"Wie Elite muss ich sein?" fragt das Magazin Zeit Campus auf dem Titelblatt einer Ausgabe und spricht damit vielen jungen Menschen aus der Seele. Sie ahnen, dass bei gegenwärtiger hoher Arbeitslosigkeit und schleichender Konjunkturkurve die Antwort lauten müsste: So Elite wie möglich. Aber wie wird man Teil der Elite? Ist es allein der Wille zur Leistung, der einen in die Topebenen von Wirtschaft, Politik, Justiz und Verwaltung katapultiert? Oder bestimmt am Ende doch die Herkunft die Zukunft?
Auch die Politiker wissen, dass das Thema Elite in Zeiten von struktureller Wirtschaftskrise und Pisa-Schock wieder von Relevanz ist und versprechen sich von Förderprogrammen wie der Exzellenzinitiative Wählerstimmen und Wissenschaftsvorsprung. Aber ist es tatsächlich möglich, Elite gezielt zu rekrutieren oder an Eliteuniversitäten heranzuzüchten? Und ist es überhaupt erstrebenswert, nur einige wenige Universitäten zu fördern und die anderen ihrem ohnehin schon unterfinanzierten Schicksal zu überlassen? Dieser Fragen soll sich in der vorliegenden Arbeit angenommen werden.
Dazu sollen zunächst der Begriff der Elite und die in diesen Zusammenhang fallenden Schlagwörter Klassen, Schichten, Habitus definiert werden. In einem zweiten Schritt soll die Herkunft von Eliten in unterschiedlichen Ländern untersucht werden. Exemplarisch werden dazu zum internationalen Vergleich die Länder Frankreich, Japan, Amerika und Deutschland herangezogen, um den Einfluss von differierenden Gesellschafts- und Bildungssystemen auf die Zusammensetzung von Eliten und Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich zu machen. Weiterhin wird auf die besondere Rolle der Wirtschaftseliten und die Internationalisierung von Eliten eingegangen.
Der dritte Abschnitt befasst sich mit der aktuellen Situation in Deutschland: Die Themen und Motive der Exzellenzdebatte sowie, in einem noch enger gefassten Ausschnitt, die Umbruchsituation an der Universität zu Lüneburg, die in einem Neuausrichtungsprozess zum Leuphana College Lüneburg wurde.
Inhalt
1.Einleitung
2.Begriffsbestimmungen
2.1 Der Begriff Elite - Definition und Veränderung
2.2. Begriffsbestimmung Klassen und Schichten
2.3. Begriffsbestimmung Habitus
3. Elitenherkunft im Ländervergleich
3.1 Frankreich - die Reproduktion der herrschenden Klassen an den Grandes
Écoles
3.2. Japan - das akzeptierte hierarchisierte Bildungssystem
3.3. USA - vom Tellerwäscher zum Millionär?
3.4. Deutschland - Illusion der Chancengleichheit
3.5 Zwischenfazit: Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Elitenherkunft in den betrachteten Ländern
4. Besondere Rolle der Wirtschaftselite
5. Internationalisierung von Eliten
6. Die aktuelle Exzellenz-Diskussion in Deutschland - Themen und Motive
6.1 Eliteuniversitäten in Deutschland - Chancen und Risiken
6.2 Lüneburg goes Heideharvard - das ‚Leuphana College’
7. Mythos der Leistungseliten
8. Fazit
9. Anhang I: Zehn Fragen an die potentielle Elite
9. 1 Anhang II
10. Literatur
1.Einleitung
„Wie Elite muss ich sein?“ fragt das Magazin Zeit Campus auf dem Titelblatt seiner aktuellen Ausgabe und spricht damit vielen jungen Menschen aus der Seele.
Sie ahnen, dass bei gegenwärtiger hoher Arbeitslosigkeit und schleichender Konjunkturkurve die Antwort lauten müsste: So Elite wie möglich. Aber wie wird man Teil der Elite? Ist es allein der Wille zur Leistung, der einen in die Topebenen von Wirtschaft, Politik, Justiz und Verwaltung katapultiert? Oder bestimmt am Ende doch die Herkunft die Zukunft?
Auch die Politiker wissen, dass das Thema Elite in Zeiten von strukturellerWirtschaftskrise und Pisa-Schock wieder von Relevanz ist und versprechen sich von Förderprogrammen wie der Exzellenzinitiative Wählerstimmen und
Wissenschaftsvorsprung1. Aber ist es tatsächlich möglich, Elite gezielt zu rekrutieren oder an Eliteuniversitäten heranzuzüchten? Und ist es überhaupt erstrebenswert, nur einige wenige Universitäten zu fördern und die anderen ihrem ohnehin schon unterfinanzierten Schicksal zu überlassen?
Dieser Fragen soll sich in der vorliegenden Arbeit angenommen werden.
Dazu sollen zunächst der Begriff der Elite und die in diesen Zusammenhangfallenden Schlagwörter Klassen, Schichten, Habitus definiert werden. In einemzweiten Schritt soll die Herkunft von Eliten in unterschiedlichen Ländern untersuchtwerden. Exemplarisch werden dazu zum internationalen Vergleich die LänderFrankreich, Japan, Amerika und Deutschland herangezogen, um den Einfluss vondifferierenden Gesellschafts- und Bildungssystemen auf die Zusammensetzung vonEliten und Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich zu machen. Weiterhin wirdauf die besondere Rolle der Wirtschaftseliten und die Internationalisierung von Eliteneingegangen.
Der dritte Abschnitt befasst sich mit der aktuellen Situation in Deutschland: Die Themen und Motive der Exzellenzdebatte sowie, in einem noch enger gefassten Ausschnitt, die Umbruchsituation an der Universität zu Lüneburg, die gerade in einem Neuausrichtungsprozess zum ‚Leuphana College’ Lüneburg wurde.
Von den drei bedeutenden Elitestudien in Deutschland - Mannheimer Elitestudien,Potsdamer Elitestudien und die Untersuchung von Prof. Dr. Michael Hartmann 2 -beziehen sich die Vorlegenden dieser Arbeit vor allem auf die letztgenannte. Nach dem die Ergebnisse und Aussagen des Eliteforschers von Politikern und Experten diskursiv behandelt wurden, soll im letzten Abschnitt eine Person gefragt werden, die selbst dazugehört: zur jungen Elite. MW ist Student an der privatenBucerius Law School und beantwortet „10 Fragen an die potentielle Elite“, die sich aus der Beschäftigung mit diesem Thema ergeben haben.
So soll ein Gesamtbild aus internationaler, nationaler, regionaler und persönlicherPerspektive eine Antwort geben auf die Frage: Leistungselite - Mythos oder Realität?
2.Begriffsbestimmungen
2.1 Der Begriff Elite - Definition und Veränderung
Elite in der klassischen Definition hat seinen Ursprung im Lateinischen und bedeutet so viel wie „auswählen“ (eligere). Der Oberbegriff der Elite eines Landes umfasst die Funktionsträger und Funktionsträgerinnen aus den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Politik und Wissenschaft. Nach der funktionalistischen Elitentheorie bezeichnet man als Elite die Besten ihres Faches. (Grunwald 2006: 7)
In Deutschland fand durch den Missbrauch des Begriffes zu Zeiten desNationalsozialismus vorübergehend eine Tabuisierung des Begriffs ‚Elite’ statt. ImZuge des Neoliberalismus erlebt der Begriff neuen Aufwind, spätestens seit denbeiden Pisa -Studien3 wird die Notwendigkeit einer Elitenbildung wieder lebhaftdiskutiert.
Um das Wort in der aktuellen Diskussion zu umgehen, spricht man häufig von denHigh Potentials, von Exzellenz oder auch von der kreativen Avantgarde. Mit ihnenbezeichnet man eine Schicht gut ausgebildeter, kreativer, teamfähiger Menschen.Heute wird der Begriff Elite mit dem Aufstieg in eine führende Gruppe derGesellschaft verbunden, und wenn dieser Weg zudem eigenständig gelungen ist,spricht man von einer Leistungselite. Der Elitenbegriff wird vorwiegend mit dem Bildvon der eigenen erbrachten Leistung verbunden. Demgegenüber stehen Personen,die zur so genannten Herkunfts- oder Besitzelite gehören, welche auf Grundbesonderer Privilegien zur Führungsspitze gehören (zum Beispiel Adel oder Unternehmerfamilien). Hartmann4 erklärt die Zusammensetzung von Elitepositionen wie folgt: „Die große Mehrzahl der Elitepositionen wird von Personen besetzt, die aus dem Bürgertum stammen.“ (zit. n. Hartmann 2004: 154).
2.2. Begriffsbestimmung Klassen und Schichten
Oft wird in diesen Zusammenhängen von Schichten oder Klassen gesprochen, wobei die Einteilung oft nur sehr schwammig erfolgt. Generell kann man zwischen dem gehobenen und dem Großbürgertum, der Mittelschicht und der Arbeiterklasse unterscheiden. Die Einteilung in eine dieser Klassen erfolgt nach Bildungsgrad, Einkommen oder sozialer Stellung.
Die Mittelschicht stellt dabei die größte soziale Gruppe dar. Allerdings kann inDeutschland eine Erosion der Mittelschicht und eine immer stärkere Spaltung derGesellschaft in viele arme und wenige reiche Menschen beobachtet werden, diedurch die seit Jahren praktizierte Steuerpolitik zu Gunsten der Großunternehmer undzu Lasten der Arbeitnehmer weiter vorangetrieben wird. (Vgl. Grunwald 2006: 5)
2.3. Begriffsbestimmung Habitus
Der Begriff des Habitus thematisiert, wie die Lebensbedingungen in die Lebensführung der Einzelnen einfließen. Er bezeichnet einen Komplex von Denkund Sichtweisen, von Wahrnehmungsschemata, von Prinzipien des Urteilens und Bewertens, der das Handeln, also die expressiven, sprachlichen und praktischen Äußerungen der sozialen Akteure, strukturiert.
„Der Habitus bewirkt, daß die Gesamtheit der Praxisformen einesAkteurs ... als Produkt der Anwendung identischer (oder wechselseitigaustauschbarer) Schemata zugleich systematischen Charakter tragen und systematisch unterschieden sind von den konstitutiven Praxisformen eines anderen Lebensstils.“ (Bourdieu 1987: 278)
Der Habitus ist der Indikator der Klassenzugehörigkeit - durch seine äußerlicheWahrnehmbarkeit in Auftreten, Verhalten, Sprache, Geschmack und ‚Wellenlänge’,dient er dem Umfeld als Erkennungsmerkmal für die soziale Herkunft des Gegenüber.
3. Elitenherkunft im Ländervergleich
In der vorliegenden Arbeit werden exemplarisch zum internationalen Vergleich derHerkunft von Eliten die Länder Frankreich, Japan, Amerika und Deutschland herangezogen, um den Einfluss von differierenden Gesellschafts- und Bildungssystemen auf die Zusammensetzung von Eliten deutlich zu machen. Dazu soll zunächst die Elitenbildung in den einzelnen Ländern untersucht werden, um anschließend Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.
3.1 Frankreich - die Reproduktion der herrschenden Klassen an den GrandesÉcoles
Welche Wirkung Elitehochschulen in sozialer Hinsicht haben, lässt sich in Frankreichmit seinen berühmten Grandes Écoles am deutlichsten erkennen. Sie haben im Kern,wie Bourdieux betont, nur eine einzige Funktion: Sie garantieren die Reproduktionder herrschenden Klasse mit exklusiven Bildungstiteln. Der Abschluss an einer derführenden Grandes Écoles ist eine fast unverzichtbare Voraussetzung für dieBesetzung einer Topposition in Frankreich (vgl. Jentjens 1999: 100-101). DieGrandes Écoles5 haben bis heute auf Grund der strengen Aufnahmebedingungeneinen angesehenen Status. Die Rekrutierung erfolgt über die Ausschlussexamina dervier bekanntesten Grandes Écoles6. Sie nehmen pro Jahr nur einige wenige hundertStudierende auf. Durch ihre stark limitierten Aufnahmezahlen bewahren die GrandesÉcoles ihren exklusiven Charakter, sie schirmen sich von der allgemeinenHochschulexpansion ab.
Dies verringert die Aufnahme- und Aufstiegschancen des Nachwuchses aus derMittel- und Arbeiterschicht. Bereits in den 60er Jahren kamen 70 % bis 80 % derAbsolventen aus Unternehmer- beziehungsweise Beamtenfamilien. Tatsache ist,dass in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl der Abiturienten und Studierenden inFrankreich sprunghaft anstieg, dass aber die Zahl der Arbeitsplätze sich nichtentsprechend vermehrt hat. Viele Abiturienten jobben im Niedrigstlohnbereich, vieleDiplomierte nehmen Arbeiten auf, die weit unterhalb ihrer Qualifikation liegen. (Vgl.Semler 2006: 11)
Wer das Examen an einer der Grandes Écoles besteht, dem steht eine Karriere inwichtigen und einflussreichen Positionen in Wirtschaft und Politik offen. In Frankreichist die Besetzung der Spitzenpositionen im Management stark an den Besitz von herausragenden Bildungsabschlüssen gebunden, besonders an den der renommierten Grandes Écoles. (vgl. Pateau 1997: 274).
Gleiches gilt für Absolventen der ENA, den so genannten Enarques, welche die hohen Positionen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung besetzen7. In den Topetagen der Wirtschaft haben 57% der Mitglieder der Chefetage der 200 größten Unternehmen an der ENA, der Ecole Polytechnique oder der Hautes Etudes Commercielles studiert. Die 100 größten französischen Konzerne werden sogar mit mehr als zwei Drittel der Absolventen dieser drei Hochschulen besetzt, was die Konzentration einer Elite in diesem Zusammenhang verdeutlicht.8.
3.2. Japan - das akzeptierte hierarchisierte Bildungssystem
In Japan entscheidet nicht nur die Schul- und Universitätsausbildung über dieQualität des späteren Arbeitsplatzes, die Elitenauslese beginnt bereits imKindergarten und setzt sich über alle weiteren Schulformen fort.9.Das Bildungssystem von Japan ist maßgeblich von der Todai10, der staatlichkaiserlichen Universität von Tokio, geprägt. Um eine Karriere in Wirtschaft, Politikoder Verwaltung zu machen, müssen die Schüler die staatliche Aufnahmeprüfungbestehen. Das japanische Bildungssystem präsentiert sich streng hierarchisch undstrukturiert.
In Japan können nur etwa drei Promille der Abiturienten ein Studium an einer derrenommierten Universitäten beginnen. Diese stammen durchweg aus den oberenzehn Prozent der japanischen Gesellschaft, denn der Besuch an einer der führendenOberschulen inklusive der obligatorischen Jukus11 kostet an die 10.000 Euro pro Jahr(vgl. Cutts 1997: 231; Hartmann 2004:133). Der soziale Ausleseprozess zeigt sichnicht nur in den hohen Studiengebühren, sondern auch in den strengenAufnahmeprüfungen. Die Aufnahmeprüfungen in Japan ähneln strukturell denen derGrandes Écoles. Das hierarchisierte Bildungssystem in Japan ist trotz seiner Gebühren eher dem strengen Auswahlverfahren, wie dem französischen Bildungssystem zuzuordnen.
Im Verlauf solcher Auswahlgespräche wird nach spezifischen Eigenschaften, nach dem passenden Habitus gesucht, über den nur ca. 10 % der japanischen Studenten nach Ansicht der Auswahlkomitees verfügen. Die Absolventen der Todai besetzen viele Führungspositionen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung. So werden zum Beispiel sechs von den 18 Positionen im Koizumi Kabinett von Absolventen der Todai besetzt (vgl. Hartmann 2004:133). Ein ähnliches Bild bietet sich in der Wirtschaft. Über zwei Drittel der Wirtschaftselite waren mindestens auf einer der fünf berühmten Universitäten. Das bedeutet: 40 Präsidenten der 100 größten japanischen Unternehmen haben ihren Abschluss an der Todai gemacht.
3.3. USA - vom Tellerwäscher zum Millionär?
Im US-amerikanischen Elitebildungssystem lassen sich Parallelen zum britischenSystem feststellen. In den USA gibt es mit den Public Schools vergleichbarePrivatschulen und über die Landesgrenzen hinaus bekannte Eliteuniversitäten wieHarvard, Yale oder Princeton. Allerdings spielen diese Privatschulen im Vergleich zuGroßbritannien nur eine Nebenrolle im Selektionsprozess, sie sind nur eine Vorstufezu den Eliteuniversitäten, deren Besuch für die weitere Karriere ausschlaggebend ist.Diese Eliteuniversitäten sind, anders als in Großbritannien, nicht in staatlicher,sondern in privater Hand.12
Parallelen zu den Public Schools in Großbritannien zeigen sich vor allem bei denhohen Kosten für den Besuch einer renommierten Privatschule (bis zu 30.000 Dollar),die ein hohes Maß an sozialer Exklusivität nach sich ziehen. Zwar wird jeder dritteSchüler durch ein Stipendium unterstützt, dennoch kommen über 80 % der Schüleraus dem oberen Fünftel der Gesellschaft. Den hohen Gebühren steht eine hervorragende Ausbildung gegenüber , die sich in einem weit überdurchschnittlichen Abschneiden bei dem jährlichen landesweiten Leistungsvergleich (SAT-Test14 ) niederschlägt und die Aussicht, an einer der renommierten Eliteuniversitäten15 aufgenommen zu werden, erheblich steigert16. Die Absolventen der bekannten Privatschulen bringen es so, genau wie die Kinder vonEhemaligen, auf Zulassungsquoten von um die 40 %17. So bleiben nur noch, je nachUniversität, 10-20 % Plätze für die übrigen Bewerber, die weder die richtigePrivatschule noch geeignete familiäre Verbindungen vorweisen können (Vgl.Hartmann 2004: 125). Diese Aufteilung zeigt, dass die renommiertenEliteuniversitäten über eine äußerst selektive soziale Zusammensetzung ihrerStudierenden verfügen. Dies hat nach Hartmann die folgenden Ursachen:
Die erste Selektion ist eine vornehmlich monetär begründete. Die Kinder ausgehobenen Gesellschaftsschichten erlangen bessere Ergebnisse bei denLeistungstests - denn sie können die teuren Privatschulen besuchen und werden oftin ihrem familiären Umfeld stärker intellektuell gefördert. Ihre Eltern haben imnächsten Schritt auch die finanziellen Mittel, für die enorm hohen Studiengebührenan den Eliteuniversitäten18 aufzukommen. Zwar gibt es umfassende finanzielleUnterstützungsprogramme, diese können die soziale Selektionswirkung aber auchnur abschwächen. Die finanzielle Hilfe besteht zudem zu drei Vierteln aus relativzinsgünstigen Darlehen, was eine Gesamtverschuldung von etwa 60.000 Dollar fürein Undergraduate-Studium und über 200.000 Dollar für ein Langzeitstudium19 bedeutet. 20 (Vgl. Hartmann 2004: 123-127)
Letztendlich entscheiden dann die so genannten Admissions Committees über dieendgültige Zulassung und stellen dabei den zweiten sozialen Selektionsschlüssel dar.Denn für die Eliteuniversitäten sind nicht die Testergebnisse der Bewerberausschlaggebend, sondern auch ihre Persönlichkeit. „Leadership “ sei dabei daswichtigste Kriterium, sagt die für Harvard zuständige Direktorin des AdmissionsCommittees (Business Week, 23.08.2000), und der Vizepräsident der UniversitätDenver gibt als Entscheidungskriterium an, „ob man sich die Person alsKlassenkamerad oder Zimmergenossen wünschen würde.“ (The Boston Globe, 13.01.2004). Derartige Äußerungen unterstützt auch eine Studie von Feldmann aus dem Jahre 1988, die zeigt, dass bei den Zulassungsprozeduren in Harvarddiejenigen bevorzugt werden, deren Familien den „besseren Kreisen“ angehören:Während bei den Bewertungen der geistigen Fähigkeiten keine Unterschiedegemacht werden, schneiden bei der Bewertung der Persönlichkeit die Absolventender Privatschulen deutlich besser ab. Objektiv, weil sie in ihrer Schulbildung oft einebreitere Förderung ihrer Persönlichkeit erfahren haben. Subjektiv, weil dieKommissionsmitglieder - selbst top ausgebildet und von gehobener sozialer Herkunft - bei ihrer Bewertung der Persönlichkeit ein Auftreten und Verhalten bevorzugen, dass ihrem eigenen weitestgehend entspricht.21
Trotz der großen Bedeutung, die die exklusiven Bildungseinrichtungen der USA (vorallem im Hochschulbereich) besitzen, erreicht ihr Einfluss auf Grund der Größe desLandes und seiner föderalen Struktur dennoch nicht das Ausmaß wie inGroßbritannien oder Frankreich. Die Absolventen der berühmten Eliteuniversitätensind in den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik zwar extrem überproportionalvertreten, ein den Enarques oder Etoninans vergleichbares Gewicht aber besitzensie nicht. Die Konzentration auf sehr wenige Elitehochschulen (vor allem Harvard) istsehr stark, reicht an Institutionen wie die ENA oder die Polytechnique (oderOxford/Cambridge) aber nicht heran. Die Elitepositionen in den USA sind insgesamtnicht ganz so geschlossen wie in Frankreich und Großbritannien. Zudem sind dieEliteuniversitäten keine reinen Kaderschmieden, sie haben ihre Reputation vor allemdurch ihre Wissenschaftsorientierung erlangt.
In Amerika, dem ‚Land der unbegrenzten Möglichkeiten’, scheint man mehr als überall anderswo auf der Welt davon überzeugt zu sein, dass man mit eigenem Leistungswillen und harter Arbeit alles erreichen kann. Dieses Bild wird von den Politikern und Massenmedien bis hin zur Traumfabrik Hollywood weiter stark propagiert- Doch dieser amerikanische Traum „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ scheint nach Beleuchtung der tatsächlichen Fakten, auch wenn (viel zitierte) Ausnahmen die Regel bestätigen, ein Wunschtraum zu bleiben.
[...]
1 Für ein rohstoffarmes Land wie die Bundesrepublik Deutschland gewinnt die Ausbildung junger Menschen zunehmend an Bedeutung. Vor dem Hintergrund des Wandels von der Industrie- zur wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft sind die Wirtschaftsfaktoren Bildung und Innovation von steigender Relevanz für die Position im internationalen Wettbewerb.
2 Professor für Soziologie am Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften derTechnischen Universität Darmstadt mit dem Schwerpunkt Elitenforschung. Geboren 1952 inPaderborn.
3 Im Jahr 2001 wurde die erste Pisa-Studie veröffentlicht, deren schlechte Ergebnisse für dasDeutsche Bildungssystem damals eine hektische Betriebsamkeit und einige Reformbemühungen beiBildungspolitkern auslösten. 2004 wird die zweite Pisa-Studie offiziell vorgestellt. Ergebnis:Deutschlands Schüler haben in den vergangenen drei Jahren seit Pisa I, kaum zur Spitze aufgeholt.Erste Ergebnisse der PISA 2006-Erhebung werden voraussichtlich im Dezember 2007 veröffentlichtwerden. Mehr zu den PISA-Studien unter anderem auf den Seiten des Bundesministeriums fürBildung und Forschung (www.bmbf.de).
4 Michael Hartmann ist als Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Elitenforschung am Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften an der Universität Darmstadt tätig.
6 Écoles der Verwaltungskaderschmiede ENA (École Nationale d’Administration), der ingenieurwissenschaftlich ausgerichteten Ecole Polytechnique, der wirtschaftswissenschaftlichen HEC(Hautes Etudes Commercielles), der geisteswissenschaftlichen ENS (Écoles Normales Superieures)(vgl. Hartmann 2004:110) Auch unter den Grandes Écoles gibt es eine gewisse Hierarchiestruktur
7 In Frankreich sind die Absolventen der ENA, die Enarques, am Erfolgreichsten. Allein zwei der dreiStaatspräsidenten und sechs der elf Premierminister seit Pompidou waren dort (vgl.Hartmann 2004:111)
8 Nicht mehr als 500 Absolventen (0,6 Promille eines Jahrgangs) besetzten die entscheidenden Spitzenpositionen der französischen Gesellschaft.
9 (Diese erstreckt sich von der 6 jährigen Grundschule, über die 3 jährige Mittelschule bis zur ebenfalls 3 jährigen Oberschule)
10 Todai In Japan spielt die Todai, die staatliche Kaiserliche Universität von Tokio, für den Weg in dieentscheidenden Führungspositionen eine ebenso so große Rolle wie die ENA in Frankreich. Ihr folgendie staatliche Kyodai, die öffentliche Hitotsubashi und die privaten Hochschulen Keio und Waseda.
11 Jukus sind in Japan übliche private Nachhilfestunden, die in der Summe bis zu mehreren tausend Euro kosten können.
12 Die renommierteste staatliche Universität ist die Universität von Berkeley. In Rankings wird sie bestenfalls auf Platz 20 geführt.
13 Bessere Ausstattung, qualifiziertere Lehrer, erheblich günstigere Schüler-Lehrer Relation.
14 Da das Schulsystem der USA sehr uneinheitlich ist, sind Schulnoten verschiedener High Schools imAllgemeinen nicht miteinander vergleichbar. Daher führt das College Board, eine Vereinigung 4.500amerikanischer Bildungseinrichtungen, an landesweit gleichzeitigen Terminen standardisierte Testsdurch, deren Ergebnisse oftmals über den weiteren Bildungsweg eines Schülers entscheiden.
15 Die so genannte „Ivy-League“: Brown, Columbia, Cornell, Darthmouth, Harvard, Penn, Princetonund Yale.
16 Es gibt allerdings auch sehr gute öffentliche Schulen. Relevant ist vor allem das Viertel der Schule.
17 Hier greifen zwei Mechanismen: Zum einen bestehen engen Verbindungen zwischen renommierten Privatschulen und den Eliteuniversitäten, zum anderen sind die Privatuniversitäten zum großen Teil von den Spenden wohlhabender Alumni abhängig.
18 Bis zu 40.000 Dollar pro Jahr für das Undergraduate-Studium bis zum Bachelor und bis über 50.000 Dollar für alle weitergehenden Studiengänge. (Vgl. Hartmann 2004: 125)
19 mit Master-, Doktor-, oder Professionalabschluss.
20 Für Studierende an staatlichen Universitäten oder Colleges fallen die Gebühren dagegen mit teilweise nur 2000-3000 Dollar wesentlich geringer aus, aber auch diese müssen sich oft für ihr Studium verschulden.
21 Es gibt sogar spezielle Berater, die gezielt auf die Aufnahmeprüfungen der Eliteuniversitäten vorbereiten. Die dafür veranschlagten Kosten von bis zu 33.000 Dollar können sich - natürlich -wiederum nur sehr wohlhabende Familien leisten.
- Arbeit zitieren
- Saskia Rennebach (Autor:in), 2009, Leistungseliten. Mythos oder Realität?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149468
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