Streben führt die Tat mit sich, Handlungen implizieren Folgen. Goethe selbst nannte eine dieser Folgen Sorge („Handeln [ist] mit Sorge unlösbar verbunden“ ). Konsequenterweise muss an dieser Stelle, spricht man über Faust, noch die Schuld erwähnt werden. Das faustische Streben wurde sowohl als Merkmal seines Genies, Übermenschentums und prometheischen Wesens, als auch seiner Torheit und seines allzu menschlichen Charakters beschrieben. Es ist nicht verwunderlich, dass aus diesem Grund auch seine aus seinem Streben nach Tätigkeit resultierenden Verbrechen unterschiedlich bewertet wurden. Fausts Strebensausrichtung impliziert zwar unbestreitbare Fehlhandlungen, die Bildung eines Werturteils der Zuschauer, der Leser und Interpreten bleibt jedoch, vor allem aufgrund des vorangestellten Prologs, unvermindert problematisch. Der erste Teil dieser Arbeit illustriert anhand einer exemplarischen Übersicht verschiedener Interpretationsrichtungen das faustische Streben, die Veränderungen dessen und seine Folgen. Diese Darstellung bemüht sich, unter anderem mittels der Veranschaulichung der christlichen Einstellung zum Erkenntnisdrang wider die von Gott gesetzten Grenzen und der Merkmale des faustischen Hochmuts, darum die Schwierigkeit der Bewertung von Fausts Handlungen aufzuzeigen. Bedeutsam für ein Urteil des faustischen Strebens ist vor allem seine Haltung zu den begangenen Verbrechen. Insbesondere die ihn im fortgeschrittenen Alter aufsuchenden allegorischen Gestalten der Schuld und der Sorge geben Hinweise darauf, ob oder in welchem Maße Faust sein Leben auf dem Pfad der Magie bereut und seiner Fehler einsichtig wird. Es gilt die Frage zu beantworten, warum die Sorge erst zu diesem späten Zeitpunkt seines Lebens an ihn herantritt, obwohl sich Faust ihre Macht über ihn schon vor seiner ausdrücklichen Bekundung zur Magie eingestehen musste. Der dritte, abschließende Teil dieser Darstellung widmet sich der himmlischen Rahmenhandlung. Anhand der gezogenen Schlussfolgerungen zu seinem Streben und seiner moralischen Schuld wird der scheinbare Widerspruch seiner Erlösung diskutiert. Der Betrachtung der Szene Bergschluchten werden die Aussagen des Herrn im Prolog im Himmel vorausgestellt.Daraus entwickelt sich die Frage, ob die christlichen Rettung Fausts angesichts seiner sittlichen Fehlhandlungen gerechtfertigt ist oder, ob eine alternative Lesart der Himmelfahrt Fausts Seele besteht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Streben
- curiositas und superbia als Elemente des faustischen Strebens
- Von der Schau zur Tat
- [Der Sonne] nach und immer nach zu streben“ – Fausts Sehnsucht nach Leben und Genuss
- Bekenntnis zur Rastlosigkeit
- ,,Doch hast du [...]" - Die Wette auf Genussverzicht
- ,,Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen“ – Beginn der Weltfahrt
- Der Blick in die Sonne als Station auf dem Weg zur Gottwerdung
- Schöpfung eines eigenen Paradieses
- Exkurs: Die Bedeutung des Sehens und Schauens für die Beurteilung des faustischen Strebens
- Die Folgen des Strebens
- Schuld, Reue und Gewissen
- ,,Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen / Und sie mit mir zugrunde gehen!"
- Das Problem des Schuldbewusstseins_
- Die Sorge und der Tod
- ,,Hast du die Sorge nie gekannt?“
- Der blinde Faust
- Schuld, Reue und Gewissen
- Der himmlische Rahmen
- Der Irrtum und der rechte Weg
- Beurteilung der Erlösung
- Schlussbemerkung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Magisterarbeit befasst sich mit dem Streben des Faust und dessen Folgen in Goethes Tragödie. Ziel ist es, die komplexe Beziehung zwischen Fausts Streben, seinen Handlungen und den daraus resultierenden Konsequenzen, insbesondere Schuld und Sorge, zu untersuchen. Die Arbeit analysiert verschiedene Interpretationsansätze, um die Vielschichtigkeit des faustischen Strebens und die Bewertung seiner Taten zu beleuchten.
- Das faustische Streben als Ausdruck von Genialität, Übermenschentum und prometheischem Wesen
- Die Folgen des Strebens: Schuld, Reue und Gewissen
- Die Rolle der Sorge und des Todes im Kontext des Strebens
- Die theologische, perfektibilistische und antiperfektibilistische Interpretation des faustischen Strebens
- Die Frage der Erlösung und die Bewertung der Himmelfahrt Fausts
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Magisterarbeit ein und beleuchtet die Relevanz des Strebens in der Faustforschung. Sie stellt die zentralen Forschungsfragen und die methodische Vorgehensweise vor.
Das zweite Kapitel widmet sich dem faustischen Streben und seinen verschiedenen Facetten. Es analysiert die Motive, die Fausts Streben antreiben, und beleuchtet die Veränderungen, die es im Laufe der Tragödie durchläuft. Die Analyse bezieht sich auf die christlichen Grenzen des Erkenntnisdrangs, den faustischen Hochmut und die Bedeutung des Pakts mit Mephistopheles.
Das dritte Kapitel untersucht die Folgen des Strebens, insbesondere Schuld und Sorge. Es analysiert Fausts Haltung zu seinen Vergehen und beleuchtet die Frage, ob er ein Schuldbewusstsein entwickelt. Die Analyse bezieht sich auf die allegorischen Gestalten der Schuld und der Sorge, die Faust im fortgeschrittenen Alter aufsuchen, und untersucht den Zusammenhang zwischen Magie, Sorge und Tod.
Der vierte und letzte Teil der Arbeit widmet sich der himmlischen Rahmenhandlung und der Frage der Erlösung. Es werden die Aussagen des Herrn im Prolog im Himmel und die Szene Bergschluchten analysiert, um die scheinbare Diskrepanz zwischen Fausts sittlichen Fehlhandlungen und seiner Erlösung zu beleuchten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das faustische Streben, die Folgen des Strebens, Schuld, Sorge, Tod, Erlösung, theologische Interpretation, perfektibilistische Interpretation, antiperfektibilistische Interpretation, Goethes Faust, Tragödie, Literaturwissenschaft, Philosophie.
- Quote paper
- Ellen Günyil (Author), 2010, Fausts Streben und seine Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149991