Ein Buch für die Praxis: Inwiefern wirkt sich die Zuhörkompetenz auf den Schriftspracherwerb aus? Und wie kann man das im Unterricht zur Prävention von Leserechtschreibschwächen nutzen? Die Autorin setzt sich anhand von Schüler:Innen mit sozialem und emotionalem Förderbedarf intensiv mit phonologischer Bewusstheit als Ressource im Schriftspracherwerb auseinander. Enthalten ist ein Materialentwurf zum generativen Schreiben nach Gerlind Belke, der anhand einer experimentellen Studie mit Hilfe des TEPHOBE-Testverfahrens ausgewertet wurde.
Im Text wird eine begriffliche Auseinandersetzung mit dem Schriftspracherwerb vollzogen. Der Fokus liegt dabei auf dem Erwerb der deutschen Schriftsprache von Kindern im Vorschul- bzw. Grundschulalter, da dies den Bedingungen der in der Praxisphase untersuchten Klasse entspricht. Fokussiert man den Schriftspracherwerb im Anfangsunterricht, so stellt sich unmittelbar die Frage, wie dieser denn eigentlich durchgeführt werden soll. Eine didaktische Kernfrage ist dabei, inwiefern welche Aspekte des Lese- und Schreibprozesses dabei miteinbezogen werden sollten.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmung
2.1 Schriftspracherwerb
2.1.1 Schriftspracherwerbsmodelle
2.1.2 Leselehrverfahren und Rechtschreibunterricht
2.2 Phonologische Bewusstheit
2.2.1 Die Zweidimensionalität der phonologischen Bewusstheit
2.2.2 Entwicklung der phonologischen Bewusstheit
2.2.3 Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb
2.3 Das Generative Schreiben
2.3.1 Das Potential von poetischen Texten
3 Praktischer Teil
3.1 Anliegen der Studie
3.2 Hypothesen
3.3 Methodisches Design
3.5 Hinweise zur Durchführung
3.5.1 Hinweise zur Durchführung der Prä- und Nachtestmessungen
3.5.2 Hinweise zur Durchführung der Interventionen
3.6 Bewertungssystem der Prä- und Nachtestergebnisse
3.7 Beobachtungsbogen für die Interventionsstunden
4 Ergebnisse
4.1 Übersicht der Testergebnisse
4.2 Vernetzte Darstellung der Ergebnisse der Erstklässler:Innen
4.3 Vernetzte Darstellung der Ergebnisse der Zweitklässler:Innen
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Protokollbogen von Schüler
Verlaufsplan mit Skript zum ersten Teil der Intervention
Materialien und Beispiele zum ersten Teil der Intervention
Verlaufsplan mit Skript zum zweiten Teil der Intervention
Materialien und Beispiele zum zweiten Teil der Intervention
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Zweidimensionale Konstrukt der phonologischen Bewusstheit (Darstellung nach Schnitzler 2008, 29)
Abbildung 2: Lesemodell nach Mayer (Darstellung nach Mayer 2020, 15)
Abbildung 3: Vorzubereitendes Tafelbild für die erste Interventionsstunde (Eigene Darstellung)
Abbildung 4: Tafelbild am Ende der ersten Interventionsstunde (Eigene Darstellung)
Abbildung 5: Tafelbild nach der zweiten Interventionsstunde (Eigene Darstellung)
Abbildung 7: Überblick zur Nachtestmessung vom 04.11.2020 St. Rafael Schule Altleiningen (Eigene Darstellung)
Abbildung 6: Überblick zur Prätestmessung vom 29.10.2020 St. Rafael Schule Altleiningen
(Eigene Darstellung)
Abbildung 8: ,,Der See hat der Schere das <E> dann gegeben'' (Schüler 4)
Abbildung 9: | vi: u ] wird zu [hi:p] (Schüler 3)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beobachtungsbogen mit Erläuterungen (Eigene Darstellung)
Tabelle 2: Auswertung der Erstklässler:Innen bei der Prätestmessung vom 29.10.2020 Schule
St Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12)
Tabelle 3: Auswertung der Erstklässler:Innen bei der Nachtestmessung vom 04.11.2020 Schule
St. Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12 )
Tabelle 4: Auswertung der Zweitklässler:Innen bei der Prätestmessung vom 29.10.2020 Schule
St. Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12 )
Tabelle 5: Auswertung der Zweitklässler:Innen bei der Nachtestmessung vom
Schule St. Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12)
1 Einleitung
,,Gelingender Schriftspracherwerb ist Voraussetzung für das Lernen in allen Bereichen und für die Teilhabe an der Gesellschaft. Insofern kommt seiner sorgfältigen Vorbereitung eine besonders hohe Bedeutung zu.‘‘(Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend 2005, 17) Mit diesem Satz verweist der ,,Rahmenplan Grundschule. Teilrahmenplan Deutsch‘‘(MBFJ 2005) des Landes Rheinland-Pfalz auf einen allgemeinhin bekannten Umstand, immerhin ist Schrift sowohl im Alltag als auch in der Schule ein allgegenwärtiges Medium. So stehen die beiden Teilbereiche des Schriftspracherwerbes -das Lesen- und Schreibenlernen- auch unmittelbar in Verbindung zu zwei von vier Kompetenzbereichen der Bildungsstandards für das Fach Deutsch. (Kultusministerkonferenz 2004, 9) Der Kompetenzbereich ,,Schreiben‘‘ (KMK 2004, 13) umfasst die Teilkompetenzen ,,über Schreibfertigkeiten verfügen‘‘ (ebd.), ,,richtig schreiben‘‘(KMK 2004, 14), ,,Texte planen‘‘(ebd.), ,,Texte schreiben‘‘ (ebd.) und ,,Texte überarbeiten‘‘(ebd.). Im Kompetenzbereich ,,Lesen - mit Texten und Medien umgehen‘‘ (KMK 2004, 15) werden die Teilkompetenzen ,,über Lesefähigkeiten verfügen‘‘ (ebd.), ,,Texte erschließen‘‘ (ebd.) und ,,Texte präsentieren‘‘ (ebd.) erfasst. Die Beschäftigung mit den Bildungsstandards und insbesondere dem Schriftspracherwerb gehört im Fach Deutsch zudem zu den Pflichten aller Lehramtsstudierenden. In der vorliegenden Arbeit soll nun eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Schriftspracherwerb vollzogen werden.
Wie bereits dem Titel zu entnehmen ist, soll dabei der Fokus auf der phonologischen Bewusstheit als Ressource im Schriftspracherwerb liegen. Obwohl die genaue Rolle der phonologischen Bewusstheit als umstritten gilt, (vgl. Dürscheid 2016, 247; Sauerborn 2013, 40; 50f) herrscht ein allgemeiner Konsens darüber, dass die Fähigkeit zur bedeutungsunabhängigen Analyse und Manipulation der lautlichen Struktur gesprochener Sprache eine wesentliche Bedingung des Schriftspracherwerbes darstellt. (vgl. Schnitzler 2008, 5; 56) Das Ziel der Arbeit ist daher die Konzeption und Evaluation einer Intervention zur Förderung der phonologischen Bewusstheit. Die Vorhersagekraft der phonologischen Bewusstheit hinsichtlich der späteren Schriftsprachlichen Fähigkeiten konnte in zahlreichen Korrelationsstudien nachgewiesen werden. (vgl. Schnitzler 2008, 57) Dabei schienen insbesondere Fähigkeiten der impliziten phonologischen Bewusstheit eine hohe Vorhersagekraft aufzuweisen, (vgl. Schnitzler 2008, 57; 59) diese sind zu Schulbeginn bereits weitestgehend ausgebildet. (vgl. Barth/Gomm 2014, 4f; Mayer 2020, 13; Schnitzler 2008, 21) Es konnte außerdem in Trainingsstudien nachgewiesen werden, dass sich die Förderung der phonologischen Bewusstheit sowohl bei Schüler:Innen mit besseren als auch bei Schüler:Innen mit schlechteren Lernvoraussetzungen positiv auf die Schriftsprachfähigkeiten auswirkt. (vgl. Schnitzler 2008, 64) Besonders effektiv schien dabei die Förderung auf der Phonemebene zu sein. (vgl. ebd.) Die Intervention sollte sowohl die implizite also auch die explizite Ebene der phonologischen Bewusstheit berücksichtigen. Problematisch an diesem Anspruch ist, dass Schüler:Innen zu Beginn der Elementarstufe oft nur über geringe Fähigkeiten der expliziten phonologischen Bewusstheit verfügen. (vgl. Barth/Gomm 2014, 4f; Mayer 2020, 13; Schnitzler 2008, 21) Ein didaktisches Konzept, dass die Vermittlung von sprachlichen Strukturen wie diesen auf implizite und strukturelle Weise ermöglicht, ist das generative Schreiben nach Gerlind Belke. (vgl. Belke 2020b, 6) Hier produzieren die Schüler:Innen eigene Texte auf der Basis poetischer Texte, ,,[...] indem sie Teile des Originaltextes übernehmen, z.B. die Satzstrukturen, und sie mit eigenen Inhalten füllen.‘‘ (vgl. Belke 2020b, 12)
Geprüft wurde die Wirksamkeit des generativen Schreibens erstmals durch eine quasi-experimentelle Feldstudie von Hendrike Frieg, die sie im Rahmen ihrer Dissertationsarbeit ,,Sprach- förderung im Regelunterricht der Grundschule: Eine Evaluation der Generativen Textproduk- tion‘‘ (Frieg 2014) konzipierte und durchführte. (vgl. Frieg 2014, 52) Nachdem viele Lehrenden und Erziehenden von durchaus positiven Praxiserfahrungen mit Belkes Sprachvermittlungskonzept berichteten, machte Frieg es sich zur Aufgabe zu überprüfen inwiefern sich diese positiven Wahrnehmungen statistisch nachweisen lassen. (vgl. Frieg 2014, 52f) Untersucht wurden Effekte auf die grammatischen, orthographischen, lexikalischen und narrativen Fähigkeiten beim Schreiben von Bildergeschichten. (vgl. Frieg 2014, 62) Frieg kommt zu dem Schluss, dass ,,Sprachspiele, als Kern der generativen Textproduktion, [.] sich [.] sowohl im stark kontrollierten Laborexperiment als auch - selbst wenn deutlich schwächer - im alltäglichen Schulumfeld als hilfreich [erweisen], um sprachliche Fähigkeiten auszubauen.‘‘ (Frieg 2014, 173) Hinsichtlich des Laborexperimentes bezieht sich Frieg hier auf eine Studie von Johanna Bebout aus dem Jahr 2013. In dieser konnte festgestellt werden, dass der systematische Einsatz von Sprachspielen relevant für die Aneignung der deutschen Genus-Markierung ist. (vgl. Bebout 2013, 142) Bebout spricht daher eine Empfehlung zur Anwendung von Sprachspielen aus psycholinguistischer Perspektive aus. (vgl. Bebout 2013, 154) Die bisherigen Studien konnten also bereits Effekte von Sprachspielen, bzw. dem generativen Schreiben auf die grammatischen, orthographischen, lexikalischen und narrativen Fähigkeiten beim Schreiben nachweisen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll nun anhand des generativen Schreibens eine Intervention zur Förderung der phonologischen Bewusstheit konzipiert und evaluiert werden.
Als Grundlage sollen dabei mehrere Forschungsfragen dienen. Meine erste Forschungsfrage ,,Inwiefern wirkt sich eine kurzfristige Intervention zum generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit aus?‘‘ setzt sich mit anhand von Testmessungen beobachtbaren Auswirkungen auseinander. Die Intervention ist kurzfristig, da sie lediglich einen
Zeitraum von zwei Wochen mit insgesamt zwei Interventionsteilen a 90 Minuten umfasst. Meine zweite Forschungsfrage ,,Inwiefern können die Schüler:Innen beim generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit zurückgreifen?‘‘ setzt Teile der Testergebnisse in Beziehung zu Eindrücken während der Interventionsdurchführung. Dies ermöglicht eine Evaluation, die über den reinen Vergleich von Testmessungen hinausgeht.
2 Begriffsbestimmung
Um eine theoretische Grundlage zu schaffen, sollen in diesem Kapitel zunächst die Begriffe des Schriftspracherwerbes und der phonologischen Bewusstheit definiert und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Da die theoretische Konzeption des in der vorliegenden Arbeit durchgeführten Testverfahrens und der Intervention u.a. auf Schnitzlers ,,Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb‘‘(Schnitzler 2008) basiert, soll ihr Werk dabei besondere Berücksichtigung erfahren. Anschließend soll das in der Intervention angewandte generative Schreiben vorgestellt und erläutert werden.
2.1 Schriftspracherwerb
Im folgenden Text soll nun eine begriffliche Auseinandersetzung mit dem Schriftspracherwerb vollzogen werden. Der Fokus liegt dabei auf dem Erwerb der deutschen Schriftsprache von Kindern im Vorschul- bzw. Grundschulalter, da dies den Bedingungen der in der Praxisphase untersuchten Klasse entspricht. In einer weiter gefassten Begriffsbestimmung müssten weitere Aspekte wie der Schriftspracherwerb in anderen Sprachen und Schriftsystemen, Analphabetismus, sowie der Schriftspracherwerb bei Seiteneinsteigern, Erwachsenen oder mehrsprachigen Lerner:Innen ausgeführt werden. (vgl. Dürscheid 2016; Kucirkova 2017) Im Rahmen der vorliegenden Arbeit können diese nicht umfassend berücksichtigt, sondern nur erwähnt und z.T. zu Vergleichen herangezogen werden.
Fokussiert man nun den Schriftspracherwerb im Anfangsunterricht, so stellt sich unmittelbar die Frage, wie dieser denn eigentlich durchgeführt werden soll. Eine didaktische Kernfrage ist dabei, inwiefern welche Aspekte des Lese- und Schreibprozesses dabei miteinbezogen werden sollten. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 41) Schründer-Lenzen führt dazu drei Ebenen auf, die zentrale Bezugspunkte vieler Theorien um die Prozesse des Lesens und Schreibens sind. (vgl. ebd.) Der ersten Ebene ordnet sie dabei das Erkennen und Schreiben von Wörtern zu, der zweiten Ebene die ,,[...] syntaktisch[e] und semantisch[e] Rezeption von Wortfolgen auf Satz- und Textebene und die Produktion von orthographisch korrekten Schreibungen‘‘ (Schründer-Len- zen 2013, 41). Der dritten Ebene wird das Erschließen von Makrostrukturen beim Lesen von
Texten und die Produktion ,,[...] kohärent[er], adressaten- und situationsangemessen[er] Text[e]‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 41) zugewiesen. Die Frage inwiefern diese Ebenen im Anfangsunterricht berücksichtigt werden sollten, gehört zwar zu den didaktischen Kernfragen des Schriftspracherwerbes, (Schründer-Lenzen 2013, 41) es ist jedoch nicht möglich eine eindeutige Antwort zu formulieren. Vielmehr ist eine Fülle an möglichen Antworten vorhanden, je nachdem welches Erwerbsmodell oder welches Lese- bzw. Schreiblehrverfahren man bevorzugt wird man zu einem anderen Ergebnis kommen. Für die weitere Auseinandersetzung mit dem Schriftspracherwerb, ist eine Betrachtung der Schriftspracherwerbsmodelle und verschiedener Lehrverfahren zum Lesen und Schreiben daher unabdingbar.
2.1.1 Schriftspracherwerbsmodelle
In der Literatur zum Schriftspracherwerb wird zumeist auf die Phasenmodelle von Uta Frith und Klaus B. Günther Bezug genommen. (vgl. Dürscheid 2016, 245-250 ; Schründer-Lenzen 2013, 66-73) Zuerst erschien dabei 1985 als eines der Ersten das Modell von Frith, dass von drei Phasen des Schriftspracherwerbes ausgeht. (vgl. Dürscheid 2016, 245; Schründer-Lenzen 2013, 66) Andere Modelle, darunter das 1986 erschienene Modell von Günther arbeiten mit zusätzlichen Phasen. (vgl. Dürscheid 2016, 249) Schründer-Lenzen bezeichnet Friths Modell daher auch als Basismodell. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 66) Beide Modelle gehen von einer Interaktion der Lese- und Schreibfähigkeiten aus, (vgl. Dürscheid 2016, 245) es wird also weniger von einem additiven, sondern vielmehr von einem integrativen Erwerbsprozess ausgegangen. (vgl. Dürscheid 2016, 244) Ähnliche Überlegungen gab es bereits im 18. bzw. 19. Jahrhundert, hier wurde eine Integration der Lese- und Schreiblehrgänge angestrebt, da das Schreiben einerseits als praktischer Ausgleich zum Lesen dienen sollte und man andererseits davon ausging, dass die beiden ähnliche kognitive Aktivitäten erfordern. (vgl. Schründer-Len- zen 2013, 150) Im Folgenden soll nun eine Darstellung der beiden Modelle vollzogen werden. Begonnen wird dabei mit dem Modell von Frith, dieses unterscheidet zwischen der logographischen, der alphabetischen und der orthographischen Phase und teilt diese jeweils in zwei Stufen ein. (Dürscheid 2016, 245) Demnach kann ein Kind, das sich in der logographischen Phase befindet, bereits einige Wörter erkennen, die charakteristische Merkmale aufweisen, vermehrt in seinem Umfeld auftauchen und eine emotionale Bedeutung haben. (vgl. Dürscheid 2016, 246; Schründer-Lenzen 2013, 67) Die Buchstaben haben für das Kind also einen Signal- aber noch keinen Lautcharakter. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 67) So gelingt es ihm zwar bestimmte Wörter anhand der Form ihrer Buchstaben oder einer für ein bestimmtes Produkt typischen Typographie wiederzuerkennen, es ist ihm aber noch nicht möglich zwischen Gegenständen und ihrer Bedeutung zu differenzieren. (vgl. Dürscheid 2016, 246) Fragt man es beispielsweise nach formalen Aspekten wie der Wortlänge, so wird sich das Kind bei seiner Antwort an semantischen Aspekten wie beispielsweise der Größe eines Gegenstandes orientieren (vgl. Dürscheid 2016, 246; Mayer 2020, 11; Schnitzler 2008, 9) Das eben beschriebene Phänomen wird auch Dekontextualisierung genannt (vgl. Schnitzler 2008, 9) und ist auch im Kontext der phonologischen Bewusstheit relevant.1 In der logographischen Phase wird der ersten Stufe also das Lesen und der zweiten das Schreiben zugeordnet. (vgl. Dürscheid 2016, 246) Das Schreiben eines Kindes in der logographischen Phase entspricht dabei eher einer bildnerischen Reproduktion, die Wörter werden also vielmehr abgemalt als abgeschrieben. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 67) Dass Frith diese Phase in ihr Modell mitaufgenommen hat, zeigt, dass der Schriftspracherwerb keinen bestimmten Anfangspunkt hat, (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 88) sondern „Kinder [...] in einer schriftkulturell geprägten Gesellschaft schon vor Schuleintritt [beginnen] sich für Schriftzeichen zu interessieren und verstehen, dass Schriftzeichen Symbolcharakter haben‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 68). Kinder die sich in der alphabetischen Phase befinden ,,[.] können weitgehend lautgetreue Wörter ‘erlesen‘ und lautorientiert schreiben‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 70) Sie nehmen die Wörter nun also nicht mehr als Bild sondern als eine Kette von Graphemen wahr, die durch phonologisches Rekodieren als eine Kette von Phonemen wiedergegeben werden. (vgl. Dürscheid 2016, 246f; 301; Schründer-Len- zen 2013, 69) Inwiefern die phonologische Bewusstheit, also ,,[.] das Wissen um die für Alphabetschriften konstitutive Verbindung von Graphem und Phonem [.]‘‘ (Dürscheid 2016, 247) Einfluss auf die alphabetische Phase nimmt ist ein im Diskurs umstrittener Punkt. (vgl. Dürscheid 2016, 247; Sauerborn 2013, 40; 50f) Auf den Zusammenhang der phonologischen Bewusstheit und des Schriftspracherwerbes soll in einem eigenen Kapitel eingegangen wer- den.2 Der Stufe des Lesens geht in der alphabetischen Phase die Stufe des Schreibens voraus, ,,[d]a logographisch geschriebene Wörter vom Betrachter oft nicht erkannt werden, stelle sich bei Kindern das Bedürfnis ein, die Wörter anders, nämlich phonographisch zu schreiben‘‘ (Dürscheid 2016, 247). Typisch für das Schreiben in der alphabetischen Phase sind Rechtschreibfehler und sogenannte Skelettschreibweisen, wie ,,FT für Pferd‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 69) bei denen nur vom Kind als auffällig wahrgenommene Laute aufgeschrieben werden. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 69ff) Da Kinder in der alphabetischen Phase Wörter Laut für Laut synthetisieren, kann das semantische Verständnis aufgrund der abweichenden Aussprache beeinträchtigt werden. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 69) Dies verdeutlicht, dass nicht nur die Laute sondern auch die Silbenstruktur zur korrekten Artikulation von Wörtern relevant ist. (vgl. Dürscheid 2016, 248) Das Erreichen der orthographischen Phase erfolgt frühestens im zweiten Schuljahr. (vgl. ebd.) Kinder lesen nun nicht mehr sequenziell, sondern ganzheitlich. (vgl. Dürscheid 2016, 248; Schründer-Lenzen 2013, 73) Die Stufe des Lesens geht hier der Stufe des Schreibens voraus. (Dürscheid 2016, 248) Beim Lesen erkennen die Kinder nun ganze Morpheme oder häufige Buchstabengruppen und können beim Schreiben zunehmend orthographische Regularitäten und morphologische Schreibungen beachten. (vgl. Dürscheid 2016, 248) In seinem 1986 erschienenen Fünf-Phasen-Modell ergänzt Günther Friths Modell um zwei ,,[...] nicht unmittelbar zum Schriftspracherwerbsprozess“ (Dürscheid 2016, 250) zugehörige Phasen. (vgl. Dürscheid 2016, 249) Demnach liegt die sogenannte präliteral-symbolische Phase vor der logographischen Phase, und die integrativ-automatisierte Phase hinter der orthographischen Phase. (vgl. Dürscheid 2016, 249) Kinder in der präliteral-symbolischen Phase bereiten sich gewissermaßen auf den Schriftspracherwerb vor, indem sie das Lesen- und Schreiben nachahmen oder symbolische bzw. bildliche Darstellungen vornehmen. (vgl. Dürscheid 2016, 249) In der integrativ-automatisierten Phase findet eine Integration von Teilprozessen statt, (vgl, Schründer-Lenzen 2013, 73) wodurch die Lernenden zunehmend sicherer beim Lesen und Schreiben werden. (vgl. Dürscheid 2016, 249f)
Auch Schnitzler geht von einem Stufenmodell des Schriftspracherwerbs aus, ,,[.] in dem die Stufen des Schriftspracherwerbes durch dominierende Lese- und Rechtschreibstrategien charakterisiert werden, mit denen Kinder die Schriftsprache bewältigen‘‘ (Schnitzler 2008, 1). Zudem betont sie, dass die orthographische Phase auf der alphabetischen Phase aufbaut, die orthographische Strategie folglich also erst nach Aneignung der alphabetischen Strategie erworben werden kann. (vgl. Schnitzler 2008, 1) In ihrer Auseinandersetzung mit diagnostischen Aspekten der phonologischen Bewusstheit, ordnet sie verschiedenen Altersgruppen dominierende Schriftsprachstrategien zu und gibt jeweils diagnostisch relevante Aspekte der phonologischen Bewusstheit an. (vgl. Schnitzler 2008, 84; 92f)
Als häufiger Kritikpunkt an den Phasenmodellen wird genannt, dass sie einen vorbestimmten Entwicklungsverlauf suggerieren, wobei es neben der jeweils vorherrschenden Phase weitere Faktoren wie die Häufigkeit und Vertrautheit des Wortes, oder die zugrundeliegende Didaktik gibt, die entscheiden nach welcher Strategie vorgegangen wird. (vgl. Dürscheid 2016, 245; Schründer-Lenzen 2013, 75) Es wird also deutlich, dass zur Klärung der eingangs gestellten Frage, inwiefern welche Aspekte der Lese- und Schreibprozesse im Anfangsunterricht einbezogen werden sollten auch didaktische Aspekte miteinbezogen werden müssen. Dass Schnitzler ihre Theorien dennoch auf den Erkenntnissen der Stufenmodelle aufbaut zeigt, dass solche Entwicklungsmodelle durchaus eine Berechtigung haben. Um Aussagen über individuelle Entwicklungsstände und -verläufe treffen zu können, kann es beispielsweise hilfreich sein, diese in Bezug zu einem übergeordneten Modell zu setzen. Um der oben beschriebenen Kritik der Phasenmodelle entgegenzukommen, sollten die Modelle jedoch nicht zur Einordnung und ggf. defizitären Bewertung der schulischen Leistungen eingesetzt werden. Vielmehr könnten die jeweils primär von den Schüler:Innen angewandten Strategien erste Anhaltspunkte zur Entwicklung individueller Fördermaßnahmen dienen. So wird Lehrer:Innen etwa ermöglicht einzuschätzen, ob eine häufige Fehlschreibung entwicklungsbedingt ist oder ob genauere Untersuchungen notwendig sind. Die Funktion der Fehler als diagnostische Fenster der schriftsprachlichen Entwicklung gehört auch zu den Grundannahmen des Spracherfahrungsansatzes. (Schründer-Lenzen 2013, 176) Um einen wirklichen Förderbedarf oder eine Schriftspracherwerbsstörung festzustellen, bedarf es jedoch des Einsatzes sprachdiagnostischer Methoden. Neben standardisierten Testverfahren wie dem in der Praxisphase angewandten ,,Test zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit‘‘ (Mayer 2020), können dazu Beobachtungen, Screenings oder Profilanalysen eingesetzt werden. (vgl. Mer- kert/Wildemann 2020, 62-66)
2.1.2 Leselehrverfahren und Rechtschreibunterricht
Im Folgenden sollen nun mehrere Ansätze erläutert werden, die die Frage inwiefern welche Aspekte der Lese- und Schreibprozesse in den Anfangsunterricht einzubeziehen sind auf verschiedene Art und Weise beantworten. Gemäß der zeitlichen Chronologie werden dabei zunächst die analytischen und synthetischen Leselehrverfahren betrachtet, danach sollen auch analytisch-synthetische Verfahren aufgegriffen werden.
Analytische Leselehrverfahren basieren auf der Annahme, dass die Wahrnehmung von Wörtern primär ganzheitlich erfolgt und erst sekundär eine Wahrnehmung als segmentierbare Einheiten erfolgt. (vgl. Dürscheid 2016, 251) Mit dem Ziel von Beginn an ein sinnentnehmendes Lesen zu ermöglichen, wird den Schüler:Innen daher die Bedeutung ganzer Wörter und Sätze vermittelt. (vgl. ebd.) Auch das Schreiben erfolgt ganzheitlich, die Schüler:Innen sollen ganze Wörter in einer verbundenen Schrift reproduzieren. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 159) Problematisch an analytischen Ansätzen ist vor allem die hohe Belastung des Gedächtnisses, die auch zur Folge hat, dass die Erstlesebücher eine eher inhaltsarme Textgestaltung aufweisen. (vgl. Dürscheid 2016, 251f) Als Beispiel kann hier das Konzept des dialogischen Erstlesens der Schwedin Ulrika Leimar genannt werden, bei dem Schüler:Innen mit kurzen, auf Basis ihrer mündlichen Ideen verfassten, Texten konfrontiert werden, die sie zunächst auswendig lernen und anschließend einzelne enthaltene Wörter erlesen sollen. (vgl. Leimar 1979)
Solche Vorgehensweisen, die eher auf einem Auswendiglernen von Bedeutungen als auf einem wirklichen Leseprozess beruhen, stehen im Widerspruch zu Colthearts Zwei-Wege-Modell, das nicht von einer Abspeicherung in Form von Wortbildern, sondern vielmehr als Wortmustern ausgeht. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 43f) Bei geübten Lesern gibt es demnach ein sogenanntes mentales Lexikon, welches im Sinne eines top-down-Prozesses den direkten Abruf von u.a. graphischen, orthographischen, semantischen und phonologischen Wortinformationen ermöglicht. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 42) Dazu verweist Schründer-Lenzen auch auf die Autoren Morton und Goodman. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 42) Es liegt also zugleich ein Widerspruch zur Struktur des mentalen Lexikons vor, da es kein Speicher von ganzen Wörtern, sondern vielmehr ein Speicher der enthaltenen von Wortinformationen bzw. -merkmale ist. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 209; Linke u.a. 2004, 387f) Um den Sinn des Gelesenen erfassen, also dekodieren zu können, bedarf es einer ,,[...] visuellen Analyse des gedruckten Wortes [...]‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 42f). Je mehr Wortmuster bereits abgespeichert wurden, desto einfacher fällt das Dekodieren. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 43) Da das mentale Lexikon ,,[.] nicht visuell sondern kognitiv gesteuert ist [.]‘‘(vgl. Schründer-Lenzen 2013, 43; Hervorhebung im Original), können die Bedeutungen auch bei fehlerhafter Repräsentation abgerufen werden, zudem kann auf weitere u.a. syntaktische Informationen zurückgegriffen werden. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 42) Der eben beschriebene Prozess entspricht dem direkten Weg der visuellen Analyse, der indirekte Weg erfolgt in Form einer phonologischen Rekodierung ,,[.] über Graphem-Phonom-Korrespondenzen [sic!] oder Silbenstrukturen zur Wortsynthese [.]‘‘(Schründer-Lenzen 2013, 44) und wird auch als Bottom-up-Prozess bezeichnet. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 44) Der Leseprozess wird also sowohl von Top-Down- als auch von Bottom-Up-Prozessen beeinflusst. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 44) Bei unbekannten Wörtern kommen v.a. Bottom-Up-Prozesse zum Tragen, da es im Deutschen keine eins zu eins Graphem-Phonem-Zuordnung gibt, ist die Möglichkeit zur korrekten Aussprache hierdurch aber nur bedingt gegeben. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 44) Daher müssen auch Wortbedeutung und Satzkontext miteinbezogen werden. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 45) Ein Beispiel für eine Sprache mit besonders hoher Phonem-Graphem-Korrespondenz ist das Finnische, weshalb seine Orthographie als eine der Transparentesten der Welt gilt. (vgl. Nieminen/Richardson 2017, 267)
Synthetische Leselehrverfahren gehen ,,[.] von den Bestandteilen des Wortes zum Ganzen‘‘ (Dürscheid 2016, 252). Die Buchstabiermethode, stellte bis ins 19. Jahrhundert eine der populärsten Varianten dar, allerdings begünstigt sie die Gefahr, dass den Schüler:Innen zwar den Namen aber nicht den zugehörigen Laut der Buchstaben verinnerlichen. (vgl. Dürscheid 2016, 252) Man ging daher zu einer anderen Variante über. (vgl. ebd.) In Preußen wurde die Buchstabiermethode im Jahr 1872 verboten. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 150) Forderungen nach einer Lautiermethode wurden aber bereits im 16. Jahrhundert von Ickelsamer und im 17. Jahrhundert durch Comenius gestellt. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 148f) Bei der Lautiermethode ,,[...] werden Wörter als Sequenz einzelner Phoneme wiedergegeben [...] gelernt werden also Phonem-Graphem-Korrespondenzen, aufbauend auf diesen werden in einem zweiten Schritt die Wörter synthetisierend gelesen‘‘ (Dürscheid 2016, 252). Diese Vorgehensweise ermöglicht einerseits das Lesen von unbekannten Wörtern hat aber andererseits zur Folge, dass durch die Überbetonung der Lesetechnik kein wirklicher Sinn konstituiert werden kann. (Dürscheid 2016, 252; Schründer-Lenzen 2013, 151) Zudem können nicht alle Wörter synthetisierend erlesen werden, da die Grapheme und Phoneme des Deutschen keine Eins-zu-Eins-Beziehung aufweisen und Phoneme bei ihrer Realisierung koartikuliert werden, sich also an ihre lautliche Umgebung anpassen. (vgl. Dürscheid 2016, 253) Eine Möglichkeit, um das synthetisierende Lesen zu erleichtern bot Richard Langes Vokalisationsmethode. (vgl. Schründer-Len- zen 2013, 151) Hier wurden den Konsonanten Namen zugeordnet, so wurde das <h> beispielsweise als Haucher bezeichnet.(vgl. ebd) Die Schüler:Innen sollten diese daraufhin mit Vokalen verbinden. (vgl. ebd.)
Analytisch-synthetische Verfahren kombinieren wie der Name bereits vermuten lässt Aspekte der analytischen und synthetischen Verfahren und können als eine Art Kompromiss zwischen den beiden gesehen werden. (vgl. Dürscheid 2016, 253) Diese Methodenkombination war in den 1970er Jahren das Resultat des Methodenstreits in den Nachkriegsjahren. (vgl. Schründer- Lenzen 2013, 155f) Zwar konnte in empirischen Untersuchungen ein kurzfristiger Vorsprung bei Klassen die mit der synthetischen Methode unterrichtet wurden festgestellt werden, dies könnte laut Schründer-Lenzen aber darin begründet liegen, dass in dieser Methode der Schwerpunkt auf Aufgaben liegt, die auch zur Förderung des phonologischen Bewusstheit dienen. (Schründer-Lenzen 2013, 155f) Insgesamt wiesen die Ergebnisse darauf hin, dass es für einen erfolgreichen Unterricht weniger auf die Lehrmethode, sondern vielmehr auf die Lehrperson, sowie auf weitere Faktoren, etwa den sozialen Hintergrund der Lernenden, ankommt. (vgl. Dürscheid 2016, 253; Schründer-Lenzen 2013, 156) Statt einer ausschließlichen Vermittlung von entweder Buchstaben oder ganzen Wörtern, wollen analytisch-synthetische Verfahren beides von Beginn an unterrichten. (Dürscheid 2016, 253) Es werden also ,,[.] von Anfang an sowohl technische als auch kommunikativ-semantische Aspekte des Lesens und Schreibens berücksichtigt [...]‘‘ (Hochstadt u.a. 2015, 64). Typisch für diesen Ansatz ist das Erlesen lautgetreuer Wörter, die zugleich ,,[...] sprechmotorisch bewusst gemacht, visuell analysiert, mit Wortkarten gelegt, geschrieben und durch Bilder in der Sinnentnahme gestützt‘‘ (Schründer- Lenzen 2013, 156) werden. Diese Vorgehensweise soll die Schüler:Innen zum Üben motivieren, hat aber auch zur Folge, dass das Vorgehen der entsprechenden Fibeln sehr kleinschrittig, langsam und textarm erfolgt. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 156f) Neben lautgetreuen Anfangsworten werden aber auch frühzeitig nichtlautgetreue Funktionswörter wie Artikel vermittelt, da diese essenziell für das Lesen und Schreiben von Sätzen sind. (vgl. Dürscheid 2016, 252) Zwar basiert der Großteil der heutzutage angewandten Schriftsprachlehrgänge auf analytisch-synthetischen Methoden, (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 65) das ihnen immanente Medium der Fibel erfährt jedoch seit den 1970er Jahren immer wieder Kritik. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 173) Im Zuge der Infragestellung der Berechtigung der Fibel und einem Versuch zur didaktischen Neuorganisation des Anfangsunterrichts, erfahren in den 1980er Jahren der ursprünglich amerikanische Spracherfahrungsansatz Einhalt in den deutschen Klassenzimmern. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 67; Schnitzler 2013, 173f) Hier finden nun auch die im vorherigen Kapitel beschriebenen Schriftspracherwerbsmodelle Berücksichtigung. Fehler werden nun nicht mehr primär als Anzeichen für Defizite, sondern ,,[...] als ,diagnostische Fenster’ [.] für die Einschätzung und Förderung der Lernentwicklung‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 176) betrachtet. Die Schü- ler:Innen sollen in einem offenen Unterricht durch den aktiven Gebrauch der Schriftsprache individuelle Zugänge zur Schrift finden. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 173f) Lehrkräfte sollen nun nicht mehr frontal unterrichten, sondern den kindlichen Schriftspracherwerb beobachten und die jeweiligen Lernstrategien unterstützen. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 173f) Als problematisch erweist sich der Spracherfahrungsansatz aufgrund seiner Annahme eines natürlichen Orthographieerwerbes. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 69) Anstatt einer Markierung orthographischer Fehler durch die Lehrkraft, sollen Schüler:Innen anhand einer orthographisch-korrekten Fassung ihrer Texte Rechtschreibregeln eigenständig ableiten. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 68f) Der Verzicht auf Instruktionen mag sich zwar förderlich auf die Lernfreude, Selbstständigkeit und das Selbstkonzept auswirken, (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 174) jedoch birgt er auch die Gefahr die Effekte der ungleichen Voraussetzungen zu Schulbeginn zu verstärken. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 69) Ansätze die vermehrt mit Instruktionen durch die Lehrkraft arbeiten sind der Regel- und der strategieorientierte Rechtschreibunterricht. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 7078) Während beim regelorientierten Ansatz Wissen zur Rechtschreibung vermittelt wird, stehen beim strategieorientierten Ansatz Strategien zur Anwendung derselben im Zentrum. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 77) Beide Ansätze gehen von einer analysierten Struktur der
Schriftsprache aus, zielen also nicht nur auf die Analyse von Lauten und das Verinnerlichen von Wörtern oder Wortformen ab. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 70)
Da sich die vorliegende Arbeit neben dem Schriftspracherwerb vor allem mit der phonologi- schen Bewusstheit auseinandersetzt, sollten an dieser Stelle auch der Ansatz Lesen durch Schreiben von Reichen und der silbenorientierte Rechtschreibunterricht in den Blick genommen werden. Zentrales Arbeitsmittel beim Lesen durch Schreiben bzw. dem phonographisch orientierten Rechtschreibunterricht (Hochstadt u.a. 2015, 52) ist Reichens Anlauttabelle, anhand derer die Schüler:Innen eigenständig schreiben sollen (Dürscheid 2016, 255; 259) Dazu müssen sie zuerst die zugehörige Lautkette segmentieren und den Segmenten anschließend Phoneme zuordnen. (vgl. Dürscheid 2016, 256) Dies setzt allerdings Fähigkeiten im Bereich der phonologischen Bewusstheit im engeren Sinne voraus, die zu Schulbeginn meist noch nicht vollends entfaltet sind. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 52; Barth/Gomm 2014, 4f; Mayer 2020, 13; Schnitzler 2008, 21) Korrekturen sollen aus motivationalen Gründen nur bei phonetischen, nicht aber bei orthographischen Fehlern vorgenommen werden. (vgl. Dürscheid 2016, 257) Seine Annahme, dass das Lesen automatisch aus dem Schreibprozess erfolgt ist nicht haltbar, da die Kontrolle des Geschriebenen weniger einem bedeutungskonstituierenden Lesen sondern vielmehr einer Rekonstruktion entspricht. (vgl. Dürscheid 2016, 261) Reichen lehnt sowohl das gezielte Üben also auch die Didaktik ab. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 214f) Schründer-Len- zen bezeichnet die Annahme ,,[...] eine[r] quasi automatischen], völlig selbstgesteuert[en] Weiterentwicklung der Schriftlichkeit von Kindern [...]‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 75) als ,,[d]ie wohl extremste Fehlinterpretation der Entwicklungsmodelle [.]‘‘(ebd.). Auch die Anlauttabelle ist als kritisch zu betrachten, da sie weder vollständig ist noch die im Deutschen distinktive Vokallänge berücksichtigt. (vgl. Dürscheid 2016, 259) Zudem suggeriert Reichens Modell, dass die Deutsche Sprache lautgetreu ist. (vgl. Dürscheid 2016, 257) Dass dies nicht stimmt und ein synthetisierendes Lesen längst nicht bei allen Wörtern möglich ist, wurde bereits bei der Auseinandersetzung mit den synthetischen Leselehrverfahren erläutert.3 Insbesondere für Schüler:Innen mit Aussprachestörungen oder Deutsch als Zweitsprache kann dies zur Überforderung führen. (vgl. Dürscheid 2016, 257) Jedoch ist auch anzumerken, dass Anlauttabellen nicht allgemein hin als negativ zu bewerten sind. Da der Erwerb der Laute weder in einer bestimmten Reihenfolge, noch in einer vorgegebenen Geschwindigkeit erfolgt, können die Schü- ler:Innen weitestgehend selbstständig und in ihrem eigenen Tempo lernen. (vgl. Dürscheid 2016, 258) Das Arbeiten mit Anlauttabellen bietet sich also auch für den jahrgangsübergreifenden Unterricht an. Allerdings merkt Schründer-Lenzen zurecht an, dass die „Lautorientierung der Schrift [...] nur ein Prinzip unter anderen [ist], so dass der Anlauttabelle nur eine begrenzte Funktion zukommen kann‘‘ (Schründer-Lenzen 2013, 225; Hervorhebungen im Original) Der Anfangsunterricht kann und sollte daher nie allein anhand einer Anlauttabelle durchgeführt werden, da sie die Voraussetzungen des Erwerbs der deutschen Schriftsprache nicht erfüllen kann, sondern lediglich einen Teilaspekt der Schriftsprache abdeckt. Weitere Teilaspekte der deutschen Schriftsprache sind das silbische, morphologische, syntaktische und Interpunktionsprinzip. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 47f)
Moderne Fibellehrgänge bzw. Materialpakete für den Anfangsunterricht gehen daher integrativ vor, indem den Schülern u.a. verschiedene orthographische Prinzipien vermittelt werden, analytische und synthetische Schritte der Wortdurchgliederung verknüpft werden, instruktive und eigenaktive Phasen kombiniert werden und Lernangebote zum Lesen und Schreiben parallel angeboten werden. (vgl. Schründer-Lenzen 2013, 235; 250) Mit der Integration von analytisch und synthetischen Aspekten, schließen sie somit an die analytisch-synthetischen Verfahren an, weisen aber eine größere Vielfalt an Lernangeboten und -inhalten auf. So verwendet die Schule der untersuchten Klasse etwa das Werk ,,Flex und Flora - Deutsch‘‘ (Baligand u.a. 2013), hier wird das Lernen anhand einer Schreibtabelle, die die Sonorität und die im Deutschen distinktive Vokallänge berücksichtigt, mit der Vermittlung von Rechtschreibstrategien verbunden, dabei werden insbesondere die Silben fokussiert. (vgl. Baligand u.a. 2013) Das Werk enthält also u.a. Aspekte des silbenorientierten Rechtschreibunterrichtes. Dieser geht wie die regel- und strategieorientierten Ansätze von einer analysierten Struktur der Schriftsprache aus. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 70) Wie bereits im Kapitel zu den Entwicklungsmodellen erwähnt, tragen Silben maßgeblich zur korrekten Artikulation von Wörtern bei.4 Auch hinsichtlich der Orthographie kommt ihnen eine bedeutende Rolle zu. So können beispielsweise viele Schreibweisen, die von der phonographischen Schreibweise abweichen mit dem silbischen Prinzip erläutert werden. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 48; 79) Auch die in der Formatierung dieser Arbeit angewandte Silbentrennung basiert auf diesem Prinzip. Im Gegensatz zu der Segmentierung in Phoneme, zählt das Segmentieren in Silben zu den Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne.5 (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 79; Schnitzler 2008, 20) Da diese zu Schulbeginn i.d.R. bereits recht umfangreich ausgebildet sind, kann der silbenorientierte Ansatz an diese Vorkenntnisse anknüpfen. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 79; Barth/Gomm 2014, 4f; Mayer 2020, 13;
Schnitzler 2008, 21) Hochstadt unterscheidet intuitive und theoriebezogene Silbenkonzepte. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 80ff) Als Beispiel für ein intuitives Konzept führt sie die BuschmannMethode an, bei der die Schüler:Innen während des Schreibens rhythmisch-syllabierend mitsprechen sollen. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 80) Um auch bei Wörtern, deren Schreibung von der phonographischen Schreibweise abweicht das Ableiten der orthographisch korrekten Schreibweise zu ermöglichen, sollen den Lernenden mehrere Strategien vermittelt werden. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 80) So können Wörter die, z.B. aufgrund der Auslautverhärtung, am Ende von der phonographischen Schreibweise abweichen durch Anhängen eines pluralmarkierenden Suffix rhythmisch verlängert werden. (vgl. ebd.) Die Schreibweisen aller anderen Wörter können entweder anhand der Wortfamilie abgeleitet werden, oder müssen als Ausnahmen von den Schüler:Innen gelernt werden. (vgl. ebd.) Als Beispiel für ein theoriebezogenes Konzept führt Hochstadt das Häusermodell nach Röber an. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 81) Hier soll unter der Annahme eins trochäischen Grundmusters des Deutschen, die Struktur der Wörter visualisiert werden. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 81f) Grundlage bildet hier das Bild eines Hauses mit anliegender Garage. (vgl. ebd.) Die Schüler:Innen sollen nun jeweils die betonten Vollsilben von trochäischen Zweisilbern in das Haus und die unbetonte Reduktionssilbe in die anliegende Garage schreiben. (vgl. ebd.) Das erweiterte Modell von Bredel teilt Haus und Garage in jeweils drei Zimmer ein. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 82) Anhand dieses Modells können mehrere orthographische Generalisierungen vermittelt werden, z.B. dass die mittleren Zimmer der Häuser und Garagen immer mit Vokalen besetzt sind. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 83) In der untersuchten Klasse wird die Buschmann-Methode angewandt, diese zeigte ,,[...] teilweise überzeugende Ergebnisse bei der Förderung von Schülern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten [...]‘‘ (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 80). Die Häusermodelle scheinen sich insbesondere auch für Schüler:In- nen mit Deutsch als Zweitsprache zu eignen. (Hochstadt u.a. 2015, 84; Wildemann 2015, 95) Kritisiert wird an den beschriebenen Methoden, dass die Silbensegmentierung für einige Schü- ler:Innen überfordernd sein könnte und die Häusermodelle nur schwer mit dem freien Schreiben zu vereinen sind. (vgl. Hochstadt u.a. 2015, 83ff) Neben dem Werk ,,Flex und Flora‘‘ (Baligand 2013) gibt es weitere integrative Werke, in der Literatur wird beispielsweise auf das Werk ,,Fara und Fu‘‘ Bezug genommen. (vgl. Dürscheid 2016, 253; Schründer-Lenzen 2013, 156)
Die Auseinandersetzung mit der Entwicklung und Didaktik des Schriftspracherwerbes hat gezeigt, dass es ein großes Spektrum an möglichen Zugängen gibt. Immer wieder wurden auch Zusammenhänge zur phonologischen Bewusstheit hergestellt. Um diese vertieft darstellen zu können, soll nun der Begriff ,,Phonologische Bewusstheit‘‘ beleuchtet werden, um im Anschluss erklären zu können, warum die phonologische Bewusstheit als Ressource im Schriftspracherwerb verstanden werden kann.
2.2 Phonologische Bewusstheit
Um den Begriff der phonologischen Bewusstheit zu erfassen, bedarf es zunächst einer Betrachtung der vielfältigen Definitionen, die sich in der einschlägigen Literatur finden lassen. Im Zuge der Erläuterungen zum Schriftspracherwerb wurde sie bereits erstmals als ,,[...] Wissen um die für Alphabetschriften konstitutive Verbindung von Graphem und Phonem [...]‘‘ (Dürscheid 2016, 247) definiert. Hier steht also das Wissen um die sogenannte Phonem-Graphem-Korrespondenz im Vordergrund. Dieses ist jedoch ausschließlich für Alphabetschriften relevant, da bei diesem phonographischen Schrifttyp die bedeutungsunterscheidenden Phoneme den primären Bezugspunkt zum Lautsystem bilden und Grapheme als Basiseinheiten des Schriftsystems dienen. (vgl. Dürscheid 2016, 70; 247; 297) Sauerborn verweist hierzu auch auf eine von Read u.a. in den achtziger Jahren durchgeführte Untersuchung, bei der die phonologische Bewusstheit von chinesischen Erwachsenen erfasst wurde. (vgl. Sauerborn 2015, 45) Während bei Personen deren Schriftspracherwerb auch alphabetisch erfolgte dazu fähig waren Aufgaben zum Anfügen und zur Elision von Konsonanten-Phonemen wie /t/ zu bearbeiten, schienen Personen die ausschließlich mit einem logographischen Schriftsystem alphabetisiert wurden nur über geringe Kompetenzen in diesem Bereich zu verfügen. (vgl. Sauerborn 2015, 45) Dies zeigt zum einen den Zusammenhang bestimmter Bereiche der phonologischen Bewusstheit mit alphabetischen Sprachen und bietet zugleich einen Nährboden für die Hypothese, dass die pho- nologische Bewusstheit eine Konsequenz des Schriftspracherwerbes ist. (vgl. Sauerborn 2015, 45) Auf die umstrittene Rolle der phonologischen Bewusstheit im Schriftspracherwerb soll in einem gesonderten Kapitel eingegangen werden. 6 Neben dem Wissen um das Verhältnis von Phonemen und Graphemen schließt Dürscheid in ihrem Glossar auch das ,,Wissen um die Seg- mentierbarkeit von Wörtern [.]‘‘ (Dürscheid 2016, 301) in ihre Definition ein. Insgesamt weist Dürscheids Erläuterung große Ähnlichkeiten zur Definition der Vorgängerbegriffe ,, ,phonetic analysis of spoken words‘ ‘‘ (Gillon 2017, 2) und ,, ,linguistic awareness‘ at the pho- nological level‘ ‘‘ (ebd.) auf, da hier ebenfalls die ,,[.] knowledge of words as comprimising smaller, discernible units‘‘ (ebd.) im Fokus steht. Zudem wird die phonologische Bewusstheit sowohl bei Dürscheid, als auch bei den Vorgängerbegriffen als Wissen oder Kenntnis beschrieben, während andere Werke sie zumeist als Fähigkeit definieren. Hier liegt der Fokus weniger auf dem Wissen um bestimmte Sprachstrukturen, sondern vielmehr auf der Fähigkeit zur Wahrnehmung der Struktur der gesprochenen Sprache, unabhängig von semantischen Aspekten der Äußerungen. (vgl. Gillon 2017, 2; Mayer 2020, 11; Schnitzler 2008, 5; Schründer-Lenzen 2013, 86) Eine besonders umfangreiche Erläuterung zu diesem Fähigkeitsverständnis des Begriffes der phonologischen Bewusstheit befindet sich in Schnitzlers 2008 erschienenen Werk ,,Phono- logische Bewusstheit und Schriftspracherwerb‘‘. Sie beschreibt die Phonologische Bewusstheit zunächst oberflächlich als eine spezifische kognitive Fähigkeit zur kognitiven Auseinandersetzung mit sprachlichen Struktureinheiten. (vgl. Schnitzler 2008, 5) Anschließend formuliert sie in Anlehnung an Tunmer und Hoover‘s ,,Cognitive and linguisticfactors in learning to read‘‘ aus dem Jahr 1992 folgende Definition: ,,Phonologische Bewusstheit bezeichnet die metalinguistische Fähigkeit, die lautliche Struktur der gesprochenen Sprache zu analysieren und zu manipulieren, ohne auf die Bedeutung des zu analysierenden sprachlichen Materials einzuge- hen.‘‘ (Schnitzler 2008, 5; Hervorhebungen im Original) Diese Definition soll nun als Ausgangspunkt zur vertieften Auseinandersetzung mit der phonologischen Bewusstheit dienen. Dazu sollen u.a. auch theoretische Aspekte der Phonologie und Linguistik miteinbezogen werden, Gillon empfindet eine Betrachtung der phonologischen Bewusstheit in diesen Kontexten als wichtigen Schritt um eine breitere Perspektive auf sie zu gewinnen. (vgl. Gillon 2017, 2) Als metalinguistisch ist die phonologische Bewusstheit zu betrachten, da sie die gesprochene Sprache reflektiert, indem sie sich mit phonologisch-strukturellen Informationen auseinandersetzt. (vgl. Schnitzler 2008, 5) Dazu greift sie zum einen auf implizites oder explizites sprachanalytisches Wissen über Struktur, Systematik und Organisation der gesprochenen Sprache zurück. (vgl. Schnitzler 2008, 5) Zum anderen wird auch auf Informationen zu phonologischen Einheiten wie Silben, Onsets, Reime und Phoneme zurückgegriffen, die nachfolgend erläutert werden. (vgl. Schnitzler 2008, 5) Eine Silbe besteht demnach aus einem vokalischen Silbenkern, und einer konsonantischen Silbenschale, welche wiederum aus dem Onset und der Silbenkoda besteht. (vgl. Linke u.a. 2004, 490) Der Onset oder auch Silbenkopf befindet sich am Anfangsrand der Silbe und bildet gemeinsam mit dem Silbenkern den Silbenkörper. (vgl. Linke u.a. 2004, 490) Der Silbenreim wird aus Silben-kern und Silbenkoda gebildet, einsilbige Wörter reimen sich bei identischem Silbenreim, mehrsilbige Wörter bei Übereinstimmung des Silbenreims bei der ersten Silbe und den im Anschluss folgenden Silben übereinstimmt. (vgl. Linke u.a. 2004, 490; Schnitzler 2008, 5) Phoneme sind die kleinsten bedeutungsunterscheiden-den Einheiten in der Lautsprache. (vgl. Linke u.a. 2004, 485) ,,Jede Sprachvarietät unterscheidet eine relativ kleine Anzahl von Phonemen (meist zwischen 20 und 40), die zusammen ihr Phoneminventar bilden.‘‘ (Linke u.a. 2004, 486; Hervorhebung im Original) Ermittelt werden
Phoneminventare indem lautliche Äußerungen zunächst in Form einer en-gen phonetischen Transkription in möglichst detaillierte Phonketten segmentiert werden. (vgl. Linke u.a. 2004, 486f) Anschließend werden im Rahmen einer Substitution sogenannte Minimalpaare von Wörtern gesucht, die sich nur aufgrund eines Phons unterscheiden. (vgl. Linke u.a. 2004, 487) Da die Wörter ansonsten identisch sind, stehen diese Phone in paradigmatischer Opposition zueinander, d.h. die Bedeutung der beiden Wörter kann nur aufgrund der unterschiedlichen Phone divergieren. (vgl. Linke u.a. 2014, 487f) Es gibt allerdings auch Fälle wie [q] und [x] oder [r] und [r] bei denen keine paradigmatische Opposition vorliegt, es also mehrere Varianten eines Phonems gibt. (vgl. Linke u.a. 2014, 487) Hier gibt es zum einen sogenannte kombinatorische Varianten wie [q] und [x], deren Auftreten sich nach dem lautlichen Kontext richtet und zum anderen die sogenannten freien Varianten wie [r] und [r] . (vgl. Linke u.a. 2014, 487) Deren Auftreten ist von anderen Faktoren wie regionalen Präferenzen oder dem Grad der Genauigkeit bei der Aussprache abhängig. (vgl. Linke u.a. 2014, 488) Neben der Verfügbarkeit des Wissens zu phonologischen Einheiten schließt die phonologische Bewusstheit auch die Anwendung desselben ein, wodurch sie auch die Segmentierung von Sätzen oder Phrasen in lexikalische Einheiten impliziert. (vgl. Schnitzler 2008, 7) Sie bildet daher die erste von vier Reflexionsebenen der metalinguistischen Bewusstheit, die Schnitzler in Anlehnung an Tunmer und Boweys ,,Me- talinguistic awareness and reading aquisition‘‘ aus dem Jahr 1984 darstellt. (vgl. Schnitzler 2008, 7) Demnach gibt es aufbauend auf der Ebene der phonologischen Bewusstheit die Reflexionsebenen der Wort-, Satz- und pragmatischen Bewusstheit. (vgl. Schnitzler 2008, 7) Voraussetzung einer metalinguistischen Bewusstheit ist die sogenannte Dekontextualisierung also das Vollziehen einer Trennung von inhaltlichen und sprachlichen Aspekten, wobei im Falle der metalinguistischen Bewusstheit eine Fokussierung der sprachlichen Aspekte stattfindet. (vgl. Schnitzler 2008, 8) Vorschüler:Innen sind dazu noch nicht in der Lage, da sie zwar über implizites aber noch kein explizites Sprachwissen verfügen. Zur Veranschaulichung verweist Schnitzler hier auf ein 1965 von Bosch durchgeführtes Experiment, bei dem Vorschüler:Innen entscheiden sollten welcher Tiername länger ist. (vgl. Schnitzler 2008, 9) Bei den Antworten der Vorschüler:Innen wurde deutlich, dass sie sich eher aufgrund semantischer Informationen, wie der Tiergröße, also aufgrund von inhaltlichen Aspekten der Äußerungen für einen der Tiernamen entschieden. (vgl. Schnitzler 2008, 9) Während sich die phonologische Bewusstheit mit der internen Struktur von phonologischen Repräsentationen beschäftigt, geht es bei der auditiven Wahrnehmung um die Unterscheidung, Lokalisation und Erkennung von nonverbalen Signalen. (vgl. Schnitzler 2008, 9) Bisher konnte nicht eindeutig geklärt werden ob es hinsichtlich ihrer Funktionen einen Zusammenhang der beiden gibt. (vgl. Schnitzler 2008, 11) Schnitzler formuliert daher vier zentrale Punkte zur Abgrenzung der beiden Begrifflichkeiten. (vgl. Schnitzler 2008, 11) Der erste Unterscheidungspunkt liegt in der jeweiligen Rolle in der Sprachverarbeitung. Hier ist die auditive Verarbeitung und Wahrnehmung Teil der peripheren Sprachverarbeitung, während die phonologische Bewusstheit Teil der phonologischen Informationsverarbeitung, und damit der zentralen Sprachverarbeitung ist. (vgl. Schnitzler 2008, 11; 16) Der zweite Unterscheidungspunkt ist im jeweiligen Bezugspunkt zu finden. Während dieser bei der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung auf nonverbalem auditivem Material liegt, liegt er bei der phonologischen Bewusstheit auf verbalem Material. (vgl. Schnitzler 2008, 11) Zudem werden bei der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung ausschließlich auditive Stimuli berücksichtigt, während bei der phonologischen Bewusstheit vielfältige Stimuli wie visuelle und orthographische Darstellungen oder die taktil-kinästhetische Wahrnehmung Berücksichtigung finden. (vgl. Schnitzler 2008, 11f) Dies bildet den dritten Unterscheidungspunkt. Der vierte und letzte Unterscheidungspunkt liegt in den Anforderungen an die Aufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis. Während es bei der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung sowohl aktive als auch passive Anforderungen gibt, bedarf die phonologische Bewusstheit ,,[...] eine[s] Mindestmaß[es] an Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis sowie auditiver Merkfähigkeit [.]‘‘ (Schnitzler 2008, 12). Um das Mindestmaß an Aufmerksamkeit zu erfüllen müssen Individuen zur selektiven Aufmerksamkeit fähig sein, also sowohl Fähigkeiten zur bewussten Lenkung als auch über genügende Aufmerksamkeitskapazität verfügen. (vgl. Schnitzler 2008, 13) Die Anforderung an das Arbeitsgedächtnis besteht darin, dass ,,[.] sprachliche Informationen so lange zur Verfügung stehen [müssen], bis alle [.] notwendigen kognitiven Verarbeitungsschritte abgelaufen sind [.]‘‘ (Schnitzler 2008, 13). Dazu müssen die entsprechenden Informationen mittels eines artikulatorischen Kontrollprozesses, also einer inneren Wiederholung stetig durch Reaktivierung des phonologischen Gedächtnisses in der phonologischen Schleife gehalten werden. (vgl. Schnitzler 2008, 13) Da somit sowohl das Arbeitsgedächtnis als auch die phonologische Bewusstheit auf phonologischer Enkodierung basieren, gibt es zwischen ihren Prozessen nur bedingt eine Möglichkeit zur Abgrenzung. (vgl. Schnitzler 2008, 14)
2.2.1 Die Zweidimensionalität der phonologischen Bewusstheit
Will man sich im diagnostischen Sinne mit der phonologischen Bewusstheit befassen, so wird schnell deutlich, dass hierzu nicht nur eine Auseinandersetzung mit der Definition zwar eine notwendige aber noch nicht hinreichende Bedingung ist. So nehmen die Manuale des ,,Test[s] zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit‘‘ (Mayer 2020) und des ,,Gruppentest[s] zur Früherkennung von Lese- und Rechtschreibschwierigkei- ten‘‘ (Barth/Gomm 2014) jeweils Bezug auf verschiedene Konstrukte der phonologischen Bewusstheit. Da der praktische Teil der vorliegenden Arbeit mit der Durchführung eines diagnostischen Verfahrens zur phonologischen Bewusstheit ebenfalls diagnostische Anteile enthält, müssen die Konstrukte unbedingt auch in dieser Begriffsbestimmung berücksichtigt werden. Die Basis für die Konstrukte bilden die folgenden vier Kriterien, die Schnitzler in Anlehnung an Jansens 1992 erschienenes Werk ,,Untersuchungen zur Entwicklung lautsynthetischer Verarbeitungsprozesse im Vorschul- und Grundschulalter‘‘ formuliert hat. (vgl. Schnitzler 2008, 18) Demnach können Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit erstens verschieden großen phonologischen Einheiten eingeordnet werden. (vgl. Schnitzler 2008, 18) Zweitens kann unterschieden werden, ob die phonologische Bewusstheit eher unbewusst, also implizit oder eher bewusst also explizit verfügbar sein sollte. (vgl. Schnitzler 2008, 18) Drittens kann eine Einordnung dahingehend stattfinden, inwiefern Aufgaben kognitive Anforderungen enthalten. (vgl. Schnitzler 2008, 18) Viertens ist zu unterscheiden, inwiefern die Aufgaben für den Schriftspracherwerb bzw. die alphabetische oder orthographische Strategie relevant sind. (vgl. Schnitzler 2008, 18) Ein in der Literatur besonders häufig vorkommendes Konstrukt unterscheidet zwischen phonologischer Bewusstheit im weiteren und im engeren Sinn. (vgl. Barth/Gomm 2014, 4f; Gillon 2017, 2f; Schnitzler 2008, 20f; Schründer-Lenzen 2013, 88) Individuen die über phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn verfügen, können u.a. Reimwörter erkennen, die Anzahl der in einem Wort enthaltenen Silben bestimmen und Silben segmentieren und zusammensetzen. (vgl. Barth/Gomm 2014, 4; Schründer-Lenzen 2013, 88) Implizites phonologisches Wissen ermöglicht ihnen zudem ,,[...] to make a judgement about whe- ther a word is part of their native language, allows for the self-correction of speech errors, and enables children to discriminate between acceptable and unacceptable variations of a spoken word.‘‘ (Gillon 2017, 2) Die Fähigkeiten bei der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinn sind also implizit bzw. unbewusst, zumal sie i.d.R. durch spontane Handlungen ausgedrückt werden. (vgl. Schnitzler 2008, 20) Zudem betreffen sie größere phonologische Einheiten wie Silben, Onsets und Reime, somit sind sie insgesamt auf der impliziten Silben- und Onset-Reim- ebene angesiedelt. (vgl. Schnitzler 2008, 20) Nach der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinn entwickelt sich die phonologische Bewusstheit im engeren Sinn. (vgl. Barth/Gomm 2014, 5) Diese ermöglicht es Individuen u.a. einzelne Laute wie den An- oder Auslaut von Wörtern zu identifizieren, die Anzahl der im Wort enthaltenen Phoneme zu bestimmen, Laute zu synthetisieren, die Länge von Wörtern zu vergleichen und zu erkennen, ob ein bestimmter Laut in einem Wort enthalten ist oder nicht. (vgl. Barth/Gomm 2014, 4) Es können nun also die lautlichen Bestandteile bzw. Phoneme eines gesprochenen Wortes erhört werden und Verbindungen zwischen lautlichen und schriftlichen Repräsentationen von Wörtern gezogen werden. (vgl. Gillon 2017, 3; Schründer-Lenzen 2013, 88) Die Fähigkeiten bei der phonologischen Bewusstheit im engeren Sinn sind daher als explizit bzw. bewusst einzustufen und stehen in unmittelbarem Zusammenhang zu schriftsprachlichen Fähigkeiten. (vgl. Gillon 2017, 3; Schnitzler 2008, 20) Insgesamt befinden sie sich also auf der impliziten Phonemebene. (vgl. Schnitzler 2008, 20). Während sich die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne i.d.R. bereits im Vorschulalter entwickelt und Hinweise auf spätere Schriftsprachfähigkeiten geben kann, findet die Entwicklung der phonologischen Bewusstheit im engeren Sinn vornehmlich zu Beginn des Schriftspracherwerbes im Grundschulalter statt. (vgl. Barth/Gomm 2014, 4f; Mayer 2020, 13; Schnitzler 2008, 21) Zwar wird das ebenbeschriebene Konstrukt der phonologischen Bewusstheit im engeren und weiteren Sinn vielmals in der Literatur aufgegriffen, jedoch kritisiert Schnitzler, dass es nicht alle relevanten Ebenen der phonologischen Bewusstheit abdeckt. (vgl. Schnitzler 2008, 21) Vielmehr müsse die phonologische Bewusstheit in einem zweidimensionalen Konstrukt erfasst werden. Schnitzlers Version basiert auf psycholinguistischen Erkenntnissen zur Sprachverarbeitung und den Grundlagen der englischsprachigen Testheorie. (vgl. Schnitzler 2008, 21) Ihr Konstrukt umfasst zwei Dimensionen zur Beschreibung der Anforderungsniveaus der Aufgaben, die wiederum in mehrere Ebenen unterteilt werden. (vgl. Schnitzler 2008, 21) Da die Dimensionen offengehalten und die Ebenen frei kombinierbar sind, ist eine umfassende Repräsentation der phonologischen Bewusstheit gewährleistet. (vgl. Schnitzler 2008, 21) Dargestellt wird das zweidimensionale Konstrukt auf einer Matrix. (siehe Abb. 1) (vgl. Schnitzler 2008, 29)
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das Zweidimensionale Konstrukt der phonologischen Bewusstheit (Darstellung nach Schnitzler 2008, 29)
Die erste Dimension beschäftigt sich mit der Größe der phonologischen Einheit, diese reicht von der Silben- über die Onset-Reimebene zur Phonemebene. (vgl. Schnitzler 2008, 22) (siehe Abb. 1) Schnitzlers Einteilung entspricht dabei den ,, LEVELS OF PHONOLOGICAL AWARENESS ‘‘ (Gillon 2017, 4; Hervorhebung im Original), gleiches gilt für die Schwierigkeitsabstufung der Ebenen. (vgl. Gillon 2017, 4-9; Schnitzler 2008 22f) Im Deutschen entspricht diese Abfolge zudem der Entwicklung der phonologischen Bewusstheit, (vgl. Schnitzler 2008, 22) diese wird im nachfolgenden Unterkapitel abgehandelt.7 Bei gleicher Operation ist demnach die Bearbeitung von Aufgaben auf der Silbenebene am leichtesten, etwas schwerer die Bearbeitung von Aufgaben und am schwersten die Bearbeitung von Aufgaben auf der Phonemebene (vgl. Schnitzler 2008, 22f) Die zweite Dimension beschäftigt sich mit der Explizitheit der Operationen, (vgl. Schnitzler 2008, 22) hier gilt: ,,Je höher die Anzahl der kognitiven Verarbeitungsschritte, die zur Lösung einer Aufgabe erforderlich sind, desto expliziter die Ope- ration‘‘ (Schnitzler 2008, 25). (siehe Abb. 1) Die Aufgabentypen und Aufgabenstellungen entsprechen zwar größtenteils den Operatoren der ,, LEVELS OF PHONOLOGICAL AWA- RENESS ‘‘ (Gillon 2017, 4; Hervorhebung im Original), allerdings wurde bei Schnitzler zusätzlich eine Schwierigkeitsabstufung vorgenommen. (vgl. Gillon 2017, 5ff; Schnitzler 2008, 25) Außerdem differenziert Gillon im Gegensatz zu Schnitzler nicht zwischen Aufgabentypen und Aufgabenstellungen. (vgl. Gillon 2017, 5ff; Schnitzler 2008, 25-29) Demnach liegt die Identifikationsebene, also das Erkennen und Kategorisieren von phonologischen Einheiten auf dem ersten und untersten Schwierigkeitsgrad. (vgl. Schnitzler 2008, 25) Bei Gillon entspricht dieser Aufgabentyp den Operatoren ,,identity‘‘ (Gillon 2017, 6), ,,detection‘‘ (ebd.), ,,oddity task‘‘ (ebd.), ,,categorization‘‘ (Gillon 2017, 7) ,,matching‘‘ (ebd.) und ,,isolation‘‘ (ebd.). Die zweite Schwierigkeitsstufe bilden die Segmentierungs- und Synthetisierungsebenen, also das Zusammenziehen und die Analyse von phonologischen Einheiten. (Schnitzler 2008, 25) Der Aufgabentyp entspricht bei Gillon den Operatoren ,,segmentation‘‘ (Gillon 2017, 5) und ,,blen- ding‘‘ (ebd.). Der dritten und höchsten Schwierigkeitsstufe wird die Manipulationsebene, also die Substitution bzw. das Ersetzen, die Elision bzw. das Auslassen, die Addition bzw. das Hinzufügen und die Permutation bzw. das Umstellen phonologischer Einheiten zugeordnet. (Schnitzler 2008, 28) Bei Gillon entspricht dies den Operatoren ,,deletion‘‘ (Gillon 2017, 6) und ,,Spoonerisms‘‘ (Gillon 2017, 7). Die Aufgabenschwierigkeit wird neben dem Grad an notwendiger Bewusstheit und der Größe der phonologischen Einheit auch von der Sonorität, Betonung, Position, Input- und Output-Anforderungen, Komplexität der Umgebung und Lexi- kalität der phonologischen Einheit beeinflusst. (vgl. Schnitzler 2008, 25 ; 30) Die ebengenannten Faktoren sollten bei der Auswahl von Testaufgaben also ebenfalls berücksichtigt werden.
Steht man nun vor der Aufgabe ein geeignetes diagnostisches Testverfahrens für die phonolo- gische Bewusstheit zu wählen, sollten die in der jeweiligen Schriftspracherwerbsstufe vorherrschenden Schriftsprachstrategien dringend berücksichtigt werden. (vgl. Schnitzler 2008, 83) Da im Deutschen die orthographische Strategie auf der alphabetischen Strategie aufbaut und in der Regel erst ab der zweiten Hälfte des zweiten Schuljahres dominiert, sollte dabei zunächst die bei der alphabetischen Strategie diagnostisch relevante Phonemebene betrachtet werden. (vgl. Schnitzler 2008, 92f; Mayer 2020, 23) Die für die orthographische Strategie diagnostisch relevanten Ebenen Silbe und Onset-Reim, sollten dann bei ausreichender phonologischen Bewusstheit auf der Phonemebene, beziehungsweise ab dem zweiten Halbjahr des zweiten Schuljahres fokussiert werden. (vgl. Schnitzler 2008, 93) In ihrem Kapitel zur Diagnostik, nimmt Schnitzler eine Einordnung ausgewählter Testverfahren in das zweidimensionale Konstrukt der phonologischen Bewusstheit vor. (Schnitzler 2008, 84-104) Analog zu dieser Vorgehensweise hat auch Mayer eine Einordnung seines ,,Test[s] zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit‘‘ (Mayer 2020) vorgenommen, welcher im Rahmen der Praxisphase durchgeführt wurde. (vgl. Mayer 2020, 23f) Diese soll nun im Folgenden kurz wiedergegeben werden. Der ,,TEPHOBE‘‘ (Mayer 2020), ist für Messungen im Vorschulalter bis zu Beginn der zweiten Klassen konzipiert. (vgl. Mayer 2020, 6) Er enthält einen Gruppentest zur phonologischen Bewusstheit und einen Einzeltest zur Benennungsgeschwindigkeit, die wiederum in mehrere Subtests eingeteilt sind. (vgl. Mayer 2020, 6) Da sich dieser Text und die vorliegende Arbeit jedoch ausschließlich mit der phonologischen Bewusstheit beschäftigt, soll der Einzeltest zur Benennungsgeschwindigkeit an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Die Subtests zur phonologischen Bewusstheit bestehen aus Bildwahlaufgaben bei denen die Schüler:Innen jeweils ein bzw. zwei von vier Items richtig ankreuzen sollen. (vgl. Mayer 2020, 22) Insgesamt sind sieben Subtests zur phonologischen Bewusstheit enthalten. (vgl. Mayer 2020, 7; 22f) Hier wird die Phonemebene mit den Subtests zur Phonemsynthese, Anlautkategorisierung, Auslautkategorisierung, Phonemelision und Phonemumkehr erfasst. (vgl. Mayer 2020, 23f) Dabei befinden sich die Anlaut- und Auslautkategorisierung auf der Ebene der Identifikation, die Phonemsynthese auf der Syntheseebene und die Phonemelision und -umkehr auf der Manipulationsebene. (vgl. Mayer 2020, 23f). Die Fähigkeiten auf der Onset-Reimebene werden mit den Subtests zur Synthese von Onset und Reim und zur Reimerkennung bestimmt. (vgl. Mayer 2020, 23f) Dabei liegt die Reimerkennung auf der Identifikationsebene und die Synthese von Onset und Reim auf der Ebene der Synthetisierung. (Mayer 2020, 23f) Der Test deckt also alle Schwierigkeitsgrade der Operationen, sowie die Onset-Reim- und Phonemebene ab. Die fehlende Erfassung der Silbenebene begründet Mayer damit, dass die phonologische
Bewusstheit auf der Silbenebene sich in vielen Studien nicht als zuverlässiger Prädikator für die späteren Schriftsprachfähigkeiten beweisen konnte. (vgl. Mayer 2020, 23) Gillon merkt dazu an, dass die Silbenbewusstheit in Sprachen mit wie Spanisch, die eine höhere phonetische Regularität aufweisen, bedeutsamer sein könnte. (vgl. Gillon 2017, 44) Allerdings konnte diese Annahme bisher nicht empirisch abgeklärt werden. (vgl. ebd.) Die geringe Vorhersagekraft der Silbenbewusstheit könnte also u.a. daraus resultieren, dass sowohl das Deutsche als auch das Englische einen akzentzählenden Rhythmus haben, bei dem zwischen betonten Silben ,,[...] mehr oder weniger regelmäßige Abstände einzuhalten und die dazwischenliegenden Silben abzuschwächen [.]‘‘ (Linke u.a. 2004, 484) sind. Das Spanische dagegen weist einen silbenzählenden Rhythmus auf, die Silben folgen also in gleichen Abständen aufeinander. (vgl. Linke u.a. 2004, 484)
2.2.2 Entwicklung der phonologischen Bewusstheit
Um nachvollziehen zu können, weshalb die Bearbeitung bestimmter Aufgaben zu schwierig für bestimmte Altersgruppen ist, soll nun ein kurzer Überblick zur Entwicklung der phonologi- schen Bewusstheit gegeben werden. Zunächst ist dabei anzumerken, dass im Falle dieser Arbeit wie bei Schnitzler von einer kontinuierlichen Entwicklung ausgegangen wird. (vgl. Schnitzler 2008, 34) Diese wurde bereits in der Auseinandersetzung mit dem zweidimensionalen Konstrukt der phonologischen Bewusstheit impliziert.8 Andere Theoretiker beschreiben eine plötzliche Entwicklung in Stufen. (vgl. Schnitzler 33f) Aufgrund eines Mangels an repräsentativen Längsschnittsstudien im deutschen Sprachraum, leitete Schnitzler ihre Erkenntnisse zur Entwicklung anhand der Ergebnisse von Langzeit- und Querschnittsstudien ab. (vgl. Schnitzler 2008, 35) Der Vergleich der jeweils erreichten Leistungen erfolgte dabei anhand der Mittelwerte, wobei jeweils errechnet wurde wie viel Prozent im Durchschnitt richtig beantwortet wurde. (ebd.) Zudem wurden die durchschnittlichen Leistungen verschiedenen Leistungsstufen zugeordnet. (ebd.) Wurde beispielsweise weniger als ein Viertel richtig beantwortet, so ist die Leistung als schlecht einzustufen. (vgl. Schnitzler 2008, 36) Wurde weniger als die Hälfte richtig beantwortet entspricht dies einer mäßigen Leistung, bei weniger als drei Vierteln einer guten und bei mehr als drei Vierteln einer sehr guten Leistung. (vgl. ebd.) Im Nachfolgenden soll nun jeweils wiedergegeben werden, inwiefern sich die Leistungen mit zunehmendem Alter auf der Silben-, Onset-Reim- und Phonemebene verändern. Bezüglich der impliziten Silbenebene ist hier festzuhalten, dass die Fähigkeiten bereits im Vorschulalter sehr gut ausgebildet sind, Schnitzler nimmt daher an, dass diese bereits früher erworben wurden. (Schnitzler 2008, 52) Bei Fähigkeiten auf der expliziten Silbenebene konnte eine kontinuierliche Entwicklung von zu Schulbeginn mäßigen, im ersten und zweiten Schuljahr guten und im dritten und vierten Schuljahr sehr guten Leistungen festgestellt werden. (vgl. Schnitzler 2008, 52f) Hinsichtlich der impliziten Onset-Reimebene konnte eine kontinuierliche Entwicklung von in der Vorschule und ersten bzw. zweiten Klasse guten zu sehr guten Leistungen in der vierten Klasse festgestellt werden. (vgl. Schnitzler 2008, 53) Bei der expliziten Onset-Reimebene entwickelten sich die Fähigkeiten kontinuierlich von mäßigen Leistungen in der zweiten Klasse zu guten Leistungen in der vierten Klasse. (vgl. ebd.) Auf der impliziten Phonemebene konnten im Vorschulalter mäßige und zu Schulbeginn gute Leistungen festgestellt werden, diese entwickelten sich bis zum ersten bzw. zweiten Schuljahr zu sehr guten Leistungen. (vgl. ebd.) Bei der expliziten Phonemebene wurden in der Vorschule und zu Schulbeginn schlechte bis mäßige Leistungen erzielt, im vierten Schuljahr sehr gute Leistungen. (vgl. ebd.)
Schnitzlers Symposium zahlreicher Studien zur phonologischen Bewusstheit mag zwar wie von ihr angemerkt aufgrund der unzureichenden Datenlage empirisch unvollständig sein, (Schnitzler 2008, 35f; 53f) jedoch bietet es erste Anhaltspunkte zum empirischen Nachweis einer kontinuierlichen Entwicklung der phonologischen Bewusstheit. Es ist jedoch umstritten, ob der Beginn dieser Entwicklung dem Schriftspracherwerb voran-, neben- oder nachgestellt ist. (vgl. Dürscheid 2016, 247; Sauerborn 2013, 40; 50f) In diesem Kontext bedarf es nun einer Auseinandersetzung mit den verschiedenen Hypothesen zum Zusammenhang der phonologischen Bewusstheit und dem Schriftspracherwerb.
2.2.3 Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb
Der Titel der vorliegenden Arbeit lautet ,,Phonologische Bewusstheit als Ressource im Schriftspracherwerb‘‘, doch wieso kann man sie überhaupt als solche verstehen? Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen der Phonologischen Bewusstheit und dem Schriftspracherwerb? Diesen Fragen soll im folgenden Unterkapitel nachgegangen werden.
Die Tatsache, dass die beiden in der vorliegenden Begriffsbestimmung nicht isoliert voneinander betrachtet werden konnten, sondern immer wieder im Kapitel des jeweils anderen Erwähnung fanden, lässt bereits vermuten, dass es einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen der phonologischen Bewusstheit und dem Schriftspracherwerb geben muss. Einen Überblick dazu bietet das Lesemodell von Mayer (siehe Abb. 2), das in Anlehnung an Colthearts
Zwei-Wege-Modell9 und das Leseerwerbsmodell von Costard und Kamutzki konzipiert wurde. (vgl. Mayer 2020, 14f) Hier werden Relationen zwischen der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit zu den für den Schriftspracherwerb notwendigen Kompetenzen, und Lesestrategien hergestellt. (vgl. Mayer 2020, 14) Dabei ordnet Mayer der phonologi- schen Bewusstheit die indirekte Lesestrategie, also das phonologische Rekodieren, und der Benennungsgeschwindigkeit die direkte lexikalische Strategie bzw. die automatisierte Worterkennung zu. (siehe Abb. 2) Demnach erfolgt der Leseprozess bei vertrauten Wörtern über die Benennungsgeschwindigkeit und bei unvertrauten Wörtern über die phonologischen Bewusstheit. (siehe Abb. 2)
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Lesemodell nach Mayer (Darstellung nach Mayer 2020, 15)
Wenn ein Kind eingeschult wird, so sind im orthographischen Inputlexikon seines Langzeitgedächtnisses bereits einige Wörter und Buchstaben wie der eigene Name gespeichert. (vgl. Mayer 2020, 14) Werden in der Schule nun weitere Buchstaben gelernt, so werden diese im Graphemspeicher des orthographischen Inputlexikons erfasst. (vgl. ebd.) Durch das Erlernen von Phonem-Graphem-Korrespondenzregeln können die Grapheme mit den jeweiligen Phonemen verknüpft werden. (vgl. ebd.) So entsteht eine synthetisierte Lautfolge, deren Artikulation meist recht unnatürlich wirkt. (vgl. ebd.) Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zur Phonemsynthese, (Mayer 2020, 16f), diese ist Teil der phonologischen Bewusstheit im engeren Sinne. (vgl. Schnitzler 2008, ) Gehört das zu lesende Wort bereits zum Wortspeicher des Kindes, so kann die phonologische Rohform mit den Einträgen des mentalen Lexikons abgeglichen werden. (vgl. ebd.) Ist dies nicht der Fall, so kann das Kind weder auf die eigentliche Aussprache, noch auf die Bedeutung des Wortes zurückgreifen, wodurch es weiterhin zu einer unnatürlichen Aussprache kommt. (vgl. ebd.) Je mehr Erfahrung das Kind gewinnt, desto eher kann das phonolo- gische Rekodieren durch die automatisierte Worterkennung ersetzt werden. (vgl. Mayer 2020, 14; 16) Außerdem werden auch zunehmend größere Einheiten wie Silben, Morpheme und häufige Buchstabenfolgen in den jeweiligen Speichern des orthographischen Inputlexikons erfasst, wodurch auch Verknüpfungen zu den entsprechenden Speichern des phonologischen Outputlexikons hergestellt werden. (vgl. Mayer 2020, 16) Nimmt das Kind häufiger eine phonologische Rekodierung eines Wortes vor, so geht dieses in dem Wortspeicher des orthographischen Inputlexikons über, dieser ist mit den Einträgen des mentalen Lexikons verknüpft. (vgl. ebd.) Somit werden die Lesetechniken zunehmend automatisiert. (vgl. ebd.) Es ist dabei nicht möglich eine bestimmte Reihenfolge der Lesetechniken festzulegen, da es nicht nur darauf ankommt wie erfahren das Kind ist, sondern auch darauf wie das Wort beschaffen ist: (vgl. Mayer 2020, 16) ,,The rule of thumb is that the more opaque the orthography is, the longer it takes to read it because of all the inconsistencies and irregularities it has‘‘ (Niemininen/Richardson 2017, 268) Reflektiert man im Zusammenhang mit Mayers Modell nun nochmals Schnitzlers Erkenntnisse zur Entwicklung der phonologischen Bewusstheit10, so wirkt es äußerst unstimmig, dass ausgerechnet die auf der expliziten Ebene liegende Phonemsynthese als Voraussetzung der indirekten Lesestrategie beschrieben wird. Wie sollen Leseanfänger:Innen auf Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne zurückgreifen, wenn diese i.d.R. erst im Laufe der zweiten Klasse erworben werden? Widersprüche wie diese könnten den Ursprung der Hypothesenvielfalt zum Zusammenhang der phonologischen Bewusstheit und des Schriftspracherwerbes bilden. In ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der phonologischen Bewusstheit und ihrer Bedeutung für den frühen Schriftspracherwerb, stellt Sauerborn dazu vier Positionen vor, die zunächst zur Übersicht genannt, und anschließend kurz beschrieben werden sollen. (vgl. Sauerborn 2015, 40) Demnach wird zwischen der Vorläufer-, der Interaktions-, der Konsequenz- und der Interdependenzhypothese unterschieden. (vgl. ebd.) Die Vorläuferhypothese oder auch ,, Voraussetzungshypothese ‘‘(Schnitzler 2008, 55; Hervorhebung im Original) geht wie in Mayers Modell davon aus, ,,[...] dass Kinder [...] vor dem schulisch instruierten Schriftspracherwerb bereits über phonologische Bewusstheit verfügen müssen‘‘ (Sauerborn 2015, 50).
Grundlage für diese Annahme sind zahlreiche Korrelationsstudien, die im inner- und außerdeutschen Raum durchgeführt wurden. (vgl. Schnitzler 2008, 57) Hier konnte empirisch festgestellt werden, dass die Fähigkeiten im Bereich der impliziten phonologischen Bewusstheit von Schüler:Innen im Vorschulalter in einem vorhersagenden Zusammenhang zu den späteren Schriftsprachfähigkeiten stehen. (vgl. Schnitzler 2008, 57; 59) Hinsichtlich der Fähigkeiten im Bereich der expliziten phonologischen Bewusstheit konnte jedoch lediglich eine mangelhafte Vorhersagekraft festgestellt werden. (vgl. Schnitzler 2008, 59) Schnitzler betrachtet dies als eine Folge des direkten Zusammenhangs der in der alphabetischen Phase dominierenden Schriftsprachstrategie. (vgl. Schnitzler 2008, 59f) Die Ansichten der Voraussetzungshypothese erinnern an Reichens Ansatz zum Lesen durch Schreiben. Sauerborn spricht von einer ,,Mytho- logisierung des Konstrukts‘‘ (Sauerborn 2015, 41) und einer ,,Überbewertung des Faktors pho- nologische Bewusstheit ‘‘ (Sauerborn 2015, 181; Hervorhebungen im Original). Sie betont die Notwendigkeit weitere Aspekte z.B. hinsichtlich der Enkulturation miteinzubeziehen, um Aussagen über den Schriftspracherwerbsprozess zu treffen. (vgl. Sauerborn 2015, 181) Auf der anderen Seite verweist Schnitzler auf die differenzielle Induktionshypothese, diese geht von einem Erwerb der expliziten phonologischen Bewusstheit auf der Phonemebene in der aktiven Auseinandersetzung mit der Schriftsprache aus. (vgl. Schnitzler 2008, 60) In diesem Aspekt liegt eine Überschneidung der differenziellen Induktionshypothese mit der Interaktionshypothese, diese nimmt eine Wechselwirkung zwischen der phonologischen Bewusstheit und dem Schriftspracherwerb an. (vgl. Schnitzler 2008, 55) Demnach ist die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn eine Voraussetzung des Schriftspracherwerbes und die phonologische Bewusstheit im engeren Sinn eine Folge des Schriftspracherwerbes. (vgl. Sauerborn 2015, 50) Die Aussagen der Interaktionshypothese können analog zur Methodenintegration der analytischsynthetischen Leselehrverfahren gesehen werden. Die Konsequenzhypothese geht davon aus, dass sich die phonologische Bewusstheit in Abhängigkeit des Erwerbes einer alphabetischen Schriftsprache entwickelt. (Sauerborn 2015, 44f) Unterstützt wird diese Annahme durch die bereits erwähnte Studie zur phonologischen Bewusstheit von erwachsenen Chinesen.11 (vgl. Sauerborn 2015, 45) Die Interdependenzhypothese geht davon aus, dass die phonologische Bewusstheit lediglich zu Beginn des Schriftspracherwerbes eine relevante Funktion hat, da ein Scheitern beim orthographischen Dekodieren auch unabhängig von mangelhaften Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit auftreten kann. (vgl. Sauerborn 2015, 50). Die Vielfalt der Hypothesen zeigt, dass es keine einheitliche Antwort auf die Frage gibt, inwiefern es einen Zusammenhang zwischen der phonologischen Bewusstheit und dem Schriftspracherwerb gibt. Was allen Hypothesen jedoch gemein ist, ist die Auffassung, dass die phonologische Bewusstheit eine mehr oder weniger ausgeprägte Rolle im Erwerb von alphabetischen Schriftsprachen einnimmt. Schnitzler merkt dazu an, dass der Zusammenhang zwischen den Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit und denen des Schriftspracherwerbes einer alphabetischen Sprache als unabhängig und spezifisch zu beschreiben sind. (vgl. Schnitzler 2008, 56) Die Unabhängigkeit ihrer Beziehung beruht darauf, dass Studien auch bei Kontrolle von außersprachlichen Einflussfaktoren wie der sozioökonomischen Herkunft oder der Intelligenz eine Vorhersagekraft bzgl. der späteren Schriftsprachfähigkeiten feststellen konnten. (vgl. ebd.) Spezifisch ist die Beziehung deswegen, weil die phonologische Bewusstheit zu keinen anderen Fähigkeiten als den Schriftsprachfähigkeiten im Zusammenhang steht. (vgl. ebd.) Schnitzler hält daher fest, dass ,,[...] ein allgemeiner Konsens darüber [besteht], dass Fähigkeiten zur phonologi- schen Bewusstheit eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den erfolgreichen Schriftspracherwerb darstellen‘‘ (Schnitzler 2008, 56, Hervorhebungen im Original). Sie selbst favorisiert die Interaktionshypothese. (Schnitzler 2008, 65) Wirft man nun im Hinblick zur Frage inwiefern es sich bei der phonologischen Bewusstheit um eine Ressource des Schriftspracherwerbes handelt einen Blick in den Duden, so stößt man auf folgende Definition: Eine Ressource ist ein ,,natürlich vorhandener Bestand von etwas, was für einen bestimmten Zweck [.] benötigt wird‘‘ (Dudenredaktion o.J.). Auf die phonologische Bewusstheit trifft diese Beschreibung insofern zu, als dass sie spezifisch und notwendig für den Zweck des Schriftspracherwerbes ist und ihre Fähigkeiten eine nachweislich in Verbindung zu den Lese- und Rechtschreibfähigkeiten stehen. Da aufgrund von Schnitzlers Studien-Symposium anzunehmen ist, dass Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit sich im Laufe des Schriftspracherwerbes kontinuierlich weiterentwickeln, kann davon ausgegangen werden, dass sie einen Beitrag zur sukzessiven Füllung des orthographischen Input- und des phonologischen Outputlexikons leisten. Ob die Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit als natürlich vorhandener Bestand betrachtet werden können, hängt davon ab, welche der Hypothesen fokussiert wird. Während Vertreter der Vorläufer-, Induktions-, Interaktions- und Interdependenzhypothese dem wohl zustimmen würden, würden Vertreter der Konsequenzhypothese eine solche Sichtweise vermutlich ablehnen. Nußbaumer beschreibt Ressourcen als ,,[.] Mittel die zur Verfügung stehen, eine bestimmte Aufgabe oder Anforderung zu lösen.‘‘ (Nußbeck 2014, 77) Da diese Definition keine näheren Angaben zu den Voraussetzungen dieser Mittel macht, trifft sie unabhängig von der jeweils fokussierten Hypothese auf die phonologische Bewusstheit zu. Es ist allerdings zu betonen, dass die phonologische Bewusstheit wie bereits angemerkt ausschließlich beim Erwerb von alphabetischen Schriften als Ressource fungiert. Der Titel der vorliegenden Arbeit könnte daher auch ,, Phonologische Bewusstheit als Ressource im Erwerb von alphabetischen Schriftsprachen‘‘ lauten. Trotz aller Kritik gilt die phonologische Bewusstheit aufgrund ihrer Vorhersagekraft als wichtiger Teilbereich zur diagnostischen ,, [...] Abklärung der Lernvoraussetzungen für den erfolgreichen Schriftspracherwerb [...]‘‘ (Schnitzler 2008, 76). In sonderpädagogischen Kontexten steht die Diagnose stets in einem zirkulären und rekursiven Zusammenhang zur Förderung. (vgl. Eggert 2007, 308f) In der vorliegenden Arbeit soll daher nicht nur auf das diagnostische Potential der phonologischen Bewusstheit eingegangen werden, sondern auch eine Intervention zur Förderung derselben entwickelt und durchgeführt werden. Dass zugrundeliegende didaktische Konzept wird im nächsten Kapitel erläutert.
2.3 Das Generative Schreiben
Im sprachlich heterogenen Klassenraum sehen sich Lehrkräfte oft mit großen Herausforderungen konfrontiert, insbesondere hinsichtlich der Schriftsprache. (vgl. Deutschlandfunk Kultur 2014) Wie kann es gelingen den spezifischen Bedürfnissen von Schüler:Innen mit Deutsch als Zweitsprache und Schüler:Innen mit Deutsch als Muttersprache gleichermaßen zu entsprechen, sodass ein gemeinsamer Unterricht möglich wird? Vor dem Hintergrund einer ,, ,Interkulturel- len Erziehung‘ ‘‘ (Belke 2006, 843) sieht Gerlind Belke vor allem zwei methodische Probleme, die es zu lösen gilt: (vgl. Belke 2006, 843)
,,1. Wie integriert man den für Schüler mit DaZ erforderlichen systematischen Zweitsprachenunterricht zur Vermittlung und Übung sprachlicher Strukturen in den muttersprachlichen Deutschunterricht, ohne dass die deutschen Schüler, die die zu vermittelnden sprachlichen Strukturen schon beherrschen, sich langweilen?
2. Wie müssen die allen Kindern angebotenen sprachlichen Äußerungen, Texte, Handlungenbeschaffen sein, damit Einwandererkinder die Zweitsprache Deutsch erwerben? Anders ausgedrückt: Unter welchen Bedingungen wird input (sprachliche Äußerungen, die das Kind hört oder liest) zum intake (sprachliche Lernprozesse, die sich aus dem Kontakt mit einer Sprache ergeben)? ‘‘ (Belke 2006, 843)
Das gemeinsame Unterrichten der sprachlich heterogenen Schüler:Innen an sich - anstelle eines isolierten Sprachunterrichts für Schüler:Innen mit Deutsch als Zweitsprache - entspricht der interkulturellen Erziehung folglich nur in geringem Maße. So werden Schüler:Innen mit Deutsch als Zweitsprache zwar zumeist in Regelklassen beschult, jedoch ist der Unterricht hier in der Regel auf muttersprachliche Lernende zugeschnitten und setzt oft implizites Sprachwissen voraus, über das nur Muttersprachler*Innen verfügen. (Belke 2006, 844) Als prominentes Beispiel ist hier die Arbeit mit Lückentexten zu nennen. (vgl. Belke 2020b 11f) Diese werden vielerorts eingesetzt um Schüler:Innen grammatische Strukturen zu vermitteln. Allerdings liegt hier ein Paradoxon vor, da das Wiedereinsetzen, etwa von zuvor entfernten Pronomen, den zu erlernenden Stoff bereits voraussetzt. (vgl. Belke 2020b, 11f) Lückentexte sind hinsichtlich des Grammatikunterrichts daher lediglich zur Überprüfung, nicht aber zur Vermittlung von Lerninhalten geeignet. (vgl. Belke 2020b, 12) Das Verlangen von Anpassung an die muttersprachlichen Lernenden oder gar die Voraussetzung von muttersprachlichen Vorkenntnissen im sprachlich heterogenen Klassenraum wird auch als ,, ,assimilativ[e] Integration‘ ‘‘ (Belke 2006, 844) bezeichnet. Wie gelingt es nun aber einen integrativen Sprachunterricht zu gestalten, der einer interkulturellen Erziehung entspricht? An dieser Stelle kommt nun dem, in diesem Kapitel titelgebenden, generativen Schreiben eine zentrale Bedeutung zu. In ihrem Werk ,,Poesie und Grammatik. Kreativer Umgang mit Texten im Deutschunterricht mehrsprachiger Lerngrup- pen‘‘ (Belke 2020b), zeigt Gerlind Belke Möglichkeiten auf, poetische Texte spielerisch für die implizite Sprachvermittlung zu nutzen. (Belke 2020b) Das generative Schreiben bildet dabei das methodische Zentrum: (vgl. Belke 2020b, 12f)
,,Auf der Basis von Sprachspielen, Liedern und kurzen ästhetischen Texten produzieren die Kinder eigene Texte, bei denen sie - wie in einer fremdsprachlichen Übung - die Chance haben, sprachlich richtige Texte zu produzieren, indem sie Teile des Originaltextes übernehmen, z.B. die Satzstrukturen, und sie mit eigenen Inhalten füllen.‘‘ (Belke 2020b, 12)
Mit diesem Vorgehen greift Belke eine unter Kindern mit geringen Deutschkenntnissen weit verbreitete Strategie auf, beim Schreiben von Texten immer wieder mit dem gleichen Satzbauplan zu arbeiten, der je nach Inhalt variiert wird. (vgl. Belke 2012, 152f) Um eine Fossilierung von Interlanguages bzw. reduzierten Lernersprachen (Belke/Belke 2006, 188) zu vermeiden, sollte ihnen ein korrekter sprachlicher Input angeboten werden. (vgl. Belke 2012, 153) Dieser Notwendigkeit kann durch den von Belke angedachten Einsatz des generativen Schreibens in Form eines Spiralcurriculums entsprochen werden. (vgl. Belke 2020b, 15f) Das Verfassen von eigenen Texten ,,[...] auf der Basis vorgegebener Textmuster [...]‘‘ (Belke 2006, 848) löst die strikte Trennung zwischen Aufsatzunterricht einerseits und Rechtschreib- und Grammatikunterricht andererseits auf. (vgl. Belke 2020b, 12) Während die üblichen muttersprachlichen Ansätze zur Textproduktion lediglich die narrativen Fähigkeiten ausbauen, ermöglicht das generative Schreiben darüber hinaus ein entdeckendes Lernen der Rechtschreib- und Grammatikregeln. (vgl. Belke 2012, 150) Insbesondere im Hinblick auf nicht-deutschsprachige Lernende bietet es sich auch als systematische Sprachübung an, die die Vermittlung expliziten grammatikalischen Wissens durch Förderübungen zum sprachlichen Können ergänzt. (vgl. Belke 2006, 848; Belke 2012, 150) Die beim generativen Schreiben eingeübten sprachlichen Formen und Textmuster können später auch beim freien Schreiben genutzt werden. (vgl. Belke 2008, 242; Belke 2012, 154) Durch Variation der Textvorgaben, können Lehrkräfte eine innere Differenzierung der Lernaufgaben vornehmen, je fortgeschrittener die Sprachfähigkeiten sind, desto weniger Vorgaben werden benötigt. (vgl. Belke 2012, 155) Dementsprechend liegt weder in Belkes Textkommentar (Belke 2020b), noch in ihrer Textsammlung (Belke 2020a) eine Einteilung der Texte nach Klassenstufe oder Alter der Schüler:Innen vor. (vgl. Belke 2020b) Vielmehr steht das Potential der jeweiligen Texte im Vordergrund, Anstöße wie die Texte im Unterricht genutzt werden können gibt Belke in einem Register zu den ,,[s]prachlichen Schwer- punkte[n]‘‘ (Belke 2020b) der Texte. Auch andere Autoren haben sich bereits mit dem Potential von Sprachspielen im Deutschunterricht auseinandergesetzt, so streben Mertens und Potthoff etwa ,,[...] ein Handeln mit Sprache [...] nach bestimmten Regeln“ (Mertens/Potthoff 2000, 9) an, dass das Lernen expliziten Sprachwissens anbahnen soll. (vgl. Mertens/Potthoff 2000, 8f) Anders als bei Belke wird hier jedoch nicht auf Basis von konkreten schriftsprachlichen Stücken oder gar Gedichten gearbeitet. Vielmehr wurden verschiedene Spiele u.a. Gesellschaftsspiele wie Brett- oder Kartenspiele so bearbeitet und konzipiert, dass sie bestimmte sprachliche Phänomene aufgreifen. (vgl. Mertens/Potthoff 2000) Die Autorinnen merken daher zurecht an, dass ein solches Vorgehen lediglich als Einstieg für die Vermittlung expliziten Sprachwissens geeignet ist. (vgl. Mertens/Potthoff 2000, 8) Da ihre Sprachspiele eher den Aspekt des Spiels als den der Sprache voranstellen, können sich die Schüler:Innen nur wenig implizites Sprachwissen aneignen. Überhaupt ist es in Frage zu stellen ob ein Einsatz von Sprachspielen wie bei Mertens und Potthoff zu einer effektiven Vermittlung von sprachlichen Strukturen führt. ,,Schüler haben die irritierende Angewohnheit, nicht zu lernen, was wir ihnen beizubringen versuchen, und spontan zu lernen, was wir ihnen nicht beigebracht ha- ben.‘‘(Belke/Belke 2006, 174, Hervorhebung im Original) Nun könnte man argumentieren, dass das Handeln mit Sprache bei Mertens und Potthoff zu einem spontanen Lernen führt, allerdings ist anzunehmen, dass den Kindern vor allem der spielerische und weniger der sprachliche Aspekt im Gedächtnis bleiben wird, zumal keine direkte Verbindung zur Schriftsprache hergestellt wird. Der grundlegende Unterschied zu Belkes didaktischem Konzept liegt also darin, dass das Sprachspiel nicht direkt mit den grammatischen Phänomenen verknüpft ist, sondern lediglich als eine Art motivierende Vorschau auf den Unterricht funktioniert. Beim Einsatz des Sprachspiels nach Belke verwenden und manipulieren die Kinder sprachliche Strukturen, ohne dabei auf explizites Sprachwissen zurückzugreifen. (vgl. Belke/Belke 2006, 193) Die Förderung anhand von Sprachspielen weist zudem Parallelen zur unterstützenden Funktion des Motherese, bzw. der Ammensprache beim lautsprachlichen Erwerb der Muttersprache auf, beide ermöglichen ein implizites Lernen von Sprachstrukturen. (vgl. Belke/Belke 2006, 179; 193) Im Unterschied zu anderen Variationen wie der Standardsprache weist das Motherese eine insgesamt einfachere und variablere Struktur auf. (vgl. Belke/Belke 2006, 181-184) So erfolgt über das Motherese nicht nur die Kommunikation zwischen Eltern und Kind, sondern auch eine komplexe, den Eltern unbewusste Vermittlung sprachlicher Strukturen zur Förderung des Mutterspracherwerbs. (vgl. Belke/Belke 2006, 184) Bei Schüler:Innen mit Deutsch als Zweitsprache sind diese Lernprozesse jedoch nicht auf das Deutsche sondern auf ihre jeweilige Muttersprache bezogen, es ist daher essentiell, dass die Vermittlung des entsprechenden Inputs für die deutsche Sprache institutionell erfolgt. (vgl. ebd.) Umformulierungen von Teilphrasen, ,,z.B. Schau mal da ist ein Hund! Das ist aber ein großer Hund!‘‘(Belke/Belke 2006, 182; Hervorhebungen im Original) etwa vermitteln dem Kind die paradigmatische Relation zwischen den beiden. (vgl. Belke/Belke 2006, 182) Das generative Schreiben beruht also nicht nur auf der oben beschriebenen Strategie von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, sondern auch auf entwicklungspsychologischen Erkenntnissen. Belke gibt jedoch zu bedenken, dass die implizite, systematische Vermittlung über das generative Schreiben nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung der expliziten Vermittlung durch Regeln und Terminologien zu verstehen ist. (vgl. Belke 2020b, 6) Vielmehr soll es zu einer neuen Reflexion des ,,[...] Spannungsverhältnis[ses] zwischen Erwerb und Vermittlung einer Sprache, zwischen Normorientierung und Kreativität, systematischem und spontanem sprachlichen Lernen [.]‘‘ (vgl. Belke/Belke 2006, 198) führen. Dementsprechend sollte die explizite Vermittlung durch Regeln und Terminologien primär im Kontext des Schreibens erfolgen und auf Übungen zur Nutzung sprachlicher Nachschlagewerke fokussiert sein. (vgl. Belke 2020b, 6) Insgesamt ist Belkes didaktischer Ansatz des generativen Schreibens eher induktiv als deduktiv, da der Ausgangspunkt der Vermittlung in der Sprache selbst statt ihren zugrundeliegenden Regeln liegt.
Konzipiert wurde es zwar vorrangig für den Unterricht mehrsprachiger Lerngruppen, doch auch für einsprachige Lerngruppen mit deutscher Muttersprache stellt das generative Schreiben eine attraktive Ergänzung zum freien Schreiben und Grammatikunterricht dar. Gerade in Förderschulen könnte es im jahrgangsübergreifenden Unterricht eingesetzt werden, da es wie bereits erwähnt eine sinnvolle Differenzierung ermöglicht. Dies gilt insbesondere auch für Schüler:In- nen mit dem Förderschwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung, da das Arbeiten mit Gedichten und Sprachspielen ein hohes Potential im Bereich der Motivation aufweist. Belke weist zudem selbst darauf hin, dass das generative Schreiben insbesondere auch deutschsprachigen Schüler:Innen aus schriftarmen Milieus zugutekommt. (vgl. Belke 2020b, 13)
Damit das generative Schreiben attraktiv für die Schülerinnen ist, sollten Lehrkräfte ,,[...] als sprachlichen Input keine langweiligen, an trivialen Alltagssituationen orientierten Grammatiksätze anbieten, wie das in den meisten Sprachbüchern der Fall ist [.], sondern attraktive, einprägsame Texte, die ins Ohr gehen [.]‘‘ (Belke 2012, 153). Da der Erwerb der mündlichen Umgebungssprache zumeist durch die alltägliche Kommunikation erfolgt, sollten im Sprachunterricht primär die schriftsprachlichen Strukturen im Vordergrund stehen. (vgl. ebd.) Poetische Texte erweisen sich dahingehend als besonders praktikabel, da sie nicht nur die ästhetische Funktion der Sprache hervorheben, sondern im Gegensatz zu den von Belke kritisierten Wegwerftexten dem Lesen und Schreiben einen Sinn geben. (vgl. Belke 2020b, 10) Der ästhetische Wert von poetischen Texten sorgt außerdem dafür, dass sie trotz ihrer leicht verständlichen, auf Wiederholung basierenden Struktur nicht trivial sind. (vgl. ebd.) Durch ihre Deutungsoffenheit tragen sie zur Gestaltung eines Unterrichtes bei, der alle Schüler:Innen -ganz gleich welcher Herkunft und deutschsprachiger Vorerfahrung- anspricht. (vgl. ebd.) Auch die ,,kindliche Urlust an der Wiederholung‘‘ (Belke/Belke 2006, 194) wird von poetischen Texten angesprochen, da Kinder über eine vergleichsweise hohe Fähigkeit zur mündlichen Tradition verfügen, sind sie beim generativen Schreiben zudem i.d.R. kreativer als Erwachsene. (vgl. Belke 2008, 240)
2.3.1 Das Potential von poetischen Texten
Belke betont, dass das generative Schreiben zwar dem impliziten Lernen dient, Lehrkräfte sich jedoch vorab bewusst machen sollten, ,,welches Potential‘‘ in den Gedichten steckt. Um das Potential des generativen Schreibens für den Deutschunterricht zu verdeutlichen wird im Folgenden nun exemplarisch eine didaktische Analyse der in der Intervention verwendeten Gedichte ,,Die Purzelgeschichte‘‘ (Belke 2020a, 48) und ,,Sagt wer kann die Pfaffen‘‘(Belke 2020a, 21) vorgenommen. Dazu soll der jeweilige Text zunächst zitiert und anschließend auf sein Potential für die implizite Vermittlung von Sprachwissen überprüft werden.
,,Ein Wichtel namens Purzel fiel über eine Wurzel, verlor dabei sein U und seinen linken Schuh. Den Schuh fand er wieder, setzte sich nieder und band ihn zu. Aber das U fand er nicht, Przl, der Wicht. Er suchte und fluchte. ,,Was ist los?‘‘ fragte das Moos. ,,Hab dich nicht so! Ich schenk dir ein O !‘‘ Porzel ? ,,Fatal!‘‘ sagte der Aal. ,,Ich schenk dir ein A, denn mir ist’s egal.‘‘ Parzel ? ,,Oder willst du ein E ?‘‘ fragte der See. Przl verneinte, schluchzte und weinte: ,, Uuuuu...‘‘ Er weinte lauter U ins Gras, die waren alle tränen-nass. Przl suchte sich das trockenste aus, war wieder ein Purzel und lief nach Haus.‘‘ (Belke 2020a, 48; Hervorhebungen im Original) Einige Hinweise inwiefern ,,[d]ie Purzelgeschichte‘‘ zum Vermitteln von Lerninhalten eingesetzt werden kann befinden sich in Belkes Textkommentar. (vgl. Belke 2020b, 81) Die Wörter Moos, Aal und See weisen haben jeweils einen langen Vokal, während die Vokale bei den verschiedenen Variationen kurz sind. (vgl. ebd.) Das Gedicht kann daher zur impliziten Vermittlung der Doppelschreibung langer Vokale genutzt werden. (vgl. ebd.) Beim generativen Schreiben könnten die Kinder dann anhand weiterer Wörter mit kurzem Vokal verschiedene Textvariationen erstellen, wobei sie das implizite Wissen, dass kurze Vokale einzeln und lange Vokale doppelt geschrieben werden unbewusst umsetzen. (vgl. ebd.) Wenn die Kinder ein Wort mit <I> wählen, könnte ihnen zudem auffallen, dass die Schreibweise des langen <I> von der der anderen Vokale abweicht. Zudem könnte das Gedicht als Anlass für das Schreiben von Rätseln nach folgender Form genutzt werden: ,,Was ist ein Roller? Ein Roller, der sein o verloren hat‘‘(Belke 2020b, 81). Beim Schreiben und Vorlesen solcher Rätsel kann implizites Wissen zur Verwendung bzw. Opposition von Artikeln und Pronomen erworben werden. Hinsichtlich der phonologischen Bewusstheit kann die Tatsache, dass im Gedicht Buchstaben entfernt und ersetzt werden zum Erwerb impliziten Sprachwissen bzgl. der Phonemelision und -substitution führen. Beim generativen Schreiben würde dabei vor allem die explizite Phonemebene angesprochen werden.
,,Sagt wer kann die Pfaffen verwandeln in Affen, den Bengel zum Engel den Weisen in Eisen, den Tiegel zum Igel, die Blinden in Linden, die Schweine in Weine, geschwinde in Winde, die Streiter in Reiter und so weiter? (der Reim)‘‘ (Belke 2020a, 21)
Auch bezüglich des Gedichts ,,Sagt wer kann die Pfaffen‘‘(Belke 2020a, 21) gibt Belke Hinweise zur Nutzung für die Vermittlung impliziten Sprachwissens. So kann das generative Schreiben zur Erweiterung des Wortschatzes, sowie zur Übung der Rechtschreibung und der Verwendung von bestimmten und unbestimmten Artikeln im Akkusativ und Nominativ verwendet werden. (vgl. Belke 2020b, 45f) Das Bilden von Reimen kann zudem auch zum Erwerb impliziten Sprachwissens bzgl. der Reimidentifikation führen. Gesetzt dem Fall, dass die Lehrkraft wie im Originalgedicht darauf besteht, dass das jeweils zweite Reimwort im Ersten enthalten ist, könnte zudem ein Erwerb impliziten Sprachwissens bzgl. der Phonemelision erfolgen. Da das Finden von Reimpaaren unter diesen Bedingungen deutlich schwieriger ist, sollte den Schüler:Innen ein Nachschlagewerk zur Verfügung stehen. Eine weiterer Lösungsansatz könnte das Nutzen von Pseudowörtern als zweite Reimwörter sein. Je nachdem wie das generative Schreiben eingesetzt wird kann also die implizite Onset-Reimebene oder die explizite Phonemebene angesprochen werden. Dass das Gedicht zahlreiche Wörter wie ,,Pfaffen‘‘(Belke 2020a, 21) oder ,,Tiegel‘‘ (ebd.) enthält, die den Schüler:Innen wahrscheinlich unbekannt sind kann genutzt werden, um sie für sprachliche Aspekte von Texten zu sensibilisieren. Um das Rätsel zu lösen kommt es nicht darauf an, ob man die Bedeutung der Wörter versteht, sondern darauf ob man sich auf den Klang der Wörter fokussieren kann.
Anhand der exemplarischen didaktischen Analyse wurde veranschaulicht, wie vielfältig poetische Texte beim generativen Schreiben eingesetzt werden können. Einige Beispiele für Textvariationen der oben zitierten Gedichte, die im Rahmen der Intervention entstanden sind können im Anhang der vorliegenden Arbeit eingesehen werden.12
3 Praktischer Teil
3.1 Anliegen der Studie
Die vorliegende Studie soll dem Erkenntnisgewinn hinsichtlich meiner Forschungsfragen dienen. Dazu möchte ich erstens untersuchen, inwiefern sich eine kurzfristige Intervention zum generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit auswirkt. Zu diesem Zweck wird eine Prätest- und eine Nachtestmessung durchgeführt. Die Untersuchung erfolgt in einer ersten bzw. zweiten Klasse der Schule St. Rafael Altleiningen mit dem Förderschwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung. Zweitens möchte ich durch Beobachtungen während der Intervention einschätzen, inwiefern die Schüler:Innen beim generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit zurückgreifen können. Da in Friegs Studie keine genauen Aussagen bezüglich der Effektivität des generativen Schreibens im Vergleich zu anderen Sprachfördermaßnahmen getroffen werden konnten, (vgl. Frieg 2014, 91) gilt mein Interesse zudem der Frage, inwiefern das generative Schreiben sich auf die Motivation und Selbstständigkeit der Schüler:Innen auswirkt.
Im Kontext des Förderschwerpunktes soziale und emotionale Entwicklung sind diese Fragen besonders interessant, da die Schüler:Innen hier oftmals einen sozioökonomisch benachteiligten Hintergrund haben. (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung 1999, 9) Neben den Effekten des generativen Schreibens untersuchte Frieg auch ,,[i]n welchen sprach- liehen Parametern [...]‘‘(Frieg 2014, 53) sich Veränderungen bemerkbar machen und ,,[w]el- che Hintergrundvariablen [...] die sprachliche Entwicklung der Kinder am besten prognostizieren [können][...]‘‘ (Frieg 2014, 53). Sie kommt zu dem Schluss, dass ,,[a]uch nach über 10 Jahren PISA-Schock [.] das Schulsystem in Deutschland nicht in der Lage [zu sein; d.Verf.] [scheint], die Ungleichheiten zwischen Kindern verschiedener sozialer Hintergründe zu über- brücken‘‘ (Frieg 2014, 155; Hervorhebung im Original). Auch die Ergebnisse der PISA-Studie aus dem Jahr 2018 spiegeln dieses Ergebnis wider. So ist der Leistungsunterschied in Deutschland weiterhin größer als in vielen OECD-Staaten und weitete sich im Vergleich zur Studie von 2009 weiter aus. (vgl. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2019,
1) Während bei den Schüler:Innen mit günstigem sozioökonomischen Hintergrund ungefähr 28% besonders leistungsstark abschnitten, galt dies bei ungünstigem sozialen Hintergrund nur für 3% der Schüler:Innen. (vgl. OECD 2019, 5) Da aber auch 10% der Leistungen von Schü- ler:Innen mit sozioökonomischer Benachteiligung im obersten Quartil der Leistungsverteilung zu finden sind, wird davon ausgegangen, dass die aus der sozioökonomischen Herkunft resultierende Benachteiligung durchaus zu überwinden ist. (vgl. OECD 2019, 5)
Aus diesen aktuellen Erkenntnissen lässt sich schließen, dass der sozioökonomisch benachteiligte Hintergrund von Schüler:Innen mit dem Förderschwerpunkt soziale-emotionale Entwicklung ein erhöhtes Förderbedarfsrisiko hinsichtlich der Schriftsprachfähigkeiten bedingt. Um Kindern mit sozioökonomisch benachteiligtem Hintergrund die von der OECD beschriebene Überwindung der Benachteiligung annäherungsweise zu ermöglichen, bedarf es einer kompensatorischen Erziehung. (vgl. Liebers 2016, 28) Demnach sollen ,,[...] im Interesse von mehr Chancengerechtigkeit spezifisch unterstütz[t]‘‘ (Liebers 2016, 28f) werden. Dies gilt insbesondere für den Grundschulbereich, allerdings konnte für den deutschsprachigen Raum bisher nur wenig Wissen dazu angesammelt werden, von welchen Ansätzen und Förderprogrammen die Schüler:Innen besonders profitieren (vgl. Liebers 2016, 29) Die Studie ist daher sowohl im sprachlichen, als auch im sonderpädagogischen Kontext interessant.
3.2 Hypothesen
Um später in detailliertem Maße auf meine Forschungsfragen eingehen zu können, habe ich vor der Erhebung einige Hypothesen aufgestellt, die im folgenden Teilkapitel wiedergegeben werden und im Kapitel zu den Ergebnissen13 eine erneute Betrachtung erfahren sollen. Im Hinblick auf meine erste Forschungsfrage, inwiefern sich eine kurzfristige Intervention zum generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit auswirkt, überlegte ich zunächst in welcher Ausgangslage die Schüler:Innen sich befinden könnten und welche Entwicklungen in welchem Ausmaß bei welchen Schüler:Innen auftreten könnten. Als theoretische Grundlage für meine Überlegungen zog ich Schnitzlers Hinweise zur Untersuchung der Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit im Vorschul- bzw. Grundschulalter heran. (vgl. Schnitzler 2008, 84ff; 92ff) Zudem bezieht sich die Einschätzung der Leistungen auf die Leistungsbewertungen, die den Prozenträngen des ,,TEPHOBE‘‘ (Mayer 2020) zugeordnet werden. (vgl. Mayer 2020, 37) Hinsichtlich meiner zweiten Forschungsfrage, inwiefern die Schüler:Innen beim generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit zurückgreifen können, wägte ich ab, für welche Schüler:Innen die Lernaufgaben der Intervention verglichen zu ihrer Leistung im Prätest zu leicht, leicht, angemessen, schwierig oder zu schwierig sein könnten. So kam ich zu folgenden Hypothesen:
(1) Beim Subtest zur Reimidentifikation erreichen alle Schüler:Innen mindestens eine durchschnittliche Leistung, da diese den im Vorschulbereich diagnostisch relevanten Bereichen zugeordnet werden kann. (vgl. Schnitzler 2008, 84f)
(2) Bei den Subtests zur Phonemidentifikation bzw. Anlaut- und Auslautkategorisierung erreichen Schüler:Innen der ersten Klasse in der Prätestmessung mindestens eine leicht unterdurchschnittliche Leistung und Schüler:Innen der zweiten Klasse mindestens eine durchschnittliche Leistung. Diese Annahme beruht darauf, dass es sich bei der Phonemidentifikation um einen impliziten Operator handelt, der dem diagnostisch relevanten Bereich der, zu Beginn des Schriftspracherwerbs vorherrschenden, alphabetischen Strategie zuzuordnen ist. (vgl. Schnitzler 2008, 79; 92f)
(3) Bei den Subtests zur Phonemmaniplation bzw. Phonemelision- und -umkehr erreichen Schüler:Innen der ersten Klasse in der Prätestmessung mindestens eine deutlich unterdurchschnittliche und Schüler:Innen der zweiten Klasse mindestens eine leicht unterdurchschnittliche Leistung. Zwar ist die Phonemmanipulation ebenfalls dem in der alphabetischen Strategie diagnostisch relevanten Bereich zuzuordnen, (vgl. Schnitzler 2008, 79; 92f) da explizite Operatoren aber einen höheren Anforderungsgrad als implizite Operatoren aufweisen, (vgl. Schnitzler 2008, 79; Mayer 2020, 23) gehe ich hier von einem leicht schwächeren Ergebnis als bei der Phonemidentifikation aus.
(4) Für Schüler:Innen die beim Prätest eine durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung erbracht haben, sind die Lernaufgaben der Intervention angemessen, leicht oder zu leicht.
(5) Für Schüler:Innen die beim Prätest eine sehr schwache bis leicht unterdurchschnittliche Leistung erbracht haben, sind die Lernaufgaben der Intervention schwer oder zu schwer.
(6) Schüler:Innen die beim Prätest eine insgesamt durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung erbracht haben, erreichen auch im Nachtest eine durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung. Die Konstanz von durchschnittlichen Leistungen zeigte sich bereits in anderen Studien zur phonologischen Bewusstheit. (vgl. Sauerborn 2010, 44)
(7) Schüler:Innen die beim Prätest eine sehr schwache bis leicht unterdurchschnittliche Leistung erbracht haben, verbessern sich insgesamt, bzw. in den gezielt geförderten Bereichen Reimidentifikation und Phonemelision um ein bis zwei Leistungsstufen.
3.3 Methodisches Design
Nachdem nun das Anliegen und die Hypothesen zur Studie formuliert wurden, soll in diesem Abschnitt das methodische Vorgehen erläutert werden. Um zu bestimmen, inwiefern sich die Intervention zum generativen Schreiben als unabhängige Variable auf die abhängige Variable phonologische Bewusstheit auswirkt, wurde die abhängige Variable sowohl in einer Prä- als auch in einer Nachtestmessung erfasst. Dabei wurde mit den Subtests zur phonologischen Bewusstheit des ,,Test[s] zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit (TEPHOBE)‘‘ (Mayer 2020) gearbeitet. Die Gütekriterien der Durchführungsund Auswertungsobjektivität des Tests werden durch die Einhaltung der im Manual festgeschriebenen Anweisungen erfüllt. (vgl. Mayer 2020, 47) Die Interpretationsobjektivität des Tests wird bei der Auswertung durch die Umwandlung der Rohwerte in Prozentränge und T- Werte gewährleistet. (vgl. Mayer 2020, 47) Da die Subtests zur phonologischen Bewusstheit für sich betrachtet ,,[...] eine interne Konsistenz zwischen cra=.61 und cra=.78‘‘ (Mayer 2020, 47) und insgesamt eine interne Konsistenz „zwischen cra=.71 und cra=.78‘‘ (Mayer 2020, 47) aufweisen, ,,[.] kann [.] von einer zufriedenstellenden bis guten [.] Reliabilität ausgegangen werden.‘‘ (Mayer 2020, 47) Die inhaltliche Validität wird durch die Möglichkeit zur Einordnung der Testaufgaben in das zweidimensionale Konstrukt der phonologischen Bewusstheit gewährleistet. (vgl. Mayer 2020 23f, 48) Auch bei der Konzeption der Intervention wurde darauf geachtet, dass Aufgaben gestellt wurden, die den Ebenen des zweidimensionalen Konstrukts der phonologischen Bewusstheit zugeordnet werden können. (vgl. Schnitzler 78f, 154ff) Die konkrete Einordnung der Aufgaben kann im Kapitel zu den Hinweisen zur Durchführung der Interventionen eingesehen werden.14 Die kriterienbezogene Validität des ,,TEPHOBE‘‘ (Mayer 2020) wurde durch einen Vergleich zu Subtests des ,,Bielefelder Screenings zur Früherkennung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten‘‘ von Jansen u.a. bestimmt. Dabei erreichten ,,[.] die Korrelationen zwischen den Gesamtscores der beiden Verfahren [.] ein moderat signifikantes Niveau [.]‘‘ (Mayer 2020, 50) Mayer vermutet, dass die geringe Korrelation darin begründet liegt, dass die Verfahren ,,[.] z.T. verschiedene Teilkomponenten des Konstrukts ,,phonologische Bewusstheit‘‘ erfassen‘‘ (Mayer 2020, 50) und sich hinsichtlich der methodischen Vorgehensweisen unterscheiden. (vgl. Mayer 2020, 51) Die prognostische Reliabilität ist ebenfalls gewährleistet, (vgl. Mayer 2020, 52) soll aber da sie sich nicht direkt auf die phonologische Bewusstheit, sondern auf die Verlässlichkeit der Prognose von Lese- Rechtschreibschwierigkeiten durch den ,,TEPHOBE‘‘ (Mayer 2020) bezieht, (vgl. Mayer 2020, 52) an dieser Stelle nicht näher erläutert werden.
Auf den ersten Blick ähnelt das Design der Erhebung dem Vorgehen von Frieg, wurde doch in beiden Fällen mit einem quasi-experimentellen Feldstudiendesign gearbeitet. (vgl. Frieg 2014, 60) Bei näherer Betrachtung der zugrundeliegenden Versuchspläne werden jedoch essenzielle Unterschiede deutlich. Während in Friegs Studie ein ,,mehrfacher Zeitreihenversuchsplan‘‘ (Hertel u.a. 2010, 60) mit paralleler Datenerhebung in mehreren Kontrollgruppen zu mehreren identischen Messzeitpunkten vorliegt, handelt es sich bei meiner Erhebung um einen ,,[q]uasi- experimentelle[n] Versuchspl[an] ohne Kontrollgruppe‘‘ (Hertel u.a. 2010, 53). Um eine Feldstudie handelt es sich, da die Untersuchung nicht unter stark kontrollierten Laborbedingungen, sondern im Feld Schule stattfand. (vgl. Felbrich u.a. 2012, 154) Um hier möglichst natürliche Bedingungen zu schaffen, wurden die Testungen und die Intervention im Rahmen des Deutschunterrichtes durchgeführt. Zudem hospitierte ich bereits einen Tag vor der Prätestmessung in der Klasse und brachte mich sowohl hier als auch an den Tagen der Messungen und Interventionen in den schulischen Alltag ein. Dies kommt den natürlichen Bedingungen in der untersuchten Klasse nahe, da hier stets mehrere Mitglieder des zuständigen Lehrkräfte-Teams anwesend sind. Während eine Lehrkraft unterrichtet, wird sie von den anderen Mitgliedern bei der ,,Klassenführung‘‘ (Helmke/Helmke 2015, 8) unterstützt, insbesondere bei den Aufgaben der ,,Allgegenwärtigkeit‘‘ (ebd.), sowie dem ,,Aufbau erwünschten und Abbau unerwünschten Schülerverhaltens‘‘ (ebd.). Quasi-experimentelle Versuchsbedingungen liegen vor, da die Erhebung in dem bestehenden Klassenverband und ohne Kontrollgruppe durchgeführt wurde, wodurch keine Randomisierung der Teilnehmenden möglich war. (vgl. Hertel u.a. 2010, 49) Für das Spannungsverhältnis der internen und externen Validität bedeutet dieses Vorgehen ein erhöhtes Maß an externer Validität, also eine bessere Generalisierbarkeit der Ergebnisse. (vgl. Felbrich u.a. 2012,154; Hertel u.a. 2010, 52) Die interne Validität, also die Möglichkeit zum Ausschluss von Alternativerklärungen hingegen erfährt Einschränkungen, da die geringfügigere Standardisierung ihre Anfälligkeit für Störvariablen erhöht. (vgl. Felbrich u.a. 2012, 154; Hertel u.a. 2010, 51f) Die interne Validität von quasi-experimentellen Versuchsplänen kann jedoch gesichert werden indem ,,[z]usätzlich zu den abhängigen Variablen, für die Veränderungen durch die Intervention postuliert werden, [...] die Erhebung von abhängigen Variablen, für die keine entsprechenden Veränderungen angenommen werden [erfolgt]‘‘ (Hertel u.a. 2010, 53). Eine solche Messung von ,,nicht äquivalenten abhängigen Variablen‘‘(Hertel u.a. 2010, 54) war für die vorliegende Studie aus zeitökonomischen Gründen nicht möglich, zudem hätte die Auswertung eines zusätzlichen Testes die Kapazitäten einer Bachelorarbeit überschritten.
Nun könnte man argumentieren, dass im Falle der vorliegenden Studie durch die Testung der nicht gezielt in der Intervention behandelten Operatoren der Anlaut-, Auslautkategorisierung und Phonemumkehr ,,nicht äquivalent[e] abhängig[e] Variablen‘‘(Hertel u.a. 2010, 54) erhoben wurden. Allerdings handelt es sich hierbei wie auch bei den gezielt behandelten Operatoren der Reimidentifikation und der Phonemelision um ,,Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit, mit denen man differenzierte Aussagen über Fähigkeiten auf unterschiedlichen Ebenen erhält [...]‘‘ (Schnitzler 2008, 78; Hervorhebung im Original). Da ebendiese Ebenen aufeinander aufbauen, (vgl. Schnitzler 2008, 22-25) können die Ergebnisse der Subtests keinesfalls als ,,nicht äqui- valent[e] abhängig[e] Variablen‘‘ (Hertel u.a. 2010, 54) füreinander fungieren. Dies gilt insbesondere, da sich der in der Intervention gezielt geförderte Operator Phonemelision auf derselben Ebene des zweidimensionalen Konstruktes der phonologischen Bewusstheit befindet wie die nicht gezielt behandelten Operatoren. (vgl. Schnitzler 2008, 23f ; 29; vgl. Mayer 2020, 23f) Aufgrund des Mangels an einer Kontrollgruppe oder Messung von ,,nicht äquivalenten abhängigen Variablen‘‘(Hertel u.a. 2010, 54), bedarf es an dieser Stelle daher nun einer kritischen Auseinandersetzung mit möglichen Störvariablen der internen Validität. (vgl. Hertel u.a. 2010, 53) Als Grundlage soll dabei eine Liste dienen, die von Hertel u.a., in Anlehnung an das amerikanische Werk ,,Experimental and quasi-experimental designs for generalized causal infer- ence‘‘ (Hertel u.a. 2010, 61) von Shadish, Cook und Campbell, erstellt wurde. (vgl. Hertel u.a. 2010, 51) Die Liste umfasst insgesamt neun potenzielle Störvariablen, die nun zur Übersicht zunächst genannt und anschließend in Bezug zur vorliegenden Studie gesetzt werden. Demnach können Störungen aufgrund einer uneindeutigen zeitlichen Folge des Auftretens der Variablen, der Selektion, den Testzeiteffekten, der Reifung, der Regression, dem Verlust von Teilnehmenden, der Testung, den Instrumenten sowie den additiven und interaktiven Effekten der Gefahren für die interne Validität auftreten. (vgl. Hertel u.a. 2010, 51) Einige der Störvariablen können mithilfe der Prätestmessung erfasst werden. (vgl. ebd.) Hierzu zählt beispielsweise die uneindeutige zeitliche Reihenfolge des Auftretens der Variablen, da die abhängige Variable phono- logische Bewusstheit bereits vor der Intervention gemessen wird. Sofern Kontrollgruppen vorhanden sind können dabei zugleich,,[s]ystematische Unterschiede der Teilnehmer in den Ver- suchsbedingungen‘‘ (Hertel u.a. 2010, 51) festgestellt werden. Da es in der vorliegenden Feldstudie alle Teilnehmenden denselben Versuchsbedingungen ausgesetzt waren, kann davon ausgegangen werden, dass eine solche Selektion ausgeschlossen werden kann. Testzeiteffekte können weder abschließend erfasst noch ausgeschlossen werden, da sie sich u.a. auch auf außerschulische Umstände beziehen. (vgl. Hertel u.a. 2010, 51) Da der Zeitraum der Studie lediglich zwei Wochen betrug, ist nicht von reifungsbedingten Veränderungen der Teilnehmenden auszugehen. Da alle Teilnehmenden den gleichen Versuchsbedingungen ausgesetzt waren und nicht aufgrund von vorab gemessenen Extremwerten ausgewählt wurden, (vgl. ebd.) kann davon ausgegangen werden, dass eine Regression ausgeschlossen werden kann. Der Verlust von Teilnehmenden kann nicht ausgeschlossen werden, da es im schulischen Alltag jederzeit zur Abwesenheit einzelner Schüler:Innen kommen kann. Im Gegensatz zu den Testzeiteffekten kann die Abwesenheit einzelner Schüler:Innen jedoch erfasst und in der Auswertung berücksichtigt werden. Störvariablen aufgrund wiederholter Testung mit demselben Testverfahren können aufgrund des Prätest-Nachtestdesigns nicht ausgeschlossen, sondern lediglich in der Auswertung berücksichtigt werden. Um Störvariablen aufgrund der Veränderung der Instrumente und Versuchsbedingungen zu vermeiden, wurden in den Hinweisen zur Durchführung genaue Anweisungen zur Umsetzung der Prä- und Nachtestmessungen und der Intervention festgehalten. Hierdurch wird zeitgleich ,, [...] die Implementationsqualität der Förderung, d.h. die korrekte Umsetzung der Versuchsbedingungen nach den definierten Förderprinzipien‘‘ (Felbrich u.a. 2012, 59) gesichert. Additive und interaktive Effekte der Gefahren für die interne Validität, also das Zusammenwirken verschiedener Störvariablen, (Hertel u.a. 2010, 51) können aufgrund ihrer komplexen Beschaffenheit weder vollständig erfasst, noch ausgeschlossen werden.
Durchgeführt wurde die quasi-experimentelle Feldstudie in einer Klasse der St. Rafael Schule in Altleiningen, in der sieben Schüler:Innen der Klassenstufen eins und zwei, mit dem Förderschwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung beschult werden. Der Gesamtumfang der Intervention betrug vier Schulstunden von je 45-minütiger Dauer, diese wurden in zwei 90-minütige Einheiten aufgeteilt. Die Prä- und Nachtestmessungen und die Intervention fanden in einem Zeitraum von zwei Wochen statt. Während der Interventionen wurden zusätzlich Beobachtungsbögen ausgefüllt. Um einer Beeinflussung der Beobachtungen oder gar selbsterfüllenden Prophezeiungen vorzubeugen, wurden die Prätestergebnisse des ,,TEPHOBE‘‘ (Mayer 2020), erst nach Abschluss der Intervention, gemeinsam mit den Ergebnissen des Nachtests ausgewertet.
3.5 Hinweise zur Durchführung
3.5.1 Hinweise zur Durchführung der Prä- und Nachtestmessungen
Der ,,TEPHOBE‘‘ (Mayer 2020) ist für die Gruppenüberprüfung der phonologischen Bewusstheit und die Einzelüberprüfung der Benennungsgeschwindigkeit für Schüler:Innen vom Vorschulalter bis zur zweiten Klasse standardisiert. (vgl. Mayer 2020, 6) Da sich die vorliegende Arbeit explizit mit der phonologischen Bewusstheit auseinandersetzt, wurde auf eine Durchführung der Subtests zur Benennungsgeschwindigkeit verzichtet. In der untersuchten Klasse gibt es vier Schüler:Innen der Klassenstufe zwei und drei Schüler:Innen, die in der ersten Klassenstufe beschult werden. Hier ist jedoch anzumerken, dass die Schüler:Innen der ersten Klassenstufe das erste Schuljahr wiederholen, sich also in ihrem zweiten Lernjahr befinden. Wie in solchen Fällen im Manual vorgesehen, (vgl. Mayer 2020, 28) wurden die Erhebungen daher für alle Schüler:Innen anhand des Testheftes für die zweite Klasse (Mayer 2017) durchgeführt. Die darin enthaltenen Subtests decken die Reimerkennung, Anlautkategorisierung, Auslautkatego- riserung, Phonemelision und Phonemumkehr (vgl. Mayer 2020, 6) ab. Für alle Schüler:Innen wurden gemäß der Durchführungshinweise des Manuals (vgl. Mayer 2020, 25) je ein Testheft (Mayer 2017) und zwei Bleistifte durch die Testleiterin zur Verfügung gestellt. Die Testinstruktion erfolgte nach den wörtlichen Vorgaben des Manuals (vgl. Mayer 2020, 29-34), die Aufgaben wurden den Schüler:Innen mithilfe der Test-CD präsentiert. Um die jeweilige Bearbeitungszeit der Test-Items einzuhalten, wurde zudem auf eine Stoppuhr zurückgegriffen. Während der Durchführung wurden alle Tische leergeräumt und nach vorne gedreht. Die Anpassung der Sitzordnung dient der Vorbeugung von Verfälschungen der Testergebnisse durch etwaiges Abschreiben. (vgl. Mayer 2020, 28) Um zu gewährleisten, dass die Schüler:Innen jeweils das richtige Test-Item bearbeiten, wurden sie bei der Orientierung im Testheft durch drei Lehrkräfte des Klassenteams unterstützt. Diese Unterstützung entspricht den im Manual festgehaltenen Bestimmungen für Hilfestellungen. (vgl. Mayer 2020, 28) Da der Test wiederholt eingesetzt wird, könnte es bei der zweiten Testung zu einer verminderten Motivation kommen. Der ,,TE- PHOBE‘‘ (Mayer 2020) enthält keine Angaben zu Verstärkern, anders sieht es beispielsweise bei dem ,,Gruppentest zur Früherkennung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten‘‘ (Barth/Gomm 2014) aus. Hier ist vorgesehen, dass die Schüler:Innen nach dem Test mit einem ausmalbaren Poster belohnt werden. (vgl. Barth/Gomm 2014, 11) Im Rahmen der vorliegenden Arbeit dienten Süßigkeiten, sowie eine illustrierte Version des im zweiten Teil der Intervention von der Klasse verfassten Gedichtes15 als Anreiz.
Wie bereits im Kapitel zum methodischen Design erwähnt16, werden die Ergebnisse der Prätestmessung erst im Abschluss an die Intervention ausgewertet um einer Beeinflussung dieser Beobachtungen sowie dem Entstehen von selbsterfüllenden Prophezeiungen vorzubeugen. Die Ergebnisse des Prätests sollen dann sowohl mit den Nachtestergebnissen als auch mit den Beobachtungen während der Intervention verglichen werden, um weitere Schlüsse für die Forschungsfragen zu ziehen.
3.5.2 Hinweise zur Durchführung der Interventionen
Den Hinweisen zur Durchführung der Prä- und Nachtestmessungen folgen nun einige Hinweise zur Durchführung der Interventionen. Zum einen soll hier kurz darauf eingegangen werden, wie die Intervention und ihre Materialien konzipiert wurden. Dies soll einerseits zur Veranschaulichung dienen und andererseits eine individuelle Anpassung der Intervention und Materialien an die zu untersuchende Klasse ermöglichen. Zum anderen werden die im Anhang befindlichen Verlaufspläne17 mit den Skripten zu den Interventionsteilen im Rahmen einer Lernaufgabenanalyse in den Fokus gesetzt und erläutert. Der Umfang der Lernaufgabenanalyse ist insofern eingegrenzt, als dass vornehmlich auf Aspekte eingegangen wird, die sich auf die Förderung der phonologischen Bewusstheit beziehen.
Die Intervention wurde für Schüler:Innen konzipiert, die sich hinsichtlich des Schriftspracherwerbes mindestens in ihrem zweiten Lernjahr befinden und die erste oder zweite Klasse besuchen. Im Falle der vorliegenden Arbeit wurde die Intervention in einer Klasse der Schule St. Rafael in Altleiningen durchgeführt, die aus sieben Schüler:Innen mit dem Förderschwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung besteht. Da von diesen sieben Schüler:Innen drei die erste Klassenstufe wiederholen und vier in der zweiten Klassenstufe beschult werden, unterlag die Intervention dem Anspruch den Bedürfnissen beider Klassenstufen gerecht zu werden. Es durfte weder zu einer Überforderung der Erstklässler:Innen, noch zu einer Unterforderung der Zweitklässler:Innen kommen. Mit diesem Anspruch liegt eine Überschneidung mit dem Ansatz des generativen Schreibens vor, schließlich wurde es als didaktische Grundlage für die Integration von Lernenden mit Deutsch als Zweitsprache in den gemeinsamen Deutschunterricht von Lerngruppen mit verschiedenen sprachlichen Vorkenntnissen entwickelt. (vgl. Belke 2020b, 7) Daher ist es, wenn auch vornehmlich in mehrsprachigen Kontexten, auf eine Zielgruppe mit unterschiedlichen sprachlichen Vorkenntnissen ausgelegt, (vgl. ebd.) und auch für den jahrgangsstufenübergreifenden Unterricht interessant. Dass Belkes Textsammlung (Belke 2020a) und -kommentar (Belke 2020b) bei den Texten keine Differenzierung nach Altersgruppen oder Klassenstufen sondern nach dem inhaltlichen Potential vornehmen, (Belke 2020b, 15) ermöglicht eine individuelle Auswahl und Anpassung der Texte hinsichtlich den zu vermittelnden Inhalten und den Schüler:Innen als Zielgruppe. Um geeignete Texte zur Vermittlung der pho- nologischen Bewusstheit zu identifizieren, mussten die Texte also zunächst dahingehend überprüft werden, ob sie sich zur Bearbeitung von Aufgaben eignen, die nachweißlich im Zusammenhang mit der phonologischen Bewusstheit stehen. Es wurde also darauf geachtet, dass sich anhand der Texte Lernaufgaben konzipieren lassen, die in das zweidimensionale Konstrukt der phonologischen Bewusstheit eingeordnet werden können. (vgl. Schnitzler 2008, 78f, 154ff) Die im Anhang einsehbaren Arbeitsmaterialien18 wurden eigens für die Interventionen erstellt und mithilfe des Lehrkräfte-Teams der untersuchten Klasse an den Leistungsstand der Schüler:Innen angepasst. Alle enthaltenen Bilder und Vektorengrafiken wurden aus den Word- Vektoren bzw. der Plattform colourbox entnommen.
Die Verlaufspläne19 enthalten Informationen zur Arbeitsform, zum Inhalt und zum benötigten Material. Zudem ist jeweils ein detailliertes Skript enthalten das als Leitfaden zur Durchführung des jeweiligen Interventionsteils genutzt werden kann. Die kursiv gesetzten Abschnitte sind dabei nicht als wortwörtliche Vorgaben zu verstehen, sollten aber sinngemäß wiedergegeben werden, um die Implementationsqualität der Intervention zu gewährleisten. Um die Schüler:In- nen zu motivieren sollte die Lehrkraft sie immer wieder loben. Dabei ist es wichtig, dass das Lob nicht nur global auf die Klasse, sondern auch auf die individuellen Leistungen der Schü- ler:Innen bezogen wird, da es so besonders effektiv ist. (vgl. Berliner/Gage 1996, 380) Um zu zeigen, dass der ästhetische Eigenwert der Texte wertgeschätzt wird, sollte am Ende der Interventionsteile allen Schüler:Innen die Möglichkeit zur Vorstellung ihrer Textvariation gegeben werden. Die Zeitangaben der Verlaufspläne sollten daher unbedingt berücksichtigt werden, um Zeitknappheit zu vermeiden.
Im Folgenden wird nun eine Analyse der enthaltenen Lernaufgaben vorgenommen. Die Intervention ist in zwei Teile a 90 Minuten gespalten. Im ersten Teil der Intervention stehen Aufgaben auf der impliziten Onset-Reimebene im Fokus, während beim zweiten Teil der Intervention vor allem Aufgaben zur expliziten Phonemebene vermittelt werden. Es wird also sowohl die implizite als auch die explizite phonologische Bewusstheit berücksichtigt.
Grundlage des ersten Interventionsteils ist die Purzelgeschichte. (vgl. Belke 2020a, 48; Belke 2020b, 81) (siehe Kap. 2.3.1) Da im Laufe der Geschichte immer wieder ein Buchstabe des Wichtelnamens weggenommen und ausgetauscht wird, eignet sich das Gedicht besonders zur Vermittlung der Phonemmanipulation. In Anlehnung an eine Idee von Belke, bei der zwecks der Vermittlung von Farbadjektiven mit Bildern von Tieren und verschiedenfarbigen Körperteilen zum Anheften gearbeitet werden soll, (vgl. Belke 2020b, 19ff) wurde für die Intervention eine Wichtelfigur aus Pappe mit abnehmbaren Schuh entworfen und angefertigt. Diese soll bereits vor Beginn der Stunde an die rechte Innenseite der Tafel angeheftet werden. (siehe Abb. 3) Das weitere Material für das Tafelbild umfasst Karten mit den Buchstaben <U>, <O>, <A> und <E>, mit Bildern von Moos, Aal und See, sowie mit einem gelben und grünen Fragezeichen und einem roten Kreuz. Neben der Wichtelfigur wird der Name ,,Purzel‘‘ angeschrieben, wobei das <U> durch die entsprechende Buchstabenkarte repräsentiert wird. (siehe Abb. 3) Auf der linken Innenseite der Tafel werden vorab die Karten mit den Fragezeichen und dem Kreuz angeheftet, sowie die Satzanfänge ,,Es war einmal [...]‘‘(Belke 2020a, 48) sowie ,,[...] und verlor dabei sein [...]‘‘ (ebd.) angeschrieben. (siehe Abb. 3) Vor Beginn der Stunde wird die Tafel zugeklappt und im Interventionsverlauf an passender Stelle geöffnet. In der Einstiegsphase wird die Geschichte von der Lehrkraft vorgelesen, währenddessen werden der Pappschuh und die Buchstabenkarten an passender Stelle weggenommen, angeheftet und ausgetauscht. Sobald das Moos, der Aal und der See in der Geschichte auftauchen werden die entsprechenden Bilderkarten angeheftet. Die Verwendung des Bildmaterials in der Einstiegsphase soll die Schüler:Innen motivieren, zudem kann durch die visuelle Stütze das inhaltliche Verständnis erleichtert werden. Die Visualisierung der Buchstabenelision bzw. des Buchstabentausches, lenkt die Aufmerksamkeit der Schüler:Innen verstärkt auf das Phänomen der Phonemmanipulation. So können die Schüler:Innen nicht nur den inhaltlichen, sondern auch den sprachlichen Wert des poetischen Textes wahrnehmen. Das Wegnehmen der Buchstaben kann als analog zum Phonemelision, das Tauschen der Buchstaben wiederum als analog zum Phonemtausch verstanden werden. Beim Zuhören kann den Schüler:Innen einerseits die Segmentierbarkeit von Wörtern und andererseits die Manipulierbarkeit der Phoneme bewusst werden. In der Erarbeitungsphase I werden die Schüler:Innen nach den Veränderungen des Wichtelnamens gefragt, wodurch das Bewusstsein für den Prozess der Phonemmanipulation gestärkt werden kann. In der Erarbeitungsphase II werden die Schü- ler:Innen anfangs darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei den Buchstaben <U>, <O>, <A> und <U> um Vokale bzw. Selbstlaute handelt, somit wird eine Eingrenzung für die weiteren Lernaufgaben vorgenommen. Die Schüler werden zudem dazu angeregt zu überlegen welche Wörter noch einen Selbstlaut verlieren könnten. Anschließend schreibt die Klasse anhand des von Belke vorgestellten Beispielwortes Roller (Belke 2020b, 81) eine eigene Geschichte. (siehe Abb. 4) Da den Schüler:Innen und insbesondere den Erstklässler:Innen das Lesen und
Schreiben von kurzen Texten noch sehr schwerfällt, werden einige der Verse durch Symbol und Bilderkarten repräsentiert. In der ersten Zeile des Gedichtes wird das Beispielwort angeschrieben, wobei der zu Manipulierende Buchstabe durch die entsprechende Buchstabenkarte repräsentiert und später weggenommen und ausgetauscht werden kann. (siehe Abb. 4) Das Schreiben wird von der Lehrkraft durch Fragen angeleitet, jede der Fragen wird einem der durch die Karten repräsentierten Verse zugeordnet. (siehe Abb. 4) Die zu ergänzenden Bausteine bestehen aus dem Beispielwort, dem Anfangssatz, dem verlorenen Buchstaben, den manipulierten Versionen des Wortes und einem Schlusssatz. (siehe Abb. 4) Die Lernaufgaben der Erarbeitungsphase II enthalten verschiedene Aufgaben zur Phonemmanipulation. Das Wegnehmen des Buchstabens entspricht der Phonemelision, das Bestimmen des zu entfernenden Buchstabens der Phonemidentifikation und -segmentierung und das Austauschen der Buchstaben der Phonemsubstitution. (siehe Kapitel 2.2.1) In der Arbeitsphase schreiben die Schüler:Innen anhand eines Arbeitsblattes Geschichten in Einzelarbeit. Auf dem Arbeitsblatt können die Schüler:Innen die an die Tafel angehefteten Symbole und Bilder wiederfinden.20 So kann gewährleistet werden, dass die Schüler:Innen unabhängig von ihren Schriftsprachfähigkeiten erkennen können welcher Abschnitt des Gedichtes jeweils mit eigenen Ideen ergänzt werden soll. Da das Schreiben den Erstklässler:Innen noch große Schwierigkeiten bereitet, müssen sie keinen schriftlichen Anfangs- und Endsatz formulieren. Zudem befindet sich auf der linken Seite der Arbeitsblätter stets ein Beispiel für eine Textvariation, an dem sich die Schüler:Innen orientieren können. Die Beispielsätze ,,der rollte über einen Stein [...]‘‘(Belke 2020b, 81) ,,Da war der Roller aber froh!“ (ebd.) entstammen Belkes Textkommentar. Der Beispielsatz ,,Danke Moos Ich nehm gern dein O!‘‘ wurde formuliert, da er leicht für die anderen Vokale abgewandelt werden kann. Die Lernaufgaben der Arbeitsphase entsprechen denen der Erarbeitungsphase II. In der Sicherungsphase stellen die Schüler:Innen ihre Geschichten vor. Da die Mehrzahl der Verse durch Symbole und Bilder repräsentiert wird, ist gewährleistet, dass die Schüler:Innen auch ohne ausgeprägte Lesefähigkeiten an der Vorstellung der Gedichte teilnehmen können. Gegebenenfalls können die Schüler:Innen beim Vorstellen durch Fragen der Lehrkraft oder das erneute Vorlesen der durch die Bilder und Symbole repräsentierten Verse unterstützt werden.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Tafelbild am Ende der ersten Interventionsstunde (Eigene Darstellung)
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Tafelbild nach der zweiten Interventionsstunde (Eigene Darstellung)
Die Grundlage des zweiten Interventionsteils ist das Rätselgedicht ,,Sagt wer kann die Pfaffen‘‘, (vgl. Belke 2020a, 21; Belke 2020b, 45) (siehe Kap. 2.3.1) das sich besonders gut zum generativen Schreiben mit Reimen eignet. (vgl. Belke 2020b, 45) Das Tafelbildmaterial besteht aus Pfeilkarten, diese werden vorab an die linke Innenseite der Tafel geheftet. (siehe Abb. 5) In der Einstiegsphase ließt die Lehrkraft das Rätsel vor und unterstützt sie gegebenenfalls dabei es zu lösen. Die Lösung des Rätsels setzt voraus, dass nicht der inhaltliche, sondern der sprachliche Aspekt betrachtet wird. Der Reim muss -im wahrsten Sinne des Wortes- identifiziert werden. Die Lernaufgaben der Einstiegsphase sind daher der impliziten Onset-Reimebene zuzuordnen. Auch das Benennen der Reimwörter beim Ballspiel in der Erarbeitungsphase I ist dieser Ebene zuzuordnen. Hier fragt die Lehrkraft zunächst, ob der Reim auch andere Wörter verwandeln kann, anschließend werden Reimketten gebildet, indem die Schüler:Innen sich einen Ball Kinder, dies gilt insbesondere für die zu untersuchende Klasse, da die Schüler:Innen bereits mit ähnlichen Spielen vertraut sind. In der Erarbeitungsphase II werden weitere Reime an der Tafel gesammelt, indem die Lehrkraft die von den Schüler:Innen vorgeschlagenen Reimwörter neben die Pfeilkarten schreibt und malt. (siehe Abb. 5) Das Sammeln der Reime ist der impliziten Reimebene des zweidimensionalen Konstruktes zuzuordnen. In der Arbeitsphase verfassen die Schüler:Innen ihre eigenen Textvariationen, indem sie ein Arbeitsblatt21 bearbeiten. Auf dem Arbeitsblatt wurden der erste und letzte Vers des Gedichts übernommen, die restlichen Verse können die Schüler:Innen mit eigenen Ideen füllen. Die zu ergänzenden Bausteine wurden auf die Reimwörter begrenzt, die restlichen Anteile der Verse werden beim Vortragen in der Sicherungsphase mündlich von den Kindern ergänzt. Die Arbeitsblätter greifen die Pfeilsymbole der Tafelkarten nochmals auf. Da je nach Reimpaar andere Artikel und Präpositionen verlangt sind, werden diese durch die Pfeile repräsentiert. Da die Erstklässler:Innen noch Schwierigkeiten große Schwierigkeiten mit dem Schreiben haben, können sie ihre Reimpaare aufmalen, zudem sind bereits einige Wörter vorgegeben, zu denen ein Reimwort gefunden werden soll. Das Arbeitsblatt für die Zweitklässler:Innen enthält keine vorgegebenen Reimwörter. Die Lernaufgaben der Arbeitsphase sind, wie auch die Aufgaben aller anderen Phasen der Intervention, der impliziten Onset-Reimebene zuzuordnen. In der Sicherungsphase wird ein gemeinsames Klas- sengedicht22 anhand der Vorschläge der Lernenden verfasst. (siehe Anhang Seite 84) Im Anschluss dürfen die Kinder ihre in Einzelarbeit verfassten Gedichte vortragen.
Alle in der Intervention angewandten Arbeitsblätter können individuell an die Lerngruppen angepasst werden. Im Falle der Purzelgeschichte können Bilder und Symbole durch schriftliche Verse ausgetauscht werden. Je stärker die Lerngruppe, desto weniger Bilder und Symbole können eingesetzt werden. Auch beim Rätselgedicht können die vorgegebenen Textbausteine variiert werden.
3.6 Bewertungssystem der Prä- und Nachtestergebnisse
Die Auswertung der Prä- und Nachtestungen erfolgt gemäß den Anweisungen des Testmanuals. (vgl. Mayer 2020, 37f) Hier werden zunächst die Rohwerte der Subtests, sowie der Gesamtrohwert errechnet. Ein Rohpunkt entspricht dabei einem richtig angekreuzten Item, bei falsch, nicht oder mehrfach gesetzten Kreuzen werden für das jeweilige Item null Rohpunkte berechnet. (vgl. Mayer 2020, 37f) Anschließend werden alle Rohwerte auf Grundlage der Normtabellen im Anhang des Manuals (vgl. Mayer 2020, 56-59) in Prozentränge und T-Werte umgewandelt. ,,Der Prozentrang (PR) gibt dabei an, wie viel Prozent der Kinder aus der Normierungsstichprobe dieselbe oder eine schlechtere Leistung erzielten. Die Leistung des Kindes ist also umso höher einzuschätzen, je höher der PR-Wert ausfällt.‘‘ (Mayer 2020, 37) . Eine detailliertere Einschätzung der Prozentränge gelingt durch die im Manual vorgenommene, ,,[...] annäherungsweise [Zuordnung zu] bestimmten Leistungsbewertungen [...]‘‘ (Mayer 2020, 37). Demnach entspricht ein Prozentrang von 91 bis 100 einer ,,ausgezeichneten Leistung‘‘ (ebd.), ein Prozentrang von 76 bis 90 einer ,,überdurchschnittlichen Leistung‘‘ (ebd.), ein Prozentrang von 26 bis 75 einer ,,durchschnittlichen Leistung‘‘ (ebd.) und ein Prozentrang von 16 bis 25 einer ,,leicht unterdurchschnittlichen Leistung‘‘ (ebd.). Ein Förderbedarf, liegt nach Mayer dann vor, sobald der Prozentrang kleiner als 16 ist. Hier wird abermals zwischen einer ,,deutlich unterdurchschnittlichen Leistung‘‘ (vgl. Mayer 2020, 37) bei einem Prozentrang von sechs bis 15 und einer ,,sehr schwachen Leistung‘‘ (ebd.) bei einem Prozentrang von null bis fünf unterschieden. Bei der im Manual vorliegenden T-Skala, liegt ,,[..] ei[n] Mittelwert von 50 und eine Standardabweichung von 10 Punkten‘‘ (vgl. Mayer 2020, 38) vor. Da ab einem Wert kleiner als 40 zumindest eine Standardabweichung vom Mittelwert 50 vorliegt, wird hier die Grenze für die Förderbedürftigkeit der Schüler:Innen markiert. (vgl. ebd.) Durch die differenzierte Darstellung der Ergebnisse im Auswertungsbogen der Testhefte (vgl. Mayer 2017, 12)23 können neben den Gesamtergebnissen auch die Subtestergebnisse eingesehen werden. (vgl. Mayer 2020, 38) So kann erkannt werden in welchen Bereichen der phonologischen Bewusstheit insbesondere gefördert werden sollte. Die so gewonnenen Daten sollen dann in Kapitel ,,4 Er- gebnisse‘‘24 graphisch dargestellt und anschließend interpretiert werden.
3.7 Beobachtungsbogen für die Interventionsstunden
Um später einschätzen zu können inwiefern die Ergebnisse der Testungen mit den Leistungen der Schüler:Innen während der Intervention korrelieren, wurde ein Beobachtungsbogen konzipiert, dessen Fragestellungen in der folgenden Tabelle erläutert werden sollen:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Beobachtungsbogen mit Erläuterungen (Eigene Darstellung)
Vor der jeweiligen Interventionsstunde erhalten alle anwesenden Lehrkräfte je einen Beobachtungsbogen, der während und nach der Intervention ausgefüllt wird. Auch ich werde jeweils einen Beobachtungsbogen ausfüllen. In den Unterkapiteln zur vernetzten Darstellung der Test- ergebnisse25 sollen die Beobachtungen dann jeweils gesammelt aufgeführt und mit den Testergebnissen verglichen werden
4 Ergebnisse
Für die Gliederung dieses Kapitels war ursprünglich angedacht die Testergebnisse zunächst isoliert darzustellen und in separaten Unterkapiteln zu diskutieren und in Beziehung zu den vorab formulierten Hypothesen und den Beobachtungen während der Interventionen zu setzen. Im Laufe der Auswertung hat sich jedoch herausgestellt, dass sich eine vernetzte Darstellung dieser Inhalte als gewinnbringender erweist. Beginnen soll das Kapitel zunächst mit einer graphischen Gesamtübersicht über die Ergebnisse der Prä- und Nachtestmessungen. Es folgt eine vernetzte Darstellung der einzelnen Ergebnisse der Schüler:Innen. Da die Ergebnisse der Prätestmessung nahelegten, dass es zwischen den Klassenstufen eins und zwei systematische Unterschiede gibt, werden diese differenziert beleuchtet. Nach einer tabellarischen Übersicht über die Einzelergebnisse der Lernenden, werden die Testergebnisse jeweils diskutiert und interpretiert. Dazu sollen unter anderem Auffälligkeiten herausgestellt und die Ergebnisse beider Messungen miteinander verglichen werden. Zudem werden die Testergebnisse mit den Beobachtungen während der Interventionen verglichen. Eine Reflexion der vorab gestellten Hypothesen erfolgt jeweils an geeigneter Stelle. Da es aufgrund der geringen Teilnehmendenzahl möglich wäre anhand des Geschlechts Rückschlüsse auf die jeweiligen Schüler:Innen zu ziehen, habe ich in der Auswertung durchgehend mit der Bezeichnung ,,Schüler‘‘ gearbeitet, sofern eine Einzelnennung der Schüler:Innen im Singular erforderlich war. Dies erleichtert zudem die Leserlichkeit des Textes, da die Bezeichnung ,,Schüler:In‘‘ stets die Nennung mehrerer Artikel und Pronomen verlangen würde. Die Testbögen und die Arbeitsblätter waren jeweils mit einer Zahl von eins bis sieben pseudonymisiert, sodass sich die Ergebnisse der Testungen und Interventionen zwar einander, aber nicht bestimmten Schüler:Innen zuordnen lassen.
4.1 Übersicht der Testergebnisse
Die graphischen Übersichten zur Prä- (siehe Abb.6) und Nachtestmessung (siehe Abb.7) stellen dar, wie viele Schüler:Innen sich in der Gesamt- und Einzelauswertung der Subtests auf den jeweiligen Leistungsniveaus befinden.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Überblick zur Nachtestmessung vom 04.11.2020 St. Rafael Schule Altleiningen (Eigene Darstellung)
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Überblick zur Prätestmessung vom 29.10.2020 St. Rafael Schule Altleiningen (Eigene Darstellung)
Ausgangspunkt für die dargestellten Werte ist dabei die von Mayer vorgenommene Zuordnung der Prozentränge zu bestimmten Leistungsbewertungen, die bereits im Kapitel ,,4.6 Bewertungssystem der Prä- und Nachtestergebnisse‘‘26 eingehend erläutert wurde. (Mayer 2020) Der Balken ,,Gesamt T-Wert‘‘(siehe Abb.6; Abb.7) gibt zudem an wie viele Schüler:Innen sich mit ihrer Gesamtleistung innerhalb der Standardabweichung befinden und von wie vielen Schü- ler:Innen die Standardabweichung überschritten wurde. Insgesamt wurde die Studie an sieben Schüler:Innen durchgeführt, da Schüler:In 5 und 7 bei der Nachtestmessung nicht anwesend sein konnten, wurden sie zur besseren Vergleichbarkeit nicht in der Übersicht der Prätestergebnisse berücksichtigt. Aufgegriffen werden ihre Ergebnisse dann in den Unterkapiteln zur vernetzten Darstellung der Ergebnisse. Vergleicht man nun zunächst die Prä- und Nachtestergebnisse der verbliebenen fünf Schüler:Innen, so zeigt sich, dass die Gesamtleistung in beiden Fällen als leicht unterdurchschnittlich bis sehr schwach zu bewerten ist, wobei es beim Nachtest eine sehr schwache Leistung weniger und dafür eine deutlich unterdurchschnittliche Leistung mehr gab. (siehe. Abb. 6; Abb.7)
Bei isolierter Betrachtung der den Prozenträngen zugeordneten Leistungsbewertungen könnte man daher zu dem Entschluss kommen, dass sich hier bereits ein Leistungsanstieg abzeichnet. Zieht man nun allerdings die Balken zum ,,Gesamt T-Wert‘‘ (siehe Abb.6; Abb.7) heran, so wird deutlich, dass dieser Leistungsanstieg keine Veränderung bezüglich des Überschreitens der Standardabweichung hervorruft und daher als eher gering einzustufen ist. Auch die Ergebnisse der Subtests zeigen nur geringfügige Veränderungen von ein bis zwei Leistungsstufen auf. Beim Subtest zum Reimen verbesserten sich beispielsweise zwei der Lernenden, die zuvor eine deutlich unterdurchschnittliche Leistung erbrachten auf eine leicht unterdurchschnittliche, bzw. eine durchschnittliche Leistung. Beim Subtest zur Phonemumkehr hingegen, stiegen zwei Lernende, die beim Prätest noch eine unterdurchschnittliche Leistung erzielten auf eine sehr schwache Leistung herab, während ein(e) andere Schüler:In sich von einer deutlich unterdurchschnittlichen auf eine durchschnittliche Leistung verbesserte. Es zeigt sich also, dass es nur bedingt möglich ist, allein anhand der Gesamtübersichten der Prä- und Nachtestergebnisse Schlüsse zur Beantwortung der Forschungsfragen zu ziehen.
Um nun genauer nachvollziehen zu können, inwiefern sich die Intervention auf die Schüler:In- nen ausgewirkt hat, bedarf es einer genaueren Betrachtung der einzelnen Auswertungen der Klassenstufen. Auch die Beobachtungen während der Interventionen sollten dabei miteinbezogen werden um die gewonnen Eindrücke in Beziehung zu den Ergebnissen des ,,TEPHOBE‘‘ (Mayer 2020) setzen zu können. Zudem soll an passenden Stellen eine Reflexion der vorab gestellten Hypothesen vollzogen werden.
4.2 Vernetzte Darstellung der Ergebnisse der Erstklässler:Innen
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Auswertung der Erstklässler:Innen bei der Prätestmessung vom 29.10.2020 Schule St Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12)
Die tabellarische Übersicht der Auswertung der Prätestmessung (Tab. 2) zeigt, dass bei einer Fokussierung der T-Werte bei allen drei Erstklässler:Innen ein Förderbedarf im Bereich der phonologischen Bewusstheit vorliegt, da hier alle Gesamtwerte den Mittelwert von 40 unterschreiten und sich daher jenseits der Standardabweichung befinden. (vgl. Mayer 2020, 38) Betrachtet man die Einzelergebnisse der Subtests, so wird deutlich, dass auch hier vorwiegend eine Unterschreitung um mehr als eine Standardabweichung vorliegt. Eine Ausnahme bilden hierbei die Subtests zum Reimen und zur Phonemelision, bei denen das Testergebnis von Schüler 7 sich innerhalb der Standardabweichung befindet und somit als durchschnittlich zu werten ist. Legt man nun den Fokus auf die Prozentränge, so zeigt sich, dass auch hier bei allen Schü- ler:Innen ein unterdurchschnittliches Gesamtergebnis vorliegt, da alle Werte den Prozentrang von 16 unterschreiten. (vgl. Mayer 2020, 37) Setzt man die Prozentränge nun in Verhältnis zu den von Mayer zugeordneten Leistungsbewertungen, so liegt bei den Schüler:Innen 3 und 4 insgesamt eine sehr schwache, und bei Schüler 7 insgesamt eine deutlich unterdurchschnittliche Leistung vor. Auch bei Betrachtung der Subtestergebnisse liegen in fast allen Bereichen sehr schwache bis deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse vor. Wie bei der Fokussierung der T- Werte bilden auch hier die Subtests zum Reimen und zur Phonemelision eine Ausnahme, da Schüler 7 bei ersterem ein überdurchschnittliches und bei zweiterem ein durchschnittliches Ergebnis erreicht hat.
Im Zuge der Reflexion der bezüglich der Prätestergebnisse aufgestellten Hypothesen fällt auf, dass die Erstklässler:Innen zumeist schwächer abschnitten als ursprünglich angenommen. Beim Subtest zur Reimidentifikation erreichte ein Erstklässler wie erwartet eine mindestens durchschnittliche Leistung, die anderen beiden erreichten ein deutlich unterdurchschnittliches Ergebnis. Bei den Subtests zur Phonemidentifikation wurde von niemandem wie erwartet eine mindestens leicht unterdurchschnittliche Leistung erbracht. Bei der Anlautkategorisierung gab es zweimal eine deutlich unterdurchschnittliche und eine sehr schwache Leistung, bei der Auslautkategorisierung gab es eine deutlich unterdurchschnittliche und zwei sehr schwache Leistungen. Bei den Subtests zur Phonemmanipulation wurde von zwei Erstklässler:Innen wie erwartet ein mindestens deutlich unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt, eine Leistung war sehr schwach. Bei der Phonemumkehr wurde nur von einem Schüler wie erwartet eine mindestens deutlich unterdurchschnittliche Leistung erreicht, die anderen beiden Leistungen waren sehr schwach.
An dieser Stelle sollen nun die Beobachtungen während der Interventionen herangezogen werden, insbesondere die Einschätzung zur Angemessenheit der Aufgaben. Bei der Intervention zur Phonemmanipulation wirkten die Erstklässler:Innen in der Einstiegsphase sehr motiviert und beteiligten sich aktiv in den Erarbeitungsphasen. Die Beantwortung der Fragen nach der Veränderung des Wichtelnamens bzw. des Beispielworts ,,Roller‘‘ schien ihnen noch schwer zu fallen. In der Arbeitsphase gelang ihnen die Bearbeitung des Arbeitsblattes mit Unterstützung der Lehrkräfte. Es schien den Schüler:Innen der ersten Klasse Freude zu bereiten, sich kreativ mit der Purzelgeschichte auseinanderzusetzen, indem sie auf Basis der vorgegebenen Textelemente ihre eigenen Gedichte schrieben. Um auch ihre Ideen für das Ende festzuhalten, hatten sie die Idee, das Ende aufzumalen. (siehe Abb. 8) So hatten sie auch gleichzeitig eine weitere visuelle Stütze zum Vorstellen ihres Gedichtes. Bei der Vorstellung der Geschichte benötigte Schüler 4 Unterstützung durch die Lehrkraft und seine Mitschüler:Innen. Schüler 3, der zunächst nicht anwesend war und erst bei der Besprechung der Aufgaben zur Klasse stieß, konnte Schüler 4 hier unterstützen. Schüler 7 schien das Vorstellen seiner Geschichte leicht zu fallen, er benötigte keine Unterstützung. Insgesamt schienen die Lernaufgaben für die Erstklässler:Innen schwer zu sein, sodass sie viel Unterstützung benötigten.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: ,,Der See hat der Schere das <E> dann gegeben" (Schüler 4)
Bei der Intervention zur Onset-Reimebene war Schüler 7 nicht anwesend. Die Erstklässler:Innen 3 und 4 wirkten zunächst beide motiviert und beteiligten sich rege in der Einstiegsphase. In den Erarbeitungsphasen zeichnete sich ab, dass es Schüler 4 sehr schwer zu fallen scheint eigene Reime zu finden. Teilweise gelang es ihm aber unreine Reime wie [‘tans] und [‘tsaijs] zu finden. In der Arbeitsphase gelang ihm die Bearbeitung der Aufgaben mit Unterstützung und Motivation durch die Lehrkräfte. Insgesamt schienen die Aufgaben zu schwer für ihn zu sein. Schüler 3 schien die Bearbeitung der Aufgaben leicht zu fallen. Er arbeitete sehr zügig und selbstständig, das Schreiben schien ihm Freude zu bereiten. Bei Wörtern, die bildlich nur schwierig darzustellen sind, dachte er sich Symbole aus. (siehe Abb. 9) Beide Schüler:Innen der ersten
Klasse griffen beim Schreiben u.a. auch auf Dialektwörter wie zurück, so entstanden Reimpaare wie [gla:s] und [ha:s].27 Beim Schreiben des Klassengedichtes und beim Vorstellen der eigenen Rätsel schienen beide Schüler:Innen sehr motiviert zu sein. Sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Teil der Intervention schienen die Schüler:Innen sehr stolz auf ihre Gedichte zu sein. . Das Maß an notwendiger Unterstützung während der Intervention entsprach in etwa dem beim freien Schreiben. Dass die Schüler:Innen eine Stütze beim Schreiben hatten, schien sich positiv auf ihre Motivation auszuwirken.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: [vi:e] wird zu [hi:e] (Schüler 3)
Betrachtet man nun noch einmal die Prätestergebnisse und setzt diese in Beziehung zu den Beobachtungen wird deutlich, dass die Hypothese, dass Schüler:Innen die beim Prätest eine sehr schwache bis leicht unterdurchschnittliche Leistung erbracht haben, die Lernaufgaben schwer oder sehr schwer fallen auf die Schüler:Innen 4 und 7 zutrifft. So erreichte Schüler 4 im Prätest eine insgesamt sehr schwache Leistung und die Aufgaben der Intervention schienen ihm schwer bzw. zu schwer zu fallen. Seine Schwierigkeiten bei der Intervention zur Onset-Reim- ebene spiegeln sich auch im Protokollbogen der Testmessungen wider, hier entschied er sich beim Subtest zur Reimidentifikation häufig für ähnlich klingende Ablenkeritems.28 Auf Schüler 3 trifft die Hypothese nicht zu, er erzielte im Prätest zwar eine sehr schwache Leistung, die Aufgaben während der Intervention schienen ihm aber leicht zu fallen.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Auswertung der Erstklässler:Innen bei der Nachtestmessung vom 04.11.2020 Schule St. Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12 ) Wenn man nun die Ergebnisse des Nachtests (Tab. 3) zur Reflexion heranzieht wird deutlich, dass die Hypothese, dass Schüler:Innen, die beim Prätest eine sehr schwache bis leicht unterdurchschnittliche Leistung erbracht haben, sich insgesamt, bzw. in den gezielt geförderten Bereichen Reimidentifikation und Phonemelision um ein bis zwei Leistungsstufen verbessern teilweise zutrifft. Dies gilt insbesondere für Schüler 3, der seine Gesamtleistung von sehr schwach um eine Stufe auf deutlich unterdurchschnittlich und in den Subtests zum Reimen und zur Phonemelision von deutlich unterdurchschnittlich auf durchschnittlich verbessern konnte. Bei Schüler 4 gab es in der Gesamtleistung beim Subtest zum Reimen zwar keine Veränderung, jedoch konnte er sich beim Subtests zur Phonemelision von einer sehr schwachen Leistung um zwei Stufen auf eine leicht unterdurchschnittliche Leistung verbessern. Bezieht man nun nicht nur die den Prozenträngen zugeordneten Leistungsstufen sondern auch die T-Werte mit ein, so zeigt sich, dass die Leistung der Schüler:Innen in den Subtests in denen sie ihre Leistung verbessern konnten nun innerhalb der Standardabweichung liegen und somit nicht länger als förderbedürftig zu bewerten sind. Für das Gesamtergebnis ergaben sich beim T-Wert keine Veränderungen. In den übrigen Subtests schnitten die Erstklässler:Innen mal stärker, mal schwächer als im Prätest ab, diese Veränderungen hatten allerdings keinen Einfluss auf die Überschreitung der Standardabweichung. So konnte sich Schüler 3 bei der Anlautkategorisierung um eine Stufe verbessern, während Schüler 4 sich um eine Stufe verschlechterte. Bei der Auslautkategorisierung ergaben sich keine Veränderungen, bei der Phonemumkehr schnitt Schüler 4 gleich und Schüler 3 zwei Stufen schwächer ab.
4.3 Vernetzte Darstellung der Ergebnisse der Zweitklässler:Innen
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: Auswertung der Zweitklässler:Innen bei der Prätestmessung vom 29.10.2020 Schule St. Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12 )
Betrachtet man die tabellarische Auswertung der Zweitklässler:Innen bei der Prätestmessung (Tab. 4) und fokussiert dabei die T-Werte, so zeigt sich, dass bei der Gesamtleistung von Schüler 1, 5 und 6 kein Förderbedarf vorliegt, während bei Schüler 2 eine unterdurchschnittliche, förderbedürftige Leistung vorliegt, da der Mittelwert um mehr als eine Standardabweichung unterschritten wurde. (vgl. Mayer 2020, 38) Die Einzelergebnisse der Subtests zeigen, dass Schüler 1, 5 und 6 in jeweils 3 von 5 Subtests ein durchschnittliches Ergebnis erzielen konnten, Schüler 2 gelang dies in 2 der 5 Subtests. Während beim Subtest zur Phonemumkehr bei allen Zweitklässler:Innen ein unterdurchschnittliches Ergebnis vorliegt, scheinen die Stärken und Schwächen in den anderen Bereichen sehr individuell ausgeprägt zu sein. Fokussiert man nun die Prozentränge, so liegen bei Schüler 1 und 5 insgesamt durchschnittliche Leistungen, bei Schüler 2 eine deutlich unterdurchschnittliche Leistung und bei Schüler 6 leicht unterdurchschnittliche Leistung vor. Zu den Ergebnissen von Schüler 6 ist hier anzumerken, dass er die Teilnahme an der Prätestmessung aus motivationalen Gründen unterbrochen, und die unbearbeiteten Items in der Pause nachgearbeitet hat. Da die nachgearbeiteten Items somit unter Einzel- statt Gruppentestbedingungen erfasst worden sind, wurden für die Auswertung lediglich die unter Gruppentestbedingungen bearbeiteten Items berücksichtigt. Die in Klammern eingefügten Werte, zeigen die Ergebnisse unter Einbezug der unter anderen Bedingungen erfassten Items. Es liegt daher nahe, dass die Gesamtleistung von Schüler 6 ohne Unterbrechung der
Bearbeitung als durchschnittlich statt leicht unterdurchschnittlich zu bewerten wäre. Der Blick auf die Subtestergebnisse, bestätigt die bereits bei der Fokussierung der T-Werte wahrgenommene, individuelle Verteilung der Stärken und Schwächen. Eine Ausnahme bildet hierbei der Subtest zur Phonemelision, hier wurde von allen Zweitklässler:Innen eine deutlich unterdurchschnittliche Leistung erreicht. Betrachtet man die Auswertung der restlichen Subtests nun im Einzelnen so kommt man zu folgendem Ergebnis: Im Subtest zum Reimen erzielten Schüler 5 und 6 eine überdurchschnittliche Leistung, Schüler 1 eine durchschnittliche Leistung und Schüler 2 eine deutlich unterdurchschnittliche Leistung. Bei der Anlautkategorisierung kamen Schüler 5 und 6 zu einer durchschnittlichen, Schüler 1 und 2 zu einer deutlich unterdurchschnittlichen Leistung. Im Subtest zur Auslautkategorisierung erreichte Schüler 5 eine überdurchschnittliche, Schüler 1 eine durchschnittliche, Schüler 2 eine leicht unterdurchschnittliche und Schüler 6 eine sehr schwache Leistung. Unter Einbezug der nachträglich bearbeiteten Items läge hier bei Schüler 6 eine überdurchschnittliche Leistung vor. Beim Subtest zur Phonemelision erzielten Schüler 1 und 6 eine durchschnittliche, Schüler 2 eine leicht unterdurchschnittliche und Schüler 5eine sehr schwache Leistung. Bezieht man hier die nachträglich eingetragenen Items ein, so läge die Leistung von Schüler 6 im überdurchschnittlichen Bereich.
Reflektiert man nun die bezüglich der Prätestergebnisse aufgestellten Hypothesen, so zeigt sich, dass die Zweitklässler:Innen teilweise schwächer abschnitten als ursprünglich erwartet. Beim Subtest zur Reimidentifikation erreichten drei Zweitklässler:Innen wie erwartet eine mindestens durchschnittliche Leistung, ein Ergebnis war deutlich unterdurchschnittlich. Bei den Subtests zur Phonemidentifikation zeigten je zwei Zweitklässler:Innen wie erwartet eine mindestens durchschnittliche Leistung. Bei der Anlautkategorisierung zeigten die anderen Zweitkläss- ler:Innen eine deutlich unterdurchschnittliche Leistung, bei der Auslautkategorisierung eine leicht unterdurchschnittliche bzw. sehr schwache Leistung. Bei Einbezug der nachträglich eingetragenen Items bei Schüler 6 würden beim Subtest zur Auslautkategorisierung drei mindestens durchschnittliche Leistungen vorliegen. Bei den Subtests zur Phonemmanipulation zeigten bei der Phonemelision drei Zweitklässler:Innen wie erwartet eine mindestens leicht unterdurchschnittliche Leistung, ein Ergebnis war sehr schwach. Bei der Phonemumkehr erreichte niemand wie erwartet eine mindestens leicht unterdurchschnittliche Leistung, alle Ergebnisse waren deutlich unterdurchschnittlich.
An dieser Stelle sollen die Beobachtungen während der Interventionen Erwähnung finden. Schüler 6 war beim ersten Teil der Intervention nicht anwesend. Im Interventionsteil zur Phonemmanipulation wirkten die Zweitklässler:Innen aktiv in der Einstiegsphase mit und schienen sehr motiviert zu sein. Auch in den Erarbeitungsphasen beteiligten sie sich rege bei der Beantwortung der Fragen und dem Schreiben der Rollergeschichte. Schüler 2 schien es noch schwer zu fallen die Fragen nach dem veränderten Namen des Wichtels bzw. des Rollers zu beantworten. Die Bearbeitung der Aufgaben in der Arbeitsphase schien Schüler 1 leicht zu fallen, er arbeitete sehr zügig, benötigte aber z.T. Motivation durch die Lehrkräfte. Am Ende der Arbeitsphase gelang es ihm Schüler 2 bei der Formulierung des Schlusssatzes zu helfen. Für Schüler 5 schienen die Aufgaben angemessen zu sein, da er zwar langsam arbeitete, die Bearbeitung ihm aber ohne jegliche Unterstützung durch die Lehrkräfte gelang. Schüler 2 benötigte bei der Bearbeitung der Aufgaben viel Unterstützung durch die Lehrkräfte. In der Sicherungsphase wirkten alle Zweitklässler:Innen sehr motiviert, es schien ihnen Freude zu bereiten der Klasse ihre selbstgeschriebenen Gedichte vorzustellen. Schüler 1 und 5 schien dies leicht zu fallen, Schüler 2 benötigte Unterstützung durch die Lehrkraft. Insgesamt schienen die Aufgaben für Schüler 1 leicht, für Schüler 2 schwer und für Schüler 5 angemessen zu sein.
Beim Interventionsteil zur Onset-Reimebene war Schüler 5 nicht anwesend. In der Einstiegsphase wirkten die Zweitklässler sehr aktiv und motiviert, die Beantwortung der Fragen schien ihnen leicht zu fallen. In den Erarbeitungsphasen schien das Finden von Reimwörtern Schüler 1 und 6 leicht zu fallen. Für Schüler 2 schien das Finden von Reimwörtern in der Erarbeitungsphase I zunächst schwer zu fallen, im zweiten Teil der Erarbeitungsphase gelang es ihm. In der Arbeitsphase arbeiteten Schüler 1 und 2 sehr zügig, die Aufgaben schienen ihnen leicht zu fallen. Schüler 2 benötigte beim Aufschreiben der Reimpaare Unterstützung durch die Lehrkräfte, das Finden der Paare gelang ihr aber selbstständig. Dass Schreiben der Gedichte schien den Zweitklässler:Innen Freude zu bereiten. Auch beim Schreiben des Klassengedichtes schienen sie sehr motiviert zu sein. Beim Vorstellen ihrer eigenen Gedichte wirkten sie sehr stolz. Insgesamt schienen die Aufgaben für die Zweitklässler:Innen angemessen zu sein. Im Vergleich zum freien Schreiben schienen die Zweitklässler:Innen zügiger und selbstständiger arbeiten zu können. Wie auch bei den Erstklässler:Innen schien es sich positiv auf die Motivation der Zweitklässler:Innen auszuwirken, dass sie sich an vorgegebenen Textbausteinen orientieren konnten.
Reflektiert man nun die zur Intervention aufgestellten Hypothesen so zeigt sich, dass die Annahme, dass die Aufgaben für Schüler:Innen, die beim Prätest eine insgesamt durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung erbracht haben angemessen, leicht oder zu leicht sind bestätigt hat. Hier hatten Schüler 1 und 5 im Prätest ein durchschnittliches Gesamtergebnis erreicht, für Schüler 1 waren die Aufgaben leicht bzw. angemessen und für Schüler 5 angemessen. Die Hypothese, dass die Aufgaben für Schüler:Innen die beim Prätest insgesamt eine sehr schwache bis leicht unterdurchschnittliche Leistung erbracht haben schwer oder zu schwer sind trifft nur teilweise zu. So etwa schnitt Schüler 2 beim Prätest insgesamt deutlich unterdurchschnittlich ab, die Aufgaben schienen ihm im ersten Interventionsteil schwer zu fallen, im zweiten Teil schienen sie aber angemessen zu sein. Auf Schüler 6 trifft die Hypothese nicht zu, da er zwar ein leicht unterdurchschnittliches Ergebnis erzielte, die Aufgaben ihm aber leicht zu fallen schienen. Dass die Annahme auf Schüler 6 gar nicht zuzutreffen scheint, könnte daran liegen, dass die unter anderen Bedingungen bearbeiteten Items in der Auswertung nicht mitberücksichtigt wurden. Bei einer Berücksichtigung dieser Items hätte Schüler 6 ein insgesamt durchschnittliches Ergebnis erzielt, womit die Hypothese, dass die Aufgaben für Schüler:Innen, die beim Prätest eine insgesamt durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung erbracht haben angemessen, leicht oder zu leicht sind, zutreffen würde.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 5: Auswertung der Zweitklässler:Innen bei der Nachtestmessung vom 04.11.2020 Schule St. Rafael Altleiningen (Eigene Darstellung nach Mayer 2017, 12)
Wenn man nun die Ergebnisse des Nachtests (Tab. 5) heranzieht und diese mit den Prätestergebnissen vergleicht wird deutlich, dass die Hypothese, dass Schüler:Innen die beim Prätest eine insgesamt durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung erbracht haben, auch im Nachtest eine durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung erreichen nicht zuzutreffen scheint. Hier hat Schüler 1 der im Prätest noch eine durchschnittliche Gesamtleistung erzielte leicht unterdurchschnittlich, also um eine Stufe schwächer, abgeschnitten. Bei den Subtests zum Reimen und zur Phonemelision blieb seine Leistung gleich, bei der Anlautkategorisierung und der Phonemumkehr stieg sie um eine Stufe an und bei der Auslautkategorisierung stieg sie um eine Stufe ab. Die Hypothese, dass Schüler:Innen die beim Prätest eine sehr schwache bis leicht unterdurchschnittliche Leistung erbracht haben, sich insgesamt, bzw. in den gezielt geförderten Bereichen Reimidentifikation und Phonemelision um ein bis zwei Leistungsstufen verbessern scheint bei den Zweitklässler:Innen nicht zuzutreffen. Vielmehr scheint sich hier teilweise eine gegenläufige Entwicklung abzuzeichnen. Betrachtet man die Subtestergebnisse, so sieht es auf den ersten Blick so aus, als hätten Schüler 2 und 6 wie die Erstklässler:Innen beim Nachtest mal stärker und mal schwächer als beim Prätest abgeschnitten. Bezieht man jedoch auch die T-Werte mit ein wird deutlich, dass es im Vergleich zum Prätest nun mehr Überschreitungen der Standardabweichung gibt. Dies u.a. trifft bei beiden Schüler:Innen auf den Subtest zur Phonemelision zu. Beim Subtest zum Reimen, blieb das Ergebnis von Schüler 6 unverändert, Schüler 2 konnte sich von einer deutlich unterdurchschnittlichen Leistung um eine Stufe auf eine leicht unterdurchschnittliche Leistung verbessern, wodurch sein Ergebnis nun innerhalb der Standardabweichung liegt. Beim Subtest zur Auslautkategorisierung schnitt Schüler 2 dagegen um eine Stufe schwächer ab, sodass sein Ergebnis nun nicht mehr innerhalb der Standardabweichung liegt, die Leistung von Schüler 6 stieg um eine Stufe an. Bei den übrigen Subtests ergaben sich bei beiden Schüler:Innen keine Veränderungen bzgl. der Standardabweichung. Hier schnitten sie etwa beim Subtest zur Auslautkategorisierung auf der gleichen Leistungsstufe ab. Bei der Phonemumkehr schnitt Schüler 2 um eine Stufe schwächer und Schüler 6 genauso wie beim Prätest ab. Für die Gesamtergebnisse der Zweitklässler:Innen ergaben sich hinsichtlich der Standardabweichung im Vergleich zur Prätestmessung keine Veränderungen.
5 Fazit
In der Reflexion in der vernetzten Darstellung wurden die Ergebnisse bzgl. der Hypothesen beschrieben, dokumentiert, analysiert, interpretiert, bewertet und beurteilt. (vgl. Bräuer 2016, 28) Im Folgenden soll nun eine Reflexion der Gesamtergebnisse auf der Analyse-, Interpreta- tions-, Bewertungs-, Beurteilungs- und Planungsebene erfolgen. (vgl. ebd.)
Bei der Prätestmessung schnitten die Schüler:Innen insgesamt schwächer ab als vorab angenommen, in Relation mit den Ergebnissen der PISA-Studie könnte dies eine Folge des ungünstigen sozialen Hintergrundes der Teilnehmenden sein. (vgl. OECD 2019, 5) Das im Anliegen der Studie angenommene erhöhte Förderbedarfsrisiko der Schüler:Innen konnte also für die vorliegende Studie bestätigt werden.
Hinsichtlich meiner ersten Forschungsfrage, inwiefern sich eine kurzfristige Intervention zum generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit auswirkt lässt sich festhalten, dass sich bei den Zweitklässler:Innen nur geringfügige Veränderungen zeigten, während die Erstklässler:Innen besonders von der Intervention profitierten. So konnten sie sich sowohl bei den Ergebnissen der Subtests als auch im Gesamtergebnis um bis zu zwei Leistungsstufen verbessern. Da sowohl bei den Erstklässler:Innen als auch bei den Zweitklässler:Innen mindestens ein Schüler nur an einer der beiden Interventionsteile teilgenommen hat, scheint dieser Effekt unabhängig von der Anzahl der besuchten Interventionsstunden aufzutreten. In den Messungen haben nicht nur die Erstklässler:Innen sondern auch ein Zweitklässler eine unterdurchschnittliche Gesamtleistung mit mehr als einer Standardabweichung vom Mittelwert erreicht. Die Hypothese, dass insbesondere Schüler:Innen mit schwächeren Prätestleistungen von der Intervention profitieren trifft hier also lediglich bei den Erstklässler:Innen zu. Warum der Zweitklässler weniger von der Intervention profitiert hat als die Erstklässler:Innen kann nicht abschließend geklärt werden. Einerseits könnte die Fähigkeit zur mündlichen Tradition des Zweitklässlers aufgrund seines vergleichsweise fortgeschrittenen Schriftspracherwerbes im Vergleich zu den Erstklässler:Innen bereits weniger gut entwickelt sein, wie dies bei Erwachsenen der Fall ist. (vgl. Belke 2008, 240) Andererseits könnte dieser Umstand zeigen, dass das generative Schreiben Individuen unterschiedlich anspricht, sodass sie verschieden stark von der Intervention profitieren. Bezüglich der weiteren Förderung -insbesondere des Zweitklässlers- sollten daher auch andere Förderkonzepte in Betracht gezogen werden. Zudem wäre es interessant zu untersuchen unter welchen Bedingungen die Förderung mit dem generativen Schreiben besonders effektiv ist, wobei dies analog zu der Frage nach dem guten Unterricht wohl zu einer Liste von Merkmalen führen würde, die jedoch nie komplett umgesetzt werden kann. (vgl. Helmke 2007) Eine weitere mögliche Ursache für das unterschiedliche Profitieren der Schü- ler:Innen könnte im Material der Intervention zu finden sein, da für beide Klassenstufen eine eigene Version des Arbeitsblattes konzipiert wurde. Um die Ergebnisse besser vergleichen zu können, wäre einheitliches Material also durchaus sinnvoll gewesen. Im Nachhinein zu kritisieren ist auch, dass beim Erstellen der Arbeitsblätter z.T. nicht auf die Auslassung von Artikeln geachtet wurde, wodurch sich die Schüler:Innen dazu gezwungen fühlen könnten, Wörter mit dem vorgegebenen Genus aufzuschreiben. Außerdem könnte es beim Aufschreiben von Wörtern mit anderem Genus zu fehlerhaften Texten kommen, da der vorgegebene Artikel in diesem Fall eine unpassende Genus-Markierung aufweisen würde. Zudem wäre ein größerer Eigenanteil der Schüler:Innen beim generativen Schreiben wünschenswert gewesen, jedoch mussten die Lernaufgaben auch den individuellen Voraussetzungen der Schüler:Innen entsprechen.
Bezüglich meiner zweiten Forschungsfrage, inwiefern die Schüler:Innen beim generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit zurückgreifen können kann ausgesagt werden, dass die Hypothese, dass die Lernaufgaben der Intervention für Schüler:Innen die beim Prätest eine mindestens durchschnittliche Leistung erzielten angemessen, leicht oder zu leicht sind zutrifft. Die Hypothese, dass die Lernaufgaben der Intervention für Schüler:Innen die beim Prätest ein höchstens leicht unterdurchschnittliches Ergebnis erzielten schwer oder zu schwer sind, trifft nur zum Teil zu. Sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitklässler:Innen waren die Lernaufgaben mindestens eines Interventionsteils trotz unterdurchschnittlicher Leistungen angemessen. Dies könnte einerseits als Hinweis auf erste Effekte der Intervention interpretiert werden. Andererseits könnte es aber auch darauf hinweisen, dass die Schüler:Innen beim generativen Schreiben auf ihre phonologischen Ressourcen zurückgreifen können, auch wenn ihre Fähigkeiten in einigen Bereichen noch nicht voll entfaltet sind.
Während das Maß an notwendiger Unterstützung bei den Erstklässlern in etwa dem beim freien Schreiben entsprach, schienen die Zweitklässler:Innen im Vergleich zum freien Schreiben zügiger und selbstständiger zu arbeiten. Begründet werden kann dieser Umstand mit dem vergleichsweise fortgeschrittenen Schriftspracherwerb der Zweitklässler:Innen.
Das Schreiben der eigenen Gedichte stellte für die Schüler:Innen ein Erfolgserlebnis dar, sie waren sehr stolz auf ihre Ergebnisse. Dabei war es weitestgehend unerheblich, ob den Schü- ler:Innen die Lernaufgaben schwer oder leicht fielen. Dies bestätigt Belkes These, dass das Verfassen grammatikalisch und orthographisch korrekter Texte anhand von vorgegebenen ästhetischen Textmustern einen motivierenden Charakter für die Schüler:Innen hat. (vgl. Belke 2020b, 10; 12f) Um diese Motivation weiter zu steigern, verweist Belke auf die Möglichkeit den ,,[...] Übungstexte[n] [...] eine kommunikative Funktion auch außerhalb des Sprachunterrichts“ (Belke 2020b, 13) zu verleihen. Dazu können die Texte der Schülerinnen ,,[...] in persönlichen Liederbüchern, Klassenzeitungen, Geschichtsbüchern u.ä.m. [.]‘‘ (Belke 2020b, 13) gesammelt werden. Im Falle der vorliegenden Intervention wurde das Klassengedicht aus dem zweiten Gedicht von der Versuchsleiterin mit passenden Vektorgrafiken gestaltet und ausgedruckt. In einem weiteren Schritt könnte also die Sammlung mehrerer Schüler:Innen- und Klassentexte erfolgen. Um die bei Schüler:Innen mit sozial-emotionalem Förderschwerpunkt i.d.R. eingeschränkte Gruppenfähigkeit (vgl. MBWW 1999, 8) zu fördern, bieten sich in diesem Kontext vor allem klassenübergreifende Sammlungen an.
Auch wenn die Studie zeigte, dass die Schüler:Innen sehr unterschiedlich und z.T. gar nicht von der Förderung mit dem generativen Schreiben profitierten, konnten interessante Ergebnisse beobachtet werden. Für die weitere Forschung wären zum einen Follow-up-Messungen zur Messung der Nachhaltigkeit und verzögerter Interventionseffekte der kurzfristigen Intervention interessant (vgl. Felbrich u.a. 2012, 161). Zum anderen wäre auch die Durchführung von Trainingsstudien von Interesse, (vgl. Schnitzler 2008, 55) um zu untersuchen, inwiefern sich langfristige Interventionen zum generativen Schreiben auf die phonologische Bewusstheit auswirken.
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Anhang
Protokollbogen von Schüler 429
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Verlaufsplan mit Skript zum ersten Teil der Intervention
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Materialien und Beispiele zum ersten Teil der Intervention30
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Verlaufsplan mit Skript zum zweiten Teil der Intervention
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Materialien und Beispiele zum zweiten Teil der Intervention31
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Siehe Kap. 2.2 Seite 20.
2 Siehe Kap. 2.2.3 Seite 27-31.
3 Siehe Kap. 2.1.1 Seite 10.
4 Siehe Kap. 2.2 Seite 22.
5 Siehe Anhang Seite 83.
6 Siehe Kap. 3.3 Seite 44.
7 siehe Anhang Seite 19.
8 siehe Anhang Seite 72-75; 78-79.
9 Siehe Anhang Seite 70ff.
10 Siehe Kap. 4.1-4.3 Seite 53-62.
11 Siehe Kap. 4.2-4.3 Seite 55-62.
12 Siehe Anhang Seite 76ff; 80-83.
13 Siehe Kap. 4.2 Seite 56; Kap. 4.3, Seite 60.
14 Siehe Kap. 3.5.2 Seite 45-50
15 Siehe Anhang Seite 83.
16 Siehe Kap. 3.3 Seite 44.
17 Siehe Anhang Seite 72-75; 78-79.
18 siehe Anhang Seite 19.
19 siehe Anhang Seite 72-75; 78-79.
20 siehe Anhang Seite 76ff.
21 Siehe Anhang Seite 80ff.
22 Siehe Anhang Seite 83.
23 Siehe Anhang Seite 70ff.
24 Siehe Kap. 4.1-4.3 Seite 53-62.
25 Siehe Kap. 4.2-4.3 Seite 55-62.
26 Siehe Kapitel 4 Seite 9.
27 Siehe Anhang Seite 81.
28 Siehe Anhang Seite 70ff.
29 Der Protokollbogen wurde in Anlehnung an Mayer (2017, 8f; 12) erstellt.
30 Enthalten sind zwei bearbeitete Arbeitsblätter zum ersten Teil der Intervention. Alle enthaltenen Bilder und Vektorengrafiken wurden aus den Word-Vektoren bzw. der Plattform colourbox entnommen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Fokus dieses Dokuments?
Dieses Dokument ist eine Sprachvorschau, die einen Titel, ein Inhaltsverzeichnis, Ziele und Hauptthemen, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter enthält. Es analysiert die phonologische Bewusstheit als Ressource im Schriftspracherwerb, insbesondere im Kontext des generativen Schreibens.
Was sind die Hauptabschnitte des Dokuments?
Das Dokument gliedert sich in folgende Hauptabschnitte: Inhaltsverzeichnis, Abbildungsverzeichnis, Tabellenverzeichnis, Einleitung, Begriffsbestimmung (Schriftspracherwerb, phonologische Bewusstheit, Generatives Schreiben), Praktischer Teil (Anliegen der Studie, Hypothesen, Methodisches Design, Durchführungshinweise, Bewertungssystem, Beobachtungsbogen), Ergebnisse, Fazit, Literaturverzeichnis und Anhang.
Welche Themen werden im Abschnitt "Begriffsbestimmung" behandelt?
Der Abschnitt "Begriffsbestimmung" definiert und erläutert die Begriffe Schriftspracherwerb (mit Unterpunkten zu Schriftspracherwerbsmodellen und Leselehrverfahren), phonologische Bewusstheit (mit Unterpunkten zur Zweidimensionalität, Entwicklung und Beziehung zum Schriftspracherwerb) und das generative Schreiben (mit einem Unterpunkt zum Potential poetischer Texte).
Was ist das Anliegen des praktischen Teils der Studie?
Der praktische Teil der Studie untersucht, inwiefern sich eine kurzfristige Intervention zum generativen Schreiben auf die phonologische Bewusstheit auswirkt und inwiefern Schüler:Innen beim generativen Schreiben auf die Ressource der phonologischen Bewusstheit zurückgreifen können. Es wird auch untersucht, inwieweit sich das generative Schreiben auf die Motivation und Selbstständigkeit der Schüler:Innen auswirkt.
Welche Hypothesen werden in der Studie aufgestellt?
Die Studie formuliert Hypothesen bezüglich der Leistungen der Schüler:Innen in verschiedenen Subtests zur phonologischen Bewusstheit (Reimidentifikation, Phonemidentifikation, Phonemmanipulation), der Angemessenheit der Lernaufgaben für verschiedene Leistungsniveaus und der Veränderungen der Leistungen nach der Intervention.
Welches methodische Design wurde für die Studie verwendet?
Es wurde ein quasi-experimentelles Feldstudiendesign ohne Kontrollgruppe verwendet. Die phonologische Bewusstheit wurde mit dem "Test zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit (TEPHOBE)" vor und nach der Intervention gemessen.
Was ist das generative Schreiben, und wie wird es in dieser Studie eingesetzt?
Das generative Schreiben ist eine Methode, bei der Schüler:Innen eigene Texte auf der Basis poetischer Texte produzieren, indem sie Teile des Originaltextes übernehmen und mit eigenen Inhalten füllen. In dieser Studie wird es als Intervention zur Förderung der phonologischen Bewusstheit eingesetzt.
Welche Gedichte wurden in der Intervention verwendet?
Die Gedichte "Die Purzelgeschichte" und "Sagt wer kann die Pfaffen" wurden in der Intervention verwendet.
Welche Ergebnisse wurden in der Studie erzielt?
Die Studie zeigte, dass die Erstklässler:Innen besonders von der Intervention profitierten, während die Zweitklässler:Innen nur geringfügige Verbesserungen erzielten. Die Aufgaben wurden für Schüler:Innen mit höherem Ausgangsniveau als angemessen bewertet. Schüler:Innen mit einer durchschnittlichen bis ausgezeichneten Leistung, erreichen auch im Nachtest eine durchschnittliche bis ausgezeichnete Leistung wurde nicht bestätigt, die Schüler haben unterschiedlich abgeschnitten. Es wird geschlossen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund, dem Förderbedarf sowie den Fähigkeiten und der Entwicklung der Schüler:Innen besteht.
Welche Materialien sind im Anhang der Arbeit enthalten?
Der Anhang enthält unter anderem den Protokollbogen eines Schülers, Verlaufspläne mit Skripten zu den Interventionen, Materialien und Beispiele zu den Interventionen.
- Citar trabajo
- Jana Beyer (Autor), 2020, Phonologische Bewusstheit als Ressource im Schriftspracherwerb. Erprobung zur Eignung des Generativen Schreibens als Förderkonzept zur Prävention von Leserechtschreibschwächen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1496199