Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob und in wieweit die Erforschung der Länge von Konjunkturzyklen nach dem heutigen Stand der Forschung noch von wissenschaftlicher und konjunkturpolitischer Relevanz ist.
Konjunkturzyklen werden in unterschiedlichster Form immer wieder beobachtet.
Ein in wenigen Jahren regelmäßig wiederkehrender konjunktureller Modellzyklus konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Erklärunsobjekt der Forschung sind heute Beobachtungen über das typische Entwicklungsverhalten von makroökonomischen Variablen auf kurze und mittlere Sicht, den sog. stilisierten Fakten.
Auch für andere neue Theorien wie die NKM, NCM oder RBC-Modelle existieren regelmäßige zyklische Schwankungen nicht, sondern nur zufällig, wobei aber gewisse Regelmäßigkeiten und Verlaufsmuster in Zeitreihen der ökonomischen Variablen erforscht werden.
„Long Swings“ nach Kuznets lassen sich mit demo-ökonomischen Erklärungsansetzen gut darstellen. Sie lassen sich im Wohnungsbau und der Infrastruktur plausibel mit Schwankungen der Heiratsziffer, Haushaltsgründungen und Ein- bzw. Auswanderungen in Beziehung setzen, jedoch bleibt die empirische Basis sehr schmal und unsicher. Siegenthaler erklärt sie aus der Interaktion zwischen längerem Wachstum und sozio-politischen bzw. kultu-rellem Wandel.
Auch der Nachweis der „Langen Wellen“ ist bisher theoretisch und empirisch unbefriedigend gelungen. Langfristige Trendschwankungen sind nur mit historisch singulären Schocks begründbar. Eine Art „Meta-Theorie“ wäre erforderlich, wie von Bornschier vorgestellt, die alle wesentlich erscheinenden Dimensionen des sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Wandels einbezieht.
Die Untersuchung von „Langen Wellen“ zeigt, dass sie auf den Normalzyklus zurück verweist und auf die Zusammenhänge zwischen aufeinanderfolgenden Normalzyklen. So ist es wenig sinnvoll, Juglar-Zyklen als separates Phänomen zu untersuchen, weist doch die Untersuchung „Langer Wellen“ auf die zentrale Bedeutung des Trends und periodischer Wechsel in Trendrate und –richtung hin.
Für den Wirtschaftshistoriker erscheint es wichtig, Trend und Zyklus in übergreifende soziale und politische Verhältnisse eingebunden zu sehen.
P. Krugman plädiert in diesem Kontext für einen neuen Typ von Wissenschaftler, der zunächst beobachtet, nicht interpretiert: Den Wirtschaftshistorikerer
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Konjunktur und Wachstum
2.1. Konjunktur
2.2. Wachstum
3. Konjunkturmodelle
3.1. Juglar- Zyklen
3.2. Kitchin- Zyklen
3.3. Kuznets- Zyklen
3.4. Kondratieff- Zyklen
3.5. Weitere Zyklusmodelle
4. Resümee
5. Anhang: Abbildungen und Tabellen
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob und in wieweit die Erforschung der Länge von Konjunkturzyklen nach dem heutigen Stand der Forschung noch von wissenschaftlicher und konjunkturpolitischer Relevanz ist.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Konjunktur- und Wachstumstheorien in der Hoffnung entwickelt worden, Krisen rechtzeitig zu erkennen, die Ursachen und Umstände ihrer Entstehung und des Verlaufs zu erklären und zu berechnen um möglichst genaue Vorherzusagen für die wirtschaftlichen und politischen Akteure zu liefern.
Neuerdings betreibt sogar der BND eigene Konjunkturforschung, da die Wirtschaftsentwicklung in Produzentenländer und in den sog. „failed states“ von höchster sicherheitspolitischer Relevanz ist.[1]
Konjunktur- und Wachstumstheorien beschäftigen sich seit den 1970er Jahren weniger mit der Erklärung eines regelmäßigen Modellzyklusses, etwa des Sozial-
produkts, sondern mit dem typischen Entwicklungsverhalten makroökonomischer
Variabler auf kurze oder mittlere Sicht. Zyklische Schwankungen werden als zufällig angesehen, die allerdings eine gewisse Regelmäßigkeit verbindet.[2]
Dennoch gibt es in jüngster Zeit zunehmend Arbeiten, die neue Erkenntnisse hinsichtlich der Relevanz von Zykluslänge liefern, wobei die Untersuchungen sog. „langer Wellen“ im Vordergrund stehen. In rezessiven Zeiten häufen sich solche Forschungen, die immer mehr zum Arbeitsfeld von Wirtschaftshistoriker werden, da (auch historisch gesehen) sehr lange Zeitreihen zu untersuchen sind.[3]
Im Folgenden werden nach ihrer Frequenz definierten Konjunktur- und Wachs-tumszyklen dargestellt und neuere Forschungen auf ihre Relevanz hin analysiert und bewertet. Im Mittelpunkt stehen die Arbeiten von Metz (1993, 1998) Spree (1991) und Ramser (1981), die den Stand der neuen Forschung repräsentieren. Auf die mathematische Analyse der Konjunkturzyklen wird verzichtet.
2. Konjunktur und Wachstum
Bei der Abstimmung von empirischen Daten mit theoretischen Konzepten von lang- und kurzwelligen Schwankungen der Wirtschaft sowie deren Darstellung in mathematischen Modellen müssen die Begriffe Konjunktur-, Wachstum und Trend exakt definiert werden. Diese Begriffe werden daher im Folgenden erläutert.
2.1. Konjunktur
Bei der Analyse und ökonometrischen Berechnungen von Zyklen wird zwischen Konjunkturschwankungen und Wachstumsschwankungen unterschieden. Die Frage, ob kurzfristige Konjunkturzyklen mit berechenbarer Gesetzmäßigkeit nachgewiesen werden können oder sie nur Störungen langfristiger Wachs-tumsschwankungen sind, ist für die Relevanz von Zyklustheorien von grundlegender Bedeutung.
Die Konjunkturtheorie beschäftigt sich mit der Analyse und Berechnung der kurz- oder mittelfristig zyklisch auftretenden wellenförmigen Veränderungen wirtschaftlicher Aktivität einer Volkswirtschaft, zumeist gemessen an Hand des BIP[4]. Sie liefert als makroökonomische Theorie Erklärungsansätze und Be-rechnungen für die kumulativen Auf- und Abwärtsbewegungen, für deren Frequenz und Amplitude sowie deren obere und untere Umkehrpunkte. Der klassische Konjunkturzyklus wird nach Schumpeter in die vier Phasen: Erholung, Prosperität, Rezession und Depression unterteilt. Sie bedingen sich durch das Ungleichgewicht und den somit einsetzende Multiplikatorprozess von Angebot und Nachfrage. Der Gesamtzyklus kann, je nach Betrachtungszeitraum und Messziffer durch empirische Untersuchungen von Zeitreihen (z.B. BIP o. Diffusionsindex), als unterschiedlich lang identifiziert werden.
Konjunkturzyklen an Hand des vom NBER entwickelten Diffusionsindex (DI)[5] für Deutschland von 1821 bis 1913 zeigt Abb. 1.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Zykluslängen liegen zwischen 4 und 12 Jahren. Der Durchschnitt steigt vom Beginn der Indus-trialisierung von 5,4 auf 7,3 Jahre zum Ende des Take-off.[6] Eine Gesetzmäßigkeit dieser Zyklen liegt scheinbar völlig auf der Hand.
2.2 Wachstum
Wirtschaftswachstum beschreibt die langfristige Zunahme des realen (preisberei-nigten) Bruttoinlandsprodukts. Die Wachstumstheorie untersucht die Deter-minanten und Gesetze, die eine langfristige Entwicklung des BIP und seiner Hauptkomponenten bestimmen. Als Trendtheorie will sie zwar keine Konjunk-turen erklären, kann aber durch Modifikation und Erweiterung zyklische Ent-wicklungen aus den Wachstumsprozessen ableiten. Dieses war bis in die 70er die gängige Lehrmeinung.[7]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Entwicklung des BIP in Deutschland von 1850 – 2000 um ei-nen langfristigen Trend zeigt Abb. 2. Wie zu erkennen ist, wächst die Wirtschaft relativ gleichmäßig in den 150 Jahren. Abweichungen weisen auf Kriegsjahre und spezifische Situationen hin.[8]
[...]
[1] Handelsblatt vom 2.06.2009, Interview mit Ernst Uhrlau, Präsident des BND.
[2] R. Spree: Konjunktur, in: Ambrosius u.A. (Hg.): Moderne Wirtschaftsgeschichte, S. 195.
[3] R. Metz: Auf der Suche nach Langen Wellen der Konjunktur, S1.
[4] Das BIP wird v.a. in Deutschland als Messziffer verwendet. Spree, Konjunkturen.
[5] Von Burns und Mitchell für das NBER (National Bureau of Economic Research) entwickelte Kon-
junkturinfdikator für das 19. JH, weil lückenlose Zahlen des BIP nicht bestanden. Der DI misst
den prozentualen Anteil von Einzelreihen gegenüber der Vorperiode.
[6] Spree: Konjunktur. S.188.
[7] Assenmacher: Konjunkturtheorie, S. 5.
[8] Metz: Trends, Zyklen und Zufall. S.44.
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