Nachdem in den 1910er und 1920er Jahren der Sowjetunion durchaus modernistische Tendenzen innerhalb des allgemeinen musikalischen Lebens zu beobachten waren, ist mit dem Jahr 1927 ein Abschnitt anzusetzen, der den Weg einer neuen normativen Ästhetik, der Ästhetik des sozialistischen Realismus‘ ebnet. In dieser Arbeit befasse ich mich mit der Analyse des sozialistischen Realismus als zentrale musikalische Ästhetik der Sowjetunion. Nach einer allgemeinen Begriffsbestimmung des SozRealismus und dessen Merkmale in der Musik, wird der Formalismus als ästhetischer Gegensatz betrachtet. Anschließend wird die historische Perspektive näher behandelt, wobei hier der 15. Parteitag der KPdSU im Dezember 1927 als Beginn der Betrachtung dienen soll und das Ende durch den Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991 markiert wird. Abschließend soll anhand Shostakovitch und der 5. Sinfonie ein konkretes Beispiel einer Künstlerperspektive veranschaulicht werden, die für die Sowjetunion und den SozRealismus prägend war.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sozialistischer Realismus
- Begriffserklärung und die Merkmale in der Musik
- Das Massenlied „Die Internationale“ als SR-konformes Werkbeispiel
- Formalismus als ästhetischer Gegensatz
- Historische Perspektive in der Sowjetunion während den Jahren 1927-1991
- Shostakovitch und seine Positionierung in der SozRealismus-Diskussion
- Die 5. Sinfonie und Ihre Wirkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den sozialistischen Realismus als zentrale musikalische Ästhetik der Sowjetunion. Dabei wird zunächst der Begriff SozRealismus definiert und seine Merkmale in der Musik erläutert. Anschließend wird der Formalismus als ästhetischer Gegensatz beleuchtet. Die historische Perspektive wird mit dem 15. Parteitag der KPdSU im Dezember 1927 als Ausgangspunkt und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 als Ende betrachtet. Abschließend wird am Beispiel Shostakovitch und seiner 5. Sinfonie eine Künstlerperspektive vorgestellt, die für die Sowjetunion und den SozRealismus prägend war.
- Der sozialistische Realismus als musikalische Ästhetik der Sowjetunion
- Merkmale des sozialistischen Realismus in der Musik
- Formalismus als ästhetischer Gegensatz
- Die historische Perspektive des sozialistischen Realismus in der Sowjetunion
- Künstlerperspektive im Kontext des sozialistischen Realismus: Shostakovitch und seine 5. Sinfonie
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung beschreibt den Wandel vom Modernismus der 1910er und 1920er Jahre hin zum sozialistischen Realismus als neuer normativer Ästhetik ab 1927. Die Arbeit zielt auf eine Analyse des sozialistischen Realismus als zentrale musikalische Ästhetik der Sowjetunion. Sie umreißt die Struktur der Arbeit mit einer allgemeinen Begriffsbestimmung, der Betrachtung des Formalismus als ästhetischen Gegenstands, einer historischen Perspektive und der Analyse von Shostakovitch und seiner 5. Sinfonie als Beispiel.
Sozialistischer Realismus
Der Abschnitt erklärt den sozialistischen Realismus als marxistisch-leninistisches Konzept mit dem Ziel, eine „wahrhaft umfassende Kultur“ zu schaffen, die das ganze Volk repräsentiert. Der SozRealismus versucht, Realismus (Darstellung des Tatsächlichen) und Sozialismus (Darstellung des Wünschenswerten) zu vereinen. Das Konzept basiert auf der Widerspiegelungstheorie Lenins, die davon ausgeht, dass alle Materie die Fähigkeit zur Widerspiegelung besitzt. In der Musik wird diese Theorie durch die Analyse des musikalischen Intonationscharakters in Verbindung mit der Widerspiegelung menschlicher Bewusstseinsprozesse von B. Asaf'ev und die „doppelte Mimesis“ von Georg Lukacs veranschaulicht. Der Begriff „Sozialistischer Realismus“ wurde 1932 von Iwan Gronski geprägt und kurz darauf von Stalin verwendet. Die offizielle Verkündung erfolgte 1934 auf dem Ersten Allunionskongress des Schriftstellerverbandes in Moskau.
Merkmale in der Musik
Dieser Abschnitt beschreibt die Umsetzung des sozialistischen Realismus in der musikalischen Praxis. Die Tonsprache und Formgestaltung waren konservativ mit Bezügen zur Romantik. Melodien sollten eingängig und nicht zu komplex sein, die Einbeziehung von Volksmusik war erwünscht. Die Grundstimmung der Musik ist optimistisch, Konflikte sollten am Ende erfolgreich überwunden werden. Musik spielte in der realistischen Kunst eine untergeordnete Rolle im Vergleich zu Literatur, Malerei und Theater. Der positive Held stand im Mittelpunkt, sowohl als Schöpfer einer neuen Weltordnung als auch als Repräsentant des gegenwärtigen Heldentums des revolutionären Aktivisten. Modernistische Tendenzen waren nicht erwünscht, jedoch waren Dissonanzen erlaubt, wenn sie durch die Notwendigkeit motiviert waren. Das Konzept „national in der Form, sozialistisch im Inhalt“ war für reine Instrumentalmusik schwierig umzusetzen, während textgebundene Musik wie Oper, Kantate, Oratorium und das (Massen-)Lied besser geeignet waren. Von den Komponisten wurde ideologische und politische Engagement sowie Volksverbundenheit erwartet, um die „Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung“ bestmöglich abzubilden. Dies führte zu einer Verschmelzung von Kultur und Politik.
Das Massenlied „Die Internationale“ als SR-konformes Werkbeispiel
Das Massenlied „Die Internationale“, das bis 1943 Nationalhymne der Sowjetunion war, wird als Beispiel für ein Werk vorgestellt, das konform mit dem sozialistischen Realismus ist. Der Text stammt von Eugene Pottier und entstand im März 1871 als Reaktion auf einen Aufstand der Bevölkerung und das Massaker an den Kommunarden. Das Lied wurde der „Internationalen Arbeiterassoziation“ gewidmet, die 1864 von Sozialisten und Anarchisten gegründet wurde.
Schlüsselwörter
Sozialistischer Realismus, Sowjetunion, Musik, Ästhetik, Formalismus, Widerspiegelungstheorie, Lenin, Asaf'ev, Lukacs, „doppelte Mimesis“, Intonationscharakter, Massenlied, „Die Internationale“, Shostakovitch, 5. Sinfonie, historische Perspektive, Künstlerperspektive, Parteilichkeit, Volksverbundenheit, Kultur, Politik, Romantik, Volksmusik.
- Quote paper
- Timo Hollar (Author), 2023, Der sozialistische Realismus als Form der musikalischen Ästhetik in der Sowjetunion (1927-1991), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1497980