Wir leben in einer sich schnell und stetig wandelnden sozialen Welt, deren
Wahrnehmung für den Einzelnen individuell und subjektiv ist. Die Welt, die den
einzelnen Menschen umgibt und prägt, wird durch die wechselseitige Kommunikation
und Interaktion mit anderen Menschen bedingt. Jedes Individuum nimmt Situationen,
Momente und Handlungen aus den unterschiedlichsten Perspektiven wahr, wobei die
Wahrnehmung von Situationen und den Handlungen aller beteiligten Personen
primär von dem jeweiligen individuellen Standpunkt aus erfolgt. Zudem erfährt sich
das Individuum während der Interaktion und Kommunikation als solches indirekt
selbst und das auch durch Reaktionen auf eigene Handlungen von dem Standpunkt
anderer Individuen aus. In der Regel gehören die Interaktionspartner entweder der
gleichen sozialen Gruppe an oder vertreten den generalisierten Standpunkt der
gesamten Gruppe, die für die jeweilige Person von Relevanz ist. Die soziale
Bedeutung, die einer Person zugeschrieben wird, ist situationsbedingt von Person zu
Person in den sozialen Gruppierungen unterschiedlich. Abhängig von den
eingenommenen Positionen, Funktionen und Abhängigkeitsverhältnissen spalten
sich Individuen für den jeweiligen Bekanntenkreis beziehungsweise für die jeweiligen
Konstellation der Interaktionspartner in unterschiedliche Formen der eigenen Identität
auf. Insofern wird zum Beispiel mit dem einen über Politik diskutiert, mit dem anderen
über alltägliche Gegebenheiten und mit anderen wiederum über ganz private
Angelegenheiten. Während dieser kommunikativen Interaktion versuchen die
beteiligten Personen sich gemäß der Erwartungen, Einstellungen und der Nähe zu
der anderen Person von der besten Seite zu zeigen. Handlungen und
Verhaltensweisen werden somit danach ausgerichtet, wie nah oder distanziert eine
Person zu seinem Interaktionspartner steht, welche Bedeutung dieser für ihn
einnimmt, ob das Verhältnis privater oder beruflich-öffentlicher Natur ist etc.. Die
unterschiedlichen Varianten der Identitäten einer Person entstehen in diesem Sinne
aus den verschiedenen sozialen Reaktionen der Interaktionspartner heraus. Durch
die Erfahrungen, die im Verlauf der sozialen Prozesse gemacht werden, kann
während unterschiedlichen Interaktionen eine jeweils entsprechende, bewusste
elementare Identität entwickelt werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Theoretischer Hintergrund
1.1. Symbolischen Interaktionismus
1.2. Drei Pramissen und zwei Paradigmen
II. Konstitution dersozialen Identitat nach George H. Mead
2.1. Symbole, Rollen und Kommunikation
2.2. Selbstbewusstsein, Identitatsbewusstsein und Identitat
2.3. Entwicklung des Selbstbewusstseins und der Identitat
2.4. ME, (my)Self and I
Schluftbetrachtung
Literatur
Einleitung
Wir leben in einer sich schnell und stetig wandelnden sozialen Welt, deren Wahrnehmung fur den Einzelnen individuell und subjektiv ist. Die Welt, die den einzelnen Menschen umgibt und pragt, wird durch die wechselseitige Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen bedingt. Jedes Individuum nimmt Situationen, Momente und Handlungen aus den unterschiedlichsten Perspektiven wahr, wobei die Wahrnehmung von Situationen und den Handlungen aller beteiligten Personen primar von dem jeweiligen individuellen Standpunkt aus erfolgt. Zudem erfahrt sich das Individuum wahrend der Interaktion und Kommunikation als solches indirekt selbst und das auch durch Reaktionen auf eigene Handlungen von dem Standpunkt anderer Individuen aus. In der Regel gehoren die Interaktionspartner entweder der gleichen sozialen Gruppe an oder vertreten den generalisierten Standpunkt der gesamten Gruppe, die fur die jeweilige Person von Relevanz ist. Die soziale Bedeutung, die einer Person zugeschrieben wird, ist situationsbedingt von Person zu Person in den sozialen Gruppierungen unterschiedlich. Abhangig von den eingenommenen Positionen, Funktionen und Abhangigkeitsverhaltnissen spalten sich Individuen fur den jeweiligen Bekanntenkreis beziehungsweise fur die jeweiligen Konstellation der Interaktionspartner in unterschiedliche Formen der eigenen Identitat auf. Insofern wird zum Beispiel mit dem einen uber Politik diskutiert, mit dem anderen uber alltagliche Gegebenheiten und mit anderen wiederum uber ganz private Angelegenheiten. Wahrend dieser kommunikativen Interaktion versuchen die beteiligten Personen sich gemaR der Erwartungen, Einstellungen und der Nahe zu der anderen Person von der besten Seite zu zeigen. Handlungen und Verhaltensweisen werden somit danach ausgerichtet, wie nah oder distanziert eine Person zu seinem Interaktionspartner steht, welche Bedeutung dieser fur ihn einnimmt, ob das Verhaltnis privater oder beruflich-offentlicher Natur ist etc.. Die unterschiedlichen Varianten der Identitaten einer Person entstehen in diesem Sinne aus den verschiedenen sozialen Reaktionen der Interaktionspartner heraus. Durch die Erfahrungen, die im Verlauf der sozialen Prozesse gemacht werden, kann wahrend unterschiedlichen Interaktionen eine jeweils entsprechende, bewusste elementare Identitat entwickelt werden. In Folge der Einflusse, Erfahrungen und Emotionen, die jede einzelne Identitat, wahrend den unterschiedlichen gesellschaftlichen Interaktionskonstellationen erfahrt, konstruiert sich im positiven wie im negativen Sinne die Kernidentitat eines Individuums. Im Prinzip kann jedes Individuum als eine multiple Personlichkeit1, das heiRt mit multiplen Identitaten, bezeichnet werden. Dieses beruht, auf der Annahme, dass jede Person, abhangig von den ihn umgebenden Gesellschaftsgruppen, situations-, personen- und interessenbedingt unterschiedliche Identitaten reprasentiert.
Vor diesem Hintergrund betrachtet geht die vorliegende Arbeit der Fragestellung nach: „Wie konstituiert sich die Identitat von Individuen in der Gesellschaft?“ Zur Beantwortung orientiere ich mich an der sozialpsychologischen Perspektive nach George H. Mead. Um den Hintergrund zu erfassen, wird eingangs der von George H. Mead gepragte Symbolische Interaktionismus beschrieben und H. Blumer angefuhrt. Vollstandigkeitshalber werden die drei Pramissen und die zwei Paradigmen, die H. Blumer entwarf, ebenfalls in kurzer Form vorgestellt. Aufgrund der mikrosoziologischen Betrachtungsweise erfolgt in Anlehnung an George H. Mead eine abstrakte Beschreibung dessen, wie sich ein Individuum in Identitat und Personlichkeit durch gesellschaftliche, kommunikative Interaktionen konstituiert und welche individuelle Identitatsleistung von dem Einzelnen in der Gesellschaft erbracht werden muss, um fur sich sagen zu konnen: „Das bin ICH, das ist meine Identitat“. Anknupfend daran werden, von George H. Meads Perspektive ausgehend, elementare Bereiche der Identitatsbildung prasentiert und beschrieben, welche Rolle Symbole und Kommunikation fur die Konstitution der Identitat eines Individuums in der Gesellschaft spielen.
I. Theoretischer Hintergrund
1.1. „Symbolischen Interaktionismus“
Der Ansatz des Symbolischen Interaktionismus der soziologischen Mikrotheorie basiert auf der sozialpsychologischen Perspektive, ausgehend von George H. Meads Arbeiten zu der Theorie der symbolvermittelten Kommunikation. Die Theorie des sozialen Pragmatismus durchdringt den Ansatz des Symbolischen Interaktionismus. Es wird davon ausgegangen wird, dass menschliches Verhalten durch interpretative Kommunikation wahrend der Interaktion zwischen Personen in konkreten sozialen Situationen geformt wird und aus der interaktiven Situation heraus zu erklaren ist. Nach George H. Mead stellt die Gesellschaft eine intersubjektive Welt geteilter Bedeutungen und Sinnzuschreibungen dar, wodurch die Gesellschaft ihre Stabilitat und ihren Charakter erhalt. Es wird davon ausgegangen, dass Menschen in zweierlei Umwelten leben, namlich der naturlichen und der symbolisch vermittelten. Die Sprache und Symbole wie Zeichen, Laute, Verhaltensweisen etc. sind innerhalb von Kulturen allgemein bekannt und werden in der Regel von allen Gesellschaftsmitgliedern gleich verstanden und angewendet. Symbole sind im Symbolischen Interaktionismus allgemeingultige Zeichen, auf die sich eine Gemeinschaft geeinigt hat und durch die es dem agierenden Individuum ermoglicht wird, eine Situation, Reaktion oder Interaktion des oder der Anderen zu interpretieren und einzuschatzen, Handlungen zu kontrollieren, zu orientieren, anzupassen und auszurichten. In Anbetracht dessen beruht jede Form der Interaktion zwischen Individuen auf dem kommunikativen Austausch von Symbolen. Aufgrund der allgemeingultigen Zeichen und Symbole, die wahrend des Kommunikationsprozesses vermittelt werden, erhalt der Agierende eine Orientierung fur sein weiteres Verhalten und die Moglichkeit, soziale Situationen richtig zu deuten und zu interpretieren. Durch Kommunikation entsteht die Basis zu kollektivem Handeln nach bestimmten Mustern, die sich gedanklich verfestigen und zu Verhaltenserwartungen in kommenden Situationen werden. Dieses beinhaltet, dass das handelnde Individuum mittels wechselseitiger Kommunikation, im Sinne der Verstandigung mit und durch signifikanten Symbole, mit mindestens einem anderen Individuum der Gesellschaft oder Gemeinschaftsgruppe, sich in seiner Identitat regelmaRig neu kreiert, bestatigt, modifiziert oder wieder verwirft. Es kann gesagt werden, dass durch den Symbolischen Interaktionismus die Kreation sozialer Realitat durch die Interaktion von zwei oder mehreren Personen beschrieben wird, wodurch sich die jeweiligen Identitaten der Interaktionspartner konstituieren. Die Konstruktion erfolgt in einem wechselseitigen Zusammenspiel von Individuen durch verbale und nonverbale Kommunikation, Symbole, Mimik und Gesten. Von dieser Perspektive ausgehend beschaftigte sich George H. Mead mit der Frage, wie die menschliche Identitat konstituiert wird und welchen Einfluss die Gesellschaft, das Denken, Einstellungen und Empfindungen des einzelnen Menschen, namlich der Interaktionspartner, auf die Identitatsentwicklung haben. Ausgangspunkt der Uberlegung war, dass sich ein GroRteil des menschlichen Verhaltens nicht allein durch objektive Gegebenheiten einer Situation bestimmt, sondern auch durch Situationsdefinition und -interpretation und der Bedeutungszuschreibung fur die jeweils wahrgenommene Situation. Im Fokus des Interesses liegt die subjektive Interpretation wie auch die unmittelbare Interaktion zwischen Individuen. Das Konstrukt individueller und kollektiver sozialer Handlungen erfolgt in diesem Zusammenhang durch einen Prozess, in dem die Handelnden wechselseitig die ihnen begegnenden Situationen wahrnehmen, interpretieren und einschatzen. Somit entstehen Bedeutungen aus der sozialen Interaktion heraus und wirken „pragend und lenkend auf das Individuum zuruck, wodurch dieses sich mit seiner Handlung an verschiedenen sozialen Prozessen beteiligen kann“ (Mead 1976:282). Das Individuum tritt in der Interaktion mit anderen gleichfalls in einen Prozess der Kommunikation mit sich selbst. Folglich ist es fur die Identitatsentwicklung einer Person wichtig, dass von ihr die Handlungen und Haltungen der Anderen, in Bezug auf die verschiedenen Phasen oder Aspekte der gesellschaftlichen Aufgaben ubernommen werden, in die alle, als Mitglieder einer organisierten Gesellschaft oder gesellschaftlichen Gruppe, einbezogen sind (Mead 1973:197). Komplexe Handlungen, durch die Individuen, Organisationen, Institutionen, Arbeitsteilung und Netzwerke in gegenseitiger Abhangigkeit ausgemacht werden, sind als dynamische soziale Angelegenheiten anzusehen. Auf diese Weise wird das dynamische Verhaltnis zwischen den individuellen Strategien der Identitatssicherung in zwischenmenschlichen Interaktionen deutlich. Die Sprache nimmt zudem, wie im Strukturalismus, eine relevante Position ein. Im Gegensatz zu der Theorie des konformistischen Strukturalismus von Parsons war fur die Vertreter des Symbolischen Interaktionismus der symbolisch-interpretative Charakter des menschlichen Handelns vordergrundig und das aktive, kreative Individuum erhielt
mehr Gewicht, als durch andere theoretische Ansatze. Wie sprachliche oder nonverbale symbolische Botschaften interpretiert werden, ist primar davon abhangig, ob und wie sich das Individuum in den am Interaktionsprozess beteiligten Interaktionspartner hineinversetzen kann, denn „Sprache beruht hauptsachlich auf vokalen Gesten, durch deren Hilfe kooperative Tatigkeiten in einer Gemeinschaft ausgefuhrt werden. Sinnvolle Sprache besteht aus vokalen Gesten, die im Einzelnen die auch bei den Anderen ausgeloste Haltung hervorrufen. Diese Vervollkommnung der Identitat durch die Geste, die die gesellschaftliche Tatigkeit ubermittelt, lost den Prozess aus, in dem die Rolle des anderen ubernommen wird“ (Mead 1973:203; Mead 1976:285). Der Symbolische Interaktionismus ist fur die soziologische Diskussion uber das Verhaltnis von Identitat und Interaktion von Relevanz, da der enge Zusammenhang von Aufbau und Wandel der Individualitat, konformer und nonkonformer Interaktionsbeteiligung und Interaktionskompetenz von Individuen beschrieben wird. George H. Mead folgerte aus der Analyse des Alltagsverstandnisses sozialer Situationen, dass Individuen das Wissen uber Bedeutungen von Verhalten, Verhaltensweisen und Ereignissen durch Interaktionen mit anderen erwerben. Demnach „nimmt der Einzelne immer eine definitive Beziehung zum allgemein organisierten Verhaltens- oder Tatigkeitsmuster ein und reflektiert es in der Struktur seiner Identitat oder Personlichkeit, ein Muster, das den gesellschaftlichen Lebensprozess manifestiert, in den er eingeschaltet ist und dessen schopferischer Ausdruck seine Identitat oder Personlichkeit ist. Niemand hat einen Geist, der einfach aus sich selbst heraus funktioniert, isoliert vom gesellschaftlichen Lebensprozess, aus dem er erwuchs oder sich entwickelte und der ihm somit die organisierten Verhaltensweisen eingepragt hat“ (Mead 1973:266). Fur die angefuhrte spezifische Betrachtungsweise wurde von H. Blumer die Bezeichnung „Symbolischer Interaktionismus“ etabliert. Es handelt sich nicht um eine kompakte, einheitliche soziologische Theorie, sondern vielmehr um einen Uberbegriff, der unterschiedliche Forschungsansatze und Autoren zusammenfasst, deren Inhalte sich auf die beschriebene Thematik beziehen und in den Grundkonzepten weiterentwickelt wurde. Insbesondere in Amerika erfolgte dieses zwischen 1890 und 1935. Ab den 1950er Jahren kam es zu einer Auseinandersetzung und Konfrontation mit dem funktionalistischen Standpunkt. H. Blumer wie auch andere Vertreter der Theorie des Symbolischen Interaktionismus, sehen das gesellschaftliche Zusammenleben als einen Prozess an, in dem von agierenden Individuen Handlungen und Verhaltensweisen situationsbedingt geschaffen, bestatigt, umgeformt und verworfen werden. Das Leben und Handeln von Menschen verandert sich folglich in Ubereinstimmung mit den Wandlungen, die sich in deren individuell-realen Welt ergeben. Es wird moglich, Lebensgeschichten zu verstehen und Antworten darauf zu erhalten, wie individuelle Rolleninterpretationen gelingen konnen und wie es moglich ist, dass Identitat entsteht oder zerstort wird. Von diesem Standpunkt ausgehend entwickelte sich der Ansatz weiter, indem Sozialisation und Presentation der Personlichkeit wie auch soziales Handeln als symbolische Interaktion aufgefasst wird, die die Dimensionen des symbolgeleiteten Handelns, der Wahrnehmung der Situation, der jeweiligen Rolle und der balancierenden Identitat beinhaltet. Die zuletztgenannten Dimensionen strukturieren die individuellen und kollektiven Strategien alltaglicher Interaktionssituationen sowie deren Aushandlungen.
1.2. Drei Pramissen und zwei Paradigmen
Zum komplexeren Verstandnis werden im Folgenden die drei grundsatzlichen Bedingungen des Symbolischen Interaktionismus nach H. Blumer beschrieben. Erstens handeln Menschen auf der Grundlage der Bedeutungen, die „Dinge“ fur sie haben. „Dinge“ sind alle Objekte, die fur ein Individuum wahrnehmbar sind, zum Beispiel physische Gegenstande (Baume, Stuhle), Personen (Vater, Schwester, Lehrer, Verkaufer), klassifizierende Kategorien (Freunde, Feinde), Institutionen (Schule, Regierung), kulturelle Werte und Normen, Leitideale (individuelle Unabhangigkeit, Ehrlichkeit), Handlungen anderer Individuen (Befehle, Wunsche), erlebte und gedankliche Situationen etc. Auf der Basis der Bedeutungen, die diese „Dinge“ fur das jeweilige Individuum haben, werden die Handlungen ausgerichtet. Somit sind erlernte Bedeutungen fur bestimmte Verhaltensweisen und das Selbstgefuhl von zentraler Wichtigkeit, um in der Interaktion gut zu agieren. Es besteht die Tendenz, dass das menschliche Verhalten als ein Produkt unterschiedlicher, bedingender Faktoren angesehen wird. Die zweite Pramisse bezieht sich darauf, dass die Bedeutung der Dinge aus der sozialen Interaktion, die mit Mitmenschen eingegangen wird, davon abgeleitet wird oder daraus resultiert. Folglich haben Symbole und Bedeutungen ihren Ursprung in dem Interaktionsprozess von verschiedenen Personen und stellen soziale Produkte dar, die in den definierten Aktivitaten resultieren. Drittens entstehen die Bedeutungen aus einem interpretativen Prozess heraus, die das agierende Individuum in dem Aushandlungsprozess beziehungsweise kommunikativen Interaktionsprozess nutzt, handhabt oder verandert. Der Sinn von Dingen, Symbolen und Bedeutungen entsteht aus der Interaktion heraus und das jeweilige Individuum leitet sich diesen, je nachdem, wie die Situation und der Gegenuber eingeschatzt wird, fur seine weiteren Handlungen selbst ab. Aus diesem Grund handelt es sich bei dieser interpretativen Form der Bedeutung mehr als um Anwendungen und Aktualisierungen. Das menschliche Zusammenleben ist also ein kontinuierlicher Prozess des Schaffens situationsbedingter Objekte oder Dinge, die wiederum gedeutet, bestatigt, umgeformt, angepasst oder verworfen werden. Des Weiteren adaptiert sich das Leben und Handeln der Menschen in Ubereinstimmung mit den Wandlungen der sie umgebenden, bedingenden und beeinflussenden Umwelt. Wahrend einer Interaktion werden die Handlungsweisen neben dem Interpretieren der Symbole durch existentes Wissen uber Einstellungen, Empfindungen, Werte und Normen des Gegenubers und der realen Gegebenheiten, gepragt und auch dadurch, ob ein gewisses Abhangigkeitsverhaltnis zu dem Interaktionspartner besteht. Notwendiger Weise hat das agierende Individuum in einem derartigen Moment sich in den anderen hineinzuversetzen, das heiRt, dass ein Perspektivenwechsel erfolgen muss, der in einer Form der gedanklichen Rollenubernahme grundet. Hierzu gehort, dass versucht werden sollte, imaginar den Platz der anderen Person einzunehmen, um deren Emotionen und Gefuhle richtig zu interpretieren und zu beurteilen, um eine eventuelle Prognose zu geben, welche weiteren Handlungsweisen erfolgen konnten. Zielestzung dieser Interpretation, Beurteilung und Auslegung ist, das eigene Handeln, im eigenen Interesse, daraufhin auszurichten und erwartungsgemaRe Folgehandlungen zu lenken. Fur das Vorhersehen und Verstandnis der Ziele und Absichten der Interaktionspartner ist die Rollenubernahme beziehungsweise das „Sich-in-den-anderen-Hineinversetzen“ ein wichtiges Hilfsmittel. Naturlicher Bestandteil von vielen sozialen Interaktionen ist, dass in Gedanken schnell „durchgespielt“ wird, welche Reaktionen der Interaktionspartner aufgrund einer Handlung oder AuRerung erfolgen konnten. Infolgedessen erfolgt die Entscheidung, welches Verhalten im nachsten Schritt herangezogen werden sollte, um den individuellen Interessen und verfolgten Zielen zu nutzen. Des Weiteren entwickelte H. Blumer, von den dargestellten Grundbedingungen ausgehend, zwei Paradigmen, die gemeinsam die Thematisierung des sozialen Handelns als einen, durch Symbole gesteuerten, Prozess innehaben. Diese beiden Paradigmen wurden als normatives und interpretatives Paradigma bezeichnet. Bei dem normativen Paradigma verfugen die Interaktionspartner uber ein gemeinsames System an Symbolen und Bedeutungen, einem soziokulturellen Wertesystem und somit uber ein Medium der Interaktion. Hierbei definieren Interaktionspartner Ereignisse als signifikante Symbole von bereits erfahrenen Situationen und konkrete Verhaltensweisen als Beispiele von zuvor erlebten Handlungen. Die Kontinuitat der Interaktion erfolgt uber gleiche Definitionen symbolischer Bedeutungen. Das interpretative Paradigma, basiert auf der Annahme, dass ein als selbstverstandlich voraussetzbares, striktes, intersubjektiv geteiltes Symbolsystem nicht existiert. Dieses bedeutet, dass der Handelnde nicht nur eine einzige Position mit festen Regeln und Rollen in der Gesellschaft einnimmt, obwohl die beteiligten Interaktionsteilnehmer eigenes und fremdes Verhalten mittels Rollen als Muster fur weiteres Verhalten interpretieren. In Bezug auf die soziale Rolle, die ein Individuum in einer kommunikativen Interaktion einnimmt, ist zu vermerken, dass Sinn und Bedeutung einer jeden sozialen Rolle gleichzeitig von den situationsspezifischen Umstanden, der interpretativen Auslegung wie auch von dem Hintergrundkontext einer Situation, in dem eine bestimmte Rolle gedeutet wird, abhangig ist. Allerdings werden die jeweiligen Rollen, die ein Individuum einnimmt, von ihm und den Interaktionspartnern nicht unvermittelt wahrgenommen. Ebenso wenig erfolgt die Reaktion auf die Erwartungen der anderen Interaktionsteilnehmer formal. Der Prozess von Wahrnehmung und Reaktion beinhaltet namlich, wie schon erwahnt, kontinuierliche, wechselseitige Interpretation auf beiden Seiten. Wie George H. Mead hinsichtlich der Kommunikation mit sich und den Anderen anfuhrte, erfolgt eine stete Erkundung, Interpretation und Prufung der fremden wie auch eigenen Rollen, durch die die Struktur des Interaktionsprozesses beeinflusst wird. Aus dem Grund der sich wechselseitig bedingenden Uminterpretationen, konnen Rollen, Symbole und Bedeutungen immer nur vorlaufig definiert sein. „Der Organismus bestimmt ganz konkret seine Umwelt. In dieser Situation gibt es Handlung und Reaktion. Eine Anpassung aber, die den jeweiligen Organismus verandert, muss auch seine Umwelt verandern“ (Mead 1973:260). Durch nachfolgend eintretende Ereignisse mussen gegebenenfalls Situationen, Bedeutungen, Rollen und Symbole neu definiert und fruhere Erfahrungen umgedeutet werden. Soziale Realitat, Rollen und Situationsdefinitionen sind aufgrund der flexiblen, steten Neuaushandlung keine starren, festen GroRen eines Symbolsystems, sondern entsprechend wandelbar und erhalten einen subjektiven Sinn fur die beteiligten Individuen. Das agierende Individuum hat auf diese Weise die Moglichkeit, in der jeweiligen Situation, im Kontext mit dem jeweiligen Interaktionspartner beziehungsweise der Konstellation von Interaktionspartnern, Interpretationsversuche in Bezug auf die entstandenen Reaktionen in weitere Handlung heranzuziehen. „In der normalen Situation stehen wir der Reaktion des Einzelnen in einer Situation gegenuber, die gesellschaftlich bestimmt ist, der aber seine eigene Reaktion als ein „Ich“ anfugt. Die Reaktion ist in der Erfahrung des Einzelnen ein Ausdruck, der Identitat identifiziert“ (Mead 1973:255). Dieses dient folglich einerseits der Identifizierung und Wahrung der individuellen Identitat einer Person und andererseits der Herstellung einer, mit dem oder den Interaktionspartnern gemeinsam geteilten, sinnhaft geordneten sozialen Welt. Auf diese Weise wird eine wage Realitatsgewissheit erzeugt, die eine relative RegelmaRigkeit, Stabilitat und Kontinuitat in das von Veranderungen gepragte Leben eines jeden bringt. Es ist jedoch nie gewiss, ob das, was vorgegeben wird, wirklich so ist oder ob sich dahinter nicht doch eine ganz andere Intention und Person mit kontraren Interessen verbirgt. Da das interpretative Paradigma keinen festgelegten Wert- und Normkonsens beinhaltet, kann die soziale Wirklichkeit nicht als reine Struktur objektiver sozialer Tatsachen verstanden werden.
II. Konstitution der sozialen Identitat nach George H. Mead
2.1. Symbole, Rollen und Kommunikation
Wie oben angegeben, haftet George H. Mead zufolge eine groRe Bedeutung auf der Kommunikation in der Gesellschaft durch Sprache und Symbole, das heiRt Worte, Laute, Tone, Intonationen, Stimmlagen, Mimik, Gestik, Handlungen etc., denen Individuen begegnen und die Sinn fur das eigene Selbst stiften. Handlungen innerhalb einer bestimmten Gesellschaft oder Gruppe verfugen uber bestimmte symbolische oder verbale Bedeutungstrager, die dem agierenden Individuum bekannt sind oder bekannt sein sollten, als solche verstanden und gezielt eingesetzt werden. Des Weiteren werden durch die Bildung der Symbole idealtypische Vorstellungen kreiert, mittels derer einerseits die reale soziale Welt begreifbar wird und andererseits den Menschen Rollen und soziale Positionen zugewiesen werden.
[...]
1 Bei der Verwendung des Begriffs „Multiple Personlichkeit" besteht in dieser Arbeit kein Bezug zu der psychologischen Erkrankung der dissoziativen Identitatsstorung. Worum es sich bei der Erkrankung handelt, wird im Folgenden erklart: Die „Dissoziative Identitatsstorung" ist eine Storung, bei der Wahrnehmung, Erinnerung und das Erleben der Identitat betroffen ist. Dissoziation beschreibt die Unterbrechung der integrativen Funktionen des Bewusstseins, des Gedachtnisses, der Identitat oder der Wahrnehmung der Umwelt. Dieser Defekt bezieht sich darauf, dass eine oder mehrere Bereiche mentaler Prozesse von dem Bewusstsein getrennt werden und unabhangig voneinander ablaufen. Personen, die eine dissoziative Identitatsstorung haben, bilden zwei oder mehrere unterschiedliche Personlichkeiten oder Personlichkeitszustande, die wiederholt abwechselnd die volle Kontrolle uber das Verhalten ubernehmen. Die verschiedenen Identitaten treten nie gemeinsam in Aktion verfugen uber getrennte Desanken, Erinnerungen, Verhaltensweisen und Gefuhle. Der Wechsel von einer Personlichkeit zur anderen entzieht sich der Wahrnehmung, so auch die jeweiligen Emotionen, Gedanken, Gefuhle, Verhaltensweisen, Erinnerungen etc. Jede Personlichkeit weist ein eigenes Verhaltensmuster auf, nimmt sich selbst als Individuum und die Umgebung subjektiv wahr, bezieht sich auf diese und setzt sich gedanklich mit sich selbst und der Umwelt auseinander. Jede der Personlichkeit entwickelt ein Eigenleben und eine individuelle, abgespaltene Identitat. Zumeist kann sich der Betroffene nicht oder nur wage an das Handeln der jeweils anderen Person erinnern oder nimmt dieses Verhalten als fremde Person von auGen wahr. Ursache fur eine derartige Identitatsstorung kann mitunter eine posttraumatische Belastungsstorung in Folge von Misshandlungen und Vernachlassigung im Kindesalter sein. (vgl. Huber 2001:26,27; Wikipedia)
- Arbeit zitieren
- Andrea Roy (Autor:in), 2010, Sozialpsychologie und Symbolischer Interaktionismus: G. H. Mead, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149501
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