„Was mich fesselt, läßt mich eilen;
Was mich schmerzt, läßt mich auffahren;
Was mich niederschlägt, das läßt mich laufen;
Durch meine Tränen reise ich getrost;
Durch mein Kreuz steige ich hinauf
Ins Licht der Menschheit;
Laß mich verherrlichen mein Kreuz,
O Gott!“
In diesem kurzen Gedicht werden die dunklen Seiten des menschlichen Lebensweges
nachgezeichnet. Dieser Weg ist erfüllt von Schmerz, Leid und Kummer, vor denen der
Mensch nicht entfliehen oder sich verstecken kann. Er kann aber darauf vertrauen, dass
es am Ende aller Zeiten eine Erlösung von all diesen irdischen Plagen gibt. Das Leben
als tägliches Kreuz sowie die Erlösung in Form der Auferstehung bilden die beiden Pole
der menschlichen Existenz. So zumindest schildert es der Verfasser des Gedichtes.
Beim ersten Lesen wird man unweigerlich an das Leben und das Geschick Jesu
Christi erinnert. Er ertrug Leid und Schmerz, um nach drei Tagen zur Sühne aller
Menschen wieder aufzuerstehen. Unter dieser Deutung scheinen die Verse von einem
frommen Christen erdacht zu sein, der sich und sein Leben in Analogie zum Weg
Christi betrachtet. Umso überraschter ist man jedoch, dass es nicht aus der Feder eines
gläubigen Christen stammt, sondern aus der eines Hindus – Mohandas Karamchand
Gandhis. Doch wie kann es sein, dass der gläubige Hindu Gandhi, der seinen Landsleuten und der
übrigen Welt eher unter seinem Ehrentitel Mahatma (Große Seele) bekannt ist, sich
einer dezidiert christlichen Terminologie bedient? Ist es vielleicht nur ein Zufall, dass er
die Symbole von Kreuz und Auferstehung nutzt? Reicht ihm der indische Sprachschatz
nicht aus, um seinen Glauben poetisch auszudrücken? Oder ist Gandhi schlichtweg, wie ihm dies von seinen Kritikern oftmals vorgeworfen wird, ein heimlicher Christ?2 Bereits
zu Beginn der nachfolgenden Ausführungen sei vorweggenommen, dass Gandhis
Inanspruchnahme der christlichen Terminologie weder eine Notlösung etwaiger
Sprachmängel war, noch dass er sich damit zum Christentum als solchem bekennen
wollte. Margaret Chatterjee bringt es in ihren Ausführungen zum religiösen Denken
Gandhis auf den Punkt, wenn sie sagt, dass Mohandas ein Mann „[…] war, dessen
religiöses Leben nicht vorrangig durch philosophische Texte [des Hinduismus], auch
nicht durch Autorität der [entsprechenden] Schriften geformt worden ist, sondern durch
eine Unmenge von Faktoren [bestimmt wurde].“
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Ahimsa paramo dharma - Die oberste Pflicht ist Gewaltlosigkeit
Einleitung
2. Die Biografie Mahatma Gandhis - Handler und Koch in einer Person
Hauptteil
2.1.1. Die Erziehung in Indien - Der desorientierte Hindu Gandhi
2.1.2. Das Studium in England - Der beschamte Inder Gandhi und seine pragendsten Erfahrungen mit der Gita und dem Christentum
2.2.1. Sudafrika - Eine Zugfahrt entflammt den politischen Kampf
2.2.2. Die Geburtsstunde des Satyagraha - Vom Zeitungswettbewerb zum Leben auf der Farm
2.3. Wie die Religion die Politik beherrscht - Gandhis Lebensabend in Indien
3. Contemplari, et contemplata aliis tradere - Gandhis Spiritualitat
3.1. Wider die auBere Form - Gandhis Religionsverstandnis
3.2. Die Wesenseinheit von Gott und Wahrheit
3.3. Ahimsa - Gewaltlosigkeit in Gedanken, Worten und Taten
3.4. Der groBe Fluss - Satyagraha
4. Was bleibt? - Die GroBe Seele und seine Bedeutung fur die Welt
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
- Arbeit zitieren
- Daniel Meyer (Autor:in), 2010, Gandhi - Im Zeichen von Ahimsa und Satyagraha, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150413
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