugo von Trimberg drückt sich der Gedanke des Verstoßes gegen die göttliche Ordnung besonders aus:
Swer wider sînen orden strebet Und niht nâch gotes willen lebet, Wizzet der ist ein endecrist 7
Wer sich dem von Gott gegebenen ordo widersetzte, war ein „endecrist“ und musste wegen dieses Unrechts bestraft und aus der menschlichen Gesellschaft entlassen werden, wie wir es später noch am Beispiel des Helmbrecht nachvollziehen können.
Das Paradoxe an diesem Sachverhalt war, dass die Kirche auf der einen Seite die Gleich- heit aller Menschen vor Gott immer wieder betonte, es eine solche Gleichheit mit dem Ge- burtsstand in der Realität aber nicht gab. Eine Verwirklichung dieser Gleichheit wurde aufs Jenseits verschoben. Es herrschte nach kirchlicher Lehre die Ansicht, Gott habe Herrschen und Dienen, Reichtum und Armut gewollt. Die unteren Bevölkerungsschichten mussten darum nicht nur ihre Standespflichten erfüllen, sondern auch Mühsal, Ausbeutung und Unterdrückung erleiden, um in den Himmel zu kommen. Nach dem Sündenfall habe Gott jedem Menschen eine seinem ordo angemessene Aufgabe zugewiesen, die er erfüllen müs- se, wenn er das ewige Heil erlangen mochte. Erst wenn alle Menschen ihre Aufgabe erfüllt hätten, könne der göttliche Heilsplan auf Erden vollendet werden8.
[...]
1 Vgl. Bernhard Sowinski: Wernher der Gartenaere. Helmbrecht. – München: R. Oldenbourg 1971, S. 54.
2 Vgl. Gerd Tellenbach: Irdischer Stand und Heilserwartung im Denken des Mittelalters. In: Festschrift für Hermann Heimpel. Hg. von den Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Göttingen 1972, S. 1-17 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts 36/II), S. 1.
3 Vgl. Britta Kägler: Der Ordo-Gedanke bei Wernher der Gartenære, „Helmbrecht“. – München/Ravensburg: Grin 2002, S. 5.
4 Vridankes Bescheidenheit. Hrsg. Von Wilhelm Grimm. Göttingen: Dieterich’schen Buchhandlung 1834, 27/7, V. 1-6.
5 Vgl. Petra Menke: Recht und Ordo-Gedanke im Helmbrecht. – Frankfurt am Main: Peter Lang 1993 (= Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte 24), S.59.
6 Vgl. ebd., S.60.
7 Hugo von Trimberg: Der Renner. - http://www.uni-tuebingen.de/mediaevistik/materialien/renner/ Teil15.html#geiz (21.05.2007), V. 4485ff.
8 Vgl. Petra Menke: Recht und Ordo-Gedanke im Helmbrecht. – Frankfurt am Main: Peter Lang 1993 (= Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte 24), S.62.
- Quote paper
- Jessica Rohrbach (Author), 2007, Ordo-Gedanke und Drei-Stände-Lehre im 'Helmbrecht', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151631
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