Basis für diese Untersuchung ist Tocquevilles Hauptwerk „Über die Demokratie in Amerika“, Rousseaus „Vom Gesellschaftsvertrag“, sowie zahlreiche, diese beiden Autoren betreffende, Sekundärliteratur, in der die Themen Freiheit, Demokratie und Tyrannei im Mittelpunkt stehen.
Gliederung
1. Einführung in das Thema
2. Direkte Demokratie oder Tyrannei? Rousseau und Tocqueville im Vergleich
2.1. Grundsätzliches Demokratieverständnis Tocquevilles
2.2. Tyrannei der Mehrheit: Tocquevilles implizite Kritik an Rousseau
2.3. Bedingungen und Argumente für Rousseaus Demokratieverständnis
3. Schlussbetrachtung
4. Literaturverzeichnis
1. Einführung in das Thema
Alexis de Tocqueville, geboren 1805, gestorben 1859, war Jurist im französischen Staatsdienst und wurde anlässlich dieses Amtes 1831 beauftragt, das Gefängniswesen der USA zu studieren und davon Bericht zu erstatten. Das Interesse dieses Mannes ging jedoch über das bloße Betrachten dieses einen Teilbereiches des politischen Systems der USA hinaus, sodass er sich schon bald mit dem gesamten staatlichen Konstrukt derer begann zu beschäftigen. Resultat dieser, über seinen eigentlichen Auftrag hinausgehenden, Studien wurde Tocquevilles Hauptwerk „De la démocratie en Amérique“, welches in zwei Bänden 1835, bzw. 1840 erschien. In dieser Abhandlung schreibt Tocqueville über seine Vorstellungen einer idealen Gesellschaft, inwiefern diese Auffassungen im System der USA in dieser Zeit weltweit am weitest reichenden ausgeprägt seien und in welchen Hinsichten noch Bedarf der Verbesserung dessen bestehe. Tocqueville erkennt jedoch bald durch Forschungen und Gespräche mit der Bevölkerung, dass diese guten Ansätze durch noch vorhandene Schwächen der Ordnung beeinträchtig waren. Er bemerkt hierbei nach einiger Zeit, dass die Mehrheit Entscheidungen ohne Rücksichtnahme auf die Minderheit treffen kann und dies nur eine fragwürdig wirklich freie politische Kultur zur Folge habe, in der sich die Mehrheit gesellschaftlich und politisch einflussreicher Personen egoistisch der vorherrschenden Meinung beuge.
Er beschreibt die Erscheinungsformen dieser „Tyrannei der Mehrheit“ und versucht Lösungsansätze zu finden, wie diese absolute Macht der Mehrheit durch politische und gesellschaftliche Institutionalisierung einzudämmen sei. Mehr als 70 Jahre nach dem „Gesellschaftsvertrag“ seines Landsmannes Rousseau, von 1712-1778 lebend, kritisiert Tocqueville implizit die darin enthaltene Forderung Rousseaus nach einer direkten und sehr mächtigen Demokratie, indem er die Gefahren eben dieser am Beispiel der USA verdeutlicht.
Im Folgenden wird das Demokratieverständnis Tocquevilles in seinen Grundzügen dargestellt, indem eine Generalisierung der Charakteristika vorgenommen wird, die er in der US-amerikanischen Verfassung als einer guten Ordnung dienlich ansieht. Weiterhin wird darauf eingegangen, durch welche Argumente das Konzept dieser Demokratie mit einer ernormen Machtfülle nach Rousseaus Vorstellungen von ihm kritisiert wird. Im Gegensatz dazu ist nachfolgend darzustellen, unter welchen Bedingungen und Argumenten Rousseau sein durch Tocqueville kritisiertes Verständnis von Demokratie begründet.
Basis für diese Untersuchung ist Tocquevilles Hauptwerk „Über die Demokratie in Amerika“, Rousseaus „Vom Gesellschaftsvertrag“, sowie zahlreiche, diese beiden Autoren betreffende, Sekundärliteratur, in der die Themen Freiheit, Demokratie und Tyrannei im Mittelpunkt stehen.
2. Direkte Demokratie oder Tyrannei? Rousseau und Tocqueville im Vergleich
2.1. Grundsätzliches Demokratieverständnis Tocquevilles
Die zentrale Erscheinung der damaligen Gesellschaft ist für Tocqueville zweifelsfrei die „Gleichheit der Bedingungen als die wirkende Ursache, aus der jede einzelne Tatsache hervorgeht“ (Tocqueville 1835a, S. 9), welche sich, nicht von jedem bemerkt, in allen Gesellschaftsbereichen durchsetze. Diese göttlich legitimierte Entwicklung sei eine Revolution, die den Interessen der Gesetzgeber widerstrebe, die scheinbar milde Kompromisse, jedoch insgeheim aus Furcht, zugestehen müssen (Vgl. Tocqueville 1835a, S. 10-18). Am Ende dieser Entwicklung sieht Tocqueville im Idealfall eine Gesellschaft, die das Gesetz nicht aus ideellen oder gottgegebenen Gründen liebt, sondern aus der durch Vernunft erkannten, unbedingten Notwendigkeit heraus. Diese freie Vereinigung der Bürger schütze vor Tyrannei und sorge für erhöhten Reichtum und Glück der gesamten Gesellschaft, statt weniger Würdenträger. Von dieser idealen Gesellschaft wäre man jedoch augenblicklich unter anderem weit entfernt, weil die eigentliche Wertbegründung der zunehmenden Gleichheit, die Religion, oft von den adeligen Gegnern der Gleichheit als Legitimierungsbasis missbraucht werde (Vgl. Tocqueville 1835b, S. 59-63) und die negative Kehrseite dieser Entwicklung ein mehr und mehr zurückgedrängter Individualismus sei (Vgl. Boudon 2005, S. 467).
Gleichheit bedeute zudem, dass auch die Machtbündelung auf wenige Autoritäten ein Ende hätte und folglich, dass jeder gleichermaßen schwach ist. Die positive Wirkung sei, dass jeder einzelne in der Gesellschaft, durch diese Schwäche und daraus resultierender Angst sowie Unsicherheit, auf den Frieden der Vereinigung angewiesen ist (Vgl. Tocqueville 1835a, S. 19).
Neben der Gleichheit, welche sich ohnehin durch geschichtliche Prozesse mehr und mehr in der Gesellschaft niederschlage, ist die Freiheit für Tocqueville der zentrale, nur in einer politischen Gemeinschaft herzustellende und zu erhaltende, Wert. Diese Freiheit sei jedoch nicht durch ein völlig restriktives Staatsverständnis, sondern durch gleichmäßige Beschränkung individueller und staatlicher Eigenkompetenzen zu realisieren. In einem solchen Staat müssten Verwaltung und Politik dezentralisiert werden, sowie eine Erziehung der Bürger zur Mündigkeit stattfinden (Vgl. Achtnich 1987, S. 90-97).
Nicht zuletzt aufgrund seiner Nordamerika-Reise ist Tocqueville ein Anhänger einer Verfassung mit demokratischen Grundzügen, deren Vorteile, seiner Ansicht nach, erst über einen längeren Zeitraum hinweg sichtbar werden. Auch wenn demokratische Gesetze in ihrer Umsetzung, am Beispiel der USA, teilweise Mängel aufweisen, seien sie allein wegen der allgemeinen Zielsetzung des Wohls vieler Bürger aristokratischen Ordnungen gegenüber vorzuziehen. Trotz der öfter weniger gebildeten und fähigen, jedoch tugendhaften und begabten Beamten, im Vergleich zu aristokratisch geführten Staaten, sei eine demokratische Regierung dennoch vorteilhafter, denn Fehler und Abweichungen von guten Zielen durch den Regierungs- und Beamtenapparat, die nicht selten auftreten, werden durch das Volk kontrolliert. Diese Form sei einer weitaus kompetenteren Regierung mit Zielsetzungen, die nicht dem mehrheitlichen Willen des Volkes entsprechen, stets vorzuziehen. Ursprung dieser Intervention bei Missständen sei in einer Demokratie Vaterlandsliebe, die stark an den Glauben an gute und vernünftige Gesetze gekoppelt sei. (Vgl. Tocqueville 1835a, S. 345-351)
„No great people is without an idea of rights“ (Tocqueville 1835c, S. 237). Synonym verwendet Tocqueville für den Begriff der Tugend den des Rechts, welcher elementare Bedeutung für den Zusammenhalt eines Volkes besäße, wie in den USA, wo damals uneingeschränkt jeder Bürger, im Gegensatz zu Europa, die gleichen Rechte besitzt. Da jegliche, speziell die religiösen, Werte verschwänden, seien die staatlichen Rechte die entscheidende rettende Institution, die vor Verfall retten (Vgl. Tocqueville 1835a, S. 355ff.). Jedoch sind lang bestehende Werte und Gesetze, gerade nicht zwingend rechtlicher Art, in Tocquevilles idealem Verständnis einer Gesellschaft von großer Bedeutung. Neben seinem sowieso vorhandenen religiösen Hintergrund brachten ihn auch seine Beobachtungen in den USA zu der These: „belief is necessary for the maintenance of republican institutions“ (Tocqueville zitiert nach: Siedentop 1994, S. 64). Das jedoch, wie erläutert, notwendige Festhalten an den Werten der Rechtsgelehrten und dessen Einfluss auf die Gesellschaft kann man auch als „Aristokratisierung der Demokratie“ (Achtnich 1987, S. 146) bezeichnen.
Wie bereits erwähnt, misst Tocqueville der edlen Zielsetzung eine höhere Bedeutung zu als dem sofortigen Erfolg der eventuell egoistischen Ziele der Herrscher. Deshalb sei teilweise auch unbewusst ein „Personal interest of everybody in increasing the law`s strength“ (Tocqueville 1835c, S. 240) in der Gesellschaft omnipräsent. Das bedeute, dass jeder Bürger einer demokratischen Gesellschaft stets den Wunsch habe, dass die beschlossenen Gesetze eine hohe Autorität besitzen, weil diese auf lange Sicht immer die gemeinsamen Interessen verfolgen werden.
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