Gegenstand dieser Arbeit ist die Thematik der Fremdheit in Juan Goytisolos Paisajes después de la batalla und auf welcherlei Art sich Fremdheit im Werk manifestiert. Der Begriff der Fremdheit bzw. der Fremde ist ein vielschichtiger Begriff. Zum einen bezeichnen wir in der Alltagssprache dasjenige als fremd, was wir noch nicht kennen, was wir nicht einsortieren können, wie z.B. uns unbekannte Personen. Hier kann ein Kennenlernen und eine Annäherung stattfinden. Der Begriff des
Fremden kann jedoch auch auf Gruppen, wie z.B. Personen einer
bestimmten Nationalität, Rasse oder Region im allgemeinen sowie auf uns unbekannte komplexe Phänomene, wie z.B. Kulturen oder Subkulturen, angewendet werden. Das in diesem Fall als fremd oder das Fremde Bezeichnete bleibt uns unter Umständen - trotz Annäherungsversuchen - fremd, d.h. es wird kein Zugang gefunden, da nicht aufhebbare soziale Distanzen bestehen. Das Fremde steht im Gegensatz zu Vertrautem, Bekanntem und Nahem und kann Ängste und ein Gefühl des Bedrohtseins hervorrufen. Zum anderen werden die Begriffe fremd oder Fremdheit auch verwendet, um die Einsamkeit und Isoliertheit eines Menschen auszudrücken.
Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen semantischen Bedeutungen des Begriffs der Fremdheit, wird, im Hinblick auf die Dimension des Fremden, zunächst auf den strukturellen Aspekt von Paisajes después de la batalla eingegangen, im Weiteren werden die vielgestaltige Hauptfigur des Werkes, deren privater Raum sowie der öffentliche Raum, in dem sich die Fremdheit wohl am augenscheinlichsten manifestiert, beleuchtet.
Inhalt
1. Einleitung
2. Aufbau und Struktur des Werkes
3. Konzeption des Protagonisten
4. Privater Raum des Protagonisten
5. Öffentlicher Raum
6. Schluss
7. Bibliographie
1. Einleitung
Juan Goytisolos Werk Paisajes después de la batalla, das 19821 veröffentlicht wurde, bricht in vielerlei Hinsicht mit den Normen und Werten, auf denen sich unsere aktuelle westliche Gesellschaft gründet. Protagonist des Werkes ist ein abstoßender, marginalisiert und einsiedlerisch lebender Schriftsteller, der aber auch durch Metamorphose in weitere Rollen schlüpft. Dieser kann als fleischgewordene Missachtung der gängigen westlichen sozialen, politischen, ideologischen und kulturellen Werte unserer Gesellschaft, welche im Werk mittels Parodie und Ironie einer fast zerstörerischen Lächerlichkeit preisgeben werden, charakterisiert werden. Der Protagonist beschreibt das Paris, oder genauer gesagt dessen Stadtteil Sentier, in dem eine Invasion, eine Gegenkolonisation durch die in Frankreich lebenden arabischen und asiatischen Immigranten stattfindet. Unleserliche arabische und andere fremde Schriftzeichen, die überall im Viertel prangen, lassen die gebürtigen Franzosen auf die Invasion aufmerksam werden – sie verlieren immer mehr die Orientierung und fühlen sich von der wachsenden Präsenz der „Ausländer“ bedroht. Die Kulturen prallen zunehmend offensichtlicher aufeinander und die Situation wird immer unkontrollierbarer: universelles Chaos bricht aus, so dass bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Thematik der Fremdheit in Juan Goytisolos Paisajes después de la batalla und auf welcherlei Art sich Fremdheit im Werk manifestiert. Der Begriff der Fremdheit bzw. der Fremde ist ein vielschichtiger Begriff. Zum einen bezeichnen wir in der Alltagssprache dasjenige als fremd, was wir noch nicht kennen, was wir nicht einsortieren können, wie z.B. uns unbekannte Personen. Hier kann ein Kennenlernen und eine Annäherung stattfinden. Der Begriff des
Fremden kann jedoch auch auf Gruppen, wie z.B. Personen einer
bestimmten Nationalität, Rasse oder Region im allgemeinen sowie auf uns unbekannte komplexe Phänomene, wie z.B. Kulturen oder Subkulturen, angewendet werden. Das in diesem Fall als fremd oder das Fremde Bezeichnete bleibt uns unter Umständen - trotz Annäherungsversuchen - fremd, d.h. es wird kein Zugang gefunden, da nicht aufhebbare soziale Distanzen bestehen. Das Fremde steht im Gegensatz zu Vertrautem, Bekanntem und Nahem und kann Ängste und ein Gefühl des Bedrohtseins hervorrufen. Zum anderen werden die Begriffe fremd oder Fremdheit auch verwendet, um die Einsamkeit und Isoliertheit eines Menschen auszudrücken.
Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen semantischen Bedeutungen des Begriffs der Fremdheit, werde ich, im Hinblick auf die Dimension des Fremden, zunächst auf den strukturellen Aspekt von Paisajes después de la batalla eingehen, im weiteren werden die vielgestaltige Hauptfigur des Werkes, deren privater Raum sowie der öffentliche Raum, in dem sich die Fremdheit wohl am augenscheinlichsten manifestiert, beleuchtet.
2. Aufbau und Struktur des Werkes
Bereits in struktureller Hinsicht wirkt Paisajes después de la batalla, wie auch vorhergehende Werke Goytisolos, auf den herkömmlichen Leser zunächst befremdlich, nicht vertraut. Zwar wird in diesem Werk die traditionelle Interpunktion wieder aufgenommen, jedoch bricht es mit der schriftstellerischen Norm in vielerlei Hinsicht und verkörpert so etwas Neues, etwas Fremdes, Unbekanntes. Zum einen setzt sich das Werk aus 78 Fragmenten zusammen und offeriert so, da es nicht über eine chronologische Kontinuität verfügt, nicht nur eine westliche Lesart von links nach rechts, sondern ebenfalls eine orientalische Lesart, also von rechts nach links, beginnend mit dem letzten Fragment.2 Zum anderen beinhaltet es, neben der Widergabe der Erlebnisse der vielgestaltigen Hauptfigur des Werkes, viele weitere unterschiedliche Textarten wie z.B. scheinbare Werbetexte, einen Polizeibericht, Zeitungsausschnitte etc., so dass es dem Leser schwer fällt oder unmöglich ist das Werk der Gattung nach einzuordnen. Ein vollständiges, logisches Bild kann auch nach der Zusammensetzung der einzelnen Fragmente, oder Mosaiksteine, nicht erreicht werden. Dies ist vom Autor so gewollt, da er sich bewusst von bereits bekannten, gängigen Schemata wegbewegt und die Literatur als permanente Metamorphose auffasst, die ein perpetuum mobile, eine unendliche Spirale ist.3 Hier wird der Leser auf gängige Normen aufmerksam, denn erst ein Erkennen der Normen ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit diesen.
3. Konzeption des Protagonisten
Hinsichtlich der Konzeption des Protagonisten bewegt sich Goytisolo ebenfalls fernab von bereits bekanntem. Die Hauptfigur ist nicht eindeutig zu definieren, da sie durch Metamorphose in verschiedene Gestalten schlüpft. Sie ist einerseits ein marginalisierter Schriftsteller, sowie Sympathisant der ortekischen Befreiungsorganisation, die sich für die vor Jahrhunderten begangene Eroberung ihres Landes an den Tätern rächen will und deshalb Terroranschläge verübt, andererseits bringt der Protagonist als rechtsradikaler Franzose und Angehöriger eines faschistischen Kommandos Charles Martel mit einem Kuli rassistische Parolen an den Mauern an. Außerdem gibt er sich in der Gestalt Ludwidge Dodgsons - welches der bürgerliche Name des angeblich pädophilen Autors Lewis Carolls ist, perversen Phantasien hin.4 Eine Identifikation des Lesers mit der Hauptfigur ist zum einen aufgrund der durchlaufenen Metamorphosen und einer daraus resultierenden, unabdinglichen, ständigen Neuorientierung und Neueinordnung durch den Leser nicht möglich. Der Protagonist oder dessen verschiedene Gestalten bleiben dem Leser fremd und die Erwartung, dass diese ihn durch das Geschehen führen, bleibt unerfüllt. Zum anderen verkörpert der Protagonist, für den - in welcher Gestalt auch immer - sämtliche Werte unserer Gesellschaft nichts bedeuten, keine in unserer Gesellschaft positiv besetzten Eigenschaften, so ist er z.B. Fremdenhasser, Terrorist oder Pädophiler, was eine Annäherung, eine Identifizierung des Lesers mit der Figur verhindert. Besonders der pädophile Aspekt und die anderen abnormalen sexuellen Neigungen, wie z.B. die sexuelle Befriedigung von Hunden wirken auf den Leser schockierend und bewirken eine noch größere Distanzierung des Lesers von der Hauptfigur. Auch das letzte bekannte Element - nämlich die Vertrauenswürdigkeit des Erzählers - an die sich der Leser bis dahin klammern konnte, wird ihm, bei westlicher Lesart gegen Ende des Werkes, im Fragment „Revelaciones a granel“ durch eine Art Meta-Erzähler genommen: „el narrador no es fiable“5, der Erzähler ist nicht vertrauenswürdig, denn „cada revelación sobre su vida es una invención derrotada“5. Hatte der Leser es geschafft sich bis hierher einen gedanklichen Weg durch das Labyrinth der Fragmente, der verschiedenen Personen und Textarten zu bahnen und das Mosaik teilweise zusammengesetzt, wird hier alles vorher Aufgebaute zerstört, dekonstruiert, denn nun stellt sich die elementare Frage, was ist wahr und was ist Fiktion? Oder ist selbst dieses Fragment Fiktion? Der Wahrheitsgehalt des gesamten Werkes wird so in Frage gestellt und der Leser befindet sich jetzt vollkommen auf fremden Territorium und ist
gänzlich jeder Vertrautheit beraubt – wie auch ein Mensch in einem fremden Land, dem jegliche Orientierung fehlt, da seine Normen, das was ihm als normal erscheint, hier nicht existieren.
[...]
1 R. Vollrath: Herkunftswelt und Heterotopien. Dekonstruktion und Konstruktion literarischer Räume im Werk Juan Goytisolos, Frankfurt/M. u.a.: Lang 2001, 169.
2 Vollrath,R.: Herkunftswelt und Heterotopien. Dekonstruktion und Konstruktion literarischer Räume im Werk Juan Goytisolos, Frankfurt/M. u.a.: Lang 2001, 169.
3 Sanchez Robayna : Introducción aus Goytisolo, Juan: „Paisajes después de la batalla“, Madrid 1990.
4 R. Vollrath: Herkunftswelt und Heterotopien. Dekonstruktion und Konstruktion literarischer Räume im Werk Juan Goytisolos, Frankfurt/M. u.a.: Lang 2001, 169/170.
5 Goytisolo, Juan: Paisajes después de la batalla, Madrid:Espasa Calpe 1990,217.
- Quote paper
- Kathrin Herz (Author), 2003, Das Fremde - Eine Analyse der Fremdheitsthematik in Juan Goytisolos 'Paisajes después de la Batalla', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15037
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