Es ist elementarer Bestandteil von Bildungsangeboten, dass Schutz vor Diskriminierung und digitaler Gewalt für alle Teilnehmer gewährleistet wird. Darüber hinaus sollte ein Rahmen für eine inklusive Teilnahme geschaffen werden. Daraus ergibt sich die Frage, wie ein Raum auf der Videochatplattform Zoom konstruiert ist und wie die digitalen Funktionen Programmes auf das Handeln der Teilnehmer einwirken.
Digitale Technologien durchdringen sowohl öffentliche als auch private Lebensbereiche und damit auch die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Sie sind ein selbstverständlicher Bestandteil und prägen das Alltagsleben, die J1M-Studie, welche sich mit dem Medienumgang von Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren auseinandersetzt, hat gezeigt, dass Kinder und Jugendliche in nahezu allen Haushalten mit einer breiten Medienausstattung aufwachsen. 94% der Befragten gaben an, ein Smartphone zu besitzen, 78 % haben einen eigenen Computer oder Laptop. Die Omnipräsenz von digitalen Technologien und ihre Auswirkungen auf das Alltagsleben kann als Postdigitalität verstanden werden. Schmidt postuliert, dass im Zuge der Entwicklung einer postdigitalen Gesellschaft Verantwortung gegenüber der digitalen Infrastruktur, den Inhalten sowie der Kommunikation übernommen werden muss, dabei geht es vor allem um die Frage, so Schmidt, "wie diese Technologien auf uns wirken sollen". Um auf diese Frage eine Antwort zu finden und der Verantwortung, die damit für eine Gesellschaft einhergeht, kann man für den schulischen Bereich beobachten, dass vermehrt digitale Bildungskonzepte und Medienkompetenz vermittelt werden.
So sieht u. a. der Lehrplan der Berliner Schulen für die 1. bis 10. Klasse vor, dass Kinder und Jugendliche in ihrem Umgang mit Medien gestärkt werden sollen. Das schließt den Umgang mit digitalen Medien, wie z. B. dem Smartphone mit ein. Die Medienbildung innerhalb der Schule ist ein begleitender Prozess, der den kreativen Umgang mit digitalen Medien fördern und zu einer konstruktiven kritischen Auseinandersetzung beitragen soll. Aufgrund der genannten Dynamiken ist es wichtig, dass Lehren und Lernen auch unter Verwendung digitaler Medien angepasst werden.
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
VON DER DIGITALISIERUNG ZUR POSTDIGITALITÄT
Digitale Videomeetings oder virtueller Videomeetings
KOMMUNIKATION
Kommunikation im physischen Raum
Kommunikation im digitalen Raum
RAUM UND KÖRPER
Körper als soziales Konstrukt
Der digitale Raum als Erweiterung des analogen Raums
MACHT
Machtverhältnisse auf Videochatplattformen
DER GEWALTBEGRIFF
Digitale Gewalt
DISKRIMINIERUNG UND DIGITALE DISKRIMINIERUNG
Digitale Diskriminierung
LEITLINIEN FÜR EIN ONLINE-BILDUNGSANGEBOT AUF DER VIDEOCHATPLATTFORM ZOOM
FAZITUNDAUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
Zusammenfassung
Durch den fortschreitenden Digitalisierungsprozess sollen Kinder und Jugendliche, sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich, verstärkt Medienkompetenz erwerben. Eine fundierte Medienkompetenz der pädagogischen Fachkräfte ist die Voraussetzung dafür, diesen Forderungen nachzukommen. Dafür wurden in dieser Arbeit Leitlinien erstellt zur Durchführung von Online-Bildungsangeboten auf der Videochatplattform Zoom. Der Leitfaden richtet sich an pädagogische Fachkräfte in Schulen und im außerschulischen Bereich. Der Leitfaden stellt eine Grundlage für die Nutzung von Zoom zur Durchführung von Bildungsangeboten dar.
Abkürzungsverzeichnis
- AEMR: allgemeine Erklärung der Menschenrechte
- AGG: allgemeines Gleichstellungsverzeichnis
- bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
- BPOC: Black and People of Color
- CEDAW: Frauenrechtskonvention
- EMRK: Europäische Menschenrechtskonvention
- ICCPR: Zivilpakt
- ICERD: Konvention gegen Rassismus
- ICESCR: Sozialpakt
- UN-BRK: Behindertenrechtskonvention
- UN-KRK: UN-Kinderechtskonvention
- ICMR: Wanderarbeiter-Konvention
- VR: virtuell Reality
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Screenshot vom Zoomraum. Aufbau eines Zoomfenster
Abbildung 2. Screenshot der Zoomwebseite. Galerieansicht von Zoom. (Zoom Support 2022)
Abbildung 3. Screenshot von Zoom. Sprecher*innenansicht mit virtuellem Hintergrund (Zoomsupport 2022: o.S.)
Abbildung 4. Erstellter Screenshot von Zoom. Reaktionsfunktion anhand von Emojis
Abbildung 5. Screenshot mit der Auswahl von Emojis im Zoomraum
Abbildung 6. Galerieansicht bei Zoom (skillday 2022: o. S)
Abbildung 7. Bild von der Zoomwebseite. Sprecher*innenansicht (Zoom Support 2022: o. S.)
Abbildung 8. Beispiel für die Screenreaderfunktion auf den gängigsten Videochatplattformen (Bundesfachstelle-Barrierefreiheit 2022)
Abbildung 9. Tabelle über die Screenreader - Kompatibilität von verschiedenen Videochatplattformen (Bundesfachstelle Barrierefreiheit 2022: o. S)
Abbildung 10. Tabelle über die Bedienoberfläche von verschiedenen Videochatplattformen (ebd.)
Abbildung 11. Tabelle über die Kommunikationsfunktion von verschiedenen Videochatplattformen. (Bundesfachstelle Barrierefreiheit 2022: o. S.)
Abbildung 12. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Erstellen eines Meetings. (Zoom Support 2022: o. S.)
Abbildung 13. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Erstellen eines Wartezimmers. (Zoom Support 2022: o. J:)
Abbildung 14. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Videoeinstellung. (ebd.)
Abbildung 15. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Optionsfunktionen über die Verwaltung der Teilnehmerinnen
Abbildung 16. Screenshot von Zoom. Erklärung wo der Videofilter bzw. virtueller Hintergrund zu finden ist
Abbildung 17. Screenshot vom Zoomraum. Eingeblendete Telefonnummer
Abbildung 18. Screenshot vom Zoomraum. Symbol für die Breakout-Räume
Abbildung 19. Screenshot vom Zoomraum, zeigt die verschiedenen Breakout-Räume
Abbildung 20. Screenshot der Zoomwebseite. Funktion automatische Untertitel aktivieren
Abbildung 21. Screenshot vom Zoomraum. Manuelle Untertitel deaktivieren
Abbildung 22. Screenshot vom Zoomraum. Auswahlmöglichkeiten der Sprachen
Abbildung 23. Screenshot von der Zoomwebseite. Möglichkeiten für den Co-Host. (Zoom Support 2022: o. S.)
Abbildung 24. Screenshot der unteren Symbolleiste vom Zoomraum
Abbildung 25. Screenshot vom Zoomraum. Anzeige der Videoeinstellungen
Abbildung 26. Screenshot vom Zoomraum. Anzeige der Whiteboard Funktion
Abbildung 27. Screenshot vom Zoomraum. Whiteboard mit Gruppenvereinbarungen
Abbildung 28. Screenshot vom Zoomraum. Symbolleiste mit Reaktionssymbol
Abbildung 29. Screenshot vom Zoomraum. Mit „SOS-Emoji"
Abbildung 30. Screenshot vom Zoomraum. Auswahl mehrere Hauttöne
Abbildung 31. Screenshot vom Zoomraum. Hand erheben
Abbildung 32. Screenshot vom Zoomraum. Hand-symbol
Abbildung 33. Screenshot vom Zoomraum. Auswahlmöglichkeiten der Ansichten
Abbildung 34. Screenshot der Zoomwebseite. Galerieansicht. (Zoom Support 2022: o. S.)
Abbildung 35. Screenshot vom Zoomraum. Immersive Ansicht
Abbildung 36. Screenshot vom Zoomraum. Erstellen einer Umfrage
Einleitung
Digitale Technologien durchdringen sowohl öffentliche als auch private Lebensbereiche und damit auch die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Sie sind ein selbstverständlicher Bestandteil und prägen das Alltagsleben (vgl. Berghaus et al. 2021: o. S.), die JIM-Studie (2021), welche sich mit dem Medienumgang von Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren auseinandersetzt, hat gezeigt, dass Kinder und Jugendliche in nahezu allen Haushalten mit einer breiten Medienausstattung aufwachsen. 94% der Befragten gaben an, ein Smartphone zu besitzen, 78 % haben einen eigenen Computer oder Laptop (vgl. Jim Studie 2021: S. 6). Die Omnipräsenz von digitalen Technologien und ihre Auswirkungen auf das Alltagsleben kann als Postdigitalität verstanden werden (vgl. Schmidt 2020: S. 57). Schmidt postuliert, dass im Zuge der Entwicklung einer postdigitalen Gesellschaft Verantwortung gegenüber der digitalen Infrastruktur, den Inhalten sowie der Kommunikation übernommen werden muss, dabei geht es vor allem um die Frage, so Schmidt, „wie diese Technologien auf uns wirken sollen" (Schmidt 2020: S. 65). Um auf diese Frage eine Antwort zu finden und der Verantwortung, die damit für eine Gesellschaft einhergeht, kann man für den schulischen Bereich beobachten, dass vermehrt digitale Bildungskonzepte und Medienkompetenz vermittelt werden.
So sieht u. a. der Lehrplan der Berliner Schulen für die 1. bis 10. Klasse vor, dass Kinder und Jugendliche in ihrem Umgang mit Medien gestärkt werden sollen. Das schließt den Umgang mit digitalen Medien, wie z. B. dem Smartphone mit ein. Die Medienbildung innerhalb der Schule ist ein begleitender Prozess, der den kreativen Umgang mit digitalen Medien fördern und zu einer konstruktiven kritischen Auseinandersetzung beitragen soll. Aufgrund der genannten Dynamiken ist es wichtig, dass Lehren und Lernen auch unter Verwendung digitaler Medien angepasst werden. (vgl. RLP BE-BB Teil B 2015: S. 13)
Der Fokus auf Medienkompetenz sowie der Einsatz digitaler Medien spiegelt sich auch in der sozialen Arbeit wider. Anhand der Kinder- und Jugendhilfe soll dies kurz erläutert werden. Die Digitalisierungsprozesse vollziehen sich auf unterschiedlichen Ebenen. Die Auswirkungen auf die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sind auf einer ersten Ebene zu spüren. Die zweite Ebene zeigt sich in der Ausgestaltung sozialpädagogischer Angebote. Die Bandbreite der Angebote reicht von der Online-Beratung bis hin zu Konzepten für "digitale Jugendzentren" (Berghaus et al 20221: o. J.). Auf der dritten Ebene müssen die öffentlichen und freien Träger neue Formen der Verwaltung entwickeln, um zeitgemäße, leistungsfähige Arbeits- und Kooperationsformen gewährleisten zu können (vgl. Berghaus et al. 2021: o. S.).
Um die Medienkompetenzjunger Menschen zu fördern, müssen die Fachkräfte selbst eine fundierte Medienkompetenz besitzen. „Alle Lehrkräfte müssen selbst über allgemeine Medienkompetenz verfügen und in ihren fachlichen Zuständigkeiten zugleich ,Medienexperten' werden" (Bildung in der digitalen Welt 2016: o. S.). Aus meiner Perspektive lässt sich das auf die Fachkräfte der Sozialen Arbeit übertragen. Aus diesem Grund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit dem Einsatz der Videochatplattform Zoom zur Durchführung von Online-Bildungsangeboten unter diskriminierungssensiblen Vorgaben. Die Forschungsfrage, welche sich daraus ergibt, lautet:„Wie kann die Durchführung eines Online-Bildungsangebots auf der Videochatplattform Zoom diskriminierungssensibel gestaltet werden?"
Es ist elementarer Bestandteil von Bildungsangeboten, dass Schutz vor Diskriminierung und digitaler Gewalt für alle Teilnehmerinnen gewährleistet wird. Darüber hinaus sollte ein Rahmen für eine inklusive Teilnahme geschaffen werden. Daraus ergibt sich die Frage, wie ein Raum auf der Videochatplattform Zoom konstruiert ist und wie die digitalen Funktionen Programmes auf das Handeln derTeilnehmer*innen einwirken.
Die vorliegende Arbeit ist in folgende Abschnitte gegliedert: Zunächst werden einige grundlegende Begriffe definiert. Anschließend wird der Aufbau eines Zoomraums erläutert. Danach werden die grundlegenden Mechanismen der Kommunikation erläutert, die sich durch die hinzugekommenen Kommunikationstechnologien bei Zoom teilweise verändern können. Im zweiten Kapitel geht es um die Konstitution des physischen Raumes und wie dieser die Interaktion und Kommunikation von Menschen beeinflusst. Im letzten Teil dieser Auseinandersetzung beschäftige ich mich mit der Raumanalyse des physischen Raumes, um diese Methode auf die Raumanalyse des digitalen Raumes zu übertragen. Anhand der Machtdefinition von Max Weber wird im darauffolgenden Kapitel untersucht, wie Machtausübung im digitalen Raum stattfindet und wie sie durch die digitalen Funktionen, die der Raum bietet, reduziert werden kann. Da Macht und Gewalt eng miteinander verknüpft sind und es auch zu digitaler Gewalt auf Videochatplattformen kommen kann, wird dieses Thema im nächsten Schritt untersucht. Zum
Schluss wird das Themenfeld Diskriminierung im Zusammenhang mit digitaler Diskriminierung betrachtet. Anhand der Analyse der genannten Themenfelder werden im letzten Kapitel Leitlinien für Online-Bildungsangebote entwickelt. Ein zusammenfassendes Fazit und ein Ausblick schließen die Arbeit ab.
Von der Digitalisierung zur Postdigitalität
Im folgenden Kapitel stelle ich den Unterschied der Begriffe Digitalisierung, Digitalität, Kultur der Digitalität und Postdigitalität dar und gebe eine Begriffsdefinition, die für die Analyse in den weiteren Kapiteln genutzt wird.
Für Axel Krommergeht mit dem Einzug der Digitalität ein Paradigmenwechsel einher. Zunächst möchte ich erläutern, wie Axel Krommer den Einfluss bestimmter Medien auf geltende Paradigmen versteht. Krommer warnt davor, Medien als reine Werkzeuge zu betrachten. Diese Definition von Medien greife zu kurz und es bestehe die Gefahr, nicht anzuerkennen, dass Medien einen weitaus größeren Einfluss auf Gesellschaft und Kultur haben als nur als Werkzeuge zu fungieren (vgl. Krommer 2021: S. 58). Nachdem Krommer aufgezeigt hat, inwiefern Medien geltende Paradigmen beeinflussen und welche Bedeutung sie für die Gesellschaft haben, beschreibt er am Beispiel des Mediums Telefon, was unter Paradigmenwechsel zu verstehen ist:
Wo es früher oft nur ein Festnetztelefon gab, ist nun das Smartphone nicht mehr wegzudenken. Ein einfaches Begrüßungsritual am Festnetztelefon gestaltete sich früher so, dass man seinen Namen sagte, denn es war für die*den Anrufer*in nicht offensichtlich, wer am anderen Ende der Leitung war. Mit einem Smartphone hat sich i. d. R. das Begrüßungsritual i. d. R. verändert. Es ist nicht mehr notwendig, den eigenen Namen zu sagen, vielmehr werden nun Ortsangaben gegeben, wie z. B. der Hinweis, dass man sich gerade in der Bahn befindet. Schon das Beispiel Telefon zeigt, wie sich Kommunikationsformen ändern und damit Einfluss auf die gesamte Gesellschaft und ihre Kommunikationsgewohnheiten haben können (vgl. ebd.: S. 59).
Nach diesem konkreten Beispiel für einen Paradigmenwechsel soll nun untersucht werden, wie Krommer Oralität, Skriptografie und Typografie bis hin zur Digitalität als Paradigmen skizziert und welche gesellschaftlichen Ängste jeden dieser Paradigmenwechsel begleitete. (vgl. ebd: S. 66). Als erstes beschreibt Krommer Oralität, also die Mündlichkeit. Nach Krommer gab es lange vor der Erfindung der Schrift die Sprache. Die menschliche Stimme habe als Leitmedium gegolten. Ein zentraler Grundsatz der oralen Kultur sei dabei gewesen: „Du weißt nur, was Du im Gedächtnis trägst" (Krommer 2021: S. 61). Da es die Idee der Schrift noch nicht gab, mussten andere Techniken gefunden werden, um Wissen im Gedächtnis zu speichern. Diese kulturellen Praktiken werden unter dem Begriff der Mnemotechnik zusammengefasst. Ein Beispiel sind Merksprüche oder Eselsbrücken (vgl. ebd.: S. 62).
Der nächste kulturelle Übergang bestand im Wechsel von der Oralität zur Skriptogra- fie, der Schriftlichkeit. Die Schrift entwickelte sich ab dem 3. Jts. v. Chr. Sie entwickelte sich dort, wo Menschen sich austauschten und eine Form finden mussten, um komplexe und relevante Information für einen längeren Zeitraum verfügbar zu halten, unabhängig von der Person, welche die Information gebracht hat.
Im Gegensatz zur Sprache bedarf es bei der Schrift einer „gezielten Einweisung in die neue Kulturtechnik. [...] Das Erlernen der Schrift erfordert nun eine systematische Unterweisung, die sich nicht mehr in den alltäglichen Lebenszusammenhängen vollzieht." (ebd. S. 62). Krommer beschreibt, dass die Schrift weitaus mehr ist als eine reine Kulturtechnik. „Während die Mündlichkeit an unmittelbare Kommunikation in einem für Sprecherin und Hörerin gemeinsam zugänglichen Kontext gebunden ist, erlaubt die Schrift eine von räumlicher und zeitlicher Präsenz unabhängige Kommunikation" (ebd.).
Dieser Paradigmenwechsel wurde nach Krommer als Bedrohung wahrgenommen Aus der Angst heraus, dass sich das neue Paradigma bewähren würde, warnte man vor den Gefahren, welche die Skriptografie mit sich bringen würde und stellte den Mehrwert derselben in Frage (vgl. ebd. S. 67). Der Philosoph Platon konstatierte u. a., dass das Erinnern eine wichtige geistige Aktivität sei. Er befürchtete, dass mit dem Einzug der Schrift Menschen ihr Gedächtnis vernachlässigen würden und sie sich nicht mehr darauf verlassen würden, um sich zu erinnern. Es lässt sich also festhalten, dass die Erfindung und Verbreitung der Schrift als Speichermedium von Informationen in den westlichen Kulturen langsam die Kultur der Oralität ablöste. Diese Entwicklung war mit Ablehnung und Ängsten verbunden. In ähnlicher Weise, wie das Paradigma der Skriptografie Einzug gehalten hat, wurde auch der nächste Paradigmenwechsel von Skriptografie zu Typografie als Bedrohung wahrgenommen (vgl. ebd.: S. 67).
Gemeint ist hier insbesondere der Buchdruck, der sich am Anfang des 15. Jh. entwickelte. Durch die Entstehung des Buchdrucks war es möglich, Geschriebenes schnell zu reproduzieren: Dies hatte enorme gesellschaftliche Auswirkungen, denn so konnten Bücher in großen Mengen produziert werden, was eine schnelle Verbreitung von Wissen ermöglichte.
Doch auch die Verbreitung mechanischer Druckverfahren führten zu Ängsten in der Gesellschaft. Am Beispiel der Einführung des Schulbuches (ca. Ende des 15. Jh.) wird die Bedrohung exemplarisch. Im Paradigma der Skriptografie war es noch der*die Lehrerin, der*die als einzige Person die Möglichkeit hatte, ihr*sein Wissen, welches sich auf vorher eigenhändig hergestellte Abschriften stützte, zu vermitteln. Somit besaßen Gelehrte Autorität, denn die Quellen konnten nicht ohne Weiteres überprüft werden, da der Zugang zu Handschriften stark reglementiert war. Durch die Einführung des Schulbuches hatten die Schülerinnen nun die Möglichkeit, die Aussagen des*der Lehrerin mit den Inhalten des Schulbuches zu vergleichen. Der*die Lehrerin war damit nicht mehr die einzige Quelle des Wissens (vgl. ebd.). Aktuell, so Krommer, befinden wir uns wieder in einer Phase des Paradigmenwechsels: von der Typografie zur Digitalität. Um das Paradigma der Digitalität zu begreifen, werde ich zunächst erläutern, was unter dem Prozess der Digitalisierung zu verstehen ist, da aus meiner Perspektive Digitalität auf Digitalisierung aufbaut.
Etymologisch betrachtet, leitet sich das Wort Digitalisierung von digital ab. Das Wort geht auf das lateinischedigitaliszurück, was „zum Finger gehörig" bedeutet (DWDS. 2023). Im Englischen leitet sich von diesem Wort „digit" ab, was entweder Ziffer oder Finger bedeutet. Der Begriff digital wurde Mitte des 20. Jh. vom Englischen ins Deutsche übernommen und bedeutet „in Stufen erfolgend, in Ziffern darstellend" (ebd.). Das englische Wort leitet sich von dem Wort „digit" ab, was entweder Ziffer oder Finger bedeutet. In der näheren Begriffsbestimmung wird digital u. a. als „nicht real, virtuell, vom Computer simuliert oder im Internet simuliert" angegeben (ebd.).
Aktuell wird im Englischen Digitalisierung wie folgt definiert: "to change data into a digital form that can be easily read and processed by a computer" (Oxford Learners Dictionary 2023), was frei übersetzt die Umwandlung von Daten in eine digitale Form bedeutet, welche von einem Computer einfach gelesen und verarbeitet werden können. In dieser Lesart ist Digitalisierung primär ein technischer Prozess.
Der Kultur- und Medienwissenschaftler Felix Stadler beschreibt den Begriff Digitalisierung im sehr engen Sinne als Übergang von einem analogen Medium in ein digitales und erklärt diesen Vorgang am Beispiel Buch (vgl. Stadler 2022: S. 3ff). Er beschreibt, wie ein Buch eingescannt wird und nun als elektronische Variante existiert. Stadlers Erklärung beschreibt ebenfalls einen rein technischen Vorgang, einen Medienwechsel eines physischen Mediums, das durch verschiedene, nicht weiter aufgeführte technische Schritte maschinenlesbar wird. Diese Definition von Digitalisierung beinhaltet jedoch noch keine Folgen für die Kommunikation oder den Umgang mit den im nun digital vorliegenden Text. Daher möchte ich nun aufzeigen, wie ein breiteres Verständnis von Digitalisierung aussehen kann. Als Anwendungsbeispiel nehme ich wieder das Buch.
1. Das Buch wird auf den Scanner gelegt und die Buchseiten werden in eine digitale Form umgewandelt. Diese Daten können vom Computer gelesen und verarbeitet werden.
2. Das eingescannte Buch erscheint daraufhin in digitaler Form auf meinem Computerbildschirm.
3. Der vorangegangene technische Vorgang lässt das Buch nun in simulierter Form auf dem Bildschirmen erscheinen. Es wird durch eine bestimmte grafische Darstellung der gescannten Seiten simuliert, dass es sich immer noch um ein Buch handelt.
4. Dadurch, dass das Buch nun in digitaler Form erscheint, kann sich auch der sogenannte "Möglichkeitsraum" (ebd. S 4). erweitern: Angenommen, das digitalisierte Buch wird in eine Online-Bibliothek hochgeladen. Durch diesen Schritt ist es möglich, dass sehr viele Personen gleichzeitig Zugang zu genau diesem Buch haben.
Am Beispiel des eingescannten und online zugänglich gemachten Buches wurde beschrieben, was unter Digitalisierung zu verstehen ist. Es handelt sich zunächst um einen technischen Vorgang, bei dem ein physisch vorliegendes Medium mit Hilfe von Hard- und Software computerlesbar aufbereitet und gespeichert wird. Programme und Bildschirme bieten anschließend die Möglichkeit, sich das Medium nun auf dem Computer anzusehen und es möglicherweise auch zu bearbeiten. Das digitalisierte Abbild des Mediums kann nun über Netzwerke und das Internet verbreitet werden und bietet daher einer sehr großen Zielgruppe die Möglichkeit, darauf zuzugreifen. Diese Zugänglichkeit über physische Raumgrenzen hinaus erweitert entsprechend den Möglichkeitsraum, was bedeutet, dass der Digitalisierungsprozess nun eine "gewisse Breite und eine gewisse Tiefe bekommen hat" (ebd.). Ich komme nun auf den Begriff der Digitalität zurück.
Digitalität ist die Klammer, welche die Digitalisierungsprozesse umfasst. Digitalität ist der Möglichkeitsraum, der durch die Digitalisierungsprozesse geschaffen worden ist. Für Stadler ist Digitalisierung der Aufbau einer Infrastruktur und auch das Lernen, diese zu benutzen, Digitalität wiederum ist „das, was die Infrastruktur möglich macht" (Stadler 2021: S. 4). Zur Erläuterung von Stadlers Definition folgt ein Beispiel: Ein Student muss seine Masterarbeit schreiben. Da die Bibliothek weit entfernt ist, nutzt er den OnlineZugriff auf die Online-Bibliothek. Diese ist möglich, da vorher mehrere Digitalisierungsprozesse stattgefunden haben, Bücher digitalisiert worden sind und in die Online-Bibliothek zusammengetragen worden sind. Der Student hat nun theoretisch von überall aus Zugang zu der Bibliothek, vorausgesetzt es gibt Internet, und kann sich die Bücher, welche er braucht, mit entsprechendem Zugang zum Bibliothekssystem herunterladen. Durch diese neue Option hat sich auch sein Möglichkeitsraum erweitert.
Die oben beschriebenen Vorgänge lassen sich auch auf Videochats übertragen. Im Sinne von Stadler gedacht, hat sich der Möglichkeitsraum eines physischen Treffens auf, das eines Videochats erweitert. Menschen müssen nicht mehr physisch an einem Ort sein, sondern können sich im Rahmen des Videochats von überall dazu schalten.
Digitale Medien durchdringen das Alltagsleben unserer westlichen Gesellschaft, weshalb man auch von einer Kultur der Digitalität sprechen kann. Der Begriff wurde ebenfalls von Felix Stadler in seinem gleichnamigen Buch „Kultur der Digitalität" geprägt (2016).Stadler versteht Kultur in diesem Kontext als einen Prozess der Verhandlung und Abstimmung innerhalb von kleinen oder größeren Gruppen, der letztendlich zu Übereinkünften führt. Bei den Aushandlungsprozessen geht es um die Fragen, "was ist richtig und was ist falsch, was wollen wir und was nicht, was ist hässlich was ist schön?" (ebd.: S. 5). Dabei geht es um die grundlegende ethische Frage: „Wie wollen wir und wie sollen wir leben?" (ebd.). Ich denke, dass die Antworten auf diese Fragen innerhalb von Gruppen ungleich geführt werden. Das es aufgrund von Machtasymmetrien nicht jeder Person ermöglicht wird, angehört zu und bei Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Diese Aushandlungsprozesse sind in der Kultur der Digitalität nochmal spezifisch. Stadler nennt drei Begriffe, die für ihn die Kultur der Digitalität auszeichnen: Referenzialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität.
Referenzialiät bedeutet im Wortsinne zunächst einmal das Herstellen von Bezügen. Einzelne Elemente, die z. B. im Internet kursieren, werden quasi zueinander in Beziehung gesetzt. Um Referenzialität im Sinne Stadlers zu erklären, beschreibt der Autor ein Verhalten auf einer Social-Media-Plattform. Eine Person wählt aus einer Vielzahl an Bildern, Fotos, Texten usw. ein konkretes Bild aus, welches ihr jetzt besonders wichtig erscheint, und teilt es über das soziale Netzwerke Facebook. Auf diese Weise generiert sie Aufmerksamkeit. Sie bringt damit zum Ausdruck, dass dieses eine Foto ihr besonders wichtig ist und möchte, dass es andere auch sehen. Einerseits wird so ein Horizont geschaffen für das, was wichtig erscheint und was nicht, und andererseits ist die Person auch gleichzeitig Teil des Horizonts, da sie es ist die auswählt und entscheidet. Unter Horizont ist in diesem Zusammenhang nach Stadler zu verstehen, welche Wissensperspektive eine Person zu einem Zeitpunkt X hat. Die Perspektive kann durch äußeren Input um neue Aspekte erweitert werden. Referenzialität bedeutet also, dass wenn ein Foto auf einer Social-Media-Plattform geteilt wird, Bezüge zur Senderin, der Plattform selbst und den Rezipientinnen des Beitrages hergestellt werden. Erst aus diesem Beziehungsgeflecht lässt sich die konkrete übermittelte Information ermitteln, die das Foto für sich genommen noch nicht gehabt hätte (vgl. ebd. S 6).
Der BegriffGemeinschaftlichkeitwiederum erklärt sich an Hand des oben genannten Beispiels folgendermaßen: Wenn dieses eine geteilte Bild nun ein Like durch eine andere Person bekommt, wird damit zum Ausdruck gebracht, dass es auch einer anderen Person gefällt. Diese andere Person fügt vielleicht sogar ein weiteres Bild hinzu oder kommentiert den ursprünglichen Beitrag. Durch diese Handlungen erweitert sich der Horizont der Senderin, da sie durch die Reaktionen auf ihren Post Dinge sieht, welche sie vorher ggf. noch nicht kannte. Beide Personen sind darüber übereingekommen, dass ihnen das als erstes gesendete Bild gefällt. Durch das Hinzufügen eines weiteren Bildes oder auch das Kommentieren wurde der Horizont beider Personen erweitert.
So haben wir erstens eine Person, die eine Auswahl trifft aus einer großen Anzahl verfügbarer Elemente, z. B. Bilder, und damit entscheidet, was wichtig sein soll und was nicht, und zweitens eine Person, welche das Bild liked und es durch ein weiteres ergänzt oder einen Kommentar hinterlässt und somit den Horizont der ersten Person erweitert.
Gemeinschaftlichkeit bedeutet also einen Akt gemeinsamen kommunikativen Handelns und die kollektive Generierung und Erweiterung von Bedeutungen eines Elementes oder Zeichens.
Zum gemeinschaftlichen Handeln kommt im Rahmen der Kultur der Digitalität weiterhin der Prozess der Algorithmizität hinzu. Für das oben eingeführte Beispiel, würde das das Folgende bedeuten: Hat nun eine Person zehn Bilder, auf denen z. B. Katzen zu sehen sind, geliked, also kenntlich gemacht, dass ihr diese Fotos gefallen, so wird dieser Person in der Erwartung, dass ihr nun auch das elfte Bild gefällt, automatisch durch die Algorithmen der Plattform ein elftes Bild, vorgeschlagen: eine algorithmische Auswahl wurde getroffen. Wenn die Person, die algorithmische Auswahl, in diesem Fall das elfte automatisch vorgeschlagene Bild, wieder mit einem Like markiert, nennt man diesen Vorgang eine „human-kognitive Bestätigung" (Stadler 2021: S. 6). Somit ist eine algorithmische Auswahl getroffen worden. Die Prozesse, welche unter der algorithmischen Auswahl liegen, sind maschinelle und automatische Prozesse, die vom Computer ausgeführt werden.
Zusammengefasst spielen sich in der Kultur der Digitalität also drei Mechanismen ab: Referenzieren, gemeinschaftliches Bewerten und algorithmisches Vorsortieren (vgl. ebd.: S. 7). Neben Kultur der Digitalität kursiert in jüngster Vergangenheit auch der Begriff der Postdigitalität, auf den im Folgenden näher eingegangen werden soll.
Postdigitalität
„Like air and drinking water, being digital will be noticed only by its absence, not its presence." (Negroponte 1998),beschreibt der Informatiker Nicholas Negroponte sehr treffend, wie digitale Medien in unserem Alltag allgegenwärtig sind und dass wir sie erst bemerken, wenn sie nicht mehr da sind oder nicht funktionieren (vgl. Schmidt 2020: S. 57). Robin Schmidt wiederum beschreibt Postdigitalität folgendermaßen:
"Der Zustand einer Gesellschaft, in dem der Unterschied zwischen digital und analog sich auflöst oder redundant wird, weil das einstmals neue Digitale bereits zu ihrer inhärenten Voraussetzung geworden ist, kann post-digital genannt werden. (Schmidt 2020: 57)"
In diesem Sinne kann die Unterscheidung zwischen analog vs. digital in post-digitalen Gesellschaften als überholt angesehen werden, da digitale Technologien nunmehr eine Grundvoraussetzung für die tägliche Interaktion mit der Welt geworden sind. Wichtig ist an dieser Stelle anzumerken, dass Schmidt aus einer westlichen, eurozentristischen Perspektive urteilt. Anhand eines Beispiels soll das Phänomen der Postdigitalität weiter erläutert werden: Eine oder ein Autofahrerin, der*die gerade seine*ihre Führerscheinprüfung bestanden hat und 18 Jahre alt ist, will das erste Mal mit dem Auto von Berlin nach Leipzig fahren und hat für die Wegstrecke die Navigation auf ihrem*seinem Handy eingeschaltet. Der Akku des Handys neigt sich dem Ende zu und das Ladekabel wurde vergessen. Die 18-jährige Person hat sich auf die Navigation ihres Handy verlassen und nie gelernt, eine Papierkarte zu lesen, um so den Weg weiter nach Leipzig zu finden. Sie weiß aber, dass sie bei der nächsten Tankstelle ein Ladekabel erwerben kann, womit sie das Handy noch im Auto laden kann, um es dann wieder einzuschalten. Sie tut dies, schaltet ihr Handy sowie das Navi wieder an und findet ohne weitere Komplikationen den Weg nach Leipzig. Dieses Beispiel zeigt auf, dass ein digitales Medium, welches uns durch den Alltag führen kann, erst bemerkt wird, wenn es nicht mehr funktioniert. Darüber hinaus zeigt es, wie sehr digitale Technologien inhärent geworden sind in unserem Alltagsleben und auch, dass Lösungen, wie die Verfügbarkeit der Hardware, in unserem Falle das Ladekabel, sehr schnell verfügbar sind. Interessanterweise illustriert das Beispiel auch den weiter oben genannten Paradigmenwechsel eindrücklich: Die beschriebene Person verfügt zwar über die Fertigkeit, mit einem Smartphone eine Route zu navigieren, hat aber nie gelernt, das physische Medium, dass der Online-Karte zu Grunde liegt, lesen zu lernen. Nicht nur, dass der Umgang mit neuen Medienselbstverständlich wird für eine junge Generation, ältere Kulturtechniken werden teilweise sogar ersetzt. Dies zeigt auf, dass es sich um einen fundamentalen gesellschaftlichen Wandel handelt, von dem es nicht ohne Weiteres „ein Zurück" gibt. Die strikte binäre Unterscheidung in physisch/analog und digital wird damit obsolet.
Schmidt beschreibt, dass wir in einer postdigitalen Gesellschaft Verantwortung übernehmen müssen für die digitale Infrastruktur. Aufgrund der Tatsache, dass digitale Technologien inhärent geworden sind in unserer Alltagskultur, kann es nicht mehr darum gehen, digitale Technologien abzulehnen, sondern vielmehr darum, sich mit ihnen vertraut zu machen und sich der Frage zu stellen „wie diese Technologie auf uns wirken soll" (ebd.: S. 65)? Aus meiner Perspektive spielt hier die Frage mit hinein: Wie soll der Umgang mit digitalen Technologien gestaltet werden? Technologien sind nicht einfach da, sie wurden entwickelt, um konkrete Probleme zu lösen. Wie kann sich dieser neue Möglichkeitsraum der Digitalisierung positiv auf das Alltagsleben auswirken?
Digitale Videomeetings oder virtueller Videomeetings
Nachdem aufgezeigt wurde, was unter Paradigmenwechsel zu verstehen ist und was unter Kultur der Digitalität und postdigital zu verstehen ist bzw. wie durch Digitalisierung neue Möglichkeitsräume entstehen, soll in den folgenden Kapiteln der Themenkomplex Videomeeting betrachtet werden. Was zunächst auffällt, ist, dass in der einschlägigen Literatur keine Einigkeit darüber besteht, ob Videomeetings als digitale oder virtuelle Phänomene bezeichnet werden sollten. Doch worin besteht überhaupt der Unterschied zwischen den beiden Termen? Etymologisch istvirtuellsehr eindeutig definiert: Als virtuell kann etwas bezeichnet werden, das „nicht in der Realität vorhanden [ist], dem Betrachter aber echt erschein[t]". Virtuell heißt weiterhin, dass etwas „von einer Software simuliert [wird und daher] nur [in] einer von Software geschaffenen Welt existier[t]" (DWDS).
Beide Begriffe liegen nah beieinander bzw. sind nicht eindeutig voneinander differenziert. Aus meiner Perspektive könnte das ein Grund dafür sein, dass beide Begriffe oft synonym verwendet werden. In der Wortdefinition von virtuell heißt es „nicht in der Realität vorhanden, dem Betrachter aber echt erscheinend". Virtual-Reality -Formate (VR) sind ein gutes Beispiel für Computer-basierte Simulationen, die den Nutzer*innen mit einer VR-Brille eine vollständig geschlossene computergenerierte Umgebung, welche von der realen Welt getrennt ist, simulieren (vgl. Weiss et al. 2021: S 275 ff.) In dieser Umgebung sind die Teilnehmerinnen selbst durch Avatare repräsentiert. Im Vergleich dazu gibt es sich bei klassichen Videomeetings, wie sie durch Anbieter wie Zoom, Microsoft Teams, BigBlueButton, Jitsi, Webex u. a. angeboten werden, keine geschlossene, rein Computer-generierte und damit simulierte Umgebung, die über ein VR-Headset zugänglich ist. Z. B. der Grad der Simulation bei einem Videomeeting ist eher gering und äußert sich z. B. nur darin, dass Teilnehmerinnen einen Videofilter benutzen können. Trotzdem werden die Nutzenden und ihre Umgebung im Zweifel real abgebildet, wenn sie ihre Kamera anschalten. Der Unterschied zwischenvirtuellunddigitalzeigt sich also am Grad der Simulation.
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Wortdefinition der beiden Begriffe zwar nicht ganz trennscharf ist. Die Umsetzung bei Videochatplattformen zeigt jedoch, dass der Grad der Simulation hier eher gering ist. Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit 'werde ich entsprechend von digitalen Videomeetings sprechen.
Der Aufbau von Zoom
Wie zu Beginn der Arbeit dargelegt, beziehe ich mich im Rahmen dieser Arbeit auf Zoom, als eine der am häufigsten eingesetzten Videochatplattformen. Im Folgenden möchte ich nun kurz skizzieren, wie das Programm aufgebaut ist.
Zoom wurde 2011 im amerikanischen San Jose entwickelt . Die Videochatplattform kann im Browser, als Desktop-App auf dem Computer oder als App auf einem Mobilgerät geöffnet werden. Das Programm ermöglicht eine Videotelefon-Konferenzschaltung von bis zu 1.000 Teilnehmenden gleichzeitig (Zoom Support 2022: o. S.) Auch ist es möglich, nur eine kleine Anzahl von Rednerinnen live zusammenzuschalten und eine schier unbegrenzte Zahl an Zuschauenden über die Funktion Webinar am Meeting teilnehmen zu lassen. Die Software bietet neben der Videotelefonie über das Internet umfangreiche zusätzliche Funktionen, wie einen Textchat dergesamten Gruppe und einzelnerTeilnehmender untereinander, visuelle Reaktionen durch Emojis, die im eigenen Video erscheinen, eine Gästeliste, die Möglichkeit, den eigenen Namen und das genutzte Pronomen anzeigen zu lassen und ändern zu können, diverse Live-Videofilter, ein geteiltes Whiteboard, die Möglichkeit, den eigenen Bildschirm zu teilen, Kommentarfunktionen, wenn ein Bildschirm geshared wird, eine Untertitel und Live-Dolmetschfunktion sowie die Möglichkeit der Integration diverser externer Anwendungen. Die durchgeführten Meetings können aufgezeichnet und sogar live gestreamt werden (vgl. ebd.)
Es gibt bei Zoom verschiedenen Rollen: Den Host, also die*den Gastgeberin, den Co-Host, womit ein alternativer Host gemeint ist, sowie die regulären Teilnehmerinnen. Da der Co-Host im Wesentlichen die gleichen Handlungsmöglichkeiten und Berechtigungen in einem Meeting hat wie der eigentliche Host, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht explizit auf diese Rolle referiert. Der Host ist die Person, welche i.d.R. den Meetingraum über einen entsprechenden Zoomaccount erstellt und den Gästen zur Verfügung stellt. Nachdem er oder sie den Raum, in seinem oder ihrem Account angelegt hat, wird ein Link generiert, der an die Teilnehmerinnen versendet werden kann. Im Kapitel über die Leitlinien für ein Online-Angebot gehe ich explizit auf die einzelnen Schritte ein.
Der Host ist die Person, welche mit den meisten administrativen Rechten ausgestattet ist. Der Host kann in den Einstellungen seines Accounts festlegen, wie der Zoomraum gestaltet werden kann, also ob z. B. die Teilnehmerinnen alle stumm geschaltet sind, wenn sie das Meeting betreten oder ihre Kameras an- oder ausgeschaltet sind. Diese und weitere Möglichkeiten, die der Host aufgrund seiner Rolle hat, werden im Verlaufe dieser Arbeit diskutiert. Innerhalb des Zoomraums kann der Host sogenannte Breakout- Rräume erstellen, worunterBreakout-Räume separate Räume zu verstehen sind, in die das Meeting aufgeteilt werden kann. Breakout-Räume können gleichzeitig zum Hauptmeetingraum bestehen (vgl. Zoom Support 2022: o. S.). Der Host kann in den Voreinstellungen festlegen, ob die Teilnehmerinnen selbst den Breakoutraum betreten oder ihn vom Host oder Co-Host zugewiesen bekommen.
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Abbildung 1. Screenshot vom Zoomraum. Aufbau eines Zoomfenster.
Diese Abbildung zeigt ein Zoomfenster aus der Perspektive einer Hostperson. Zu sehen sind die Standardfunktionen Mikrofon und Kamera ein- und ausschalten, der Textchat, die Option, sich die Teilnehmer*innenliste anzeigen zu lassen, die Möglichkeit, mit Emojis zu reagieren und die Option, das Meeting zu verlassen. Features, wie das Erstellen von Umfragen und Untertiteln, ein Aufnahmebutton, die Erstellung von Breakout-Sessions sowie die Sicherheitseinstellungen des Meetings, wie der Warteraum, in dem neu eintreffende Gäste auf den Einlass in den Hauptmeetingraum warten müssen, sind nur für den Host sichtbar. Die anderen Teilnehmerinnen erscheinen im Zoomraum auch mit ihrem Videobild. Die folgende Abbildung zeigt den Zoomraum mit mehreren Teilnehmerinnen, in der sogenannten Galerieansicht:
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Abbildung 2. Screenshot der Zoomwebseite. Galerieansicht von Zoom. (Zoom Support 2022: o. S.)
Sowohl der Host als auch die Teilnehmerinnen können individuell zwischen Galerieansicht und Sprecherinnenansicht wechseln. Die Sprecherinnenansicht zeigt die Person, die gerade spricht, in einer vergrößerten Ansicht.
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Abbildung 3. Screenshot von Zoom. Sprecher*innenansicht mit virtuellem Hintergrund (Zoomsupport 2022: o. S.)
Außerdem können Teilnehmerinnen auch andere Teilnehmerinnen „anpinnen". Durch die Funktion des Anpinnens erscheint die Person, welche angepinnt wurde, vergrößert wie in der Sprecheransicht, allerdings nur in der eigenen Ansicht. Der Host kann bis zu neun Personen anpinnen, welche dann auch für die anderen Teilnehmerinnen sichtbar sind (vgl. Zoom Support 2022: o. S.). Diese Funktion eignet sich z. B. gut für Diskussionsrunden.
Sowohl der Host als auch die Teilnehmerinnen können die Kamera- und Mikrofonfunktionen benutzen, um miteinander in Kontakt zu treten. Außerdem kann sowohl der Host als auch die Teilnehmerinnen einen virtuellen Hintergrund einstellen oder Videofilter verwenden. Abb. 3 stellt die Sprecherinnenansicht mit virtuellem Hintergrund dar. Diese Funktion ermöglicht es, den eigenen Hintergrund automatisch auszublenden und durch ein Foto zu ersetzen. Hierbei kann aus einer vorgegeben Galerie gewählt oder ein eigenes Bild ins System geladen werden.
Darüber hinaus kann i.d.R. der Chat genutzt, der Bildschirm geteilt und die Reaktionsfunktion genutzt werden. Durch die Reaktionsfunktion können Teilnehmerinnen nonverbal, nämlich durch die Hilfe von Symbolen (Emojis), auf Inhalte reagieren, die innerhalb des Meetings kommuniziert werden (vgl. Zoomsupport 2022: o. S.).
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Abbildung 4. Screenshot im Zoomraum.
Die Bildschirmfreigabe kann der Host so festlegen, dass während eines Meetings alle Teil- nehmer*innen den Bildschirm freigeben können, wobei immer nur eine Person ihren Bildschirm freigeben kann. Durch die Bildschirmfreigabe können Nutzende ihr individuelles Browserfenster, eine PowerPoint-Präsentation, Bilder, Videos, Audiodateien oder der eigene Desktop geteilt werden. Der Host kann den Nutzenden jedoch in den Sicherheitseinstellungen auch verwehren, diese Funktion zu nutzen. Durch die Bildschirmfreigabe kann auch die integrierte sogenannte „Whiteboard"-Funktion genutzt werden. Ist die "White- board"-Funktion aktiv, haben alle Teilnehmerinnen die Möglichkeit, auf dem Whiteboard zu schreiben, zu zeichnen oder es mit virtuellen Haftnotizen zu versehen. Das Whiteboard kann als die virtuelle Tafel eines Zoomettings betrachtet werden (vgl. ebd.)
In den folgenden Kapiteln werde ich expliziter auf die einzelnen Funktionen, deren Möglichkeiten aber auch Grenzen eingehen. Darüber hinaus betrachte ich die
"Konstruktion" des Zoomraums. In den Leitlinien für das Online-Bildungsangebot im Kapitel 8. werden alle Funktionen wiederholt aufgegriffen und erklärt.
Kommunikation
Nachdem im vorangegangen Kapitel ein kurzer Überblick über den Aufbau und die wesentlichen Funktionen von Zoom gegeben wurde, beschäftigen sich die nächsten zwei Kapitel mit den Grundpfeilern der menschlichen Kommunikation, sowohl im physischen Raum als auch auf Videochatplattformen. Dies erscheint mir wichtig, um darstellen zu können, wie die Softwarearchitektur die Kommunikationsgewohnheiten der Teilnehmenden möglicherweise nachhaltig verändert bzw. welche Hierarchie- und Machtverhältnisse dem Programm eingeschrieben und dadurch unterschwellig wirksam sind.
Senden und Empfangen von Nachrichten in der zwischenmenschlichen Interaktion verläuft über kommunikative Codes. Kommunikative Codes können verbale oder nonverbale Signale sein, wie z. B. Mimik, Gestik, Körperhaltung (vgl. Döring (2007): S. 12). Neben diesen körpereigenen Codes können auch Einrichtungsgegenstände, Kleidung oder Accessoires als kommunikative Codes gelesen werden, wenn man von ihnen eine bestimmte Haltung oder Wertvorstellung des Gegenübers ablesen kann. Z. B.B. kann das Tragen einer Anstecknadel einen Symbolcharakter aufweisen: So kann eine Person das Symbol einer politischen Partei als Anstecknadel mit sich tragen und damit kommunizieren, mit welcher Partei er*sie sympathisiert (vgl. Vogel 2018: S. 32). Das Verstehen von Symbolen und damit auch kommunikativen Codes setzt immer ein Vorwissen über deren Bedeutung voraus, d. h. sie sind nicht selbst erklärend.
Ausgehend von dieser Beschreibung wird die These aufgestellt, dass sich Kommunikation verändert bzw. begrenzt sein kann, sobald sie auf Videochatplattformen stattfindet, da z. B. Mimik und Gestik im Vergleich zum physischen Raum nur eingeschränkt übertragen werden können. Aus meiner Perspektive kann es dafür mehrere Ursachen geben. Bspw. kann es bei der Übertragung des Videobildes zu einer gewissen Latenz kommen, so dass wir die Reaktion des anderen, die sich z. B. mimisch zeigen, erst verzögert wahrnehmen. Darüber hinaus können die meisten Kameras nur einen bestimmten Blickwinkel erfassen und nicht das gesamte Bild. So kann es passieren, dass nonverbale Signale im Verborgenen bleiben, da der Körper nur ausschnitthaft zu sehen ist.
Eine zweite These, welche mit der ersten verbunden ist, dass durch die eingeschränkte Art und Weise, wie wir auf Videochatplattformen miteinander kommunizieren, auch die Interaktion und damit verbunden die Beziehungsgestaltung anders verläuft als in physischen Räumen bzw. eingeschränkt ist.
Um diese These näher zu erläutern, wird im nächsten Schritt exemplarisch die Interaktion und Beziehungsgestaltung von Lehrerinnen und Schülerinnen betrachtet. Im letzten Schritt möchte ich die Spezifika der Kommunikation im digitalen Raum untersuchen und Rückschlüsse daraus ziehen, auf welche Weise Kommunikation eingeschränkt ist, aber auch welche Chancen durch neue Zeichenebenen sich für die Kommunikation ergeben.
Kommunikation im physischen Raum
Das aus dem Lateinischen stammende Wort Kommunikation (lat. communicatio) bedeutet Mitteilung oder Unterredung (vgl. Röhner/Schütz 2012: S. 2). Daraus lässt sich das erste Merkmal von Kommunikation ableiten: Sie enthält immer eine Botschaft. Diese Botschaft kann auf sehr unterschiedlichen Wegen übermittelt werden. In Anlehnung an Six et al. (2007) haben Röhner und Schütz sechs Merkmale herausgearbeitet, die Kommunikation kennzeichnen.
1. Es gibt immer ein*e Senderin und eine*n Empfängerin. Es muss also mindestens zwei Beteiligte geben. (Ausnahme ist die intrapersonelle Kommunikation. Intrapersonelle Kommunikation ist die „Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung eines Individuums" (ebd.: S. 87). Ein Beispiel dafür sind Selbstgespräche.)
Die Beteiligten treten miteinander in Kontakt, dabei tauschen sie sich mittels Zeichen bzw. Symbolen aus. Die Kommunikation erfolgt entweder direkt „also von Angesicht zu Angesicht oder indirekt, d. h. medienvermittelt" (ebd.: S4).
D. h., dass die Kommunikation erst durch ein bestimmtes Medium ermöglicht wird, das könnte z. B. ein Telefon sein. Für eine gelingende Kommunikation sind ein gemeinsames Zeichen- und Symbolrepertoire, dessen Verständnis sowie ein gemeinsamer Erfahrungs- und Wissenshintergrund wichtige Grundlagen (vgl. ebd.)
2. Es gibt eineNachricht/Botschaftaus Zeichen und Symbolen, welche die andere Person decodiert. Wichtig ist, dass die gesendete bzw. empfangene Nachricht nicht zwangsläufig dieselben sind. Die Nachricht kann von der*dem Empfängern anders interpretiert werden, als der*die Sender*in sie intendiert hat.
3. Um eine Nachricht zu senden und zu empfangen, braucht es„Mittel und Modalitäten."Das kann bei einer Face-to-Face-Kommunikation die Sprache, aber auch Gestik und Mimik sein, bei einer medienvermittelten Kommunikation, z. B. das Handy oder die Funkverbindung.
4. DerKontexthat Auswirkungen auf die Kommunikation. Er ist durch die Atmosphäre beeinflusst, welche zwischen den Kommunikationspartnerinnen herrscht. Doch nicht nur die Atmosphäre, auch die Kommunikationsregeln, welche vorherrschen, bestimmen den Kommunikationsprozess. Ein Beispiel wäre ein Gespräch zwischen einem*er Chefin und einem*einer Angestellten*Ange- stelltin. Der Kontext ist also ein Arbeitsverhältnis. Die Atmosphäre zwischen diesen beiden Interaktionspartnerinnen kann freundlich und kooperativ sein, was sich positiv auf die Arbeitsbeziehung auswirken kann. Die Kommunikationsregeln könnten bei diesem Beispiel sein, dass man sich gegenseitig ausreden lässt. Dies kann den Kommunikationsprozess positiv beeinflussen und auch für zukünftige Gespräche eine positive Grundlage schaffen.
Ferner führen die KommunikationspartnerinnenAktivitätenaus, die sichtbar, aber auch unsichtbar sein können. Eine sichtbare Aktivität ist z. B. eine Geste, eine unsichtbare Aktivität ist die „Eindrucksbildung vom Gegenüber" (ebd.: S5), also die innere Vorstellung, die sich die Gesprächspartnerinnen voneinander machen.
5. „Kommunikationist interaktiv"(ebd.) D. h., dass Kommunikation ein interaktiver Prozess ist. Auf eine Aktion folgt eine Reaktion. Diese Wechselbeziehung beeinflusst die beiden Gesprächspartnerinnen und ihre Kommunikation und wird außerdem davon geprägt, ob die Kommunikation face to face oder medienvermittelt stattfindet.
6. Kommunikationverfolgt immer ein Ziel,z. B. die Vermittlung der Information. Neben den bewussten Übermittlungszielen können auch unbewusste Signale mitgesendet werden, wie z. B. ein Kopfnicken, wenn man dem Gesagten zustimmt. (vgl. ebd.: 4 ff).
Um diese sechs Faktoren anschaulich zu machen, soll an dieser Stelle ein Beispiel folgen. Eine Mutter sagt mit strenger Miene zu ihrem Kind: „Mach bitte deine Hausaufgaben". Das Kind verweigert sich und fängt an zu weinen. Die Mutter wiederholt ihre Aussage und bietet dem Kind ihre Hilfe an.
1. Senderin ist die Mutter und Empfänger das Kind. Die Voraussetzung von mindestens zwei Beteiligten, welche miteinander in Kontakt treten, ist erfüllt.
2. Die Botschaft, welche die Mutter übermitteln möchte, ist die Aufforderung, dass das Kind die Hausaufgaben machen soll.
3. Die Mutter ist in der Lage, ihre Botschaft durch Sprache zu übermitteln. Um der Botschaft Nachdruck zu verleihen, ist eine „strenge Miene" in ihrer Mimik erkennbar. Darüber hinaus können hier auch kontextbezogene Subtexte vermittelt werden. So kann die „strenge Miene" auch bedeuten, dass die Mutter sich fragt, ob das Kind z. B. aus Trotz widerspricht.
4. Der Kontext in diesem Beispiel kann die Mutter-Kind-Beziehung sein, welche Auswirkung darauf hat, wie die Mutter den Satz formuliert und wie das Kind darauf reagiert. Eine mögliche Eindrucksbildung wäre, dass die Mutter den Eindruck hat, dass das Kind überfordert ist.
5. Auf die Aufforderung der Mutter folgt eine Reaktion des Kindes, welche wiederum zu einer Reaktion der Mutter führt. Es findet also eine Wechselbeziehung statt.
6. Die Mutter verfolgt das Ziel, dass ihr Kind die Aufforderung annimmt, die Hausaufgaben erledigt und dadurch auch vermittelt wird, dass sie die Autorität innehat.
Neben den zahlreichen Definitionen von Kommunikationen gibt es auch sehr viele Kommunikationsmodelle. Das verbindende Merkmal zwischen den unterschiedlichen Modellen ist, dass eine Nachricht zwischen Personen ausgetauscht werden soll (vgl. Röhner/ Schütz: S. 16).
Ein Beispiel für ein Kommunikationsmodell ist das Kommunikationsmodell nach Shannon und Weaver, welches die Grundlage für ein klassisches Sender-Empfänger-Modell darstellt. Es wurde 1949 entwickelt und durch Wissenschaftlerinnen aus anderen Wissenschaftsbereichen modifiziert und ergänzt. Es ist ein „binäres mathematisches Modell" (ebd.: S. 17), was aus der Nachrichtentechnik entstanden ist, und zum Ziel hatte, die Übertragung der Nachricht zu optimieren, d. h. sie weniger störanfällig zu machen.
Im Grundaufbau gibt es eine*n Sender*in mit einem Sendegerät und auf der anderen Seite die*den Empfängerin mit einem Empfangsgerät. Die*der Sender*in gibt ihre*seine Botschaft in das Sendegerät ein, wodurch sie codiert wird. Sie wird dann über den Kanal übertragen und die*der Empfängerin muss sie wiederum aufnehmen und mit Hilfe ihres*seines Empfangsgeräts decodieren. Während dieses Prozesses kann es zu Störungen kommen (vgl. ebd.: S. 17). Dieses Modell lässt sich auf die Kommunikation zwischen Menschen übertragen. Um bei dem Beispiel der Mutter und dem Kind zu bleiben, wäre in dem Fall die Mutter die Senderin und das Kind der Empfänger. Die Mutter sendet ihre Botschaft durch das „Sendegerät" Sprache. Dadurch wird die Botschaft codiert. Das Kind kann durch das Empfangsgerät „Ohr" die Botschaft aufnehmen und muss sie nun im Gehirn decodieren. Auch dieser Prozess ist störungsanfällig. Für unser Beispiel könnte das heißen, dass in dem Moment, in dem die Mutter ihre Botschaft in Worte formt und das Kind diese aufnehmen soll, dass Kind abgelenkt ist, z. B. durch Geräusche, die von der Straße zu hören sind.
Jörg Aufermann hat das Modell von Shannon und Weaver 1971 erweitert. Während das Modell von Shannon und Weaver noch rein technischer Art war, ist das Modell von Aufermann um die zwischenmenschliche Kommunikation erweitert. Auch in dem Modell von Aufermann gibt es eine*n Senderin und Empfängerin. Der*die Senderin verschlüsselt seine*ihre Botschaft durch die ihr*ihm zur Verfügung stehenden Zeichen und Symbole (Sprache, Mimik, Gestik usw.). Diese verschlüsselte Botschaft gelangt nun zu der*dem Empfängerin, welche*r die Botschaft decodiert. Beim Decodieren misst die*der Empfängerin der Botschaft eine Bedeutung bei. Dies tut sie oder er auf Grundlage der ihr*ihm zur Verfügung stehenden Zeichen und Symbole (vgl. Vogel 2012: S.).
Für eine gelungene Verständigung zwischen Senderin und Empfängerin braucht es einen „Common Ground" (vgl. Vogel 2012: S. 13). Der „common ground" basiert darauf, dass die „Kommunizierenden einen Wissenshintergrund teilen oder diesen schaffen" (Röhner/Schütz 2012: S. 39).
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Eine Person wird von der anderen zum Essen zu sich nach Hause eingeladen. Die Person hat der anderen Person zuvor mitgeteilt, dass sie eine Laktoseintoleranz hat. Dieses Wissen gehört nun zum Common Ground und die Person, welche der Einladung folgt, wird nun davon ausgehen können, dass ihr keine Milchspeise serviert wird (vgl. ebd.: S. 40).
Clark und Brennan erkennen vor allem die Rolle der*des Empfängerin als wichtig an. Denn die*der Empfängerin muss der*dem Sender*in stets vermitteln, ob sie*er die Botschaft verstanden hat. Auch dies kann anhand entsprechender Signale vonstatten- gehen. Wichtig ist, beim Nichtverstehen die Kommunikationsweise anzupassen (vgl. Vogel 2012: S. 14). Das kann bspw. dadurch erfolgen, indem die*der Empfängerin ihre*seine Botschaft mit anderen Worten formuliert.
Für eine gelingende Kommunikation braucht es auch eine kommunikative Kompetenz. Es gibt keine einheitliche Definition über das, was kommunikative Kompetenz bedeutet. Ein wiederkehrendes Merkmal der Definitionen von kommunikativer Kompetenz besteht darin, dass Menschen dazu in der Lage sind, ihr Verhalten und ihre Art zu kommunizieren, an den Kontext der jeweiligen Situation anzupassen (vgl. Hert- sch/Schneider 2012: S. 80). Fähigkeiten, wie sich z. B. verständlich auszudrücken, sich gegenseitig zuzuhören, die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen und weitere, zählen zu den kommunikativen Kompetenzen. Diese Kompetenzen können vor allem in der Schule, wie z. B. im Deutschunterricht, erlernt und gefördert werden (vgl. ganztägig-ler- nen 2008: o. S.).
Kommunikative Kompetenz ist eine wichtige Voraussetzung, um miteinander in Kontakt zu treten und Beziehungen zu gestalten. Sie gehört zur sozialen Kompetenz bzw. ist ein wichtiger Bestandteil davon. Sie hilft uns, unsere Botschaft angemessen vorzutragen und zu übermitteln, respektive in Interaktion mit dem Gegenüber zu treten. Doch nicht nur das angemessene Herantragen der eigenen Botschaft spielt eine Rolle bei der kommunikativen Kompetenz, sondern auch, ob ich in der Lage bin, die Mimik, Gestik, Körperhaltung der*des anderen zu deuten und darauf angemessen zu reagieren. Diese Fähigkeit wird interpersonelle Sensitivität genannt (vgl. Röhner/Schütz 2012: S. 6).
Neben den allgemeinen Merkmalen der Kommunikation, dem Common Ground und der kommunikativen Kompetenz, wird nun die Interaktion und die Beziehungsgestaltung zwischen Lehrenden und Lernenden betrachtet. Nach Christmann versteht man unter Interaktion die Wechselseitigkeit der Einwirkung der Kommunikationspartnerinnen aufeinander (vgl. Christmann 1999: S. 24.) Auch der Common Ground kann Einfluss auf die Interaktion haben. I.d.R. nimmt der*die Sender*in eine Einschätzung über das Wissen seiner*ihres Empfängers*Empfängerin auf. Nimmt er*sie z. B. eine Asymmetrie bezüglich des Wissensstands an, wird er*sie versuchen, einen gemeinsamen Wissensstand zu schaffen (vgl. Vogel 2018: S. 16).
Zwischen Lehrerinnen und Schülerinnen kann z. B. eine Asymmetrie bezüglich des Wissensstands vorliegen. Der*die Lehrerin ist also dazu angehalten, eine Vermutung über den Wissensstand des*der Schülerin anzustellen und ihre*seine Botschaft (gemäß dem Fall er*sie ist die*der Sender*in) dementsprechend zu modifizieren und den Common Ground anzupassen. Die Asymmetrie kann aber auch die Rollenverteilung entstehen. In unserem Beispiel kann eine Asymmetrie in der Rollenverteilung vorliegen aufgrund des Hierarchieverhältnis zwischen Lehrerin und Schülerin. Aus meiner Perspektive ist es wichtig anzuerkennen, dass es immer asymmetrische und symmetrische Elemente gibt. So kann es eine Asymmetrie bezüglich der Rollenverteilung geben, aber auch eine Symmetrie bezüglich des Wissensstandes.
Scherzinger und Wittstein beschreiben sowohl symmetrische als auch asymmetrische Anteile in der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrerin und Schülerin. Die asymmetrischen Anteile entstehen, wie schon bei Ines Vogel beschrieben, durch die unterschiedlichen Rollen und den damit einhergehenden „Verantwortungen, Rechten und Pflichten" (Scherzinger/Wittstein 2022: S. 22). Symmetrische Anteile finden sich auf der sozialen Ebene, denn Lehrerinnen und Schülerinnen begegnen sich in erster Linie als Menschen (vgl.: ebd.). Für die Beziehungsgestaltung in der pädagogischen Interaktion bedeutet dies, dass die Beziehung egalitär gestaltet werden sollte und beide Interaktionspartnerinnen sich auf Augenhöhe begegnen (vgl. ebd.: S. 25).
Konkret heißt das für die Beziehungsgestaltung, dass man Kinder und Jugendliche in der Begegnung ernst nehmen muss und ihre Individualität anerkennt. Damit einher geht auch, sie in ihren Stärken und Ressourcen zu unterstützen, um damit den Blick auf das Defizitäre in eine positive Perspektive umzuwandeln. Grundsätzlich sollte man mit pauschalen Vorannahmen über die Grundhaltung von Lehrer*innen jedoch vorsichtig sein. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass mittlerweile davon ausgegangen werden sollte, dass die pädagogische Haltung von Lehrkräften eine grundsätzlich positive und wertschätzende gegenüber den Schülerinnen ist und weniger, wie von Scherzinger und Wittstein angenommen, eine autoritär-hierarchische, wie sie möglicherweise noch vor wenigen Jahrzehnten die Norm war. Auch spielt das gegenseitige Vertrauen eine wichtige Rolle. Durch Vertrauen können nicht nur gute schulische Leistungen gefördert werden, es trägt auch zu einer positiven Klassenatmosphäre insgesamt bei.
Ferner besteht die Gefahr, dass wir durch die subjektive Wahrnehmung und die große Menge an Informationen, die täglich auf uns einströmt, anfangen zu selektieren und dadurch den Menschen nicht mehr als Ganzes sehen, mit seinen Schwächen und Stärken. Es kann passieren, dass Stereotype und Vorurteile produziert werden. Das kann auch in der Interaktion zwischen Lehrerinnen und Schülerinnen passieren. Durch kritisches Reflektieren und Hinterfragen der Einstellungen und Erwartungen, welche gegenüber den Schülerinnen bestehen, können diese negativen Aspekte reduziert werden. (vgl. ebd.: S. 41).
Kommunikation im digitalen Raum
Im vorherigen Kapitel erfolgte eine Beschreibung der allgemeinen Merkmale von Kommunikation. Weiterhin wurde das Kommunikationsmodell von Shannon und Weaver (bzw. in der erweiterten Form von Aufermann) beschrieben und gezeigt, wie es sich auf die zwischenmenschliche Kommunikation übertragen lässt. Im letzten Teil beschreibe ich, wie Beziehungsgestaltung zwischen Lehrenden und Lernenden gut gelingen kann. In diesem Kapitel soll die bisherige Analyse der Kommunikation nun auf Videochatplattformen übertragen werden. Welche Möglichkeiten und Grenzen gibt es und wie gestaltet sich die Beziehung zwischen den Interaktionspartnerinnen?
Die sechs Merkmale, welche Kommunikation allgemein beschreiben, lassen sich auch auf die Kommunikation auf Videochatplattformen anwenden. Es gibt im VideochatSenderinnen und Empfängerinnen sowie eineBotschaft,die transportiert wird. Daneben existierenMittel und Modalitätenzum Senden und Empfangen von Botschaften. Das sind zum einen Sprache, Mimik und Gestik. Hinzu kommt zum anderen auch eine Kamera, ein Mikrofon, ein Textchat, ein Laptop, Computer-Bildschirm oder Smartphone sowie eine Internetverbindung.
Die Kommunikation auf Videochatplattformen istkontextgebunden und die jeweiligen Interaktionspartnerinnen nehmen eine bestimmte Atmosphäre wahr. Die Kommunikation auf Videochatplattformen istinteraktiv. So ist die*der Empfängerin in der Lage, bspw. durch ein Emoji, auf das von der*dem Sender*in Gesagte zu reagieren. Je nach Kontext verfolgt auch die Kommunikation auf Videochatplattformen ein bestimmtesZiel, z. B. die Vermittlung von Informationen. Das Codierungs- bzw. Decodierungsmodell von Shannon und Weaver bzw. Aufermann kann also problemlos auf die Kommunikation auf Videochatplattformen übertragen werden. Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, gibt es Sender*in und Empfängerin. Die Zeichen und Symbole zur Verschlüsselung der Nachricht können im Videochat sogar erweitert werden, bspw. in Form von Emojis. Eine Emoji kann z. B. dazu dienen, eine Reaktion auf das Gesagte von dem*der Sprecherin zu zeigen, wodurch der*die Empfängerin die Möglichkeit hat, unmittelbar zu reagieren (vgl. Sprengler o. J.: o. S.)
Abb. 1. zeigt einen kleinen Ausschnitt des Zoomfenster, genauer die untere Leiste. In der unteren Menüleiste gibt es ein Symbol für Reaktionen. Wenn ein*e Teilnehmerin mit der Maus darüber geht, werden die weiteren Emojis angezeigt, aus denen ausgewählt werden kann. Hat man sich für ein Symbol entschieden und klickt es an, erscheint es in der oberen, linken Hälfte des Videoausschnitt, siehe dafür Abb. 2.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5. Screenshot mit der Auswahl von Emojis im Zoomraum.
Der*die Empfänger*n decodiert die Botschaft, indem er*sie der Botschaft eine Bedeutung beimisst. Auch dieser Online-Kommunikationsvorgang kann, ähnlich wie beim Kommunikationsvorgang im physischen Raum, gestört werden. Es gibt unterschiedliche Auslöser einer Störung: z. B. einer schlechten Internetverbindung kommt das Gesagte bspw. verzögert bei dem*der Empfängerin an. Diese Verzögerung (Latenz) kann in der Kommunikation zwischen mehreren Interaktionspartnerinnen ein Problem darstellen. Wenn z. B. eine Bild und Ton nicht mehr synchron sind oder mit Verzögerung übertragen werden, wird es schwierig, die übermittelte Information richtig zu decodieren und adäquat aufeinander zu reagieren, da nicht mehr klar nachzuvollziehen ist, worauf sich ein (non-)verbales Signal tatsächlich bezogen hat.
Eine weitere Ursache für eine Störung kann dadurch entstehen, dass die Kommunikation auf Zoom grundsätzlich frontal vor allem zwischen den abgefilmten Köpfen und Gesichtern stattfindet und entsprechend nur zweidimensional auf den Bildschirmen der Teilnehmerinnen abgebildet wird. Frontal in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Gesprächsparnter*innen auf den Bildschirmen der jeweils anderen abgebildet sind, als ob sie sich gegenüberstehen würden, allerdings nur zweidimensional, wodurch die Abbildung der Gesichter auf dem Bildschirm flach erscheint (in nur zwei Dimensionen, in Höhe und Breite). Durch die Rahmung der Kamera, die nur einen bestimmten Teil von Subjekt und Raum erfassen und übertragen kann, bleiben Körperhaltung und -spräche meist im außerhalb des Frames und erlauben kaum Rückschlüsse auf die Körpersprache der lnteraktionspartner*innen. Zur Verdeutlichung der eben genannten Inhalte folgt eine Abbildung:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6. Galerieansicht bei Zoom (skillday 2022: o. S)
Die Grafik zeigt zwei Personen im Gespräch miteinander. Beide füllen jeweils ihren eigenen von der Kamera vorgegebenen Rahmen und befinden sich sehr groß mittig im Bild. Die Nah- oder Porträtaufnahme der Sprecherinnen zeigt lediglich Kopf und Schultern, Hände sowie der restliche Körper im Raum sind im Biidausschnitt nicht zu sehen. Zusätzlich spiegelt sich in der Brille des Mannes sein Computerbildschirm, was es zusätzlich schwer macht, seine Augen zu sehen.
Auch ein direkter Blickkontakt ist in natürlicher Form nicht möglich und kann nur scheinbar durch den Blick in die Kamera erzeugt werden. Dadurch wird der Eindruck erweckt, dass ich die*den Andere*n direkt anschaue, jedoch ist das Gegenteil der Fall: Immer, wenn ich nicht in die Kamera, sondern auf den Bildschirm sehe, blicke ich in das
Gesicht meines Gegenübers. Die Komplexität an Zeichenebenen, welche normalerweise Kommunikationssituationen zu Grunde liegen, ist dadurch zunächst reduziert (vgl. Klein/Liebsch: S. 62). Nonverbale Elemente wie Körpersprache, Stimme, Körperhaltung und andere Sinneseindrücke, die uns von unserem Gegenüber vermittelt werden, helfen uns, die Situation einzuschätzen und ein ganzheitliches Bild entstehen zu lassen, um darauf adäquat zu reagieren. Die Vermittlung eines ganzheitlichen, multisensorisch wahrgenommenen Eindruckes meines Gegenübers kann allerdings nur in räumlicher Nähe erfolgen. Sobald diese nicht mehr vorhanden ist, fällt es uns schwerer, das Verhalten der anderen richtig einzuschätzen resp. zu interpretieren (vgl. Stutz 2021: S. 272), um darauf dann zu reagieren.
Allerdings ist anzumerken, dass vor allem Stimme, Mimik und Gestik im Videochat fokussiert wahrgenommen werden können, z. B. durch die Mikrofonverstärkung und ein präzises Rahmen gebendes Kamerabild. Der Unterschied, welcher sich hier herauskristallisiert, ist, dass es zwar in den meisten Fällen nicht möglich ist, ein vollständiges Bild des Körpers unserer Gesprächspartnerin oder unseres Gesprächspartners anzeigen zu lassen, dafür aber weitere Kommunikationsmittel hinzukommen, wie z. B. die im oberen Abschnitt erwähnten Emojis, welche zu einer gelungenen Kommunikation der Interaktionspartnerinnen beitragen können.
Ausgehend vom Common Ground, muss es auch auf Videochatplattformen ein gemeinsames Wissen über Zeichen und Symbole geben. Das Wissen über Zeichen und Symbole muss ggf. neu erlernt werden, da nun u. a. technische Variablen hinzukommen, bei denen schnell eine Asymmetrie bezüglich der Anwendungskompetenzen der Nutzenden entstehen kann. Die technischen Variablen können u. a. sein:
- Kamera- und Mikrofoneinstellungen: Teilnehmerinnen müssen ein Wissen darüber haben, wie sie ihre Kamera und Mikrofoneinstellungen bedienen können.
- Chatfunktionen: Teilnehmerinnen müssen den Chat bedienen, wenn sie eine Nachricht z. B. in Form einer Frage stellen wollen.
- Bildschirmfreigabe: Teilnehmerinnen müssen wissen, wie sie ihren Bildschirm freigeben können, damit die anderen Teilnehmerinnen diesen sehen können. Das spielt z. B. bei Vorträgen eine wichtige Rolle.
Der*dem Empfängerin soll der*dem Senderin zu verstehen geben, dass sie*er die Botschaft verstanden hat. Diese unmittelbare Bestätigung verläuft im Videochat anders als in analogen Settings, indem z. B. ein Daumen-hoch-Emoji abgesendet wird. Ein direktes Nachfragen ist zum einen über die Aufhebung der Stummschaltung möglich oder - sofern dieser freigeschaltet ist - auch über die Chatfunktion.
Bei physischer Nähe stellt sich die Rückversicherung anders dar als im Videomeeting. Fragen wie: „Kann man mich hören? Bin ich zu sehen?" sorgen für Irritation und unterbrechen jedes Mal aufs Neue die Kommunikationssituation in Videochats. Der Stream kann „einfrieren" und Verbindungen unterbrochen werden. All das kann zu Hilflosigkeit, Ärger und Frustration führen. Neben der visuellen Darstellung der Teilnehmerinnen kann auch die auditive Kommunikation bei Videomeetings fehlerbehaftet sein. Sprecherinnen vergessen, ihre Mikrofone an- bzw. auszustellen, aber die betreffende Person spricht dennoch weiter. In den meisten Fällen jedoch hat man gelernt, dass die Mikrofone während man zuhört, ausgeschaltet bleiben, um Nebengeräusche auszublenden und Feedback auszuschließen. Das wiederum führt zu Unterbrechungen im Gesprächsfluss, spontane Reaktionen sind zwar möglich, aber die Reaktion erfolgt mit einer gewissen Latenz bzw. kann - je nach Qualität der Internetverbindung auf beiden Seiten - mit einer großen Verzögerung beim Gegenüber ankommen (vgl. Klein / Liebsch (2022): S. 63ff). Dazu kommt, dass Zoom standardmäßig Hintergrundgeräusche ausfiltert, was dazu führen kann, dass Personen, die einen Redebeitrag beginnen wollen, von der Software „überhört" werden, wenn zeitgleich eine andere Person lauter ansetzt zu sprechen. Hier gilt es als Host einen wachen Blick zu bewahren und Funktionen wie das Handheben zu nutzen, um die Reihenfolge der Redebeiträge zu koordinieren.
Aus meiner Perspektive lohnt es sich, den Teilnehmerinnen eines Videomeetings schon im Vorfeld eine Art „Netiquette" zukommen zu lassen. Diese kann beinhalten, dass es z. B. für die auditive Kommunikation sehr hilfreich sein kann, wenn alle Teilnehmerinnen Headsets benutzen oder das Videomeeting nur über einen bestimmten Browser oder die App laufen zu lassen. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Programm richtig funktioniert und die bestmögliche Stabilität der Verbindung erreicht wird. Auch für den technischen Support ist es hilfreich, wenn alle unter ähnlichen Bedingungen am Meeting teilnehmen, um im Falle von Problemen schnell helfen zu können. Diese und andere Möglichkeiten werden im Konzeptentwurf noch einmal.
Für eine gelungene Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Interaktionspartnerinnen bedarf es einer kommunikativen Kompetenz. Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, ist das aktive Zuhören des*der Gesprächspartner*ein Merkmal der kommunikativen Kompetenz. Dies wird u. a. durch den direkten Blickkontakt signalisiert. Da ein direkter Blickkontakt bei einem Videochat nicht mehr in natürlicher Form möglich ist, kann das aktive Zuhören dem*der Gesprächspartnerin im Videochat nur auf anderem Wege vermittelt werden, z. B. durch ein direktes Nachfragen im Chat oder dem Einsatz der Reaktionsfunktionen, wie den Emojis.
Eine weitere Besonderheit in der Kommunikation auf Videochatplattformen äußert sich darin, dass wir nicht mehr in der Lage sind, zu erfahren, in welcher Atmosphäre mein*e Gesprächspartnerin sich gerade befindet. Klein und Liebsch beschreiben eine „spezielle soziale Atmosphäre" und meinen damit die Verflechtung der analogen und digitalen Atmosphäre, welche die Atmosphäre des Videomeetings beschreibt (vgl. Klein und Liebsch 2022: S. 62). Auf weitere Besonderheiten der Atmosphäre im digitalen Raum und wie sie sich auf die Kommunikation auswirkt, wird im Kapitel 4.2 eingegangen.
Neben dem veränderten Blickkontakt und der speziellen hybriden Atmosphäre kommt nun ein weiteres Merkmal hinzu, welches die Kommunikation auf Videochatplattformen beeinflusst und damit auch berücksichtigt werden muss, nämlich die Ablenkung.
Stutz beschreibt, dass wir in einem Videomeeting einer permanenten Ablenkung unterliegen. Dies passiert u. a. durch weitere geöffnete Browser-Tabs, E-Mails, die reinkommen, das Handy, welches neben unserer Tastatur liegt und mit dem wir noch eine Nachricht schreiben, wenn gerade nicht aktiv etwas von uns verlangt wird. Kurz gesagt, die „Ablenkungsfalle" ist bei einer digitalen Zusammenkunft schneller möglich als es bei analogen Sitzungen der Fall ist. Bei physischen Zusammentreffen sind wir eher präsent. Wir haben die Möglichkeit uns direkt anzuschauen, unmittelbar auf das Gesagte zu reagieren und eine schnellere Bindung zur Gruppe aufzubauen, die uns idealerweise daran hindert, noch eine Whatsapp-Nachricht zu schreiben oder im Internet zu surfen (vgl. Stutz 2021: S. 275). Ich denke, es sollte jedoch nicht verkannt werden, dass die Ablenkung auch in physischen Kommunikationssituationen sehr hoch sein kann. Mittlerweile ist das Handy ein ständiger Begleiter und kann für Ablenkung sorgen. Auch in einem klassischen Uniseminar arbeiten mittlerweile die meisten der Studentinnen mit ihren Laptops, sodass nicht mehr ersichtlich ist, ob sie tatsächlich eine universitäre Aufgabe erledigen, mitschreiben oder nebenbei privat im Netz surfen. Der Effekt ist ein ähnlicher wie bei einem Videomeeting, nur dass die Teilnehmerinnen sich physisch am gleichen Ort befinden. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf das Phänomen Postdigitalität verweisen. Eine Ablenkung findet nicht nur auf der Videochatplattform statt, sondern kann permanent im Alltagsleben gegeben sein, da die digitalen Technologien und deren Möglichkeiten inhärent geworden sind. Insofern ist vielerorts Multitasking zur Norm, denn zur Ausnahme geworden. Studien belegen, dass durch diese neuen Gewohnheiten die Gedächtnisleistung abnimmt. Dabei ist derzeit nicht geklärt, ob die Nutzung von digitalen Medien nachhaltig unsere Aufmerksamkeitsspanne verkürzt, oder Menschen mit ohnehin kurzen Aufmerksamkeitsspannen an sich häufiger zu digitalen Medien greifen, während sie eigentlich etwas anderes tun (vgl. Madore/Khazenzon/Backes et. al. 2020).
Neben den verbalen und nonverbalen Elementen, durch die wir mit unserem Gegenüber kommunizieren, kann durch die physische Nähe im gemeinsamen Raum schneller eine emotionale Nähe aufgebaut werden, da es uns einfach gelingt, schneller mit anderen in Kontakt zu treten und uns z. B. über private Dinge auszutauschen, weil wir damit mehr Erfahrungen haben und uns das „natürlicher" erscheint. Zwischenmenschliche Gespräche, welche eher informeller Art sind, lassen Gemeinsamkeiten entdecken und sorgen für eine Verbundenheit und Vertrauen zwischen mir und meinem Gegenüber (vgl. Stutz 2021: S 276). Ein informeller Austausch gestaltet sich im gemeinsamen physischen Raum anders als im digitalen Raum bei Zoom. Die Spontanität für einen Gesprächsaufbau, welche u. a. ein Merkmal für einen informellen Gesprächsaufbau im physischen Raum sein kann, kann behindert werden, was u. a. dadurch passiert, dass immer nur eine Person für alle hörbar sprechen kann. Durch den Wegfall des gemeinsamen physischen Raumes können wir uns nicht so einfach in die Lage bzw. auch in die Umgebung der*des anderen hineinversetzen (vgl. Stutz: S. 272). Aber auch hier gilt, dass der digitale Raum Alternativen bereithält. Ein Beispiel dafür sind sogenannte Breakout-Räume. So kann der Host Breakout-Sessions anlegen, in denen Teilnehmerinnen sich nur in kleiner Gruppe treffen und die Möglichkeit eines informellen Austauschs haben. BreakoutRäume können als Pausenraum oder für Gruppenarbeiten eingesetzt werden. Diese Pausenräume sind Nebenräume, die ergänzend zum Hauptmeeting eröffnet werden können. Die Teilnehmerinnen können entweder durch die Admins in eine BreakoutSession verschoben werden oder selbst wählen, in welchem Raum sie sich aufhalten wollen und auch jederzeit in das Hauptmeeting zurückkehren. Gibt es z. B. mehrere parallel stattfindende Breakout-Sessions, hören sich nur die Teilnehmerinnen, die im gleichen Raum sind, was die Intimität von Gesprächen in kleinen Gruppen erhöht. Digitale Pausenräume können auch als Ort eingesetzt werden, in den Teilnehmende kommen können, wenn sie technischen Support oder einen Rückzugsort brauchen, um z. B. mit den Organisatorinnen des Meetings über erfolgte Übergriffe etc. zu sprechen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die genannten Faktoren, welche die Kommunikation auf Videochat-Plattformen modifizieren, auch Einfluss auf die Interaktion und Beziehungsgestaltung zwischen Lehrenden und Lernenden haben.
Aus meiner Perspektive kann es erstrebenswert sein, den Raum des Videomeetings auch als Möglichkeitsraum zu betrachten und offen zu sein für Alternativen in der Telekommunikation, welcher dieser Raum bietet. Einige sind in diesem Kapitel benannt worden, wie z. B. das direkte Nachfragen über den Chat, das Erstellen eines virtuellen Hintergrunds, der sowohl Einfluss auf die Atmosphäre des Videomeetings haben kann als auch als kommunikatives Mittel eingesetzt werden kann, der Einsatz von Emojis, um z. B. Zustimmung zu kommunizieren und viele weitere. Im letzten Kapitel (Leitlinien für online Bildungsangebote) werden noch weiter Funktionen im Detail vorgestellt und ihr Einsatz demonstriert.
Raum und Körper
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Konstitution von physischen Räumen. Ich beginne mit dem Raum als soziales Konstrukt und gehe dann zum menschlichen Körper als Kommunikationsinstrument über, um im nächsten Schritt das Verhältnis von Körper und Raum zu betrachten. Aufbauend auf dieser Auseinandersetzung folgt im nächsten Kapitel die Analyse zum Verhältnis von Körper und Raum auf Videochatplattformen.
Für Martina Löw gilt: „Räumliche Strukturen müssen [...] im Handeln verwirklicht werden, strukturieren aber auch das Handeln" (Löw 2001: S. 172) und weiter heißt es, dass räumliche Strukturen „eine Form von Handeln hervorbringen, welches in der Konstitution von Räumen eben jene räumliche Strukturen reproduziert" (ebd.). Raum und Handeln stehen also immer in einer Wechselbeziehung zueinander. Der Raum hat Einfluss auf unser Handeln und unser Handeln hat Einfluss auf den Raum. Die Dualität des Raumes zeigt sich darin, dass der Raum erst durch das Handeln entsteht und dass das Handeln durch den Raum beeinflusst ist (ebd.). Löw unterteilt die Konstitution des Raumes in zwei Prozesse: zum einen Spacing und zum anderen Syntheseleistung (vgl. Dekker 2012: S. 64). Um die Konstitution des Raumes, nach der Definition von Löw, besser zu verstehen, seien an dieser Stelle die Prozesse Spacing und Syntheseleistung beschrieben.
Spacing ist das Erbauen, Errichten und Positionieren von sozialen Gütern und Lebewesen in Relationen zu anderen (vgl. ebd.: S. 65). So kann z. B. das Aufstellen von Möbeln in einem Wohnzimmer und derdamit verbundenen sozialen Funktion, welche Menschen ihnen geben, wie z. B. das Essen am Tisch mit Freundinnen oder das Sitzen auf dem Sofa um zu lesen, als Spacing verstanden werden. Wichtig ist an dieser Stelle anzumerken, dass z. B. derTisch selbst nicht die soziale Funktion hat, sondern die Menschen ihm diese soziale Funktion erst geben. Ich kann am Abend am Esstisch mit Freundinnen sitzen und tagsüber am gleichen Tisch mit meinem Laptop eine E-Mail schreiben. Im ersten Fall hat der Tisch die Funktion eines Esstisches und sozialen Treffpunktes, im zweiten Fall ist er ein Arbeitsort. Die soziale Funktion am Tisch lässt sich durch die sozialen Interaktionen und auch Aktivitäten beschreiben, die an ihm stattfinden. Spacing bedeutet also, dass die konkrete Position von Objekten sowie die Nutzung selbiger zu kommunikativen Zwecken, zu bestimmten sozialen Funktionen führt, die dem Ort dadurch, wie er genutzt wird, zugeschrieben werden können.
Syntheseleistung wiederum meint, dass wir dem Raum durch unsere Vorstellung, Wahrnehmung und das Erinnerungsvermögen eine nähere Bestimmung geben. Am Beispiel des Wohnzimmers erklärt, würde das bedeuten, dass die einzelnen Gegenstände wie das Sofa, das Bücherregal, der Tisch in einem bestimmten Verhältnis gebaut und platziert worden sind und durch den Menschen anhand von Vorstellung, Wahrnehmung und Erinnerung miteinander verknüpft werden. Der Verknüpfungsprozess ist die Syntheseleistung. Spacig und Syntheseleistung können nicht getrennt voneinander betrachtet werden (vgl. Archiv des Ortes 2008: S. 8). Das lässt sich auch auf größere Raumtypen übertragen.
Zum besseren Verständnis folgt ein weiteres Beispiel für die Prozesse Spacing und Syntheseleistung. Der Raumtyp Schule entsteht durch das Errichten des Gebäudes. In ihr befinden sich Klassenzimmer mit Stühlen, Tischen, einer Tafel usw., welche auf eine bestimmte Art und Weise angeordnet sind. Ebenso gibt es in der Schule auch Schulflure, eine Aula und weiteres. Tagsüber findet in den Klassenräumen Unterricht statt. Die Kinder sitzen auf den Stühlen, die*der Lehrerin schreibt etwas an die Tafel. Der gleiche Raum kann am Abend für eine Elternversammlung genutzt werden und statt der Schülerinnen sitzen die Eltern auf den Stühlen. Gleiches gilt für die Aula, an manchen Tagen schreiben Schülerinnen ihre Klausuren in ihr und an anderen Tagen findet hier eine Theateraufführung statt. Menschen schreiben den Räumen und den Gegenständen, welche sich in diesen Räumen befinden, eine soziale Funktion zu. Dieser Prozess kann als Spacing verstanden werden.
Doch sie wird auch zur Schule, weil Lehrkräfte und Schülerinnen bestimmte Handlungsroutinen in diesen Räumen folgen. Die Nutzenden meinen, dass es sich hier um den Raum Schule handelt. Sie verknüpfen die Gegenstände der Schule, verbunden mit den sozialen Funktionen an ihre Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung. Diese Verknüpfungsleistung ist die Syntheseleistung. Diese zwei Prozesse konstituieren folglich den Raum, sowohl als physische Realität als auch als soziales (Nutzungs-)Konzept (vgl. Dek- ker2012: S. 65).
Es folgt eine Raumanalyse des Erziehungswissenschaftlers Georg Breidenstein eines Klassenzimmers aus dem Jahr 2004. Seine Analyse fußt auf ethnografischen Beobachtungen und er fokussiert sich auf die Schüler*innenperspektive. Er schaut sich dabei an, wie die Konstitution des Klassenraums sich auf das Verhalten der Schülerinnen auswirkt und wie das Verhalten der Schülerinnen den Raum konstituiert. Diese Analyse stammt aus einer Zeit, in der das Raumkonzept von Klassenräumen noch eher auf den Frontalunterricht ausgerichtet war. Bis heute hat sich sehr viel getan in der Gestaltung von Klassenzimmern. So gibt es Klassenraumkonzepte, vor allem im Bereich und nach dem Vorbild von Ganztagsschulen, die den Raum durchlässiger und weniger starr gestalten (vgl. Burgdorff 2012: S. 17 f.).
„Die Architektur kann die pädagogische Idee einer Förderung aller Lernenden in heterogenen und inklusiven Gruppen und die dazu notwendigen vielfältigen Lernarrangements unterstützen" (Burgdorff 2012: S. 18).
Die Individualität der*des Einzelnen mit ihren*seinen Bedarfen steht mehr und mehr im Vordergrund, was sich auf die Raumgestaltung auswirkt, frei nach dem Motto „individuelle Förderung und individuelles Lernen" (ebd.). Der*die Lehrerin wird zur*zum Lernbegleiterin und zum*zur Förderer*in (ebd.).
Dennoch ist die Auseinandersetzung mit der Raumanalyse nach Breidenstein hilfreich, um sich die Spezifika des digitalen Raumes — in dieser Arbeit dem Videochatraum — anzunähern. Breidenstein macht sich die Raumdefinition von Martina Löw zunutze und zeigt auf, wie sich der Klassenraum im Allgemeinen auf das Verhalten der Schülerinnen auswirkt und umgekehrt, wie das Verhalten spezifische Räume konstituiert (vgl. Breidenstein 2004: S. 88).
Breidenstein arbeitet mit drei verschiedene Raumkategorien: dem visuellen, dem akustischen und dem haptischen Raum. Der visuelle Raum ist durch das Sichtfeld der Beteiligten charakterisiert, d. h. durch das, was aus ihrer jeweiligen Sitz- oder Stehposition gesehen werden kann. Schülerinnen und Lehrerinnen haben innerhalb des Klassenzimmers unterschiedliche Sitz- und Stehpositionen. Dieses Merkmal kann einerseits Auswirkungen auf die Interaktion zwischen den Schülerinnen untereinander haben und andererseits auf die Interaktion zwischen Schülerinnen und Lehrerinnen.
Eine besondere Position im Klassenraum ist der Bereich der Tafel. In der Regel schließt der Tafelbereich den Sitzbereich der Lehrerin oder des Lehrers mit ein. Personen, unabhängig ob Lehrerin oder Schülerin, stehen automatisch im Fokus, sobald sie sich in diesem Bereich befinden. Dieser Bereich stellt eine „herausgehobene Sichtbarkeit dar" (ebd.: S. 93). Sowohl die Lehrperson als auch die* der Schülerin haben, wenn sie an derTafel stehen, aus der Sicht der Schulklasse automatisch eine exponierte Position.
Diese charakteristische Positionierung kann sich auf das Verhalten der Schülerinnen auswirken, denn der nun entstehende Fokus, der auf die Schülerinnen gerichtet ist, sobald sie sich an der Position derTafel befinden, kann sowohl eine hemmende als auch eine enthemmende Wirkung erzielen (vgl. ebd.: S. 93). Die Blicke der Mitschülerinnen können als Gefahr wahrgenommen werden, denn insbesondere diese Blicke können verurteilend, kritisch und auch missgünstig sein, aber natürlich auch Wohlwollen und Anerkennung ausdrücken. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass Breidenstein bis zu dieser Stelle nur schildert, wie sich das Blickverhalten der Schülerinnen, welche auf ihren Sitzplätzen im Klassenraum sitzen, auf das Verhalten des Schülers oder der Schülerin auswirkt, welche an der Tafel steht. Interessant wäre an dieser Stelle aber auch, wie sich das Blickverhalten der Schülerinnen auf die Lehrerin oder auf den Lehrer auswirkt und umgekehrt, also welche Wirkung der Blick der Lehrerin oder des Lehrers auf das Verhalten der Schülerinnen haben kann, vorausgesetzt der oder die Lehrerin hat die Position an der Tafel eingenommen. Sabine Anselm und Anke Werani (2017) stellen diesbezüglich fest, dass Lehrerinnen mittels des Augenkontaktes einen Überblick im Klassenzimmer bekommen und die Aufmerksamkeit der Schülerinnen erhalten können (vgl. Anselm/Werani 2017: S. 168). In diesem Fall hätte das Blickverhalten der Lehrerin oder des Lehrers eine steuernde Funktion (vgl. ebd.). Aus meiner Perspektive gelingt dies am besten an der Position derTafel. Vor allem diese Position macht es der Lehrerin oder dem Lehrer möglich, einen Überblick zu bekommen und die Aufmerksamkeit der Schülerinnen auf sich zu ziehen.
Doch welche Wirkung wird durch den Blick der Schülerinnen auf die Lehrerin oder auf den Lehrer, welcher sich immer noch an der Tafelposition befindet, erzeugt? Ich denke, dass der Blick der Schülerinnen sowohl positive als auch negative Wirkungen auf das Verhalten der Lehrerin oder des Lehrers erzielen kann. So kann sich die Lehrerin oder der Lehrer in ihrer oder seiner Position gestärkt fühlen, da sie oder er bemerkt, dass ihr oder ihm zugehört wird, was sie oder er daraus schlussfolgert, dass die meisten der Blicke der Schülerinnen auf sie oder ihn gerichtet sind.
Allgemein lässt sich feststellen, dass das Blickverhalten eine wichtige Rolle in der zwischenmenschlichen Interaktion spielt, da es nonverbale Signale sowohl senden als auch aufnehmen kann. Über Blickkontakt können nonverbale Signale übermittelt werden, die durch Sprache allein nicht ausgedrückt werden könnten, was eine Metaebene der Kommunikation ermöglicht. Der Blickkontakt kann den Verlauf und die Regulierung der Kommunikation beeinflussen (vgl. Anselm/Werani 2017: S. 167).
Ein weiteres Merkmal, welches sich auf das Verhalten der Schülerinnen auswirken kann, ist der Blickwinkel des*der Lehrerin. Dieser ist zwar bedingt durch die üblichen anatomischen Faktoren (ca. 15-Grad-Winkel) natürlich eingeschränkt, jedoch ist es der Lehrerin oder dem Lehrer aufgrund seiner oder ihrer sozialen Rolle möglich, den Blickwinkel zu verändern, indem er oder sie z. B. aufsteht, durch den Raum läuft und sich somit im Vergleich zu den Schülerinnen, die durch ihre festgelegten Sitzposition eine eher statische Perspektive einnehmen, mehrEinblickerschließen kann (vgl. Breidenstein 2004: S. 94).
Obwohl sich der*die Lehrerin durch den Raum bewegen und somit ihren oder seinen Blickwinkel erweitern kann, ist ihre oder seine Kontrollfunktion eingeschränkt. Denn die Veränderungen des Blickwinkels der Lehrerin oder des Lehrers können von außen durch die Schülerinnen wahrgenommen werden. Das passiert z. B., wenn die Lehrerin oder der Lehrer aufsteht oder den Kopf bewegt. Dieses Verhalten ermöglicht den Schülerinnen, Dinge im Verborgenen zu tun (vgl. ebd.). Was für den*der Lehrerin im Verborgenen bleibt, muss aber nicht für die anderen Personen im Raum im Verborgenen bleiben.
Möchten Schülerinnen sich durch eine Wortmeldung am Unterricht beteiligen, müssen sie dafür Sorge tragen, sich in das Gesichtsfeld des*der Lehrerin zu bringen. So kann das, was sich dem*der Lehrerin visuell erschließt, für die Schülerinnen zweierlei Möglichkeiten haben. Zum einen, dass sie gesehen werden und sich beteiligen können und zum anderen, dass sie Dinge im Verborgenen tun können, wenn sie sicher sind, dass sie gerade nicht im Gesichtsfeld des*der Lehrerin sind (vgl. ebd. S. 95). Nach diesen Erläuterungen zum visuellen Raum, möchte ich nun das Konzept des akustischen Raumes nach Breidenstein vorstellen.
Anders als der visuelle Raum, bei dem die Sichtweite der Einzelnen den Raum konstituiert, sind es beim akustischen Raum die Hörweite und die Lautstärke (vgl. ebd.: S96). Alle auditiven Äußerungen, ganz gleich, ob sie von Schülerinnen kommen oder dem Lehrkörper haben eine Adressierung, die durch die Lautstärke der Äußerung reguliert wird. An dieser Stelle sei anzumerken, dass nicht nur die Hörweite und die Lautstärke eine Adressierung regulieren, sondern darüber hinaus auch andere Signale zur Adressierung an, um bei unserem Beispiel zu bleiben, die Schülerinnen beitragen. Diese Signale setzen sich aus paraverbalen und nonverbalen Komponenten zusammen. Die paraverbale Komponente bedeutet,wieder Inhalt adressiert wird. Das kann neben der Lautstärke auch die Betonung oder der Tonfall sein. Die nonverbale Komponente umfasst die Körpersprache, welche die auditive Äußerung bspw. bekräftigen kann (vgl. Dietz 2008: S. 47).
Jedoch hat hierbei der*die Lehrerin eine Sonderstellung, welche wiederum durch seine*ihre Rolle definiert ist. Denn vor allem er*sie hat die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, wen er*sie adressiert. So kann seine*ihre Äußerung an alle gerichtet sein, welche sich im Klassenraum befinden, oder nur an Einzelne, während Schülerinnen ihre Äußerungen meist nur an Einzelne im Raum richten (vgl. Breidenstein 2004: S. 97). Der*die Lehrerin ist jederzeit befugt sich an alle zu richten, während es bei Schülerinnen der expliziten Aufforderung des*der Lehrerin bedarf, wenn sie sich an alle wenden wollen. Es ist jedoch zu beachten, dass auch Schülerinnen sich äußern, ohne dabei explizit aufgefordert zu sein. Dieses Äußern ist meist eine Art des Zwischenrufens (Brei- denstein 2004: S. 98). Der Lehreroderdie Lehrerin kann auch hier wieder sanktionierend tätig sein und die Machtasymmetrie nutzen, indem er*sie Schülerinnen ermahnt. „[...] [D]ie Sanktionsgewalt der Ermahnung dürfte sich durch die akustische Platzierung im Raum der Allgemeinheit, durch die Veröffentlichung erheblich erhöhen." (ebd.: S. 97). Nichtsdestotrotz kann diese Sonderrolle in Gefahr geraten und mit einem Souveränitätsverlust des*der Lehrerin einhergehen, nämlich wenn sich die Adressierung der Schülerinnen auch unaufgefordert an alle im Raum richtet, ohne dass es noch von der*die Lehrerin kontrolliert werden kann (vgl. ebd.: S98). Wichtig ist zu betonen, dass die Sonderrolle des *der Lehrerin nicht allein durch Zwischenrufe in Gefahr geraten kann. An diesem Beispiel zeigt sich, wie fragil soziale Rollen sein können und es stellt sich die Frage, wie schnell Machtgefüge erschüttert werden können. So kann die Rolle des*der Lehrerin z. B. akustisch untergraben werden, indem ein*e Schülerin immerzu mit dem Finger auf dem Tisch tippt und auf diese Weise scheinbar zufällig ein penetrantes Störgeräusch erzeugt. Der auditive Raum kann daneben Ansätze von „Privatheit" schaffen. Das ist dadurch möglich, dass nur der*die Sitznachbar*in adressiert wird, ohne dass der Inhalt von den anderen akustisch verstanden wird (vgl. ebd.: S. 100). Nach diesen Ausführungen zum akustischen Raum folgt die letzte Kategorie von Breidenstein, der haptische Raum.
Der haptische Raum ist der Bereich, den Schülerinnen ausgehend von ihrer Sitzposition, mit ihren Händen und Armen erreichen können. Im Vergleich zum visuellen und auditiven Raum ist der Radius des haptischen Raumes viel stärker eingeschränkt (vgl. ebd.: S. 101).
Um bei dem Beispiel des Klassenzimmers zu bleiben, sind die Grenzen bei der oder dem Sitznachbar*in schon erreicht. Damit bekommt der Sitznachbar oder die Sitznachbarin eine besondere Rolle zugeschrieben. Die Rolle der Sitznachbar*innen kann durch die Beziehung beeinflusst werden, die die Nebeneinandersitzenden zueinander haben. Diese Beziehung kann eine Asymmetrie aufweisen und sich bspw. darin äußern, dass die Sitznachbarin oder der Sitznachbar die körperliche Distanz des Gegenübers nicht respektiert und sie*er die jeweils andere Person wiederholt unangemessen berührt. Somit kann die Nachbarschaft „zur Qual und zur Demütigung" (ebd.) werden.
Der haptische Raum kann einerseits durch eine körperliche Veränderung, wie das Aufstehen oder das Verlassen der Sitzposition, verändert werden oder andererseits durch das Bewegen von Objekten. Das kann z. B. derZettel sein, den man an einen*eine Mitschülerin schickt, welche*rsich an einer anderen Stelle des Raumes befindet. Durch das Losschicken „hat man den eigenen haptischen Raum mit dem der anderen Person verbunden" (ebd.). Das Verlassen der Sitzposition ist meistens den Regeln des Klassenkontextes unterworfen und passiert nicht unaufgefordert, muss also im Vorfeld legitimiert werden durch den*die Lehrerin (vgl. ebd.: S. 102.). Auf diese doch recht starre Sitzposition wird im Kapitel „Körper als soziales Konstrukt" eingegangen werden. Zusammengefasst wird der Raum also u. a. durch den Körper bzw. dessen Sinnesorgane konstituiert.
Doch in welcher Relation wirkt der (menschliche) Körper auf andere Menschen oder Dinge? Wie zeigt er sich „als ein gesellschaftlich annerkennungswürdiges Subjekt" (Alkemeyer, Brümmer (2019): S. 3). Dementsprechend soll im nächsten Kapitel ein explizierter Blick auf Körper bzw. Körperlichkeit geworfen werden, „denn Menschen sind nun einmal als körperliche Wesen in der Welt. Damit ist zugleich gesagt, dass sie sich zuvörderst nicht mit dem, sondernalsKörper auf ihre Umwelt beziehen." (Alkemeyer, Brümmer (2019): S. 4).
Körper als soziales Konstrukt
Was heißt es, wenn über Körper geschrieben wird? Paula-Irena Villa (2008) zeigt dazu zwei Dimensionen auf: Erstens die Dimension des Körper-Habens und zweitens die Dimension des Leib-Seins (vgl. Villa 2008: S. 201 ff.). Beide Dimensionen sind miteinander verwoben. Die Dimension des Körper-Habens meint, dass wir bewusst über ihn nachdenken können, ihn einsetzen und auch inszenieren können. Ein Beispiel: Wir halten einen Vortrag vor einer Klasse, wir können uns bewusst werden, wie wir stehen und wie wir unsere Stimme ggf. anpassen müssen, damit wir gehört werden. Wenn wir merken, dass uns nicht alle hören, können wir das reflektieren und versuchen, lauter zu sprechen.
Die Dimension des Leib-Seins ist unsere unmittelbare Empfindung, also z. B. ob etwas warm oder kalt ist. Es bezeichnet das „nicht-relativierbare innere Erleben" (Villa 2008: S. 202). Wenn im weiteren Verlauf der Arbeit über Körper geschrieben wird, beziehe ich mich auf diese Definition.
Bezogen auf den Klassenraum und den dort angewendeten Lehr- und Lernmethoden, welche sich im Klassenraum als solchem, aber auch in den Körpern der Lernenden und Lehrenden widerspiegeln, hat sich im Laufe der Zeit ein Wandel vollzogen, der kurz skizziert werden soll (vgl. Alkemeyer/Brümmer 2019: S. 12ff).
Katharina Rutschky, die den Begriff der schwarzen Pädagogik geprägt hat (1977) und sich damit auf Lern- und Disziplinierungsmaßnahmen in der Zeit des 18. Jh., aber vor allem 19. Jh. bezieht, bezeichnet das starre Sitzen der Schülerinnen auf den Stühlen, gebunden an den Tischen als „Korsett", welches „den Kindern wie auf den Leib geschneidert werde, um erwünschte Haltungen zu erzwingen, ohne dass die Lehrkraft ständig ermahnend eingreifen müsse" (ebd.). „Sitzend sollte sich ein geistiges und zugleich gehorsames Subjekt formen und bilden" (ebd.: S13). Jede Bewegung wurde dabei als Störung wahrgenommen.
Auch Sonja Hnilicas hat sich mit der damals, also ca. ab der Hälfte 19. Jh., disziplinierenden Funktion der Schulbank auseinandergesetzt. So diene die Schulbank dazu, den Körpern der Schülerinnen „die richtige Haltung aufzuzwingen" (Grabau/ Rieger-Ladich 2014: S. 70). Dabei ging es vor allem darum, den „Charakter" der Kinder vor den Gefahren zu schützen, welche u. a. „angeblich von ihrem eigenen Körper ausgingen" (ebd.). Denn skeptisch hat man jegliche Form der Berührung, welche häufig als sexuelles Moment aufgefasst worden ist, betrachtet (vgl. Hnilicia 2010 : S. 153).
Man darf dabei nicht vergessen, dass Schule als „Dressurmaschine" (Grabau/Rieger- Ladich 2014: S. 70) verstanden wurde und die streng hierarchisch gegliederte gesellschaftliche Ordnung sich in die Körper der Schülerinnen einschreiben sollte, um aus den Schülerinnen produktive und konforme Mitglieder der Gesellschaft zu formen. Besonders der reformpädagogische Bereich hat als Reaktion auf den Disziplinierungsprozess des stillen Sitzens zu Gegenbewegungen aufgefordert. Der still am Tisch sitzende Körper sollte in Bewegung gebracht werden, denn man folgte der Annahme, dass vor allem der bewegte Körper zur Wissensaufnahme beiträgt (vgl. Alkemeyer/ Brümmer 2019: S. 13). Die Idee dieser Gegenbewegung findet sich im Konzept der „bewegten Schule" des Schweizers Urs Illi wieder, welches Anfang der 1980er Jahre an Popularität gewonnen hat (vgl. Bröckelmann 2013: S. 11).
Alkemeyer und Brümmer beobachten jedoch, dass das gleiche „materielle Arrangement" (ebd. S. 14), also die Anordnung des Raumes mit den sich dort befindenden Körpern, sich ganz unterschiedlich auf eben diese auswirken können (vgl. ebd.: S. 14). Das liegt vor allem in unterschiedlicher Sozialisation, biografischen Hintergründen und Erfahrungen begründet. Mit dem Beispiel einer Grundschulklasse verdeutlicht Alkemeyer seine Ausführungen. In der Grundschulklasse hat die Lehrerin eines Tages die Schülerinnen zu einem Sitzkreis formiert und sie dazu aufgefordert, darüber zu sprechen, was aus Sicht der Schülerschaft in der vergangenen Woche gut gelaufen ist und was nicht. Der Stuhlkreis sollte in derTheorie Hierarchien abbauen und für eine formale Gleichheit stehen. Nur waren durch den Stuhlkreis plötzlich alle Schülerinnen mit ihren Körpern in einer exponierten Position. Die Kinder hatten nicht mehr die Möglichkeit, sich hinter den Schultischen zu verstecken. Vor allem an den körperlichen Reaktionen zeigte sich, wer von den Kindern in der Lage war, sich selbstbewusst und sicher zu äußern. Körperliche Anspannung, verknotete Hände oder Beine können Anzeichen sein, dass einige Kinder mit der exponierten Position ihrer Körper nicht gut zurechtkamen. Ausgehend von diesem Beispiel und der beobachteten Körpersprache erschließt sich der*dem außenstehenden Beobachterin sehr schnell, wer sich ,sicher' bewegen kann und wer nicht.
In den hier vorgestellten Ausführungen sind Alkemeyer und Brümmer vom physischen Raum ausgegangen. Sie stellen fest, dass die bisherigen theoretischen Auseinandersetzungen, wenn es um Wissensvermittlung u. a. an Schulen geht und welchen Einfluss der Körper auf das Lernen haben kann, bisher zu kurz kommen. Es wird ignoriert, dass der Körper Einfluss auf das Lernen hat und daran beteiligt ist. Auch das Wechselspiel von Raum und Körper müsse zusammengedacht werden. Es stellt sich die Frage, wenn schon die Beteiligung des Körpers auf das Lernen im physischen Raum in der Forschung und Didaktik im gegenwärtigen Diskurs keine große Aufmerksamkeit bekommen hat, wie verhält es sich dann im Online-Unterricht auf Videochat-Plattformen?
Der digitale Raum als Erweiterung des analogen Raums
Hat sich das vorherige Kapitel mit dem Zusammenspiel von Körper mit dem physischen Raum beschäftigt, so soll nun der Fokus auf den digitalen Raum und seine Auswirkungen auf den physischen Körper liegen. Beim Körperbegriff beziehe ich mich auf die Definition, welche im Kapitel 4.1. beschrieben wurde. Bei den Ausführungen zum digitalen Raum beschränke ich mich auf die Videochatplattform Zoom. Immersive virtuelle Räume, wie man sie mit VR-Brillen erleben kann, können im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden. Ich denke, es ist wichtig anzuerkennen, dass die Räume, die bei Videochats entstehen, nicht in rein analoge und rein digitale Räume unterteilen kann. Die Teilnehmerinnen des Videomeetings sind körperlich-leiblich, meist in ihren privaten Räumen vor den Computern präsent und zugleich werden sie auf dem Bildschirm Teil des digitalen Raums, in dem das Meeting stattfindet. Alexandra Bernhardt spricht auch vom „hybriden Raum" und meint damit die Zusammensetzung aus „analogem" Privat- und Arbeitsraum sowie dem digitalen Raum (vgl. Bernhardt 2021: S. 241). Aus meiner Sicht spiegelt sich am Beispiel des hybriden Raums, hierder Videochatraum, das Phänomen der Postdigitalität wider. Es zeigt sich, wie die digitale und physische Welt miteinander verwoben sind. Die Möglichkeit, dass Teilnehmerinnen physisch an anderen Orten sein können, aber gleichzeitig gemeinsam Teil des digitalen Raums sind, um miteinander zu kommunizieren und dabei auf kollaborative digitale Tools, wie z. B. das Whiteboard, Umfragen oder den Chat zurückgreifen können, kann als Merkmal von Postdigitalität verstanden werden. Trotz der Feststellung, dass Videochats hybride Räume konstituieren, werde ich für die Untersuchung zunächst von sogenannten physischen und digitalen Räumen getrennt ausgehen, um sie in meiner Analyse gegenüberzustellen und ihre Eigenheiten herauszuarbeiten, deren Zusammenspiel den hybriden Raum hervorbringt. Physischer Raum heißt in dem Falle, dass sich Menschen am gleichen Ort treffen, um hier in eine Kommunikationssituation einzutreten. Mit digitalem Raum ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der Raum gemeint, der erst durch das Eintreten in einen Videochat entsteht.
Das Raumkonzept von Martina Löw übertragen auf den Videochatraum könnte folgendermaßen aussehen: Spacing bezieht sich hierbei auf die Zusammensetzung der Videochatsoftware und ihrerTools sowie auf die damit verbundenen sozialen Funktionen, welche die Teilnehmerinnen ihnen zugestehen. Zum Beispiel nutzen die Teilnehmerinnen die verschiedenen Gegenstände (hier Tools) wie das Mikrofon oder die Kamera, um miteinander zu kommunizieren, um eine Beziehung aufzubauen oder zu verstärken. Sie können diese aber auch nutzen, um ein Online-Bildungsangebot durchzuführen oder ein geschäftliches Teammeeting. Diese Prozesse, also die Verknüpfung verschiedener Tools zur Schaffung sozialer Interaktionen, werden in diesem Zusammenhang analog zu den Vorgängen im physischen Raum als Spacing bezeichnet.
Der Videochatraum wird aberauch zu diesem, da die Nutzerinnen, bestimmte Handlungsroutinen in diesem Raum folgen. Sie sind der Meinung, dass es sich bei diesem Raum um einen möglicherweise bestimmten Videochatraum handelt, aufgrund ihrer Vorstellung und Erinnerung, die sie von diesem Raum haben. Sie verknüpfen die Gegenstände, also die digitalen Tools mit den sozialen Funktionen, an ihre Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung. So könnte die Nutzung und das konkrete Design von Zoom Erinnerungen an Workshops hervorrufen, die Nutzung von Microsoft Teams an Arbeitstreffen erinnern, BigBlueButton an den schulischen Fernunterricht und Skype, Facetime o. Ä. möglicherweise vor allem an private (Einzel-)Gespräche mit Freundinnen erinnern. Die oben geschilderte Verknüpfungsleistung kann nach Löw als Syntheseleistung verstanden werden.
Mit Blick auf die im vorherigen Kapitel beschriebene Raumanalyse von Breidenstein konstituiert sich der digitale Raum anders als der physische Raum. Visuelle, auditive und haptische Räume treten in anderer Form im digitalen Raum auf. In den folgenden Abschnitten beschreibe ich, ob die Veränderung visuell, auditiv oder haptisch zu begreifen ist. Wenn der physische Raum durch die Raumgestaltung konstituiert wird, welche für einen Klassenraum oder Seminarraum ausgerichtet ist, und dadurch das Handeln der Lehrenden und Lernenden prägt, tritt das im digitalen Raum in veränderter Form in Erscheinung. Jetzt sind es Hard- (Kamera, Mikrofon, Tastatur und weitere) und Software (z. B. das Design der Videochatplattform und deren integrierte Funktionen), welche das Handeln bestimmen und damit den digitalen Raum (mit-)gestalten. Dadurch werden auch neue Rollen hervorgebracht. Teilnehmerinnen können zu Moderatorinnen oder Administratorinnen werden, oder einfach in ihrer Rolle als Teilnehmerinnen verbleiben, welche mit unterschiedlichen Rechten und technischen Funktionalitäten ausgestattet sind (vgl. Bohnenkamp et al. 2020: S. 4). Diese neu entstandenen Rollen, welche über unterschiedliche technische Optionen verfügen, können auch die Machtverhältnisse untereinander prägen (vgl. ebd.). Auf die Wirkung der Machtverhältnisse gehe ich im Kapitel 5. und 5.1 expliziter ein. Trotzdem möchte ich hier ein kleines Beispiel geben. Der Host könnte theoretisch während eines Meetings Teilnehmerinnen umbenennen und ihnen Namen geben, welche sie ins Lächerliche ziehen, wie z. B. Schätzchen oder Ähnliches. Dass ein Host den Namen der Teilnehmenden ohne deren Einverständnis ändern kann, zeigt die Machtasymmetrie, die zwischen regulären Nutzenden und Hosts bestehen.
Wie bereits im Kapitel 3.2. angedeutet, entsteht durch die Verknüpfung des physischen und des hybriden bzw. digitalen Raums, eine für sich eigene Atmosphäre. Im physischen Raum kann die Atmosphäre des Raumes folgendermaßen beschrieben werden: Die Atmosphäre des physischen Raumes entsteht nach Martina Löw „in der Wechselwirkung zwischen der Wahrnehmung der Elemente, welche den Raum bilden, und der symbolischen Ausstrahlung, der Wirkung dieser Elemente" (Archiv des Ortes 2008: S. 8). In einem Raum können solche Elemente z. B. die Einrichtungsgegenstände sein, aber auch die Wandfarbe oder Dekoration, welche sich in diesem Raum befindet. Diese Elemente können von Menschen visuell, auditiv, olfaktorisch und auch haptisch wahrgenommen werden. Wie Menschen diese wahrnehmen, ist beeinflusst durch Sozialisation, Bildung und Biografie. Jedoch wird die „Wirkung der Elemente und Gegenstände über Gestaltung und Design inszeniert und gesteuert" (ebd.) und ist damit nicht rein subjektiv „sondern sozial produziert" (ebd.). Ein Beispiel: Der Raum eines Cafés ist mit warmen Farben gestrichen, auf den Tischen stehen Blumen und die Temperatur ist angenehm reguliert. Dadurch kann eine gemütliche und warme Atmosphäre erzeugt werden, welche dazu beitragen kann, dass Menschen sich gerne in diesem Café aufhalten.
Klein und Liebsch beschreiben für den hybriden Raum eine „spezielle soziale Atmosphäre" (Klein / Liebsch 2022: S. 62). Sie meinen damit die Verflechtung der analogen und digitalen Atmosphären, welche die Stimmung des Videomeetings kennzeichnet. Die Teilnehmerinnen befinden sich einerseits in der Atmosphäre des Raumes, in dem sie gerade sitzen und am Meeting teilnehmen, sind aber „gemeinsam in der Zeit und in der Situation und mit ihrem körperlichen Ausdruck und leiblichen Empfinden aufeinander bezogen und gemeinsam in die Interaktionssituation involviert" (ebd.: S. 64).
Die Atmosphäre, welche die Teilnehmerinnen umgibt, kann einen Einfluss auf die Atmosphäre im Videomeeting haben. Insofern die Teilnehmerinnen nicht den virtuellen Hintergrund eingestellt haben, wird der Bildausschnitt eingefangen, welcher durch die Kamera erzeugt wird. Bei einer bestimmten Ausleuchtung können Katzen, Kinder oder Mitbewohnerinnen sichtbar werden. Die Tonqualität wird durch die Geräuschkulisse im physischen Raum der Teilnehmerinnen beeinflusst. So kann also das sichtbare räumliche Setting des privaten Raumes zur Irritation oder Störung der Atmosphäre beitragen (vgl. Bernhardt 2021: S. 258). Klein und Liebsch beschreiben das Szenario wie folgt:
„In Videomeetings sieht man in kachelähnlichen Formaten keine Körper, sondern hauptsächlich Köpfe und Gesichter, oder besser: Büsten. Diese platzieren sich vor Bücherwänden, in Küchen, unter Hochbetten, sie positionieren sich vor Kunstwerken oder vor den Logos ihrer Institutionen." (Klein/Liebsch 2022: S. 60)
In der Definition der Atmosphäre des Raumes heißt es, dass die Wirkung der Elemente und Gegenstände „über Gestaltung und Design" inszeniert und gesteuert ist. Aus meiner Perspektive lässt sich das auf den digitalen Raum übertragen. Nicht nur insofern, dass das Interface der Videochatplattform ein bestimmtes Design hat, was u. a. durch die Anordnung, Farbe und Form der Funktionen sichtbar wird, sondern auch dass Teilnehmerinnen die Möglichkeit haben, ihr eigenes Videobild, welches auf dem Bildschirm der anderen erscheint, zu inszenieren. Das können sie z. B. schon durch den Bildhintergrund oder durch bestimmte Kleidung, die sie tragen. Es gibt auch die Möglichkeit des virtuellen Hintergrunds, des immersiven Hintergrunds oder der Videofilter.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7. Bild von der Zoomwebseite. Sprecher*innenansicht (Zoom Support 2022: o. S.)
Diese Abbildung zeigt eine Teilnehmerin mit einem virtuellen Hintergrund. Aus meiner Sicht können diese Möglichkeiten, also z. B. der Einsatz von virtuellen Hintergründen, auch einen positiven Effekt auf die Atmosphäre des digitalen Raumes haben. Sie können dazu beitragen, dass sich die Stimmung lockert oder sie können bewusst eingesetzt werden bei inhaltlich thematischen Schwerpunkten.
Gab es, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, den Klassenraum und in ihm die Tafelposition als exponierte Position für alle Personen, die sich dort befanden, so haben nun alle Teilnehmerinnen vor allem in der Sprecherinnenansicht eine exponierte Position und darüber hinaus ist jede* r für jeden während des gesamten Meetings sichtbar,
insofern die eigene Kamera angeschaltet ist. Hinzu kommt neben der Sichtbarkeit der andern auch die eigene Selbstansicht vor der angeschalteten Kamera, die jedoch auch ausgeschaltet werden kann. Dass man sich selbst während eines Meetings permanent beobachten kann, ist ein Setup, wie es in physischen Räumen eher selten vorkommt. Hier erhält die Ebene des Körper-Habens noch einmal eine neue Qualität, da man den eigenen Körper nicht nur aus einer Innensicht reflektiert, sondern sich selbst als Gegenüber begegnet, was anfangs durchaus irritierend für Teilnehmende sein kann.
Wendet man die Raumkategorien von Breidenstein auf das Setting des Videochats an, so konstituiert sich hier insbesondere der visuelle Raum. Zum einen durch die visuellen Möglichkeiten, welche der digitale Raum bietet und die Auswirkungen haben können auf die Interaktion und Kommunikationen derTeilnehmer*innen, und zum anderen durch die eigene Sichtbarkeit und die Sichtbarkeit der anderen, welche zwar steuerbar ist, sich aber auf das Verhalten der Teilnehmerinnen auswirken kann.
Der auditive digitale Raum wiederum wird aus meiner Sicht zum einen durch die aktive und bewussste Mikrofon-Nutzung konstituiert und zum anderen durch Hintergrundgeräusche, welche möglicherweise zu hören sind, wenn das Mikrofon eingeschaltet ist. Teilnehmerinnen können durch die Aufhebung der Stummschaltung verbal miteinander kommunizieren. Allerdings ist es nicht möglich, dass mehrere Teilnehmerinnen gleichzeitig sprechen, da es sonst zu einer Überlagerung der Stimmen kommen würde. Während Menschen in physischen Räumen die Aufmerksamkeit auf bestimmte Geräusche fokussieren können und andere Geräusche ausblenden, ist es bei technisch vermittelten Klängen schwierig, zu priorisieren, da sie alle in dergleichen Lautstärke ausgegeben werden. Zoom selbst priorisiert laute Geräusche als Stimmen von Sprechenden und leiseres Sprechen kann versehentlich ausgefiltert werden. Hintergrundgeräusche und akustische Rückkoppelungen können sich ebenfalls auf die Kommunikation auswirken. Diese können jedoch bei der Verwendung von Headsets minimiert werden.
Der haptische Raum konstituiert sich durch die Berührung des Touchpads/Bild- schirms, der Tastatur und der Maus, eventuell des Headsets, welches man aufsetzt, und es gibt Reaktionen der Software auf meine Berührungen, die eine Aktion im digitalen Raum auslösen. Z. B. das Schreiben im Chat, das Anklicken der Reaktionsfunktion, welches Emojis erscheinen lässt, das Whiteboard bei den alle Teilnehmerinnen gleichzeitig mit ihrer Tastatur oder Maus schreiben oder zeichnen können. Daneben entsteht der haptische Raum auch dadurch, dass die Teilnehmerinnen zumindest i. d. R. auf Stühlen oder auf ihrem Sofa sitzen und sich dabei gleichzeitig im digitalen Raum der Videochatplattform befinden. Die hier geschilderten Veränderungen in den Kategorien visueller, akustischer und haptischer Raum, welche eintreten, sobald der digitale Raum betreten wird, bringen auch Veränderungen fürden sozialen Raum mit sich, die im nachfolgenden Kapitel dargestellt werden.
Grundlagen des Macht- und Gewaltbegriffes
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit Hierarchiestrukturen und legt den Fokus auf die Möglichkeiten der Machtausübung auf Videochatplattformen. Aus diesem Grund soll zunächst der Machtbegriff nach Max Weber näher betrachtet werden. Im nächsten Schritt soll die Machtdefinition nach Weber auf die Machtverhältnisse auf Videochatplattformen übertragen werden. Darüber hinaus soll sich dem Gewaltbegriff angenähert werden. Die Begriffe Gewalt und Macht weisen aus einer historischen Perspektive heraus einige Übereinstimmungen auf (vgl. Imbusch 2002: S. 30 ff). Aus diesem Grund werde ich versuchen, beide Begriffe näher zu bestimmen. Ferner wird es in den darauffolgenden Kapiteln um digitale Gewalt gehen, weswegen eine Definition des Gewaltbegriffes eine Notwendigkeit darstellt.
Macht
Vor allem in der Soziologie bezieht man sich immer wieder auf die Definition des Begriffes Macht von Max Weber und hat diese im Laufe der Zeit erweitert und angepasst (vgl. Inhetveen 2008: S. 253). Weber definiert Macht folgendermaßen:
„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht [...]. Der Begriff ,Macht' ist soziologisch amorph. Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen." (Weber 1967: S. 28f)
Diese Definition soll nun weiter eingeordnet werden. Der erste Teil der Definition lautet: „Macht bedeutet jede Chance", an dieser Stelle könnte Chance auch durch Möglichkeit ersetzt werden. Es zeigt sich, dass es zwar die Möglichkeit gibt, aber nicht unbedingt auch von ihr Gebrauch gemacht wird (vgl. Inhetveen 2008: S. 253). Für mich stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit jederzeit gegeben ist oder ob bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, um Macht auszuüben (siehe Kapitel 5.2).
Die Definition geht weiter mit „innerhalb einer sozialen Beziehung", d. h., Macht ist relational. Sie findet innerhalb von Beziehungen statt bzw. ist ein Merkmal von sozialen Beziehungen (vgl. ebd.). Unklar bleibt, wie weit Weber soziale Beziehungen fasst. Soziale Beziehung gibt es in Freundschaften, aber auch in der Schule, in der Politik, in allen Situationen, wo es zu Begegnungen zwischen Menschen kommt.
Der sich anschließende Teil seiner Definition lautet: „den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen". Das impliziert, dass der eigene Wille auch bei Widerstand durchgesetzt werden kann (vgl. ebd.). Doch meint Widerstreben, dass der Widerstand immer durch eine andere Person bzw. Gruppe kommen muss oder können es auch äußere Umstände sein? Wenn der Widerstand durch die andere Person bzw. Gruppe ausgeübt wird, verschieben sich dann auch die Hierarchie-Verhältnisse? Darüber hinaus impliziert dieser Teil der Definition „gegen Widerstreben durchzusetzen" auch eine Handlung. Es ist jedoch unklar, worin die Handlung sich zeigt. Wird Macht z. B. über Körpersprache transportiert/vollzogen oder über physische Handlungen etc. Oder kann Macht auch vollzogen werden, ohne jegliche physische Auseinandersetzung?
Der Satz endet mit „gleichviel worauf diese Chance beruht". Aus meiner Perspektive meint Weber damit, dass Machtausübung auch durch äußere Umstände hergestellt werden kann, z. B. materielle Vorteile, Wissensvorsprung, körperliche und psychische Überlegenheit etc. Das würde implizieren, dass Macht nicht zwangsweise etwas mit der Grundbeschaffenheit der konkreten sozialen Gruppe zu tun hat, in der Machtmechanismen wirken.
Im nächsten Abschnitt sagt Weber weiter, „der Begriff Macht ist soziologisch amorph". Soziologisch amorph meint, dass der Machtbegriff nicht trennscharf definiert werden kann (vgl. ebd.: S. 254). Im letzten Satz der Weberschen Definition heißt es: „Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemanden in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen." Aus meiner Sicht beinhaltet „alle denkbaren Qualitäten eines Menschen", dass jeder Mensch dazu in der Lage ist, Macht auszuüben. „Alle denkbaren Konstellationen können jemanden in die Lage versetzen [...]" könnte meinen, dass Weber äußere
Bedingungen mit einschließt, da er schreibt „alle denkbaren Konstellationen" und nicht alle denkbaren Konstellationen von Menschen. Damit schließt er auch Machtgefüge ein, die nicht aus der sozialen Gruppe kommen und beantwortet somit die Frage, ob auch äußere Umstände zu Machtausübungen führen können. Nach dieser Begriffsklärung von Macht, soll es im nächsten Kapitel darum gehen, wie Machtverhältnisse konkret auf Videochatplattformen konstituiert werden können.
Machtverhältnisse auf Videochatplattformen
Für die Analyse von Machtverhältnissen auf Videochatplattformen wird die oben ausführlich dargestellte Definition nach Weber herangezogen. Im ersten Teil der Definition heißt es, „Macht bedeutet jede Chance [...]", im Kontext von Videochatplattformen würde das bedeuten, dass auch dort die Möglichkeit besteht, dass Macht ausgeübt werden kann.
Und weiter heißt es „innerhalb einer sozialen Beziehung, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen". Soziale Beziehungen finden auf Videochatplattformen statt. Daran schließt sich die Frage an: Wie wird Macht innerhalb der sozialen Beziehung auf Videochatplattformen ausgeübt? Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Konstitution von Räumen. Wie wirgesehen haben, haben nach Martina Löw Räume Einfluss auf unser Handeln und unser Handeln wirkt sich auf die Räume aus.
Wie kann im Raum der Videochatplattform Macht ausgeübt werden? Welchen Einfluss hat die Raumarchitektur der Videochatplattform auf soziale Beziehung? Welche Machtfaktoren werden verstärkt oder wo finden möglicherweise Machtverschiebungen statt? Diese Fragen sollen an dieser Stelle näher beleuchtet werden.
Eine Funktion, welche auf den gängigen Videochatplattformen zu finden ist, ist weiter oben bereits erläuterte Kamerafunktion. Froebus und Holzer nutzen in diesem Zusammenhang die Metapher des Panopticon von Foucault. Ich möchte an dieser Stelle kurz erläutern, was das Panopticon darstellt. Foucault schrieb das Buch „Überwachen und Strafen", in dem er sich mit den Wirkmechanismen des Panoptikums von Jeremy Bentham auseinandersetzt, im Jahr 1975. welches vorerst nur ein architektonisches Konzept war und aus dem 18. Jh. stammt. Das Panoptikum nach Bentham ist ein Entwurf für ein ringförmiges Gefängnisgebäude, in welcher Mitte ein Turm steht. Dieser Turm ist so konzipiert, dass eine Person von ihm aus in jeden Winkel, in jede Tür, in jedes Fenster der Insassen blicken kann. Die Besonderheit des Baus ist, dass der*die Insassin zwar jederzeit beobachtet werden kann, aber er oder sie nicht zurückschauen kann und somit nicht weiß, ob er oder sie gerade beobachtet wird (vgl. Grabau/Rieger-Ladich 2014: S 65). Foucault setzt sich im Rahmen seiner Analyse damit auseinander, wie sich im 18. Jh. Strafe und Bestrafung verändert hat: Das Ziel sei nicht mehr gewesen, Menschen zubesserenMenschen zu machen, sondern sie zu kontrollieren und überwachen. Dieses Prinzip verkörpert für ihn das Panoptikum, das er. „eine Maschinerie allseitiger Beobachtung" nennt (ebd.).
Froebus und Holzer beschreiben, dass sich wie bei Foucaults Panopticon auch beim Videochatprogramm ein Setting herstellen lässt, bei dem Teilnehmerinnen nicht wissen, von wem sie gerade beobachtet werden. Es sei nicht möglich, sich den Blicken zu entziehen, sobald die eigene Kamera eingeschaltet ist, was mit einem Angst- oder Schamgefühl einhergehen kann (vgl. Froebus/Holzer 2022: S. 305). Bei Teilnehmerinnen können, vorausgesetzt sie haben nicht einen virtuellen Hintergrund eingestellt, Privaträume sichtbar werden und sich ungewollt Öffentliches und Privates vermischen (vgl. ebd.: S. 304 sowie Bohenkamp et. al. 2020: S. 8). Aus meiner Perspektive geht die Metapher des Panopticon nicht zu 100% auf. Der Unterschied des Videochat-Settings und des Panopticons besteht darin, dass ich durch die Kamerafunktion sichtbar bin für die anderen Teilnehmerinnen. Bei Foucault ist wesentlich, dass man nicht weiß, wer auf mich schaut, hier weiß ich jedoch, wer„auf deranderen Seite" ist. Sollte ich nicht wissen, wer am Meeting teilnimmt, da alle Nutzenden ihre Kameras ausgeschaltet haben, bin auch ich nicht gezwungen, mich zu zweigen. Im Gegensatz zum Panopticon habe ich also jederzeit die Möglichkeit, mich den fremden Blicken zu entziehen.
Schamgefühle können meines Erachtens dadurch ausgelöst werden, dass der private Raum, welcher im Videoausschnitt zu sehen ist oder das Aussehen eines Teilnehmers oder einer Teilnehmerin eine negative Bewertung erfahren. Dies könnte im Chat oder durch einen herablassenden Kommentar passieren.
Wenn Teilnehmerinnen sich dafür entscheiden, ihre Kamera ausgeschaltet zu lassen, kann das z. B., in einem pädagogischen Setting eine Unsicherheit auf Seiten der pädagogischen Fachkraft auslösen. Das Auslösen der Unsicherheit auf Seiten der Person, welche das Meeting leitet, kann allerdings auch unabhängig von diesem Setting passieren.
Es lässt sich bei ausgeschalteter Kamera nicht mehr kontrollieren, ob die Körper der Schülerinnen gerade anwesend sind. Eine körperliche Anwesenheit bei eingeschalteter Kamera heißt zwar nicht automatisch eine konzentrierte gedankliche Mitarbeit, dennoch wird bei ausgeschalteter Kamera die „pädagogische Irritation [...] verschärft" (Fro- ebus/ Holzer 2022 ebd.: S. 298). Für den*die Lehrerin kann das ausbleibende Videobild von Schülerinnen Stress auslösen, was wiederum ein Symptom sein kann, für die Angst vor Kontrollverlust (vgl. ebd.: S. 306). Es ist wichtig, dass Lehrerinnen sich bewusstwer- den, warum Schülerinnen ihre Kamera nicht einschalten möchten. Das Verständnis der Gründe kann helfen, Enttäuschung oder sogar Empörung von Lehrerinnen zu vermeiden, da sie durch die Verweigerung sichtbaren Anwesenheit im visuellen Raum möglicherweise ihr Gefühl der Kontrolle verloren haben (vgl. ebd.: S. 304).
Gleichzeitig kann die Kamerafunktion bzw. der starre Bildausschnitt der Galerieansicht auch mit einer Machtverschiebung einhergehen. So beobachten Froebus und Holzer, dass manche Handlungen „symbolischer Gewalt in analogen Lehrräumen" (Froe- bus/Holzer 2022: S. 306) nicht mehr stattfinden können, sobald sie auf Videochatplattformen verlegt werden. Zum Beispiel ist es dem* der Lehrerin nicht mehr möglich, sich im Raum zu bewegen, ihre Körpersprache lässt sich viel weniger bis gar nicht vermitteln, um bspw. zu unterbrechen oder eine Wertung des Gesagten vorzunehmen. An dieser Stelle sei wieder auf die Definition von Weber verwiesen, in der es heißt: „den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchsetzen."
Ich möchte zeigen, wie Macht sich im Handeln auswirken kann, z. B. auch durch Körpersprache, die etwas kommunizieren kann, also auch Macht demonstrieren kann und die durch die Reduktion der Körpersprache im Videosetting, auch eine Reduktion der Hierarchieverhältnisse bedeuten kann.
Das stellt auch Nadine Stutz fest, die in ihrem Beitrag von 2021 mit dem Titel „Virtuelle Arbeitsräume - Vertrauen im Zeitaltervon Zoom und Co." einen Vergleich zwischen physischen und digitalen Arbeitsräumen gezogen hat. Einiges davon lässt sich auf den Bereich Schule und Online-Unterricht übertragen. Stutz beschreibt, dass Hierarchieverhältnisse in physischen Meetings deutlicher sichtbar werden. Sie führt aus, dass Menschen, wenn sie sich gegenübersitzen, dazu tendieren „der ,ranghöchsten Person' zuzustimmen" (Stutz 2021: S. 273) und sie weniger den Mut haben, ihre eigenen Ideen und Vorschläge einzubringen. Das ist vor allem der physischen Nähe geschuldet. Es fällt ihnen schwerer, sich gegenüber Autoritätspersonen einzubringen. Diese Spannungsund Machtverhältnisse sind bei Videomeetings zwar immer noch vorhanden, jedoch treten sie in reduzierter Form auf. Die nicht mehr vorhandene physische Nähe macht es Menschen theoretisch leichter, sich einzubringen und ihre Ideen und Überzeugungen zu äußern (vgl. ebd.: S. 273). Die Hierarchiereduzierung begründet Stutz weiter mit der fehlenden Sitzordnung und der willkürlichen Anordnung der Galeriefenster, die keine Rückschlüsse auf eine Hierarchieanordnung oder auf Abhängigkeiten innerhalb einer Gruppe zulassen. Teilnehmerinnen können eigenständig darüber entscheiden, ob sie die Sprecherinnen- oder die Galerieansicht wählen. Man versteht sich mehr als Gleichgesinnte bzw. als Peers. Dem würde entgegenstehen, dass sich soziale Positionen, wie z. B. zwischen Lehrerinnen und Schülerinnen nicht auflösen, auch wenn sie auf einer Videochatplattform vielleicht nicht unmittelbar sichtbar sind.
Ich möchte nun wieder auf die Machtdefinition von Weber zurückkommen. Bei Weber heißt es weiter: „[...] Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen". Bezogen auf den Raum der Videochatplattformen soll an dieser Stelle die Rolle des Host näher betrachtet werden. Er oder sie hat die Möglichkeit ein Meeting zu erstellen und auch dazu einzuladen. „Er oder sie verfügt über umfassende Berechtigungen zum Verwalten des Meetings" (Zoom Support 2022: o. J). So hat vor allem der Host, welcher mit den meisten Befugnissen ausgestattet ist, die Möglichkeit, diese für seine oder ihre Zwecke zu missbrauchen (vgl. Bohnenkamp 2020 et. al.: S. 9). Diese Handlungsmöglichkeit ergibt sich einerseits durch die Voreinstellungen der Videokonferenzsysteme und andererseits durch die Handlungsmacht, die dem Host des Meetings gegeben ist (vgl. Froebus/Holzer 2022: S. 301 f). So kann der Host darüber entscheiden, wer dem Meeting beitreten kann und wer nicht, z. B. durch die Wartezimmerfunktion. Die Wartezimmerfunktion zeigt dem Host die Teilnehmerinnen an, bevor sie das Meeting betreten. Per Mausklick kann er oder sie, die oder den Teilnehmerin in das Meeting einlassen.
Der Host kann Teilnehmerinnen aus dem Meeting entfernen, stummschalten oder ihnen das Recht verwehren, den Bildschirm zu teilen. Der Chat des Videomeetings kann deaktiviert werden, sodass es fürTeilnehmer*innen nicht möglich ist, diesen nutzen, um z. B. Fragen zu stellen oder einem*einer anderen Teilnehmerin eine Privatnachricht zu schreiben. Dadurch können Nebengespräche, welche dem sozialen Austausch dienen, unterbunden werden. Breakout-Räume können aufgelöst werden, obwohl sich vielleicht ein*eine Teilnehmerin gerade mitten im Sprechen befindet. Bei einigen Plattformen bleibt das Betreten des Hosts in eine Breakout-Session unbemerkt, was einem Lauschangriff gleichkommt (vgl. Froebus/Holzer 2022: S. 301). Diese aufgelisteten Funktionen, welche die Videochatplattform zur Verfügung stellt, können in einer Dualität gesehen werden: Sie können dafür missbraucht werden, Macht auszuüben, gleichzeitig eröffnen sie auch die Chance, Barrieren zu reduzieren. Z. B. kann Diskriminierung reduziert werden, wenn z. B. Teilnehmerinnen, welche sich diskriminierend gegenüber anderen verhalten, aus dem Meeting „geschmissen" werden (siehe Kapitel 7.1.). Eine enthierarchi- sierende Methode wäre beispielsweise, wenn alle Teilnehmerinnen mit ähnlichen Rechten ausgestattet werden, wie die*der Host (vgl. Bohnenkamp et. al.: S. 9). So ist es z. B. auf Zoom möglich, weitere Teilnehmerinnen mit sogenannten Co-Host-Rechten auszustatten. Auch wenn sie damit noch nicht alle Rechte haben wie der oder die Host, steht ihnen doch mehr Auswahl an Funktionen zur Verfügung. Weitere Möglichkeiten, wie Hierarchieverhältnisse reduziert werden können, werden in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben.
Der Gewaltbegriff
Für die Begriffsbestimmung des umfassenden, komplexen Sammelbegriffs Gewalt besteht bis heute keine präzise und einheitliche Definition, weder im alltagssprachlichen Gebrauch, noch in den Sozialwissenschaften (vgl. Imbusch 2002: S. 26). Deshalb wird die Definition von Gewalt, welche in diesem Kontext vorgestellt wird, eine eingrenzende Wirkung auf die vielfältigen Bedeutungsschichten des Gewaltbegriffes haben. Ich beziehe mich sowohl in der Einführung als auch im Kapitel über digitale Gewalt auf die Definition von Popitz. Der Soziologe Heinrich Popitz definiert Gewalt folgendermaßen:
„Gewalt meint eine Machtaktion, die zur absichtlichen körperlichen Verletzung anderer führt, gleichgültig, ob sie für den Agierenden ihren Sinn im Vollzug selbst hat (als bloße Aktionsmacht) oder in Drohungen umgesetzt zu einer dauerhaften Unterwerfung (als bindende Aktionsmacht) führen soll." (Popitz 1992: S. 48)
Nimmt man die Definition von Popitz auseinander, dann kann der erste Teil „Gewalt meint eine Machtaktion" als Ausübung von Macht angesehen werden. Darüber hinaus weist ,Aktion' auch eine Handlung hin. Der zweite Teil: „die zur absichtlichen körperlichen Verletzung anderer führt", weist darauf hin, dass mit der Handlung auch ein Ziel verfolgt wird, nämlich jemanden absichtlich körperlich zu verletzen. Unklar bleibt, zumindest an dieser Stelle, inwieweit Popitz körperliche Verletzung fasst. Erst im späteren Teil seiner Definition geht er darauf ein.
Weiter heißt es, „gleichgültig, ob sie für den Agierenden ihren Sinn im Vollzug selbst hat (als bloße Aktionsmacht)". Aus meiner Sicht bedeutet das, dass das Ziel für den Agierenden die Verletzung des anderen als solche ist. Es muss kein Grund vorliegen, um die Gewalt durchzuführen. Der letzte Teil seiner Definition lautet: „oder in Drohungen umgesetzt zu einer dauerhaften Unterwerfung (als bindende Aktionsmacht) führen soll". Popitz zielt darauf ab, dass Gewalt sich auch in Form von Drohungen äußern kann, was beinhalten würde, dass sie nicht notwendigerweise durchgeführt wird und eine Ankündigung schon ausreichend sein kann. Der oder die Bedrohte kommt aus der Angst heraus, dass die Drohung in die Tat umgesetzt wird, ins Handeln (vgl. Popitz 1992: S. 84). Darüber hinaus muss die Drohung nicht notwendigerweise verbalisiert werden. Ein Blick kann auch schon eine Drohgebärde darstellen (vgl. ebd.: S. 80). Weiter beinhaltet dieser Teil auch eine zeitliche Komponente, da sie zur „dauerhaften Unterwerfung führen soll (als bindende Aktionsmacht)". Zur bindenden Aktionsmacht schreibt Popitz, dass sie gelingen kann, „wenn der Vollzug oder der glaubhafte Vollzug von Aktionsmacht in Drohung umgewandelt werden kann" (Popitz 1992: S. 47). D. h., dass die Machtbeziehung so lange aufrechterhalten werden kann, solange die Drohung wirkt, dass also die Drohung das bindende Element ist.
Im vorherigen Kapitel wurde die Machtdefinition von Max Weber als Begriffsbestimmung hinzugezogen. Ich möchte an dieser Stelle versuchen, beide Definitionen in Übereinstimmung zu bringen. Weber definierte Macht als „[...] jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht [...]" (Weber 1976: S. 28 f).. In Verbindung mit der Gewaltdefinition von Popitz könnte Gewalt als Machtausübung verstanden werden, um den eigenen Willen durchzusetzen. Der eigene Wille ließe sich in dem Zusammenhang auch durch eine Drohung des oder der Akteur*in durchsetzen, da, wie oben beschrieben, die Drohung die Wirkung erzielen kann, dass der Wille des oder der Akteurin durchgesetzt wird, da sich die betroffene Person dem Willen des oder der Akteurin beugt. Der Gewaltbegriff wird hier jedoch insofern eingeschränkt, dass er als Form von physischer Gewalt erfasst wird (vgl. Imbusch 2002: S. 31). Was sich aus der Verschränkung der beiden Machtdefinitionen ableiten lässt, ist die Tatsache, dass Gewalt mit einem Zwang verbunden ist, der auf andere ausgeübt wird. Eine Person oder Gruppe verfolgt ein Ziel, das nicht in Einklang mit dem Gegenüber zu bringen ist oder dessen Bedürfnissen sogar zuwiderläuft. Ein Person, die Gewalt ausübt, ignoriert die Bedürfnisse des Gegenüber und zwingt anderen ihren eigenen Willen auf. Dass dies möglich ist, ist auf eine ungleiche Verteilung von Ressourcen zurückzuführen, z. B. körperlicher Kraft oder finanzieller Möglichkeiten. Interessant ist, dass von Gewalt nicht nur gesprochen werden kann, wenn die Gewalt ausübende Person tatsächlich Gebrauch von ihrer Macht macht, sondern die Androhung dieses Szenarios ausreicht, den Willen des Gegenübers zu brechen. Damit ist es also nicht unbedingt eine physische Auseinandersetzung, in der Gewalt sich vollzieht - sie kann auch verbal sein oder durch psychischen Druck zum Ausdruck kommen. Damit ist es also auch auf Videochat-Plattformen möglich, Gewalt auszuüben, obwohl die Teilnehmenden körperlich nicht direkt angreifbar sind. Das nächste Kapitel widmet sich entsprechend der Frage, was unter digitaler Gewalt zu verstehen ist bzw. wie diese wirksam werden kann.
Digitale Gewalt
Um sich einer Definition des Begriffes digitale Gewalt anzunähern, möchte ich vorerst auf die Definition von Digitalität von Felix Stadler zurückgreifen. Für Stadler ist Digitalität der Möglichkeitsraum, der durch die Infrastruktur von Digitalisierung geschaffen worden ist. (vgl. Stadler 2022: S. 3ff.) Eine einfache, von mir formulierte Definition von digitaler Gewalt ist folgende: Digitale Gewalt liegt dann vor, wenn digitale Medien missbraucht werden, um eine oder mehreren Personen absichtlich zu schaden. Im Kontext der Gewaltdefinition von Popitz, in der er auch die Drohung als Form von Gewalt definiert, würde das bedeuten, dass digitale Medien dazu genutzt werden, einer einzelnen Person oder einer Gruppe zu drohen. Im Bereich der digitalen Gewalt ist der oder die Akteur*in nicht immer persönlich bekannt, weswegen die Drohung aber nicht an Wirkung verliert.
Ein Beispiel: Wenn anhand einer App der Standort von einer Person ausfindig gemacht wird, diese Person aufgesucht wird und ihr dann körperliche Gewalt angetan wird, liegt hier eine Form von physischer Gewalt vor. Der digitale Faktor kommt hinzu, wenn diese Person zuvor, wie in diesem Beispiel geschildert, mittels einer App aufgesucht worden ist. Bei diesem Beispiel findet eine Verschränkung von physischer und digitaler Gewalt statt. Im Kontext von Drohung würde Digitale Gewalt vorliegen, wenn eine Person E-Mails bekommt, deren Inhalte eine Drohung aufweisen. Prasad warnt davor, digitale Gewalt nur auf psychische Gewalt zu reduzieren. Der Missbrauch von digitalen Medien kann dazu führen, einer Person auch sexuelle physische Gewalt anzutun (vgl. Prasad 2021: S. 18).
An dieser Stelle sei wieder auf die Frage verwiesen: „Wie sollen die Technologien auf uns wirken" (Schmidt 2020: S. 65)? Wie bereits erwähnt, spielt in dieser Frage auch die Frage mit, wie wir den Umgang mit digitalen Technologien gestalten wollen, damit sie nicht zur Gewaltausübung missbraucht werden?
Digitale Gewalt hat meistens eine geschlechterspezifische Komponente und findet sich oft im sozialen Nahraum wieder. Frauen und auch andere marginalisierte Personengruppen sind oft stärker davon betroffen als andere Personengruppen.
Im öffentlichen Diskurs wird unter digitaler Gewalt meist insbesondere Hate Speech verhandelt (vgl. Prasad 2021.: S. 20). Hate Speech ist eine Form der digitalen Gewalt, die darauf abzielt, „bestimmte Meinungen, Bewegungen, Personen und/oder Personengruppen abzuwerten. Sie ist eine Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit [...]" (Bauer et. al. 2021: S. 9), welche weniger im sozialen Nahfeld der betroffenen Personen passiert und die betroffene Person meistens den oder die Täterin nicht kennt. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) definiert digitale Gewalt wie folgt:
„Digitale Gewalt ist ein Oberbegriff für Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel und digitaler Medien (Handy, Apps, Internetanwendungen, Mails etc.) bedienen und/oder geschlechtsspezifische Gewalt, die im digitalen Raum, z. B. auf Online-Portalen oder sozialen Plattformen stattfindet. Digitale Gewalt funktioniert nicht getrennt von „analoger Gewalt", sie stellt meist eine Ergänzung oder
Verstärkung von Gewaltverhältnissen und -dynamiken dar." (Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) 2019.: o. S. )
Diese Definition umfasst sowohl die geschlechterspezifische Komponente als auch den Missbrauch von digitalen Medien. Darüber hinaus geht diese Definition darauf ein, dass digitale Gewalt oft eine Verschränkung von analoger und digitaler Gewalt ist. Aus meiner Perspektive zeigt sich anhand der Verstrickung von analoger und digitaler Gewalt, dass dieses Phänomen auch als Phänomen der Postdigitalität betrachtet werden muss, denn, wie sich am Beispiel der digitalen Gewalt im sozialen Nahraum zeigt, findet diese nicht nur im Internet statt. Die sogenannte Wiener Studie aus dem Jahr 2018 hat in ihrer Arbeitsdefinition zu digitaler Gewalt sowohl Hate Speech als auch digitale Gewalt, welche im sozialen Nahfeld passiert, aufgegriffen. Diese lautet wie folgt:
„Gewalt im Netz istjede sprachliche(durch Schrift oder aufgezeichnete Sprache)oder darstellende(durch Bild oder Video)Äußerung, verbreitet oder zugestelltdurch das Medium Internet, die von unmittelbaren und/oder mittelbaren Empfängerinnen alsbedrohlich, herabwürdigend oder verunglimpfend empfundenwird oder durch die die Empfängerinnen sich in ihrerLebensgestaltung auf unzumutbare Weise beeinträchtigt fühlen. Bezugspunkt ist nicht ausschließlich das individuelle Empfinden, sonderndas Empfinden eines wahrnehmbaren Teiles der rechtsverbundenen Sprachgemeinschaft. Besonders zu berücksichtigen ist dabei jederAusdruck der Diskriminierungauf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Orientierung, einer körperlichen oder intellektuellen Beeinträchtigung oder des Geschlechts." (Forschungszentrum Menschenrechte der Universität Wien/Weißer Ring 2018: 28 [Herv. i.O.]
Beide Definitionen weisen folgende Merkmale auf: Digitale Gewalt äußert sich sprachlich (Hate Speech) und wird von den Empfängerinnen als bedrohlich oder diskriminierend aufgenommen oder digitale Gewalt wird durch digitale Medien ausgeübt (z. B. die Überwachung einer Person durch eine Spy App). Über digitale Gewalt auf Videochatplattformen und wie sich diese äußert, ist bisher nicht viel in der Forschungsliteratur geschrieben worden. Vor allem das Phänomen des Zoombombing wurde im Zusammenhang mit Videochatplattformen beschrieben. Zu Beginn der Pandemie, als Videochatplattformen immer mehr genutzt wurden, kam es auf der Plattform Zoom wiederholt zu diesem Phänomen. Zoombombing beschreibt, dass sich Unbefugte, sogenannte Internettrolle, Zugang zu einem Online-Meeting verschaffen und dieses bspw. durch se- xualisiertes oder auch rassistisches Bild- und/oder Textmaterial sprengen (vgl. Weiss 2020: o. S.). Internettrolle sind Personen, deren einziges Ziel es ist, zu stören und zu provozieren. Das Trollen dient entweder ihrer eigenen Belustigung oder der Belustigung der anderen (vgl. Weidner o.J.: o. S.). Um dieses Phänomen zu verhindern, hat das Unternehmen Zoom viele Sicherheitsvorkehrungen angepasst. Damit soll der Zugang für Internettrolle erschwert werden. So kann jemand, der ein Zoommeeting ausrichten möchte und die Hostrechte besitzt, die „Wartezimmerfunktion" einstellen. (vgl. Weiss 2020: o. S.).
Aufgrund der wenigen Literatur, die sich bisher mit dem Thema digitale Gewalt auf Videochatplattformen beschäftigt hat, möchte ich angestoßen durch die Erläuterungen in den vorangegangenen Kapiteln eigene Überlegungen anstellen, wie sich digitale Gewalt auf der Videochatplattform Zoom äußern kann.
In einer Zoomkonferenz kann es zu aufdringlichen und beleidigenden Kommentaren über die Kleidung, das Aussehen oder das Privatleben eines*einer Teilnehmerin kommen, indem die diskriminierende Äußerung verbal von einer*einem Sprecherin über den akustischen Raum oder über den Textchat transportiert wird. Problematisch ist dabei, dass es für die betroffene Person quasi keinen Rückzugsort gibt und der Übergriff in ihren persönlichen physischen Raum eindringt, wenn sie sich zum Zeitpunkt des Meetings zu Hause oder an einem anderen ansonsten vertrauten privaten Ort befindet.
Ein besonders drastisches Beispiel sind Übergriffe in Virtual-Reality-Formaten, bei denen die Teilnehmerinnen als Avatar mit dem Computer oder einem VR-Headset teilnehmen. Die hier gestalteten Räume sind darauf ausgelegt, einen Eindruck von Realität zu vermitteln bzw. Räume und Körper zu simulieren. Mittlerweile sind Fälle bekannt, bei denen es zu sexuellen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen in diesen Räumen gekommen ist. In Virtual-Reallity-Formaten begegnen sich Teilnehmerinnen als Avatare. Teilnehmerinnen, die einen sexuellen Übergriff erlebt haben, müssen mit realen (physischen sowie psychischen) Konsequenzen rechnen, da die Räume im VR so konzipiert sind, dass sich das Erlebte, möglichst real anfühlt (vgl. Kazda 2022: o. S. )
„VR würde deshalb die gleichen psychologischen Effekte auslösen, wie in der realen Wirklichkeit. Oft sind psychosomatische Ängste oder starke emotionale Reaktionen der Opfer die Folge. Somit sind die Auswirkungen zwischen einer virtuellen Belästigung und einem realen Angriff tatsächlich sehr ähnlich." (ebd.).
Es ist davon auszugehen, dass es einen ähnlichen Effekt auf die Teilnehmerinnen von Videokonferenzen haben kann, wenn sie einen Übergriff erleben, da es auch hier kaum Möglichkeiten gibt, sich zu schützen und die besondere Atmosphäre des hybriden Raumes eine immersive Wirkung entfalten kann. Erlebt man digitale Gewalt am Bildschirm in der eigenen Wohnung, gibt es keinen neutralen Rückzugsort mehr, da dieser durch die digitale Realität des Meetings erweitert und gewissermaßen mit der unangenehmen Erfahrung überschrieben wurde.
Ferner ist es sehr leicht, einen Screenshot von einem*einerTeilnehmer*in zu machen und dieses Bild später für andere Zwecke zu missbrauchen (z. B. das Erstellen von Deepfakes). Vorschläge wie damit umgegangen werden kann bzw. wie diese Formen von digitaler Gewalt reduziert werden kann, werden in den Leitlinien erstellt.
Daneben können in einem Videochat auf allen Zeichenebenen diskriminierende Inhalte gesendet werden. Über den Textchat können pornografische Fotos und Videos oder Links zu entsprechendem Material verschickt werden. Möglich ist dies auch vom Rest der Gruppe unbemerkt über den privaten Chat. Denkbar ist auch, dass über die Bildschirm-Teilen-Funktion Inhalte geteilt werden, die diskriminierend sind.
Diskriminierung und digitale Diskriminierung
In diesem Kapitel soll das Recht der Nichtdiskriminierung und darauffolgend der Begriff digitale Diskriminierung und deren Auswirkungen beleuchtet werden. Ferner wird beschrieben, wie durch einfache technische Funktionen, die auf Videochatplattformen zu finden sind, Diskriminierungen verhindert werden können.
Das Menschenrecht der Nichtdiskriminierung findet sich in sehr vielen Menschenrechtskonventionen wieder. So sagt der Artikel 2 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (kurz: AEMR): „Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne einen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstiger Stand" (Artikel 2 AEMR). Des Weiteren ist das Recht der Nichtdiskriminierung noch in folgenden Konventionen zu finden:
- Artikel 5 Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)
- Artikel 2 UN-Kinderechtskonvention (UN-KRK)
- Artikel 7 Wanderarbeiter-Konvention (ICMR)
- Artikel 1 Frauenrechtskonvention (CEDAW)
- Artikel 2 Sozialpakt (ICESCR)
- Artikel 2 Zivilpakt (ICCPR)
- Artikel 1 Konvention gegen Rassismus (ICERD)
Das allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) regelt auf rechtlicher Ebene den Schutz vor Diskriminierung in Deutschland. Dort ist der Begriff Benachteiligung statt Diskriminierung zu finden, europäische Rechtsquellen nutzen jedoch den Begriff Diskriminierung (vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2021: S. 19).
§1 des AGG benennt die Gründe, durch die Personen Benachteiligung erfahren können. Diese gilt es zu beseitigen resp. zu vermeiden. Die in § 1 AGG genannten Gründe12sind die,Rasse/[2],die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter und die sexuelle Identität (vgl. ebd.: S. 20). Im AGG werden die unterschiedlichen Diskriminierungsmerkmale näher definiert. Im internationalen Kontext bleibt es beim Menschenrechtsabkommen nicht bei den genannten sechs Merkmalen. So wird bspw. in der europäischen Grundrechtecharta (GRC) im Artikel 21 ganz explizit auch das Merkmal „soziale Herkunft" genannt (vgl. ebd.: S. 21 sowie Artikel 21 GRC).
Ferner geht das AGG auf die verschiedenen Diskriminierungsformen ein. Im ersten Schritt wird zwischen mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung unterschieden. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt z. B. dann vor, wenn eine 25-jährige Person eine Anstellung bekommt und eine andere 51-jährige Person bei gleicher Qualifizierung nicht. Die Benachteiligungserfahrung setzt direkt am Diskriminierungsmerkmal an, in diesem Beispiel dem Alter. Bei der mittelbaren Diskriminierung kann bei einer Situation mit scheinbar gleichen Regeln oder Rahmenbedingungen eine Ungleichbehandlung sich ungleich auswirken. Die Diskriminierung setzt nicht an ein bestimmtes Merkmal einer Person an, sondern benachteiligt bestimmte Gruppen (vgl. ebd.: S19). An einem Beispiel soll an dieser Stelle gezeigt werden, was unter mittelbarer Diskriminierung zu verstehen ist:
Viele Banken haben Standardleistungen wie Geldabheben, Überweisungen und Kontoauszüge auf Automaten ausgelagert. Das wirkt sich negativ auf die unabhängige Lebensführung von Menschen im Rollstuhl, Blinde, Sehbehinderte aus, da die meisten Automaten nicht für Menschen mit Behinderung ausgelegt sind. Ebenso sind alte Menschen betroffen. (vgl. Wehrhöfen 2005: o. S.)
Ein weiteres Beispiel für eine mittelbare Diskriminierung ist, wenn eine verpflichtende Schulstunde über eine Videochatplattform abgehalten wird, ohne zu berücksichtigen, dass eventuell nicht alle Schülerinnen mit Laptops oder ähnlichen digitalen Geräten ausgestattet sind bzw. diese ihnen jederzeit zur freien Verfügung stehen oder nicht gewährleistet werden kann, ob eine stabile Internetverbindung vorhanden ist. Bei diesem Beispiel können vor allem Familien mit einem geringen Einkommen betroffen sein und damit das Diskriminierungsmerkmal „Sozialer Status" erfüllt sein. Das Diskriminierungsmerkmal „Sozialer Status" wird bisher im AGG nicht berücksichtigt, was jedoch mittlerweile von vielen Stellen gefordert wird. Dafür findet sich das Merkmal „Sozialer Status,, im §2 des LADG (Landesantidiskriminierungsgesetz). Dieses Gesetz ist im Juni 2020 in Kraft getreten und hat seinen Geltungsbereich in Berlin (vgl. LADG 2020). Als eine weitere Form der Diskriminierung beschreibt das AGG Belästigung und damit einhergehend auch Mobbing. Belästigung stellt eine Verhaltensweise dar, die an ein Diskriminierungsmerkmal gekoppelt ist: Eine Person wird herabgewürdigt, beleidigt, erniedrigt oder das Umfeld einer feindlichen Umgebung ausgesetzt. Mobbing kann im Zusammenhang mit Belästigung stehen. Für sich bedeutet Mobbing eine „würdeverletzende Handlung" (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2021: S. 20), welche sich über einen längeren Zeitraum hinzieht, zielgerichtet und systematisch erfolgt und dabei konkret die Persönlichkeit eines Menschen verletzt. Eine besondere Form der Belästigung ist die sexuelle Belästigung. Als sexuelle Belästigung gelten unerwünschte sexuelle Verhaltensweisen. Damit können sowohl unerwünschte Berührungen, Kommentare, aber auch das Versenden von E-Mails mit pornografischen Inhalten gemeint sein. Alle genannten Diskriminierungsformen können sich auch im Internet wiederfinden und damit Ausdruck digitaler Gewalt sein.
Diskriminierungsmerkmale treten oft miteinander verschränkt auf. Man spricht dabei von der intersektionalen Diskriminierung3. Ein Beispiel für eine intersektionale Diskriminierung ist, wenn eine Schwarze4Frau, die im Rollstuhl sitzt, nicht das Jobangebot bekommt, obwohl sie die gleichen Qualifizierungen hat wie derweißeMann. Das Zusammenwirken der Merkmale Hautfarbe und Behinderung führt in diesem Fall zu einer eigenständigen Diskriminierungserfahrung. Intersektionale Diskriminierungsformen stellen bisher eine Gesetzeslücke dar, da sie z. B. im AGG zwar erwähnt werden, aber zu keiner rechtlichen Konsequenz führen. Da Diskriminierungsmerkmale oft miteinander verwoben sind, ist davon auszugehen, dass sie auch in digitalen Kontexten aufzufinden sind (vgl. ebd.: S. 22).
Digitale Diskriminierung
Im Folgenden wird zunächst ein allgemeiner Blick auf die digitale Diskriminierung und wie sie sich äußern kann, geworfen. Im nächsten Schritt werden Überlegungen angestellt, wie sich digitale Diskriminierung auf Videochatplattformen vermeiden lassen.
Francesca Schmidt und Nicole Shephard beschreiben, dass sich intersektionale Diskriminierungsformen im Digitalen fortsetzen. Bspw. kann jede Person von digitaler Gewalt betroffen sein. Mit Blick auf internationale Studien wurde jedoch belegt, dass bestimmte Personengruppen häufiger von digitaler Gewalt betroffen waren als andere. So haben Guardian-Journalist*innen bei der Auswertung von Kommentaren herausgefunden, dass vor allem Frauen, Frauen of Color und BPOC Personen von Hate Speech betroffen waren, wenn diese Beiträge vor allem von weißen Männern geschrieben wurden. Ferner hat Plan International 2020 festgestellt, dass junge Frauen und Mädchen angegriffen wurden, sobald sie online waren (vgl. Schmidt / Shephard: S. 262). Die Gewalt, die ausgeübt wurde, stand oft nicht im Zusammenhang mit den Inhalten, die sie produziert haben. Darüber hinaus wurde belegt, dass wenn Schwarze Menschen, Menschen mit einer Behinderung und Personen aus der LGBTIQ+ Community sich politisch äußern resp. das Internet für ihre politischen Zwecke nutzen, sie häufiger von digitaler Gewalt betroffen sind als andere (vgl. ebd.).
Ein weiterer Bereich, der die digitale Diskriminierung miteinschließt, ist die algorithmische Diskriminierung. Von algorithmischer Diskriminierung spricht man, wenn die Ergebnisse algorithmischer Entscheidungssysteme und maschinellen Lernens Frauen und marginalisierte Personengruppen benachteiligen oder ausschließen" (ebd.: S. 264).
Um digitale Diskriminierung zu reduzieren, kann es aus meiner Perspektive lohnend sein, darüber nachzudenken, dass sich Technologiefirmen bei der Entwicklung von digitalen Plattformen, Applikationen und weiteren technologischen Produkten an einen menschenrechtlichen Schutzrahmen halten müssen.
- In Hinblick auf Videochatplattformen gibt es viele Möglichkeiten, den Partizipationsraum zu erweitern und damit einer größeren Gruppe die Teilnahme zu ermöglichen. Um Teilnehmerinnen vor möglicher Diskriminierung auf Videochatplattformen zu schützen, gibt es bei Zoom folgende Möglichkeiten:
- Es ist möglich, dass der Zutritt nur angemeldeten Personen gewährt wird. Das heißt, Personen, die versuchen, über eine andere E-Mail-Adresse teilzunehmen als mit der, an die die Einladung verschickt worden ist, wird der Zugang verweigert (vgl. Zoom Support 2022: o. S.)
- Das Meeting kann gesperrt werden. So kann nach Beginn der Veranstaltung niemand mehr den Zoom-Raum betreten.
- Die Bilschirmfreigabe kann nur die Person mit den Hostrechten erteilen. Damit kann verhindert werden, dass (anonym) problematische Inhalte gezeigt werden.
- Der Host, kann Teilnehmerinnen aus dem Meeting entfernen, wenn diese massiv stören, andere Teilnehmerinnen diskriminieren oder Ähnliches.
- Der Host kann Teilnehmerinnen stumm schalten, wenn diese sich ggf. problematisch äußern.
- Privatchats können vom Host deaktiviert werden.
- Meetingfunktionen, wie z. B. Bildschirmfreigabe, Breakout-Räume und ähnliches können gleichzeitig gestoppt und unterbrochen werden, wenn es z. B. zu Störungen durch Teilnehmerinnen kommt.
- Teilnehmerinnen können an das von Zoom angebotene „Trust & Savety Team" gemeldet werden. Diese prüfen, ob die Plattform missbraucht wurde, und ergreifen entsprechende Maßnahmen (vgl. Zoom Blog 2021: o. S.). Wie diese Maßnahmen aussehen, wird nicht näher auf der Webseite von Zoom beschrieben. Es handelt sich hier jedoch um eine gute Möglichkeit, den Machtmissbrauch durch einen Host zu melden, da die Teilnehmenden während des Meetings nur wenige Möglichkeiten haben, sich gegen einen übergriffigen Host zur Wehr zu setzen - außer, indem sie das Meeting vorzeitig verlassen.
- Teilnehmerinnen können bei der Emoji-Reaktionsfunktion aus verschiedenen Hauttönen auswählen.
Viele der aufgelisteten Funktionen gilt es kritisch zu hinterfragen, bevor man sie anwendet und sie sollten nur in wirklichen Ausnahmefällen genutzt werden. Ferner ist anzumerken, dass die Rolle des Host mit einer großen Verantwortung einhergeht und nicht zu Machtmissbrauch führen darf!
Unabhängig davon, ob ein Bildungsangebot, ein Meeting einer Firma oder ein privates Treffen auf einer Videochatplattform abgehalten werden soll, lohnt es sich, die jeweilige Plattform auf mögliche Barrieren hin zu überprüfen. Einige der wichtigen Kriterien wären z. B., ob die Plattform screenreader-kompatibel5ist, wie die Bedienoberfläche sich gestaltet oder auch, wie die Kommunikationsfunktionen gestaltet sind. So hat die Bundesfachstelle Barrierefreiheit ein Dokument erstellt, in dem die gängigsten Videochatplattformen in Hinblick auf das Kriterium Barrierefreiheit untersucht wurden.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8. Beispiel für die Screenreaderfunktion auf den gängigsten Videochatplattformen. (Bundesfachstelle-Barrierefreiheit 2022)
So sagen Bohenkamp et al., „dass Barrierefreiheit aus der Perspektive einer Heterogenität an sensorisch-körperlichen Variabilitäten reflektiert werden muss" (Bohnenkamp. et al.2020: S. 4). Das bedeutet, dass Barrierefreiheit aus der Perspektive der Heterogenität, d. h. der Unterschiedlichkeit von Menschen, insbesondere auf sensorische und körperliche Unterschiede betrachtet werden sollte.
Gleichwohl kann es immer wieder zu Ausschlüssen kommen, wenn Bildungsangebote - unabhängig von den Institutionen - in den digitalen Raum verlegt werden. Das liegt nicht zuletzt an dem bisherigen Status der Infrastruktur, der an vielen Stellen noch mangelhaft ist. Das hat sich vor allem im Zuge der Corona-Pandemie gezeigt, als innerhalb kürzester Zeit nahezu der gesamte Bildungsbereich in den digitalen Raum verlagert werden musste (vgl. Bohenkamp 2020 et. al.: S. 6). Die zentrale Frage, wie eine funktionierende Infrastruktur für den Bildungsbereich aussehen kann, blieb dabei in der Vergangenheit weitestgehend auf der Strecke. Nach Bohnenkamp et. al betrifft diese Frage „die Reichweiten, Gestaltungsprinzipien, Mitgestaltungsmöglichkeiten und Verantwortlichkeiten von und für die in Frage stehenden Infrastrukturen" (ebd.).
Neben der Plattformarchitektur muss auch die digitale Infrastruktur unter heterogenen Gesichtspunkten aufgestellt werden. Wie kann die Online-Lehre gestaltet werden, damit sie für möglichst alle Beteiligten zugänglich ist und unter diskriminierungssensiblen Parametern verläuft? Das Erschaffen einer Infrastrukturfür alle Personengruppen ist ein erster Schritt, um Ausschlüsse zu reduzieren und Partizipation zu gewährleisten. (vgl. ebd.: S. 7).
Leitlinien für ein Online-Bildungsangebot auf der Videochatplattform Zoom
Das folgende Kapitel enthält einen praktischen Leitfaden, der auf Grundlage der oben geführten theoretischen Analysen von Chancen und Risiken von Videochats in Hinblick auf diskriminierungsarme Räume für Bildungsveranstaltungen entwickelt wurde. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll dieser Teil auch separat in sich geschlossen von interessierten Fachkräften rezipiert werden können, daher ist die Ansprache im Verlauf etwas weniger sachlich als im vorangegangenen Theoriekapitel.
Liebe Fachkräfte, liebe Lehrerinnen, liebe Gastgebende, Sie haben vor, mit Ihren Schülerinnen oder mit Jugendlichen ein Online-Bildungsangebot durchzuführen? Sie haben Zoom schon als Teilnehmerin kennengelernt, finden die Plattform interessant, kennen aber noch nicht alle Möglichkeiten, Chancen aber eventuell auch Risiken, welche diese Plattform bietet? Sie wollen, im Sinne einer guten Gastgeberin oder eines guten Gastgebers, dass sich junge Menschen auch in Ihrem digitalen bzw. hybriden Raum wohlfühlen, etwas lernen, Barrieren reduziert werden und niemand diskriminiert wird? Dann lade ich Sie herzlich ein, diesem Leitfaden zu folgen. Sehen Sie es mir nach, wenn ich dem einen oder anderen Hinweis eventuell nicht detailliert verfolgen kann, die Entwicklungen bei Zoom gehen so schnell voran, dass sich die Funktionen immer mehr erweitern. Und das ist auch schon mein erster Tipp an Sie: Werfen Sie regelmäßig einen Blick auf die Webseite von Zoom (vgl. Zoom Support 2022: o. S.). Viele Ihrer möglichen Fragen werden dort beantwortet. Bei individuellen Fragen können Sie sich auch direkt an das Zoom-Support-Team wenden und bekommen hier schnell eine Antwort. Schaffen Sie gute Rahmenbedingungen, in denen sich die Teilnehmerinne wohl fühlen. Vor allem eine gute Vorbereitung kann zum Gelingen eines Online-Bildungsangebots beitragen. Sie sind wahrscheinlich der Host dieser Veranstaltung. Aus dem Englischen übersetzt, ist der oder die Hostperson der Gastgeber oder die Gastgeberin. Ich möchte Sie einladen: Seien Sie eine gute Gastgeberin oder ein guter Gastgeber. Bei Ihnen liegt die Verantwortung, einen Raum zu schaffen, der die Grundlage für einen diskriminierungssensiblen Umgang miteinander schaffen kann. Aus einer machtkritischen Perspektive haben Sie, aufgrund der zur Verfügung stehenden Funktionen, welche Zoom bietet, sehr viele Möglichkeiten. Nutzen Sie diese sinnvoll. Schauen Sie sich die einzelnen Einstellungen an. Hinterfragen Sie die jeweiligen Einstellungsaktivierungen und überlegen Sie, ob diese für Sie nützlich sein können und trotzdem der Schutz der Teilnehmerinnen gewährleistet ist. Sie finden diese unter „Einstellungen" in ihrem Zoomaccount.
Bevor es losgeht und Sie ihre Einladungen zum Online-Meeting verschicken, ist es sinnvoll sich mit den Bedarfen ihrer Teilnehmerinnen zu beschäftigen. Kennen Sie die Personen, welche zu ihrem Online-Bildungsangebot kommen? Ist es Ihre Schulklasse oder ein Workshop zu einem bestimmten Thema, bei dem die Teilnehmerinnen Ihnen noch unbekannt sind? Das Bildungsangebot sollte sich immer an den Bedarfen der Teil- nehmer*innen orientieren (vgl. Niendorf 2019: S62 ff). Hilfreich ist es, schon im Vorfeld die Bedarfe der Teilnehmerinnen abzufragen (vgl. ebd.). Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was mit Bedarfen gemeint ist ? Es könnte sein, dass Sie Teilnehmerinnen dabeihaben, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und für die es hilfreich sein könnte, dass sie Untertitel mitlesen können, oder dass Menschen mit einer Sehbehinderung teilnehmen, dafür sollte eine Plattform gewählt werden, die Screenreader-kompatibel ist, was auf Zoom bspw. nicht zutrifft.
Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit hat einen tabellarischen Vergleich über die Barrierefreiheit von Videochatplattformen erstellt (05/2022). Diese Übersicht möchte ich Ihnen an dieser Stelle kurz vorstellen.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9. Tabelle über die Screenreader - Kompatibilität von verschiedenen Videochatplattformen. (Bundesfachstelle Barrierefreiheit 2022: o. S)
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10. Tabelle über die Bedienoberfläche von verschiedenen Videochatplattformen (ebd.).
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11. Tabelle über die Kommunikationsfunktion von verschiedenen Videochatplattformen. (Bundesfachstelle Barrierefreiheit 2022: o. S.)
Bei der Klärung der Bedarfe ist es neben den oben genannten Funktionen wichtig zu wissen, ob die Teilnehmerinnen mit dem Smartphone, einem Tablet oder Laptop teilnehmen, denn nicht alle, der in den Tabellen angegebenen technischen Tools funktionieren über die mobilen Endgeräte. Hier ist es auch wieder die Bundesfachstelle Barrierefreiheit die dazu sachdienliche Hinweise gibt. Diese finden Sie auf der Webseite der Bundesfachstelle (vgl. Bundesfachstelle 2023).
Damit Sie die Funktionen, welche Zoom Ihnen bietet, in vollem Umfang nutzen können, ist es sinnvoll, sich einen Pro- oder Business-Account anzulegen. Sollten Sie für eine Institution oder Firma arbeiten und das Bildungsangebot über die Institution oder Firma angeboten werden, lohnt es sich nachzufragen, ob bereits ein Zoomaccount existiert, welchen Sie nutzen können. Bei Zoom ist es möglich, mehrere Veranstaltungen in Zoomräumen parallel stattfinden zu lassen. Erkundigen Sie sich darüber hinaus vorher, welche Zoom-Version Sie installiert haben. Nicht alle Funktionen, welche Zoom bietet, sind für alle Versionen verfügbar. Dieser Leitfaden wurde bspw. mit der Zoom-Version 5.13.11 erstellt. Auf den Webseiten von Zoom schreiben die Herstellerinnen, welche Version Sie brauchen, um entsprechende Funktionen nutzen zu können (vgl. Zoom Support 2022: o. S.).
Wenn Sie die Vorbereitungen abgeschlossen haben und sich zum einen genau über Ihre Zeilgruppe und deren Bedürfnisse als auch über Ihre eigenen technischen Voraussetzungen informiert haben, kommen wir zu den nächsten Schritten. Sie haben sich mit den Bedarfen der Teilnehmerinnen beschäftigt und möchten nun Ihr Online-Bildungsangebot vorbereiten. Gehen Sie dafür auf die Webseite von Zoom und melden Sie sich an. Wenn sich das Zoomfenster öffnet, wird Ihnen auf der rechten Seite „ein Meeting" angezeigt. Klicken Sie dort drauf und im nächsten Schritt auf „ein Meeting planen" (Zoom Support 2022: o. J.). Folgendes Fenster öffnet sich dann bei Ihnen:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Erstellen eines Meetings. (Zoom Support 2022: o. S.)
Diese Abbildung zeigt das erste Fenster, das in der Desktop erscheint, wenn Sie eine Veranstaltung planen.Sie haben an dieser Stelle die Möglichkeit, das Thema zu benennen und auch eine kurze Beschreibung hinzufügen. Bei einer Bildungsveranstaltung könnte bspw. der Titel der Veranstaltung eingetragen werden. Das Datum der Veranstaltung kann eingegeben werden sowie, ob die Veranstaltung mehrfach stattfindet. Diese Funktion ist sinnvoll, wenn sich die Veranstaltung über mehrere Tage erstreckt oder regelmäßig wiederholt stattfindet, denn so kann immer der gleiche Einladungslink verwendet werden.
Im nächsten Schritt können Sie darüber entscheiden, ob die Teilnehmerinnen entweder durch den Kenncode das Bildungsangebot (den Hauptzoomraum) betreten oder durch die Funktion des Warteraums Zugang erhalten. Der Kenncode, der die Funktion eines Passwortes hat, muss den Teilnehmerinnen vor dem Meeting zur Verfügung stehen, um sich in den Zoomraum einzuwählen. Er bietet den Vorteil, dass Teilnehmerinnen eigenständig den Raum betreten können, aber Unbefugte, die randomisiert Meetingnummern testen, um hier zu stören, keinen Zutritt haben. Bei der Warteraum-Funktion öffnet sich bei Einwahl ins Meeting nicht sofort der eigentliche Hauptraum, sondern die Teilnehmenden warten in einer Art Vorraum, in dem es noch keine Möglichkeit zum Anschalten der Kamera oder des Mikrofons gibt und die Anwesenden sich auch noch nicht untereinander sehen können. Lediglich ein Techniktest ist hier möglich sowie ein Textchat, über den der Host den Wartenden eine Nachricht übermitteln kann.. Sowohl durch ein akustisches als auch durch ein visuelles Signal wird Ihnen angezeigt, wann eine oder ein Teilnehmerin den Warteraum betritt. Wenn Sie die Teilnehmerinnen vorher nicht kennen, lohnt sich eine Teilnehmerinnenliste, um einen Überblick zu haben, wer an dem Angebot teilnimmt. Es empfiehlt sich, die Teilnehmenden im Vorfeld an die Veranstaltung zu bitten, sich im Meeting mit dem gleichen Namen anzumelden, mit dem sie sich auch für die Veranstaltung angemeldet haben, damit ein Listenabgleich möglich ist.
Die Wartezimmerfunktion bietet Ihnen gleichzeitig die Möglichkeit, nicht geladene Gäste erst gar nicht einzutreten zu lassen. Aus meiner Perspektive bedarf es einer individuellen Entscheidung, ob das Wartezimmer vorgeschaltet ist oder nicht. Sollte es sich bspw. um eine Online-Unterrichtsstunde handeln, kann es durchaus Sinn ergeben, die Schülerinnen schon vorher in den Raum eintreten zulassen. So bieten Sie ihnen die erste Möglichkeit eines informellen Austausches.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 13. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Erstellen eines Wartezimmers. (Zoom Support 2022: o.J:)
Eine weitere wichtige Einstellungsmöglichkeit sind die Videoeinstellungen, bei denen Sie im Vorfeld darüber entscheiden können, ob die Teilnehmerinnen bei Eintritt ihre Videokamera und das Mikrofon angeschaltet haben.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 14. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Videoeinstellung. (ebd.)
Hier möchte ich anmerken, dass Sie sich über ihre Verantwortung, welche Sie als Host innehaben, bewusst sein sollten. Ein automatisch angeschaltetes Video kann bei Teilnehmerinnen, welche vielleicht das erste Mal in einem Zoomraum sind, zu unangenehmen Situationen führen. Weisen Sie Ihre Teilnehmerinnen auf die Möglichkeit hin, sich entweder z. B. vor einem neutralen Hintergrund zu platzieren, um zu vermeiden, dass den anderen Teilnehmerinnen unbewusst Einblick in möglicherweise private Räume gewährt wird. Damit Teilnehmerinnen sich darüber bewusst sind, lohnt es sich, in der Einladung solche Informationen zu erwähnen. Bei den Audioeinstellungen empfiehlt es sich, die Einstellung so zu wählen, dass Teilnehmerinnen die Möglichkeit haben, sich entweder über den Computer oder das Telefon einzuwählen. Die Teilnahme über das Telefon ist insofern möglich, als dass die Teilnehmerinnen die Telefonnummer wählen, welche beim Erstellen des Einladungslink generiert wird. Diese Funktion kann hilfreich sein, wenn es z. B. eine schlechte Internetverbindung gibt. In diesem Fall ist zumindest eine telefonische Teilnahme ohne Videoübertragung möglich.
Bei den Voreinstellungen empfiehlt es sich, dass zu Beginn alle Teilnehmerinnen automatisch stumm geschaltet sind. So kann eine Störung durch Nebengeräusche oder auch Gespräche, die im physischen Raum eines oder einer Teilnehmerin stattfinden, verhindert werden. Wenn Sie die Veranstaltung oder auch die Schulstunde zu zweit planen, gibt es entweder die Möglichkeit, schon im Vorfeld die Person als llternativen Host zu benennen oder während der Veranstaltung zum Co-Host zu machen. Der alternative Host hat Zugriff auf nahezu die gleichen Funktionen wie der Host. Ein Überblick über die verschiedenen Rollen wird Ihnen auf der Zoom-Support-Website aufgezeigt (Zoom Support 2022.: o. J.).
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 15. Erstellter Screenshot der Zoomwebseite. Optionsfunktionen über die Verwaltung der Teilnehmerinnen.
Nachdem diese Voreinstellungen getroffen worden sind, generiert das Programm einen Link, der an die Teilnehmerinnen über die verschiedenen Wege, wie z. B.B. E-Mail verschickt werden kann.
Kommen wir nun zur Einladung. Nachdem Sie sich ausführlich mit der Webseite von Zoom beschäftigt haben und die Voreinstellungen nach Ihren Bedürfnissen bzw. denen Ihrer konkreten Zielgruppe ausgewählt haben, sollen nun ihre Gäste eingeladen werden. Im Sinne eines guten Gastgebers oder einer guten Gastgeberin ist es zu empfehlen, neben dem Link für den Zoomraum, ein Tutorial, einen Programmplan mit ungefähren Zeitangaben und einen kurzen Einladungstext zu verschicken. Natürlich brauchen Sie keinen Programmplan für eine Schulstunde. Ist es jedoch für Sie wichtig, dass die Schülerinnen im Vorfeld Informationen erhalten, welches später für die Schulstunde relevant sind, dann haben Sie mit der Einladung die Möglichkeit, dies zu kommunizieren.
Außerhalb von schulischen Veranstaltungen und im Sinne einer diskriminierungsbewussten Perspektive sollte geplant werden, wie und wo über die Veranstaltung informiert wird. Sie sollten sich fragen: Wen möchte ich einladen und wer soll erreicht werden? Je nach Zielgruppe würden sich hierfür möglicherweise auch Social-media-Kanäle anbieten (Quelle). Außerhalb von schulischen Veranstaltungen kann es sinnvoll sein, dass Sie sich entweder selbst als Kontaktperson angeben oder eine weitere Person, welche in den Prozess der Veranstaltung und über alle Vorgänge informiert ist. Dies kann nützlich sein, falls es schon vor der Veranstaltung zu Rückfragen kommt.
Der nächste Schritt ist das Tutorial. Ein Tutorial kann für die Teilnehmerinnen eine hohe Relevanz haben, welche bisher wenig, bis gar keine Erfahrungen mit Videochatplattformen gemacht haben. Auch hier gilt wieder, dass Sie sich über ihre Adressat*in- nen-Gruppe bewusst werden sollten. Handelt es sich bei den jungen Menschen um Minderjährige/ Kinder, sind es Menschen mit eingeschränkten kognitiven und/oder körperlichen Fähigkeiten, sollte darauf explizit schon im Tutorial reagiert werden. Das kann z. B. bedeuten, dass Sie das Tutorial in einfacher Sprache schreiben oder es an ein kurzes Erklär-Video koppeln, das sie bspw. auf der Zoom-Support-Seite oder auf gängigen Videoportalen wie YouTube oder Vimeo finden können (Zoom Support 2022: o.S.). Ein Tutorial dient dazu, die Teilnehmerinnen schon im Vorfeld über die wichtigsten Funktionen und Möglichkeiten zu informieren. Darüber hinaus werden die ersten Schritte erklärt.
Im ersten Schritt Ihres Tutorials können Sie die Teilnehmerinnen darüber informieren, dass sie sich nicht zwangsläufig die Zoom-Applikation auf ihr Endgerätladen müssen, da das Programm sich auch über den Browser öffnen lässt. Sollten die Teilnehmerinnen jedoch über ein Smartphone teilnehmen wollen, ist das Herunterladen der „Zoom Cloud Meeting App" obligatorisch. Sie können an dieser Stelle den Hinweis geben, dass nicht alle Funktionen in der mobilen Version enthalten sind. Ich werde mich in meinen Beschreibungen auf die Funktionen konzentrieren, welche möglich sind, wenn man Zoom über die Desk-top App benutzt. Weitere Informationen, wie Zoom über das Smartphone funktioniert, finden Sie auf der Webiste des Unternehmens (Zoom Support 2022: o. S.).
Sie können in Ihrem Tutorial auch erklären, dass es ratsam ist, dass die Teilnehmerinnen ihre Mikrofone stumm schalten, sobald sie den Raum betreten bzw. wann immer sie selbst nicht Sprecherin sind. Darüber hinaus wird die Nutzung eines Headsets empfohlen, um mögliche Störgeräusche während der Veranstaltung zu vermeiden. Ferner sollte die Funktion der Kamera, Teil desTutorials sein. Sie sollten die Teilnehmerinnen darüber aufklären und sensibilisieren, dass der private Raum zu sehen ist. Um dem Vorzubeugen kann man den Teilnehmerinnen die Möglichkeit des Videofilters erklären. Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass der Videofilter erst beim Betreten des Zoomraums angeschaltet werden kann. Wenn die Teilnehmerinnen jedoch ihre Kamera beim Eintritt ausgeschaltet haben, können sie zuerst den Videofilter auswählen und dann ihre Kamera anschalten. Teilnehmende, die häufig Zoom nutzen, können bei den Video- und Audioeinstellungen auch ein Häkchen setzen, dass es ermöglicht, dass die Einstellungen für alle zukünftigen Meetings übernommen werden. In diesem Falle wäre der voreingestellte virtuelle Hintergrund oder Videofarbfilter automatisch eingerichtet noch bevor das eigentliche Meetings startet.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 16. Screenshot von Zoom. Erklärung wo der Videofilter bzw. virtueller Hintergrund zu finden ist.
In Ihrem Tutorial sollten Sie darüber informieren, dass die Teilnehmerinnen, sich mit dem Namen anmelden sollen, mit dem sie angesprochen werden möchten. Das muss nicht der Name sein, welcher im Pass steht, sollte aber der gleiche Name sein, mit dem sich die Person zur Veranstaltung angemeldet hat.
Sollten Teilnehmerinnen schon vorher eine Zoomveranstaltung besucht haben, wird der Name gespeichert, der dort zuletzt benutzt wurde. Auch diese Information sollten Sie transparent machen. Stellen Sie sich vor, es gibt eine Schülerin, die vorher bei einem interaktiven Zoomtheaterstück war, wo es gefordert wurde, dass alle sich umbenennen und diese Schülerin heißt nun immer noch „kleine Schnecke". Das wäre vor allem für die Schülerin eine unangenehme Situation. Deshalb sollte der Name trotz vorhergehender Speicherung geändert werden.
Bevor wir uns nun gleich in den Zoomraum begeben, können Sie Ihre Teilnehmerinnen noch auf die Pronomen-Funktion aufmerksam machen. Teilnehmerinnen, welche einen Zoomaccount haben, haben die Möglichkeit, ihrem Benutzerinnenprofil ein Pronomen hinzuzufügen, mit dem sie während des Meetings angesprochen werden möchten. Sie können einstellen, ob sie entweder bei jedem Meeting ihr Pronomen freigeben wollen oder sie jedes Mal beim Eintritt in einen Zoomraum gefragt werden, ob das gewünschte Pronomen automatisch erscheinen soll. Betonen Sie an dieser Stelle die Freiwilligkeit der Nutzung dieser Funktion, denn Teilnehmerinnen dazu zu verpflichten ein Pronomen anzugeben, kann zu einem Zwangsouting führen (vgl. Cobbinah 2019: S 72).
Ferner sollten Sie ihre Teilnehmerinnen schon im Vorfeld darüber informieren, ob die Veranstaltung aufgenommen wird und wenn ja, zu welchem Zweck. Wenn sie die Videoaufzeichnung beginnen, werden die Teilnehmerinnen nochmals um ihr Einverständnis für die Aufnahme gebeten. Nichts desto trotz sollten sie zu Beginn der Aufzeichnung transparent machen, dass die Veranstaltung aufgezeichnet wird und was mit dem Material später passiert.
Ich habe für Sie einen Überblick erstellt, mit den wichtigsten Punkten:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Als allerletzten Punkt bitten Sie die Teilnehmerinnen, soweit sie es einrichten können, schon 15 Minuten vor Beginn der Veranstaltung da zu sein, um genug Zeit für die technische Einrichtung zu haben und Fragen zur Veranstaltung klären zu können.
Nach diesen Vorbereitungen kommen wir nun zu wichtigen Aspekten, die es während des Meetings im Zoomraum zu berücksichtigen gilt: Wenn es sich um eine einmalige Veranstaltung handelt oder wenn die Schulstunde das erste mal über Zoom stattfindet, dann seien Sie die erste Person im Zoomraum. Denn auch die eigene Vorbereitung trägt zum Gelingen einer guten Schulstunde, eines guten Workshop oder einer erfolgreichen Veranstaltung bei. Sie haben so die Möglichkeit, die einzelnen Funktionen, welche Ihnen im Zoomraum begegnen und auf die ich noch eingehen werde, zu testen. Besonders bei einmaligen Veranstaltungen oder bei Veranstaltungen, welche das erste Mal stattfinden, kann es zu technischen Herausforderungen für Sie, aber vor allem auch für die Teilnehmerinnen kommen. Wenn Sie es möglich machen können, holen Sie sich eine zweite Person dazu, welche für die technische Unterstützung da ist, sowohl vor als auch während der Veranstaltung. Sie werden das für eine Schulstunde vielleicht nichtgewährleisten können, umso wichtiger ist die eigene Vorbereitung. Wenn Sie eine zweite Person zur Verfügung haben, welche für die technische Unterstützung da ist, so können Sie diese Person bitten, während der gesamten Dauer der Veranstaltung anwesend zu sein. Diese Person kann, anstatt des Namens, eine Telefonnummer angeben und die Kamera ausgeschaltet haben. Die Teilnehmerinnen haben damit die Möglichkeit diese Person anzurufen, wenn sich technische Probleme ergeben. Zur Veranschaulichung folgt ein
Bild, wie eine Technikperson, die ihre Telefonnummer statt des Namens angegeben hat, im Zoommeeting erscheint:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 17. Screenshot vom Zoomraum. Eingeblendete Telefonnummer.
Je nach Inhalt der Veranstaltung oder der Schulstunde, kann die Funktion der BreakoutRäume nützlich für Sie sein. Durch die Funktion der Breakout-Räume können Sie den Hauptraum in mehrere Räume aufteilen. In der unteren Leiste des Zoom-Raums erscheint das Breakout-Raumsymbol:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 18. Screenshot vom Zoomraum. Symbol für die Breakout-Räume.
Es kann nützlich sein, wenn Sie die Breakout-Sessions schon vor Beginn der Veranstaltung erstellen. Breakout-Rräume eignen sich gut für Kleingruppenaktivitäten wie z. B. für das Durchführen von Gruppenaufgaben. Sie können die Breakout-Räume umbenennen und z. B. jedem Raum einen anderen Namen geben, welcher passend ist zum Thema ihrer Veranstaltung, ihres Workshops oder ihrer Schulstunde. Sie können einen auch Breakout-Raum als Pausenraum bezeichnen. Der Pausenraum kann auch für Teilnehmerinnen nützlich sein, die sich physisch oder psychisch nicht wohl fühlen. Den Teilnehmerinnen sollte die Möglichkeit gegeben werden, jederzeit den Pausenraum zu betreten. Das könnte vor allem relevant sein, wenn sie inhaltlich zu einem diskriminierungssensiblen Thema arbeiten. Sollten Sie zu zweit oder zu mehreren sein, dann können Sie überlegen, ob eine Person durchgängig in einem der Breakout-Räume ist, um Ansprechpartnerin für die Teilnehmerinnen zu sein.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 19. Screenshot vom Zoomraum, zeigt die verschiedenen Breakout-Räume.
Dass die Teilnehmerinnen selbst einen Breakout-Raum auswählen, ist nur ab der Zoomversion 5.3.0 möglich (Zoom Support 2022: o.S.). Wenn Sie im Vorfeld schon wissen, dass einige Ihrer Teilnehmerinnen auf die Untertitelfunktion angewiesen sind, sollten sie diese Funktion einstellen, noch bevor die Veranstaltung oder das Meeting startet. Folgende Schritte müssen Sie dafür tun.
1. Sie melden sich mit Ihren Zugangsdaten bei Zoom an und sind dann in ihren Account im Webbrowser.
2. Sie gehen auf Einstellungen. Dort müssen Sie die Funktion „automatische Untertitel" aktivieren wählen:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 20. Screenshot der Zoomwebseite. Funktion automatische Untertitel aktivieren.
3. Sie gehen dann in ihren Zoomraum zurück und hier auf die untere Leiste „Untertitel". Dort müssen Sie die Funktion „manuelle Untertitel inaktiv" wählen.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 21. Screenshot vom Zoomraum. Manuelle Untertitel deaktivieren.
4. Klicken dann wieder auf „Untertitel einblenden". Das folgende Fenster öffnet sich:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 22. Screenshot vom Zoomraum. Auswahlmöglichkeiten der Sprachen.
Hier haben Sie die Möglichkeit, aus verschiedenen Sprachen auszuwählen. Sollten Sie z. B. auf Englisch sprechen, werden die Untertitel in Englisch angezeigt. Folgendermaßen werden Ihnen dann die Untertitel angezeigt:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 26. Screenshot vom Zoomraum. Funktion der Darstellung von Untertiteln.
5. Möchten Sie keine Untertitel mehr angezeigt bekommen, klicken Sie auf „Untertitel ausblenden".
Wenn Sie Ihren Raum soweit eingerichtet haben, machen Sie auch einen Mikrofon- und Kameratest und benutzen Sie am besten ein Headset, um Störgeräusche zu vermeiden. Überlegen Sie sich, was von ihrem Hintergrund zu sehen sein soll oder passt vielleicht thematisch ein virtueller Hintergrund? Denken Sie daran, auch Ihr Hintergrund kann etwas erzählen. Wieviel Einblick wollen Sie gewähren in ihre privaten Räume?
Wenn Sie die Veranstaltung zu zweit oder mehreren leiten, dann erteilen Sie der anderen Person Co-Host-Reche. Er oder sie hat nicht die Möglichkeit die Untertitel zu aktivieren und sie haben auch nicht die Möglichkeit eine*n andere*n Teilnehmerin den Warteraum zu schicken. Diese Möglichkeiten sind nur für den Host vorgesehen (vgl. Zoom Support 2022: o. S.) Folgendes müssen Sie tun, wenn Sie jemanden zum Co-Host machen wollen:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 23. Screenshot von der Zoomwebseite. Möglichkeiten für den Co-Host. (Zoom Support 2022: o. S.)
Nun ist es Zeit für Ihre Gäste. Ich hatte erwähnt, dass es sinnvoll sein kann, die Veranstaltung, die Schulstunde oder auch den Workshop schon 15 Minuten vor dem offiziellen Beginn zu starten. So ermöglichen Sie sowohl ihren Teilnehmerinnen als auch sich selbst einen sanften Einstieg. Vor allem für Teilnehmerinnen, die das erste Mal auf der Videochat-Plattform sind, kann das von Relevanz sein. Im ersten Schritt können Sie mit Ihren Teilnehmerinnen eine technische Einführung machen. Fangen Sie am besten mit der unteren Symbolleiste an:
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 24. Screenshot der unteren Symbolleiste vom Zoomraum.
Machen Sie mit den Teilnehmerinnen einen Mikrofontest. Lassen Sie alle Teilnehmerinnen einmal das Mikrofon austesten. Das Hören der eigenen Stimme kann Hemmungen abbauen und kann dazu beitragen, dassTeilnehmerinnen auch später weniger Ängste haben, sich verbal zu äußern (vgl. Cobbinah 2019: S 72).
Nach dem Mikrofontest erfolgt der Kameratest. Sie können vorschlagen, dass alle Teilnehmerinnen einmal die Kamera anschalten. Sie können transparent machen, warum Sie wollen, dass alleTeilnehmerinnen die Kamera einmal anmachen. Das kann z. B. dazu dienen, dass sich die Teilnehmerinnen auch untereinander einmal gesehen haben und ein erstes Kennenlernen leichter fällt. Wenn es sich anbietet, probieren Sie mit den Teilnehmerinnen die Funktion des virtuellen Hintergrund aus. Wenn Sie möchten, dass die Teilnehmerinnen, vielleicht aus didaktischen Gründen, während der gesamten Zeit die Kamera anhaben, besprechen Sie das mit der Gruppe. Vielleicht finden sich Kompromisslösungen. Haben Sie keine Sorge, dass ihre Teilnehmerinnen Ihnen nicht mehr folgen, wenn die Kamera ausgeschaltet ist. Es kann sehr unterschiedliche Gründe dafür geben, warum Teilnehmerinnen zeitweise ihre Kamera ausgeschaltet lassen.
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Abbildung 25. Screenshot vom Zoomraum. Anzeige der Videoeinstellungen.
Die nächste Funktion, welche Sie schon zu Beginn mit ihren Teilnehmerinnen besprechen sollten, ist die Chatfunktion. Der Textchat bietet viele Möglichkeiten. Er kann dafür nützlich sein, kurze Zwischenfragen zu stellen oder auch um Kommentare zu schreiben. Teilnehmerinnen haben die Möglichkeit, Direktnachrichten an andere Teilnehmerinnen zu schreiben. Das bietet hypothetisch auch die Möglichkeit für einen informellen Austausch. Wenn Sie die Veranstaltung zu zweit planen und durchführen, bitten Sie die zweite Person, den Chat im Auge zu behalten.
Die dritte Funktion ist die Bildschirmfreigabe. Wenn Sie eine Schulstunde über Zoom durchführen, dann können Sie über die Bildschirmfreigabe auch das Whiteboard bedienen, welches im digitalen Raum die Tafel ersetzt. Um die Funktion des Whiteboards nutzen zu können, klicken Sie mit der Maustaste auf „Bildschirmfreigabe". Das folgende Fenster erscheint:
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Abbildung 26. Screenshot vom Zoomraum. Anzeige der Whiteboard Funktion.
Sie müssen im nächsten Schritt das Whiteboard freigeben, damit es für alle sichtbar ist. Führen Sie das Whiteboard ein, nachdem Sie die anderen Funktionen vorgestellt haben und die technische Einführung beendet ist, um Vereinbarungen bzw. Regeln aufzustellen, welche während der gesamten Dauer der Veranstaltung, des Workshops oder der Schulstunde gelten.
Stellen Sie diese Vereinbarungen gemeinsam mit ihrer Gruppe auf. Gruppenvereinbarungen können dazu beitragen, eine „diskriminierungssensible und auf Konsens basierende Lernumgebung für alle" (Cobbinah 2019: S. 73) zu ermöglichen. Die Vereinbarungen können Sie kopieren und zusätzlich noch einmal in den Chat stellen.
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Abbildung 27. Screenshot vom Zoomraum. Whiteboard mit Gruppenvereinbarungen.
Ich möchte Ihnen noch gerne ein paar grundsätzliche Gedanken mitgeben für die Durchführung von Bildungsangeboten: Neben in der Gruppe getroffenen Vereinbarungen gibt es obligatorische Prinzipien, die allen zu Beginn transparent gemacht werden sollten. Zum einen das Prinzip der Vertraulichkeit (vgl. Cobbinah 2019: S 73): Je nach Thema können sensible Dinge angesprochen werden oder Teilnehmerinnen können von persönlichen, vielleicht auch schmerzvollen Erfahrungen erzählen. Hierbei ist es sehr wichtig, dass das, was gesagt wird, auch vertraulich und respektvoll behandelt wird. Es gilt dabei der Grundsatz, dass das Gesagte nicht den Raum verlässt. Neben der Vertraulichkeit, zählt auch die Freiwilligkeit. Teilnehmerinnen sollten zu keiner Zeit gezwungen werden, sich zu äußern. Auch sollte ihnen die Möglichkeit offenstehen, sich bei Übungen oder Methoden zu enthalten, welche verletzend oder retraumatisierend für sie sein könnten. Zusätzlich ist es wichtig, dass Teilnehmerinnen für sich Verantwortung übernehmen. D. h. im konkreten Fall, dass sie sich eingeladen fühlen, ihre Bedarfe äußern zu können. Gleichzeitig gilt es die Grenzen und Bedürfnisse der anderen Teilnehmerinnen zu wahren und zu respektieren. Außerdem gilt es, auf die eigene Sprache zu achten sowie auf den eigenen Redeanteil. Wertschätzung ist ein weiterer sehr wichtiger Bestandteil der Gruppenvereinbarung. Dazu zählt auch, Diskriminierungserfahrungen von Teilnehmerinnen nicht in Frage zu stellen. Insbesondere bei Bildungsangeboten, bei denen es um diskriminierungssensible Inhalte geht, kann es sinnvoll sein die „STOPP-Regel" einzuführen (vgl. ebd.) Sie ermöglicht es den Teilnehmerinnen, eine Diskussion, welche ihre Grenzen überschreitet, einen diskriminierenden Charakter annimmt oder in einer anderen Art und Weise problematisch ist, zu stoppen und zu intervenieren. Als Gastgeberin, welche das Angebot durchführen, sind Sie aufgefordert, Verantwortung für die Situation zu übernehmen. Ziel muss es sein, dass der*die Teilnehmerin, die von der „Stopp-Regel" Gebrauch gemacht hat, nicht in eine exponierte Position gerät oder sich rechtfertigen muss, warum sie die „Stopp-Regel" angewendet hat. Gleichzeitig ermöglicht die „Stopp-Regel" es, diskriminierende Begriffe offen zu legen, um sie dann auch zu dekonstruieren und ihre Wirkungsmacht zu verdeutlichen.
In einem Zoom-Raum ist es vielleicht nicht so einfach möglich, die „Stopp-Regel" durchzuführen, da Teilnehmerinnen gehemmter sein können unaufgefordert etwas zu sagen. Ich möchte Ihnen zeigen, wie das gelingen kann. Gleichzeitig ist das eine weiter Funktion, die Sie einführen können, noch bevor es los geht.
In der unteren Leiste gibt es neben dem Mikrofonsymbol, den Videosymbol noch weitere Symbole. Unter anderem das Reaktionssymbol. Bei Zoom sieht das folgendermaßen aus:
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Abbildung 28. Screenshot vom Zoomraum. Symbolleiste mit Reaktionssymbol.
Anhand der Reaktionsfunktion können Teilnehmerinnen anhand der Emojis, die ihnen zur Verfügung stehen, auf das Gesagte reagieren. Eine Möglichkeit, die Stopp-Regel zu benutzen, wäre das Teilnehmerinnen das „SOS-Emoji" benutzen. Das gewählte Emo- jierscheint links oben im Zoomfenster und ist für alle sichtbar.
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Abbildung 29. Screenshot vom Zoomraum. Mit „SOS-Emoji"
Neben den Emojis lassen sich über den Reaktionsbutton auch Symbole anwählen, die als Feedback für den Host gedacht sind: „ja", „nein", „langsamer", „schneller" und „Pause". Diese mit einem Symbol hinterlegten Feedbacks erscheinen nicht nur im Videobild der Teilnehmenden, sondern auch in der Namensliste, was gerade bei größeren Gruppen-Meetings hilfreich sein kann. Auch das Nein-Symbol in dieser Auswahl könnte als STOPP-Signal eingesetzt werden, da es gegenüber den Emojis auch den Vorteil hat, dass es erst verschwindet, wenn der*die Nutzende es aktiv wieder ausschaltet, während das Emoji nur kurz als spontante Reaktion aufblinkt und dann wieder verschwindet. Darüber hinaus können Teilnehmerinnen zwischen mehreren Hauttönen wählen. Machen Sie Ihre Teilnehmerinnen auf diese Funktion aufmerksam.
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Abbildung 30.. Screenshot vom Zoomraum. Auswahl mehrere Hauttöne.
Über die Reaktionsfunktion können Teilnehmerinnen sich auch melden. Der Hautton der Hand erscheint dann in dem vorher gewählten Ton.
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Abbildung 31.. Screenshot vom Zoomraum. Hand erheben.
Die Hand erscheint bei allen Teilnehmerinnen in der oberen linken Hälfte des Zoomfensters.
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Abbildung 32. Screenshot vom Zoomraum. Hand-symbol.
Darüber hinaus rückt das Fenster des*der Teilnehmerin, welchei sich meldet, in der Galerieansicht nach ganz oben Links. Das macht es für Moderatorinnen oder Moderatoren einfacher den Überblick darüber zu behalten, wer etwas sagen möchte. Mit der Galerieansicht sind wir auch schon bei der nächsten Funktion, welche Zoom bietet. In der Regel haben die Teilnehmerinnen die Auswahl zwischen der Galerie- und der Sprecherinnenansicht. Wenn Sie der Host sind, haben Sie auch noch die Auswahl „Immersiv".
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Abbildung 33. Screenshot vom Zoomraum. Auswahlmöglichkeiten der Ansichten.
In der Regel sehen die meisten Meetings zu Beginn so aus:
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Abbildung 34. Screenshot der Zoomwebseite. Galerieansicht. (Zoom Support 2022: o. S.)
Teilnehmerinnen haben aber auch die Möglichkeit, in die Sprecherinnenansicht zu wechseln. Bei der Sprecherinnenansicht wird den anderen Teilnehmerinnen die Person, die gerade spricht, vergrößert angezeigt. Das könnte nützlich sein, wenn
Teilnehmerinnen Vorträge halten und sie zentraler positioniert werden sollen. Als Host haben Sie die Möglichkeit, ein*e benutzer*innendefinierte Ansichtfestzulegen, d. h., Sie ordnen an, wer wo zu sehen ist. Diese Ansicht ist dann auch für die anderen Teilnehmerinnen genauso sichtbar. Sowohl Sie als auch die Teilnehmerinnen haben die Möglichkeit, andere Teilnehmer „anzuheften". Durch diese Funktion erscheint diese Person dann größer als die anderen Galeriefenster. Darüber hinaus haben Sie die Möglichkeit, der sogenannten Spotlight-Funktion. Mit der Spotlight-Funktion können Sie bis zu neun aktive Sprecherinnen vergrößert darstellen und die anderen Galeriefenster sind nicht mehr sichtbar (Zoom Support: o. J).
Das könnte z. B. nützlich sein, wenn sie eine Art von Podiumsdiskussion durchführen wollen. Die dritte Möglichkeit ist die immersive Ansicht, die folgendermaßen aussehen kann:
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Abbildung 35. Screenshot vom Zoomraum. Immersive Ansicht.
Wenn Sie die Immersive Ansicht wählen, befinden sich auch alle anderen Teilnehmerinnen in dieser Ansicht. Damit können Sie natürlich spielen. Sie können entscheiden, ob es eine immersive Ansicht gibt, die vielleicht auch thematisch zu ihrer Veranstaltung passt. Die nächste Funktion ist die Umfragefunktion. Eine Umfrage könnten Sie als Methode schon am Anfang planen. Sie bietet Ihnen die Möglichkeit, ein erstes Stimmungsbild zu bekommen. Auch am Ende einer Veranstaltung könnten Sie diese Option nutzen, um ein Feedback derTeilnehmerinnen zu bekommen.
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Abbildung 36. Screenshot vom Zoomraum. Erstellen einer Umfrage.
Natürlich können Sie auch diverse externe Anwendungen für eine interaktive Gestaltung Ihrer Veranstaltung in Zoom einbinden, wie Wortwolken, Mentimeter, digitale Lernka- ertren usw. Ich stelle Ihnen hier nochmal eine Übersicht zusammen mit allen wichtigen Punkten, die vor allem zu Beginn eines Meetings relevant sein könnten.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Wie Sie dann Ihre Veranstaltung, Workshop oder auch ihre Schulstunde weitergestalten, hängt natürlich von Ihrem Thema und Ihrer Kreativität ab. Machen Sie im Vorfeld dennoch die Pausenzeiten bzw. das Programm transparent. Bauen Sie vielleicht zu Beginn eine kleine Erwärmung mit ein, Teilnehmerinnen können dabei natürlich immer ihre Kamera ausgeschaltet haben. Seien Sie sich bewusst, dass eine längere Bildschirmzeit auch zu Konzentrationsabbau führen kann, seien Sie daher großzügig mit den Pausenzeiten. Nutzen Sie die Breakout-Räume, diese können dazu beitragen, dass die Teilnehmerinnen sich untereinander kennenlernen, Gruppenaufgaben besser gestaltet werden können und Raum ist für eine positive Beziehungsgestaltung.
Wenn es sich thematisch anbietet, spielen Sie mit den Videofiltern oder auch mit den virtuellen Hintergründen. Beziehen Sie die Teilnehmerinnen immer wieder mit ein. Die Funktionen des Whiteboards, der Emojis und auch die Umfragen sind hilfreiche Tools, die Veranstaltung, den Workshop oder auch die Schulstunde interaktiv zu gestalten.
Ich möchte Sie jetzt noch auf ein paar Gefahren hinweisen. Als Gastgeberin oder Gastgeber haben Sie viele Möglichkeiten. Der Schutz der Teilnehmerinnen sollte an erster Stelle stehen und das Recht der Nichtdiskriminierung gewahrt werden. Wenn Teilnehmerinnen sich für eine Freigabe ihrer Pronomen entschieden haben und ein Pronomen gewählt haben, so sollte das immer berücksichtigt werden und die Person entsprechend angesprochen werden. Das gilt auch für die Teilnehmerinnen untereinander. Wenn Sie eine Person dabeihaben, die wiederholt eine andere Person mit dem falschen Pronomen anspricht, dann versuchen Sie, Lösungen dafür zu finden. Sie können schon in den Vereinbarungen/Regeln, welche Sie zu Beginn mit der Gruppe getroffen haben, darauf hinweisen. Generell können Sie bei Regelverstoß immer auf die am Anfang gestellten Regeln verweisen. Laden Sie auch die Teilnehmerinnen ein, auf Regelverstöße aufmerksam zu machen.
Ich habe bei den Funktionen den Chat erwähnt. Der Chat ist eine tolle Funktion für unmittelbare Rückfragen, aber er kann auch missbräuchlich verwendet werden, indem z. B. diskriminierende Inhalte geteilt werden. Eine Lösung wäre, schon in den Gruppenvereinbarungen zu definieren, wofür der Chat bestimmt ist. Eine weitere Lösung wäre, den Chat schon vor der Veranstaltung zu deaktivieren. Neben diesen erwähnten Funktionen bietet Zoom mittlerweile eine Chat-Ettikete an. D. h., die Administratorin oder der Administrator kann im Zoom-Account Richtlinien festlegen, welche Schlüsselwörter beinhalten. Sobald ein*e Teilnehmerin gegen die vorher festgelegten Richtlinien verstößt, bekommt die Person eine Benachrichtigung, dass die Nachricht entweder blockiert wird (z. B. wenn in der Richtlinie festgehalten wurde, das anstößige Wörter blockiert werden sollen) oder sie bekommt eine Warnmeldung und muss zusätzlich bestätigen, ob diese Nachricht wirklich abgesendet werden soll (das kann z. B. bedeuteten, dass die Richtlinie darauf festgelegt ist, Schlüsselwörter wie Kontonummer oder Sozialversicherungsnummer zu erkennen.) (vgl. Zoom Support 2022: o. S.). Wie diese Richtlinien erstellt werden können, finden Sie hier nähere Informationen zu.
Mit der Frage wie der Raum gestaltet werden und wie miteinander umgegangen werden soll, kann ein Bewusstsein bei Ihren Teilnehmerinnen dafür geschaffen werden, dass sie öffentlich sichtbar sind. Machen Sie Ihre Teilnehmerinnen darauf aufmerksam, dass sie Formen der digitalen Gewalt melden können, wenn sie entweder selbst davon betroffen sind oder andere Teilnehmerinnen.
Ich denke, dass generell darum geht, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, d. h., die Teilnehmerinnen über die verschiedenen Funktionen aufzuklären, Raum zum Ausprobieren zu schaffen, gemeinsame Regeln aufstellen und zu sensibilisieren. Darüber hinaus lade ich Sie ein, auch Ihre Rolle und Ihre Möglichkeiten immer wieder zu hinterfragen, damit geht auch eine pädagogische Haltung einher, welche offen und sensibel sein sollte für die Bedarfe und Bedürfnisse der Teilnehmerinnen.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Durchführung Ihrer Online-Bildungsangebote auf der Videochatplattform Zoom.
Fazit und Ausblick
Ziel dieser Arbeit war es, Leitlinien für Fachkräfte zu erstellen, welche Online-Bildungsangebote mit jungen Menschen auf Zoom durchführen wollen, unter der Fragestellung wie dieses Angebot diskriminierungssensibel gestaltet werden kann.
Dabei sollte auch das Menschenrecht der Nichtdiskriminierung sowie die Schaffung von inklusiven Teilnahmemöglichkeiten von jungen Menschen mit unterschiedlichen Be- darfen, bedacht werden. Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde die Konstitution des digitalen bzw. hybriden Raumes der Videochatplattform Zoom bertrachtet. Es wurde gezeigt, wie sich aufgrund der Konstitution des Raumes, die Kommunikationsgewohnheiten derTeilnehmenden ändert bzw. welche Hierarchie- und Machtverhältnisse dem Programm eingeschrieben und dadurch unterschwellig wirksam sind. Gleichzeitigt wurde verdeutlicht, wie die Plattform anhand ihrer Funktionen und den damit verbundenen Möglichkeiten, auch den gegenteiligen Effekt erzeugen kann. Wie es zur Reduzierung von Machtverhältnissen, der digitalen Gewalt und der Einhaltung des Menschenrechts der Nichtdiskriminierung kommen kann, zeigt sich vor allem in der Gestaltung des digitalen bzw. hybriden Raums. Für Zoom, aber auch andere Videochatplattformen gilt, dass eine Auseinandersetzung mit den gegebenen Funktionen und wie diese wirken, eine hohe Relevanz hat. Unabhängig vom konkreten Format, also der OnlineBildungsveranstaltung, dem beruflichen Teammeeting oder einer kulturellen Veranstaltung benötigt es ein gutes "Onboarding" für die Durchführung von Angeboten auf Videochatplattformen. "Onboarding" meint in diesem Fall, dass es obligatorisch sein sollte, die Teilnehmenden in den Raum der Videochatplattform einzuweisen, ihnen die Funktionen zu erklären sowie die Regeln, welche sie selbst mitbestimmen können. Je klarer die Funktionen und auch die Regeln definiert sind, desto spielerischer kann auch mit der Gestaltung des Raumes umgegangen werden.
Die Analyse hat gezeigt, dass Themenfelder wie digitale Gewalt, Machtausübung oder auch digitale Diskriminierung auf Videochatplattformen bisher noch eine Lücke im wissenschaftlichen Diskurs darstellen. Bei der weiteren Forschung zu diesem Thema wäre relevant, wie auch Fachberatungsstellen der sozialen Arbeit auf diese Form von digitaler Gewalt, welche auf Videochatplattformen passiert kann, reagieren könnte.
Der Einsatz von Zoom für Online-Bildungsangebote bietet die Möglichkeit, die Teilnahme auch für Menschen zu gewährleisten die sich physisch nicht an einem Ort befinden. Dies kann zu einer breiteren Vielfalt an Teilnehmerinnen führen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Hintergründen und Perspektiven, wodurch ein inklusives und diverses Lernumfeld entstehen kann.
Für die zukünftige Forschung wäre es interessant, die erstellten Leitlinien in die Praxis zu implementieren und stetig anzupassen. Dabei ist zu bedenken, dass die Plattformen sich rasant weiterentwickeln und die Angebote dementsprechend angepasst werden müssten. Darüber hinaus wäre eine Analyse von anderen Plattformen wie Spatial. Chat oder Wonder me. Interessant und wie diese im Vergleich zu Zoom den Raum konstituieren.
Ferner gäbe es auch die Möglichkeit, im Rahmen von empirischer Forschung zu ermitteln, welchen positiven Effekt der Einsatz von Zoom für Online-Bildungsangebot auf die Teilnehmenden hat, aber auch an welchen Stellen es noch Nachholbedarf gibt. Relevant wäre hierbei die Gruppe derTeilnehmenden zu spezifizieren, um auf ein größeres Spektrum an Bedarfen reagieren zu können. Darüber hinaus könnte es vom Forschungsinteresse sein, wie sich Schutzkonzepte auch auf den virtuellen Raum, also den VR-Raum lässt, übertragen lässt.
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Breakouträume verwalten 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/206476313-Breakout-R%C3%A4ume-verwalten (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Melden eines Teilnehmers 2022: https://support.zoom.us/hc/de/artic-les/360042791091-Melden-eines-Teilnehmers-wegen-unangemessenen-Verhal- tens (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Meetingreakton 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/115001286183-Non-verbales-Feedback-und-Meetingreaktionen (zuletzt abgeruefen am 20.03.2023)
Meeting Sicherheitsoptionen 2022: https://support.zoom.us/hc/de/artic-les/360041848151-Meeting-Sicherheitsoptionen. (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Planen eines Meeting 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/211579443-Pla- nen-eines-Meetings-mit-Registrierung (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Rollen bei einem Meeting 2022: https://support.zoom.us/hc/de/artic- les/360040324512-Rollen-bei-einem-Meeting (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Spotlight Funktion 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/201362653-Teilneh- mervideos-als-Spotlights (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Stummschaltung Zoom 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/203435537-
Stummschalten-Aufheben-der-Stummschaltung-von-Teilnehmern-in-einem-Mee- ting (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Teilnehmervideos anheften 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/201362743- Teilnehmervideos-anheften (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Untertitel Zoom 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/4403492514829-Unter- titel-Live-Transkription-anzeigen (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Zoom Ettiquette 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/201362653-Teilneh- mervideos-als-Spotlights (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
Videolayout (Sprecheransicht, virtueller Hintergrund) 2022: https://sup-port.zoom.us/hc/de/articles/201362323-Anpassen-lhres-Videolayouts-w%C3%A4hrend-eines-virtuellen-Mee-tings#:~:text=Um%20zur%C3%BCck%20zur%20Ansicht%20des,auf%20Zu%20akti-vem%20Sprecher%20wechseln.
Whiteboardfunktion 2022: https://support.zoom.us/hc/de/articles/205677665-Freige-ben-eines-Whiteboards (zuletzt abgerufen am 20.03.2023)
[...]
1Im AGG wird von Diskriminierungsgründen gesprochen, im Bericht der Antidiskriminierungsstellen des Bundes (2021) von Merkmalen. Ich habe mich für den Begriff Merkmal entschieden.
2„Der hochproblematische Begriff ,Rasse' soll nach einem Vorschlag vom Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz durch die Formulierung ,aus rassistischen Gründen ersetzt werden" (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2016: S 38 ff). Ich werde im weiteren Verlauf die Formulierung aus rassistischen Gründen nutzen.
3Maßgeblich geprägt und die erste, die das Konzept der Intersektionalität entwickelt hat, war die US-amerikanische schwarze feministische Juristin Kimberle Crenshaw im Jahr 1989.
4Ein Screenreader kann die Inhalte verbalisieren oder sie auch in Braille Zeichen wiedergeben.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Ziel dieser Arbeit?
Ziel dieser Arbeit ist es, Leitlinien für Fachkräfte zu erstellen, die Online-Bildungsangebote mit jungen Menschen auf Zoom durchführen wollen, unter der Fragestellung, wie dieses Angebot diskriminierungssensibel gestaltet werden kann.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt Themen wie Digitalisierung, Postdigitalität, Kommunikation im physischen und digitalen Raum, Raum und Körper, Machtverhältnisse auf Videochatplattformen, digitale Gewalt, Diskriminierung und digitale Diskriminierung.
Was bedeutet Digitalität nach Felix Stadler?
Digitalität ist die Klammer, welche die Digitalisierungsprozesse umfasst. Digitalität ist der Möglichkeitsraum, der durch die Digitalisierungsprozesse geschaffen worden ist. Digitalisierung ist der Aufbau einer Infrastruktur und auch das Lernen, diese zu benutzen, Digitalität wiederum ist „das, was die Infrastruktur möglich macht".
Wie definiert Max Weber Macht?
Max Weber definiert Macht als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht".
Was ist digitale Gewalt?
Digitale Gewalt liegt dann vor, wenn digitale Medien missbraucht werden, um einer oder mehreren Personen absichtlich zu schaden. Im Kontext der Gewaltdefinition von Popitz, in der er auch die Drohung als Form von Gewalt definiert, würde das bedeuten, dass digitale Medien dazu genutzt werden, einer einzelnen Person oder einer Gruppe zu drohen.
Wo finde ich die Informationen zur Barrierefreiheit von Videochatplattformen?
Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit bietet tabellarische Vergleiche über die Barrierefreiheit von Videochatplattformen.
Welche Funktionen von Zoom können zur Vermeidung von Diskriminierung genutzt werden?
Der Zutritt kann auf angemeldete Personen beschränkt werden, Meetings können gesperrt werden, die Bildschirmfreigabe kann eingeschränkt werden, Teilnehmer können entfernt oder stummgeschaltet werden, Privatchats können deaktiviert werden und es gibt die Möglichkeit, Teilnehmer an das Trust & Safety Team von Zoom zu melden.
Was sind die wichtigsten Punkte im Tutorial für Teilnehmer*innen?
Es ist ratsam, dass die Teilnehmer*innen ihre Mikrofone stumm schalten, sobald sie den Raum betreten bzw. wann immer sie selbst nicht Sprecher*in sind, die Nutzung eines Headsets wird empfohlen, der private Raum ist zu sehen (Videofilter-Funktion!), die Teilnehmer*innen sollen sich mit dem Namen anmelden, mit dem sie angesprochen werden möchten, es ist wichtig, auf die Pronomen-Funktion aufmerksam zu machen.
Was ist die Stopp-Regel?
Die „STOPP-Regel" ermöglicht es den Teilnehmer*innen, eine Diskussion, welche ihre Grenzen überschreitet, einen diskriminierenden Charakter annimmt oder in einer anderen Art und Weise problematisch ist, zu stoppen und zu intervenieren.
Welche Ansichten bietet Zoom an?
Es gibt die Galerieansicht, Sprecheransicht und als Host hat man noch die Möglichkeit, die immersive Ansicht zu wählen.
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- Henrike Janssen (Author), 2023, Digitale Plattformen und Menschenrechte. Gestaltung von online Bildungsangeboten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1493538