Die Untersuchung der Informationseffizienz von Finanzmärkten und damit die Effizienzmarkthypothese ist ein umfassender und vieldiskutierter Gegenstand der empirischen Forschung. Noch heute, trotz jahrzehntelanger Untersuchung und immer besseren ökonometrischen Modellen, gibt es keine endgültige und definitive Aussage über ihre Gültigkeit. Aus ökonomischer Perspektive wird angenommen, dass die strenge Form der Informationseffizienz nicht gelten kann; deren empirische Untersuchung gestaltet sich zudem als schwierig. Für die schwache und halbstrenge Stufe existieren zahlreiche Arbeiten. Diese zeigen kein einheitliches Bild, dennoch kann die Annahme der schwachen Informationseffizienz häufig nicht abgelehnt werden. Die in dieser Arbeit behandelten Tests auf Basis der DAX-Schlusskurse für den Zeitraum von 02.01.1995 bis 28.12.2001 zielen auf die Gültigkeit des Random Walk Model und damit der schwachen Informationseffizienz ab. Der Literatur entsprechend weisen alle Tests auf die Gültigkeit des Random Walk Model hin. Aus dieser Evidenz kann jedoch noch nicht die Existenz eines (schwach) informationseffizienten deutschen Finanz- und im Besonderen Kapitalmarktes abgeleitet werden; hierzu sind weitere Tests und alternative Zeitreihen notwendig. Dennoch geben sie einen ersten Einblick in die Struktur dieses Marktes.
Inhalt
I. Einleitung
II. Informationseffizienz
A. Stufe I: schwache Informationseffizienz
B. Stufe II: halbstrenge Informationseffizienz
C. Stufe III: strenge Informationseffizienz
D. Kritik an der EMH
III. Preisbildungsmodelle
A. Fair Game Model
B. Martingale Model
C. Submartingale Model
D. Random Walk Model
1. Random Walk Model 1
2. Random Walk Model 2
3. Random Walk Model 3
E. Joint Hypothesis Test
IV. Empirische Analyse
A. Autokorrelation
B. Ljung-Box-Test
C. Variance-Ratio-Test
D. Runs-Test
E. Unit-Root-Test
V. Zusammenfassung
Literatur
Abbildungen und Tabellen
I. Einleitung
Im Rahmen der Finanzmarkttheorie besteht die wesentliche Rolle des Finanzmarktes im Allgemeinen und des Kapitalmarktes im Speziellen auf Seite der Kapitalgeber in der Preisbildung von Kapitalanlagen und auf Seite der Kapitalnehmer in der Bewertung von Investitionsprojekten.
Die Hauptfunktion des Marktes ist somit die Allokation des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks zwischen den Marktteilnehmern, die bei der Entscheidungsfindung und der Beurteilung von Entscheidungsalternativen auf Informationen angewiesen sind. In einer idealen Welt mit maximaler Transparenz und minimalem Risiko müssen einer Entscheidung alle relevanten Informationen zugrunde liegen; es liegen keine Informationsasymmetrien zwischen einzelnen Marktteilnehmern vor. Entscheidungen können also alleine auf Grundlage der Preise für Kapitalanlagen getroffen werden. Die Marktpreise spiegeln alle für die Marktteilnehmer relevanten Informationen vollständig und unverzüglich wider; der Markt ist informationseffizient. Die Annahme der Informationseffizienz wird als Efficient Market Hypothesis (Effizienzmarkthypothese), kurz EMH, bezeichnet.
Es existieren zwei grundlegende Definitionen der Informationseffizienz des Marktes.1
Fama: „ A market in which prices always „ fully reflect “ available information is called „ efficient. “ 2
Eine erweiterte Definition liefert Malkiel. Sie zielt zusätzlich auf die Möglichkeit ab, in einem effizienten Markt Gewinn zu generieren.
Malkiel: “A capital market is said to be efficient if it fully and correctly reflects all relevant information in determining security prices. Formally, the market is said to be efficient with respect to some information set [...] if security prices would be unaffected by revealing that information to all participants. Moreover, efficiency with respect to an information set [...] implies that it is impossible to make economic profits by trading on the basis of [that information set].“3
Im nächsten Abschnitt der Arbeit werden die einzelnen Ausprägungen der Informationseffizienz dargestellt. Fama klassifiziert drei Stufen:
schwache Informationseffizienz
halbstrenge Informationseffizienz strenge Informationseffizienz
Zudem wird die damit einhergehende Kritik am Konzept der EMH näher erläutert.
Der dritte Abschnitt behandelt die Grundlagen und theoretischen Hintergründe der vier Preisbildungsmodelle, die einem informationseffizienten Finanzmarkt zugrunde liegen und die für die Überprüfung der Gültigkeit der schwachen Informationseffizienz zur Anwendung kommen. Unterschieden wird zwischen dem
Fair Game Model
Martingale Model
Submartingale Model Random Walk Model
Außerdem wird auf den Begriff des Joint Hypothesis Test (verbundener Hypothesentest) eingegangen.
Zuletzt wird die Gültigkeit des Random Walk Model und damit der EMH im Rahmen einer empirischen Analyse der Daten der DAX-Schlusskurse im Zeitraum von 02.01.1995 bis 28.12.2001 überprüft.
II. Informationseffizienz
Gemäß der EMH beinhaltet die Annahme eines ideal informationseffizienten Marktes die restriktive Bedingung, dass keine Transaktionskosten bestehen und Informationen für Anleger kostenlos verfügbar sind. Eine schwächere Annahme der Informationseffizienz fordert lediglich, dass die Grenzkosten der Informationsgenerierung den Grenzgewinn, der durch die Kapitalanlagen auf Grundlage dieser Informationen entsteht, nicht übersteigen. In der realen Markt effizient unter Berücksichtigung einer Informationsmenge [...], wenn die Wertpapierpreise unbeeinflusst bleiben, wenn diese Information allen Marktteilnehmern offenbart wird. Zudem impliziert Effizienz unter Berücksichtigung einer Informationsmenge [...], dass es unmöglich ist, wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen, indem man auf Basis [dieser Informationsmenge] handelt.“]
Welt ist die restriktive Bedingung nicht erfüllt.4 Um eine differenzierte Betrachtungsweise zu ermöglichen, hat Fama drei Stufen der Informationseffizienz aufgestellt:5 schwache Informationseffizienz halbstrenge Informationseffizienz strenge Informationseffizienz Die Existenz einer dieser Stufen ist ein Maß für die Möglichkeit, durch entsprechende Analysemethoden oder Informationsgenerierung Überrenditen6 zu erzielen.7
A. Stufe I: schwache Informationseffizienz
In einem Markt mit schwacher Informationseffizienz sind lediglich historische Preise und Kursentwicklungen im Marktpreis einer Kapitalanlage enthalten. Überrenditen können durch reine Kursanalyse nicht erzielt werden, eine zusätzliche Fundamentalanalyse entsprechender öffentlich vorhandener Informationen ist notwendig.8
B. Stufe II: halbstrenge Informationseffizienz
Gilt die Annahme der halbstrengen Informationseffizienz in einem Finanzmarkt, sind alle öffentlich vorhandenen Informationen in den Marktpreisen enthalten, allerdings keine privaten Informationen. Für die Generierung von Überrenditen eignen sich lediglich echte Insiderinformationen, jedoch keine statistischen und ökonometrischen Analysemethoden9
C. Stufe III: strenge Informationseffizienz
Diese Stufe der Informationseffizienz beschreibt den Zustand eines idealen Marktes. Im aktuellen Marktpreis einer Anlage sind demnach alle Informationen enthalten, auch nichtöffentliche, private (Insider-)Informationen einzelner Marktteilnehmer. Zwar kann die strenge Form der Informationseffizienz in der Realität nicht gelten, dennoch stellt sie die Benchmark der EMH dar. Alle Preise sind reine Gleichgewichtspreise; kein Marktteilnehmer kann Überrenditen erzielen.
D. Kritik an der EMH
In einem ideal informationseffizienten Finanzmarkt sind die für eine Kapitalanlage relevanten Informationen vollständig in deren Marktpreis enthalten. Da keine Möglichkeit besteht, Überrenditen zu erzielen, besteht für die Marktteilnehmer kein Anreiz, Informationen zu generieren. Diese Informationen bilden jedoch die Grundlage für die strenge Form der Informationseffizienz. Der Markt muss demnach im Gleichgewicht in dem Ausmaß informationsineffizient sein, das die mit der Informationsgenerierung verbundenen Kosten deckt. Dies wird als Informationsparadoxon bezeichnet und stellt einen wesentlichen Kritikpunkt der EMH dar.10 Zudem würden Kapitalgeber, die nicht aktiv Informationen beschaffen, Informationen aus Preisen ableiten, zu denen noch keine Transaktion durchgeführt wurde, was nur bei statischer Betrachtung des Finanzmarktes möglich wäre.11 Legt man einen dynamischen Charakter zugrunde, der der Realität entspricht, „ist es für die aktiv informationsbeschaffenden Investoren möglich, ihre Informationen auszunutzen, ehe die anderen Marktteilnehmer diese aus den Preisen ableiten können“.12
III. Preisbildungsmodelle
Für die Modellierung der Preise von Kapitalanlagen jeglicher Art wurden verschiedene Modelle entwickelt, die unterschiedliche Spezifikationen und Annahmen enthalten. Vier dieser Modelle wurden auf Grundlage der Gültigkeit der EMH aufgestellt. Allen gemeinsam ist die Annahme, die aktuellen Marktpreise würden sog. Information Sets beinhalten, also ein bestimmtes Maß an Information. Die vier Modelle sind das
Fair Game Model
Martingale Model
Submartingale Model Random Walk Model
Anhand dieser Modelle kann in einem weiteren Schritt die Hypothese der schwachen Informationseffizienz auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Zwar lassen sich mit diesen Modellen auch die halbstrenge und strenge Informationseffizienz testen, doch zeigt sich hier das Problem einer geeigneten Datenerhebung, wie noch zu zeigen sein wird. Um diese Problematik zumindest für die Überprüfung der halbstrengen Informationseffizienz zu umgehen, wurden Event Studies (Ereignisstudien) entworfen. Deren Ausgangspunkt ist die Überlegung, „dass Finanzierungsentscheidungen grundsätzlich zu zwei Zeitpunkten bewertungsrelevante Informationen auslösen können:
- Ankündigungstag: Die Marktteilnehmer erhalten Kenntnis von den Absichten eines Unternehmens.
- Platzierungstag: Ein Titel wird am Markt emittiert oder eine Umstellung erfolgt.“13 Auf diese Testart soll im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht näher eingegangen werden.
Das Testen der EMH auf Grundlage von Informationen ist zunächst nicht möglich. Für empirische Tests muss eine geeignete Operationalisierung gefunden werden. Eine allgemeine Formulierung des Erwartungswertes des zukünftigen Preises des i-ten Investments kann durch die Umrechnung der zukünftigen erwarteten Rendite bezogen auf den heutigen Preis erreicht werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wobei pi,t den Marktpreis des i-ten Investments im Zeitpunkt t, pi,t+1 den Preis im Zeitpunkt t+1 bezeichnet und ri,t+1 die diskrete Einperiodenrendite, die über (pi,t+1-pi,t)/pi,t errechnet wird. It bezeichnet ein Information Set (Informationsmenge), die zum Zeitpunkt t vollständig im Preis pi,t enthalten ist. Die Tilde ~ indiziert den Preis und die Rendite als Zufallsvariable.14 Der Erwartungswert der Rendite unter der Bedingung des zugrunde liegenden Information Set E(r i,t+1 It) umfasst die Annahme, dass die zukünftige Rendite auf Grundlage aller zum Zeitpunkt t zur Verfügung stehenden Informationen erwartet wird.
Hier zeigt sich bereits die Schwierigkeit, ausgehend von dieser Formulierung die halbstrenge oder strenge Informationseffizienz zu testen. Bei der schwachen Informationseffizienz beinhaltet das Information Set It lediglich historische Kurse und Renditen, da auf dieser Stufe per definitionem alle historischen Preise und Kursentwicklungen im aktuellen Marktpreis enthalten sind. Weitere Informationen, öffentliche und private, in It darzustellen, erweist sich als schwierig und formell nur schwer darstellbar.15
A. Fair Game Model
Ausgehend von Gleichung (1) kann nun ein ex-post-Überschussgewinn zum Zeitpunkt t+1 definiert werden als
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hier wird die Differenz zwischen dem realisierten Preis in t+1 und dem zum Zeitpunkt t erwarteten Preis in t+1 auf Grundlage der Informationen in t ausgedrückt. Damit gilt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ähnliches ergibt sich für die ex-post-Überrendite in t+1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dies führt zu
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Folgen {xi,t} und {zi,t} werden bezüglich der Folge von Informationen {It} als Fair Game16 (faires Spiel) bezeichnet. Fama definiert nun ein beliebiges Handelssystem, gemäß dem ein Kapitalgeber das Kapital anteilsmäßig auf verschieden Anlagen, ausgehend von der Informationsmenge It, aufteilen kann:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die gesamte ex-post-Überrendite ergibt sich somit zu
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
für deren Erwartungswert gilt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wird wiederum das Fair Game in Gleichung (5) zugrunde gelegt, ist das Ergebnis von Gleichung (8)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Somit ist die gesamte erwartete Überrendite eines Handelssystems in einem vollständig informationseffizienten Finanzmarkt gleich null; es können keine Überrenditen erzielt werden. Bei Annahme schwacher Informationseffizienz enthält die Informationsmenge It lediglich die vergangenen Preise der i-ten Kapitalanlage:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gleichung (8) besitzt testbare Implikationen für die Überprüfung der EMH.
B. Martingale Model
Eine Ableitung aus dem Fair Game Model stellt das Martingale Model dar. Dessen Kernaussage zeigt sich in Gleichung (11):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der auf Grundlage der Informationsmenge It erwartete Preis in t+1 entspricht dem Preis zum Zeitpunkt t. Auch hier kann das Information Set aus Gleichung (10) herangezogen werden, um der schwachen Informationseffizienz zu genügen. „Die beste Prognose für den Preis von morgen ist der Preis von heute“17. Betrachtet man die Differenz p i,t+1 − p i,t , so ergibt sich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 vgl. Fama, E. (1970), S. 383 [Ein Markt, in dem die Marktpreise die vorhandene Information zu jedem Zeitpunkt „vollständig enthalten“, heißt „effizient.“]
2 Fama, E. (1970), S. 383
3 vgl. Campbell, J., Lo, A., MacKinlay, A. (1997), S. 20 f. [„Ein Kapitalmarkt heißt effizient, wenn er alle für die Bewertung von Wertpapierpreisen relevanten Informationen vollständig und korrekt enthält. Formal heißt der
4 vgl. Fama, E. (1991), S. 1575
5 vgl. Hartmuth, A. (2004), S. 76 f.
6 Die Renditedifferenz zwischen der ex-post realisierten Rendite und der in einem Asset Pricing Model bestimmten erwarteten Rendite (Benchmarkrendite) stellt die Überrendite dar
7 vgl. Poddig, T. (1999), S. 79
8 vgl. Poddig, T. (1999), S. 79
9 vgl. Poddig, T. (1999), S. 80
10 vgl. Poddig, T. (1999), S. 90
11 vgl. Poddig, T. (1999), S. 90 f.
12 Poddig, T. (1999), S. 91
13 Drobetz, W. (2008), S. 11
14 vgl. Fama, E. (1970), S. 384
15 vgl. Fama, E. (1970), S. 384 f. und Poddig, T. (1999), S. 81 - 84
16 Bei einem fairen Spiel entspricht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler im j-ten Spieldurchgang einen Gewinn erhält, der Wahrscheinlichkeit, einen Verlust zu realisieren, vgl. Poddig, T. (1999), S. 83
17 Drobetz, W. (2008), S. 3
- Quote paper
- Sascha Heller (Author), 2008, Preisbildungsmodelle für einen informationseffizienten Finanzmarkt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150862
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