In den letzten Jahren ist in den (deutschen) Medien eine klare Tendenz zur so genannten „Boulevardisierung“ erkennbar. Immer mehr Medieninstitutionen, seien es Fernsehsender, Radiosender oder Zeitungen, nehmen sich zunehmend der Themen an, die klassischerweise von Boulevardzeitungen aufgegriffen werden. Trotz dieses Trends in den letzten Jahren gibt es in der medienwissenschaftlichen Forschung kaum Untersuchungen zum Thema „Boulevardjournalismus“. Die meisten Ausarbeitungen gibt es auf Basis von Inhaltsanalysen. Die wenigen Arbeiten, die sich intensiv mit dem Thema „Boulevardjournalismus“ auseinandersetzen, beziehen meist die Themen „Moral und Ethik“ ein. Dennoch sollte man meinen, dass es gerade in diesem Bereich einen großen Bedarf an Forschungsmaterialien gibt. Moral und Ethik sind jedoch gesellschaftliche Konstrukte, die sich wissenschaftlich kaum erfassen lassen. Es gibt nur wenige Mittel, um Amoralität messen zu können. Eines davon ist die Messung der Beschwerden und Rügen über die verschiedenen Medien, die der Deutsche Presserat behandelt. Trotz dieser wenigen Hilfsmittel kann eine Bewertung, ob ein Medium moralisch/unmoralisch und ethisch/unethisch ist, tendenziell eher durch die subjektive Meinung des jeweiligen Autors vorgenommen werden. Eine fundierte wissenschaftliche Analyse ist kaum möglich.
Trotz dieser Schwierigkeit versucht diese Arbeit, Tendenzen und Trends in Bezug auf Moral und Ethik im Boulevardjournalismus herauszuarbeiten. Dazu werden in Kapitel 2 zunächst die Grundbegriffe „Journalismus“ und „Boulevardjournalismus“ erklärt, um eine Einführung in das Thema geben zu können. Anschließend wird ein Überblick über das Thema „Moral und Ethik in den Medien“ gegeben. Dazu werden zunächst die Begriffe „Moral“ und „Ethik“ definiert und auf medienethische Ansätze übertragen. Der Pressekodex als wichtiges Hilfsmittel im beruflichen Alltag von Journalisten wird anschließend kurz dargestellt und erklärt. Im nächsten Abschnitt soll dann versucht werden, eine erste Einschätzung zur Ethik im Boulevardjournalismus abzugeben.
Im zweiten Teil der Arbeit steht ein praktisches Beispiel im Vordergrund: der Amoklauf von Winnenden. Dieses Ereignis fand eine große Resonanz in den deutschen Medien, so dass es sich als Beispiel gut in dieser Arbeit eignet. Nach einer kurzen Darstellung des Vorfalls steht die Analyse der Berichterstattung in der BILD-Zeitung im Vordergrund, um dann eine abschließende Bewertung der zentralen Fragestellung abgeben zu können.
Inhaltsverzeichnis
1) Einleitung
2) Moral und Ethik im Boulevardjournalismus
2.1) Journalismus - Begriffsklärung
2.2) Boulevardjournalismus - Begriffsklärung
2.3) Moral und Ethik in den Medien
2.3.1) Begriffsklärungen
2.3.2) Medienethische Ansätze
2.3.3) Der Pressekodex in Deutschland
2.3.4) Medienethik im Boulevardjournalismus
3) Der Amoklauf von Winnenden
3.1) Kurze Beschreibung des Tathergangs
3.2) Analyse der Berichterstattung unter moralischen Gesichtspunkten
4) Fazit/Bewertung
5) Literaturverzeichnis und Anhang
1) Einleitung
„Ist die Berichterstattung in Boulevardzeitungen unmoralisch und unethisch?“ Das ist die zentrale Fragestellung dieser Hausarbeit.
In den letzten Jahren ist in den (deutschen) Medien eine klare Tendenz zur so genannten „Boulevardisierung“ erkennbar. Immer mehr Medieninstitutionen, seien es Fernsehsender, Radiosender oder Zeitungen, nehmen sich zunehmend der Themen an, die klassischerweise von Boulevardzeitungen aufgegriffen werden. Trotz dieses Trends in den letzten Jahren gibt es in der medienwissenschaftlichen Forschung kaum Untersuchungen zum Thema „Boulevardjournalismus“. Die meisten Ausarbeitungen gibt es auf Basis von Inhaltsanalysen. Die wenigen Arbeiten, die sich intensiv mit dem Thema „Boulevardjournalismus“ auseinandersetzen, beziehen meist die Themen „Moral und Ethik“ ein. Dennoch sollte man meinen, dass es gerade in diesem Bereich einen großen Bedarf an Forschungsmaterialien gibt. Moral und Ethik sind jedoch gesellschaftliche Konstrukte, die sich wissenschaftlich kaum erfassen lassen. Es gibt nur wenige Mittel, um Amoralität messen zu können. Eines davon ist die Messung der Beschwerden und Rügen über die verschiedenen Medien, die der Deutsche Presserat behandelt. Trotz dieser wenigen Hilfsmittel kann eine Bewertung, ob ein Medium moralisch/unmoralisch und ethisch/unethisch ist, tendenziell eher durch die subjektive Meinung des jeweiligen Autors vorgenommen werden. Eine fundierte wissenschaftliche Analyse ist nur bedingt möglich.
Trotz dieser Schwierigkeit versucht diese Arbeit, Tendenzen und Trends in Bezug auf Moral und Ethik im Boulevardjournalismus herauszuarbeiten. Dazu werden in Kapitel 2 zunächst die Grundbegriffe „Journalismus“ und „Boulevardjournalismus“ erklärt, um eine Einführung in das Thema geben zu können. Anschließend wird ein Überblick über das Thema „Moral und Ethik in den Medien“ gegeben. Dazu werden zunächst die Begriffe „Moral“ und „Ethik“ definiert und auf medienethische Ansätze übertragen. Der Pressekodex als wichtiges Hilfsmittel im beruflichen Alltag von Journalisten wird anschließend kurz dargestellt und erklärt. Im nächsten Abschnitt soll dann versucht werden, eine erste Einschätzung zur Ethik im Boulevardjournalismus abzugeben.
Im zweiten Teil der Arbeit steht ein praktisches Beispiel im Vordergrund: der Amoklauf von Winnenden. Dieses Ereignis fand eine große Resonanz in den deutschen Medien, so dass es sich als Beispiel sehr gut in dieser Arbeit eignet. Nach einer kurzen Darstellung des Vorfalls steht die Analyse der Berichterstattung in der BILD-Zeitung im Vordergrund, um dann eine abschließende Bewertung der zentralen Fragestellung abgeben zu können.
2) Moral und Ethik im Boulevardjournalismus
2.1) Journalismus - Begriffsklärung
Journalismus allgemein ist „[...] ein System der modernen Gesellschaft mit der Funktion, aktuelle Informationen zur öffentlichen Kommunikation zu selektieren und zu vermitteln. [.] In demokratischen Gesellschaften stellt J. über die redaktionellen Teile der Massenmedien Öffentlichkeit her durch die Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation.“ (Bentele/Brosius/Jarren 2006, 115f.). Die Aufgabe des Journalisten ist es also, Themen von Interesse für die Öffentlichkeit zu verbreiten, um eine Diskussion zu ermöglichen. Er bedient sich dafür der Verbreitung über die Medien. Da es in dieser Arbeit um Printmedien geht, soll das Verbreitungsmedium „Zeitung“ an dieser Stelle kurz erklärt werden: „mehrmals wöchentlich erscheinendes Presseorgan, das in seiner Berichterstattung jüngstes Gegenwartsgeschehen aus einem prinzipiell unbeschränkten Spektrum möglicher Themen auswählt, redaktionell bearbeitet und an ein nicht begrenztes Publikum verbreitet.“ (Bentele/Brosius/Jarren 2006, 322). Auch hier steht der Verbreitungsaspekt von Informationen im Vordergrund. Die Zeitung ist also das Medium, über das die Informationen verbreitet werden und der Journalist ist die Person, die die zu verbreitenden Informationen aufbereitet. Merkmale der Zeitung, wie sie zum Teil auch schon aus der Definition hervorgehen, sind Aktualität (aktuelle Berichterstattung), Publizität (öffentlich und allgemein zugänglich), Periodizität (regelmäßiges Erscheinen) und Universalität (breites Themenspektrum) (vgl. Höke 2007, 17).
2.2) Boulevardjournalismus - Begriffsklärung
Die Verbreitung dieser besonderen Form des Journalismus findet über das Medium „Boulevardzeitung“ statt. Das sind jene Periodika, die vorwiegend auf der Straße zum Verkauf angeboten werden, eine betont populär-sensationelle Aufmachung (Balkenüberschriften, großflächige Fotos etc. haben, den Leser durch schockierende Stories ansprechen wollen (sex, crime, war) und sich häufig bewusst einer sehr direkten Ausdrucksweise bedienen, die nicht selten die Vulgärsprache zu übertreffen sucht, um Neugier, Sensationshunger und Nervenkitzel einer bei der Lektüre kaum verharrenden Leserschaft permanent zu wecken und zu befriedigen. (Koyzyk/Pruys 1973, 61)
In dieser sehr umfassenden Definition sind bereits viele Charakteristika der Boulevardpresse enthalten. Die wesentlichen Merkmale sind:
a) Themen: bei der Auswahl der Themen in Boulevardzeitungen steht der Faktor „Publikumsinteresse“ im Vordergrund, nicht der Faktor „Bedeutung“. Dabei konzentrieren sich die Inhalte vornehmlich auf die Themengebiete Sex and Crime, Prominente, Sport, Human Interest, Lokales und Unmittelbares, Alltagsthemen, Serviceangebote und die Hervorhebung von Individuen nicht Institutionen.
b) Optik: Die Gestaltung bei Boulevardzeitungen ist bewusst reißerisch und plakativ, um die unmittelbare Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen. Dafür werden Schriften, insbesondere auf der Titelseite, großflächig eingesetzt, viele, meist große Fotos verwendet und die Aufmerksamkeit erregenden Farben rot und schwarz bei der Gestaltung benutzt. Ziel ist die Emotionalisierung durch Text und Bild.
c) Sprache: die Sprache in Boulevardzeitungen ist meist sehr einfach, umgangssprachlich ausgerichtet und besteht aus kurzen Sätzen. Themen sollen dadurch simplifiziert und besonders verständlich gemacht werden und möglichst nahe am Alltag wirken. Das Vokabular ist ebenso wie die Gestaltung auf Emotionalisierung ausgerichtet.
d) Diskursive Strategien: „Simplifizierung, die Konstruktion von übersichtlichen Weltbildern und die Reduktion komplexer, unpersönlicher gesellschaftlicher Vorgänge auf das Handeln einzelner Personen, die dann der moralischen Bewertung durch die Zeitung unterliegen, sind zentrale, diskursive Strategien.“ (Bruck/Stocker 1996, 25). Diskursive Strategien sind also Techniken im Boulevardjournalismus, die den Leser ansprechen und zum Weiterlesen animieren sollen. Dazu gehören:
- Das Reduzieren von Sachverhalten auf das Einfache, Konkrete und Vertraute, um den Leser nicht zu überfordern und emotionale Anteilnahme zu provozieren
- Herstellung emotionaler Adäquanz, um dem Leser einen Wertkonflikt mit dem Medium zu ersparen. Dies wird meist durch eine „Schwarz-Weiß-Darstellung“ erreicht
- Einnehmen der Perspektive der kleinen, machtlosen Leute
- Erzeugung eines „Wir-Gefühls“ und gleichzeitiger Aus- und Abgrenzung von den „Anderen“
- Erzeugung von Gefühlen wie Jubel und Angst, vornehmlich aber Empörung (vgl. Pürer 2003, 155ff.)
Boulevardjournalismus unterscheidet sich also in vielen Punkten vom sonstigen Tageszeitungsjournalismus. Einer der Hauptgründe ist darin zu sehen, dass „bei den Boulevardzeitungen [...] Erfolg und Misserfolg anders als beispielsweise bei den Abonnementzeitungen direkt mit dem täglichen Absatz, der täglichen Auflage verbunden [sind].“ (Höke 2007, 21) So sind Boulevardzeitungen jeden Tag aufs Neue und stärker als die qualitätsjournalistischen Tageszeitungen darauf angewiesen, den Leser zum Kauf zu animieren und ihn für die Dauer der Lektüre „bei der Stange zu halten“.
2.3) Moral und Ethik in den Medien
2.3.1) Begriffsklärungen
Um den Bereich der Medienethik näher erklären zu können, bedarf es zunächst der allgemeinen Begriffsklärung von „Moral“ und „Ethik“. Moral ist die „Gesamtheit von ethisch-sittlichen Normen, Grundsätzen, Werten, die das zwischenmenschliche Verhalten einer Gesellschaft regulieren, die von ihr als verbindlich akzeptiert werden.“ (Duden 2003, 1099) Das Verhalten eines Menschen wird also ständig, ob bewusst oder unbewusst, von diesen anerzogenen Wertvorstellungen beeinflusst. Dahingegen ist Ethik die „philosophische Disziplin od. einzelne Standpunktgebende Lehre, die das sittliche Verhalten des Menschen zum Gegenstand hat; Sittenlehre, Moralphilosophie [.] ; Gesamtheit sittlicher Normen u. Maximen, die einer [verantwortungsbewussten] Einstellung zugrunde liegen.“ (Duden 2003, 498) Ethik ist also quasi die übergeordnete Kategorie zur Moral: sie ist das „Nachdenken über unsere (moralisch bedingten und moralisch zu bewertenden) Handlungen.“ (Pürer 2003, 143)
2.3.2) Medienethische Ansätze
In der Kommunikations- und Medienwissenschaft beschäftigt sich das Forschungsfeld der „Medienethik“ mit ethischen Grundsätzen im Medienbereich. Der Fokus liegt dabei auf Moral und Ethik im Bereich des Journalismus. „Medienethik befasst sich [.] mit moralischen Prinzipien des Journalismus, nicht zuletzt also damit, wie Journalisten auf der Basis demokratischer Werte und anderer allgemeiner gesellschaftlicher Übereinkünfte handeln sollen.“ (Pürer 2003, 144) Im Bereich der Medienethik gibt es drei theoretische Ansätze, aus denen hervorgeht, wo ethisches Verhalten anzusetzen ist: 1) die Individual-Ethik, 2) die Mediensystem-Ethik und 3) die Publikumsethik.
Die Individual-Ethik setzt bei der Verantwortung beim Journalisten selbst an, schreibt ihm also die Verantwortung für ethisch und moralisch einwandfreies Verhalten zu. Als Voraussetzung dafür zählt die fachliche und handwerkliche Ausbildung des Journalisten. Als Orientierung für ethisches Verhalten dienen dem Journalisten neben den allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen auch berufsspezifische ethische Grundsätze. In Deutschland sind diese im so genannten Pressekodex festgehalten, auf den später noch genauer Bezug genommen wird.
Beim Ansatz der Mediensystem-Ethik wird die Verantwortung für ethisches Verhalten auf das Mediensystem übertragen. Das bedeutet, dass der Journalist nicht als Individuum alleine für sein Verhalten verantwortlich gemacht werden kann. Er ist selber nur ein Teil des gesamten Mediensystems und hat in diesem eine bestimmte Rolle zugewiesen bekommen, die er zu erfüllen hat. Daher schiebt dieser Ansatz die Verantwortung dem Mediensystem zu, das aus den einzelnen Institutionen, den Strukturen des Mediengesamtsystems und den vorgeschalteten und nachgelagerten Distanzen besteht (vgl. Pürer 2003, 146).
Der publikumsethische Ansatz sieht eine Verantwortung beim Rezipienten. Er hat durch seine Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Medium ein gewisses Mitbestimmungsrecht bzw. einen Einfluss auf das Angebot. Dieser Ansatz funktioniert also quasi nach dem Prinzip „Angebot und Nachfrage“.
(vgl. Mast 2004, 94ff.)
2.3.3) Der Pressekodex in Deutschland
Wie bereits oben erwähnt, bietet der Pressekodex des Deutschen Presserates den Journalisten eine Orientierung bezüglich des moralisch und ethisch einwandfreien Verhaltens im Beruf.
„Es handelt sich hierbei um die von Journalisten und Verlegern gemeinsam erarbeiteten Standesregeln bzw. publizistischen Grundsätze1 des in Deutschland gegründeten Selbstkontrollorgans.“ (Dulinski 2003, 187)
Der Deutsche Presserat hat sich 1956 gegründet. „Als Freiwillige Selbstkontrolle der Presse beschäftigt sich der Deutsche Presserat grundsätzlich mit zwei großen Zielen: der Lobbyarbeit für die Pressefreiheit in Deutschland und dem Bearbeiten von Beschwerden aus der Leserschaft.“ (www.presserat.info, abgerufen am 24. Juni 2009) Die Arbeit am bzw. mit dem Pressekodex ist demnach eine der zentralen Aufgaben des Presserates.
Der erstellte Pressekodex enthält
Regeln für die tägliche Arbeit der Journalisten, die die Wahrung der journalistischen Berufsethik sicherstellen, so z.B.: Achtung vor der Wahrheit und Wahrung der Menschenwürde, gründliche und faire Recherche, klare Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen, Achtung von Privatleben und Intimsphäre, Vermeidung unangemessen sensationeller Darstellung von Gewalt u. Brutalität.
(www.presserat.info, abgerufen am 24. Juni 2009)
Die neueste Version des Pressekodex ist von 2007 und befindet sich im Anhang dieser Arbeit. Die Problematik des Pressekodex ist darin zu sehen, dass es sich lediglich um eine Richtlinie für Journalisten handelt. Ist eine Beschwerde gerechtfertigt, kann einen Rüge für das Medium ausgesprochen werden, über das die Beschwerde eingereicht wurde. Diese vom Presserat ausgesprochenen Sanktionen stellen jedoch keine rechtsverbindlichen Urteile dar. Daher ist der Presserat „zwar eine sinnvolle Einrichtung zur Kontrolle der Presse, erweist sich insgesamt jedoch als ein eher schwaches Instrument zur Durchsetzung allgemein gültiger Normen journalistischer Ethik.“ (Mast 2004, 98)
Trotz dieser berechtigten Kritik an der Durchsetzungsfähigkeit von ethischen Normen im Journalismus, ist der Deutsche Presserat dennoch als wichtiges Organ zur Kontrolle der Medien anzusehen. Denn auch wenn die Rügen keine verbindlichen Urteile darstellen, so sorgen sie dennoch dafür, dass Verfehlungen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden und somit der Wunsch nach einer hohen Moral und Ethik im Journalismus hochgehalten wird. Als Orientierung, was als moralisch und ethisch angemessen angesehen werden kann, ist der Pressekodex in jedem Fall ein adäquates Hilfsmittel.
2.3.4) Medienethik im Boulevardjournalismus
Die zu klärende Frage dieser Arbeit ist, ob Boulevardjournalismus unmoralisch und unethisch ist. Die Frage soll und kann aufgrund der fehlenden Analyse eines praktischen Beispiels noch nicht abschließend geklärt werden. Es geht an dieser Stelle dennoch um eine grundsätzliche Einschätzung, ob es im Boulevardjournalismus eine spezifische ethische Ausrichtung gibt bzw. ob sie fehlt.
Eine Möglichkeit, zu einer Einschätzung zu kommen, ist, die Anteile der verschiedenen Zeitungstypen am Zeitungsmarkt mit den eingegangenen Beschwerden beim Presserat zu vergleichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: eigene Darstellung; Datenquelle: www.bdzv.de, abgerufen am 23. Juni 2009.
Diese Darstellung basierend auf den Zahlen von 2008[1] zeigt, wie die einzelnen Zeitungstypen im deutschen Zeitungsmarkt verteilt sind. Mit einem Anteil von 86,1% ist die lokale/regionale Abonnementzeitung (die in der Literatur nicht dem Boulevardjournalismus zugeordnet wird, vgl. Schirmer 2001, 9) die am meisten verbreitete Variante, wohingegen die Straßenverkaufszeitung (gleichbedeutend mit Boulevardzeitung, vgl. Schirmer 2001, 8) mit einem Anteil von nur 2,3% am deutschen Zeitungsmarkt das Schlusslicht bildet.
Bezüglich der Auflagenanteile der einzelnen Zeitungstypen ergibt sich ein anderes Bild:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: eigene Darstellung; Datenquelle: www.bdzv.de, abgerufen am 23. Juni 2009.
Hier haben zwar auch die lokalen/regionalen Abozeitungen mit 65% an der Gesamtauflage den höchsten Anteil inne, jedoch befinden sich die Straßenverkaufszeitungen mit weitaus weniger Abstand zu den lokalen Zeitungen auf dem dritten Platz mit einem Anteil von rund 20,3% an der Gesamtauflage dieser Zeitungen.
Auflagenanteile und den eingereichten Beschwerden in Bezug auf diese Zeitungstypen zu ermöglichen, ist die Auswertung der Statistik[2] beim Deutschen Presserat bezüglich dieses Sachverhalts von Nöten. Dabei ergibt sich folgendes Bild:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: eigene Darstellung; Datenquelle: www.presserat.info, abgerufen am 24. Juni 2009.
Hier wird deutlich, dass die regionalen/lokalen Tageszeitungen erneut mit einem durchschnittlichen Anteil an den Gesamtbeschwerden von 61,2% eine führende Rolle einnehmen. Auf dem zweiten Platz mit durchschnittlich 24,1% folgen die Boulevardzeitungen.
Vergleicht man nun diese drei Grafiken miteinander, so ergibt sich ein sehr unterschiedliches Bild. Beim Vergleich Anteile im Zeitungsmarkt / Anteile an den Beschwerden kann man sagen, dass die Boulevardzeitung eher schlecht abschneidet. Bei nur 2,3% der Anteile am Zeitungsmarkt hat sie im Vergleich zur lokalen Presse ein sehr hohes Niveau an Beschwerden mit einem dortigen Anteil von 24,1%.
Beim Vergleich Auflagenanteile / Anteile an den Beschwerden sind die Ergebnisse für die Boulevardzeitung weitaus positiver: dort stehen den Auflagenanteil von 20,3% die 24,1% Anteil an den Beschwerden gegenüber. D.h. die Boulevardzeitung hat laut Vergleich dieser beiden Grafiken einen fast ebenso hohen Auflagenanteil wie Beschwerdeanteil und wird somit im Vergleich besser gestellt.
Diese unterschiedlichen Ergebnisse zeigen das Dilemma auf, das bei der Bewertung der Moral und Ethik im Boulevardjournalismus auftritt. Es beweist, dass die Bewertung nicht generell von statistischen Erhebungen abhängt, sondern vielmehr von der Interpretation dieser Erhebungen bzw. von der Basis, auf der ein Vergleich zum Tageszeitungsjournalismus vorgenommen wird. Zudem noch der Aspekt hinzugenommen werden müsste, dass nicht jede Beschwerde auch eine Rüge durch den Presserat zur Folge hat und somit wieder eine andere Gewichtung in die Bewertung mit einfließt. Die nun folgende Analyse der Berichterstattung des Amoklaufs von Winnenden im März 2009 soll helfen, eine Tendenz im Hinblick auf die Frage dieser Arbeit aufzuzeigen, um eine abschließende Beurteilung vornehmen zu können.
3) Der Amoklauf von Winnenden
3.1) Kurze Beschreibung des Tathergangs
Am 11. März 2009 stürmte ein 17Jähriger mit einer Pistole bewaffnet die AlbertvilleRealschule in Winnenden (Baden-Württemberg). Dort erschoss er sieben Schüler und eine Lehrerin. Kurz darauf entdeckte er die durch einen anderen Schüler herbeigerufene Polizei und floh aus dem Gebäude. Auf seiner Flucht durch die Schule und vorbei an einer nahegelegenen Klinik erschoss er weitere Personen. Kurz darauf zwang er einen Autofahrer, ihn in dessen Auto nach Wendlingen zu fahren. In Wendlingen flüchtete der Täter zu Fuß in ein Autohaus, wo er weitere zwei Personen erschoss. Mit der eingetroffenen Polizei lieferte er sich einen Schusswechsel, bei dem sowohl er als auch die Polizisten verletzt wurden. Kurz darauf erschoss er sich selbst (vgl. www.spiegel.de, abgerufen am 24. Juni 2009).
3.2) Analyse der Berichterstattung unter moralischen Gesichtspunkten
Am Tag des Amoklaufs berichteten bereits sämtliche Online-Medien über den Vorfall, die Printmedien folgten mit Aufmachern auf der Titelseite am nächsten Tag. Eine solche Geschichte fällt, um die Begrifflichkeiten des Boulevardjournalismus zu benutzen, unter die für den Boulevardjournalismus interessantesten Kategorien „Human Interest“ und „Sex and Crime“ (vgl. Kapitel 2.2). Dadurch wird deutlich, dass sich besonders die Boulevardmedien ein Thema von großem öffentlichen Interesse, das gleichzeitig die Sensationsfunktion erfüllt, dieses Themas stark bedienen. Dieses gesteigerte Interesse der Boulevardzeitungen zeigt sich bereits in der Anzahl der Online-Artikel, die sich unter dem Schlagwort „Amoklauf in Winnenden“ finden lassen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: eigene Darstellung; Datenquellen:
www.bild.de/www.sueddeutsche.de/www.spiegel.de/www.faz.de, abgerufen am 14. Juli 2009.
[...]
[1] Es wurde bewusst auf die Aufnahme der Daten zwischen 2001 und 2007 verzichtet, da sich im Laufe dieser Jahre keine großen Schwankungen bezüglich der Verteilungen ergeben haben.
[2] Die Original-Statistik des Deutschen Presserats umfasst weitaus mehr Zeitungstypen als in dieser Grafik angegeben. Aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit wurde allerdings auf die Aufnahme ebendieser in die Grafik verzichtet.
- Quote paper
- Claire-Marie Tappert (Author), 2009, Moral und Ethik im Boulevardjournalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150613
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