Dilthey bemängelt, dass der Philosophie „bisher noch niemals die ganze, volle, unverstümmelte Erfahrung [...], mithin noch niemals die ganze und volle Wirklichkeit“ zugrunde gelegt worden ist. Die „Totalität des Menschen“ besteht nicht nur aus einem Erkenntnisapparat, wie ihn Kant beschreibt, sondern auch aus Gefühlen, Lebenserfahrung, etc. So darf die Philosophie psychologisch-historisch-gesellschaftliche Elemente nicht unberücksichtigt lassen. Es kann gesagt werden, dass diese Elemente den philosophischen Systemen vorhergehen, da jeder Mensch zunächst durch sein gesellschaftliches und historisches Umfeld geprägt ist. Durch dieses Umfeld und die psychische Struktur entsteht dann eine jeweils individuelle Weltanschauung. Die verschiedenen philosophischen System gehen nun zurück auf diese unterschiedlichen Weltanschauungen. Und an diesem Punkt unterscheidet sich Dilthey von vielen anderen Philosophen. Er verwirft nicht die metaphysischen Systeme seiner Vorgänger, sondern bezieht sie alle, als Teil einer Wirklichkeit, in seine Philosophie mit ein. Die philosophischen Systeme, die aus den Weltanschauungen hervorgehen, haben also durchaus ihre Berechtigung. Müssen aber in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, will man den ganzen Menschen erfassen.
Dieser Grundgedanke hat allerdings auch seinen Preis. Denkt man ihn weiter, kommt man zu der Feststellung, dass, wenn jede Weltanschauung nur einen Teil der Wirklichkeit ausmacht, jede Weltanschauung auch nur eine relative Gültigkeit hat. Das Problem der Relativität der Weltanschauung, das auch schon Dilthey bemerkt hat, soll am Ausgang dieser Arbeit untersucht werden. Da sich eine Weltanschauung aus den unterschiedlichsten Faktoren, wie Psychologie, Geschichte und Gesellschaft, entwickelt, werden diese am Anfang dieser Arbeit behandelt. Es muss hier schon in der Einleitung darauf hingewiesen werden, dass diese Faktoren in einem engen Zusammenhang und unter ständigen Wechselwirkungen stehen. Selbst die verschieden Weltanschauungen beeinflussen sich gegenseitig, so dass nur aus dieser Gesamtheit der Begriff der Weltanschauung verständlich wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die „Struktur des Seelenlebens“ als Ausgangspunkt der Weltanschauung
3. Der historisch-gesellschaftliche Zusammenhang
4. Die Weltanschauungslehre
4.1. Die religiöse Weltanschauung
4.2. Die Weltanschauung der Dichter
4.3. Die philosophische Weltanschauung
4.3.1. Die Weltanschauung des Materialismus, Naturalismus, Positivismus
4.3.2. Die Weltanschauung des objektiven Idealismus
4.3.3. Die Weltanschauung des Idealismus der Freiheit
5. Das Problem des Relativismus
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Immanuel Kant hat mit seiner Philosophie starke Kritik an der bis zu seiner Zeit vorherrschenden Metaphysik ausgeübt. Die Fragen dieser metaphysischen Systeme würden, laut Kant, zu widersprüchlichen Antworten führen. Aus diesem Grund, so schloss er, ist Metaphysik nur in Form einer Kritik möglich. Kants eigene Grundlegung der Metaphysik als Wissenschaft ist fest in seiner gesamten Philosophie integriert. Wenn sich ein Philosoph die Aufgabe stellt das kantische System zu kritisieren, so ist schon sehr tiefes und scharfsinniges Denken vonnöten, denn jeder Punkt seiner Philosophie ist in einem größeren logischen Zusammenhang eingeschlossen und durch sein Apriori scheint sie beinahe unangreifbar zu sein. Man könnte meinen, vor dem Apriori ein anderes Apriori auffinden zu müssen, um hier überhaupt mitreden zu können.
Vielleicht hat Dilthey dieses apriorische Apriori gefunden, indem er nämlich untersucht, unter welchen Voraussetzungen ein solches System (und auch andere philosophischen Systeme) entsteht, d.h. er untersucht dessen „Bildungsgesetze“. Dilthey bemängelt, dass der Philosophie „bisher noch niemals die ganze, volle, unverstümmelte Erfahrung [...], mithin noch niemals die ganze und volle Wirklichkeit“[1] zugrunde gelegt worden ist. Die „Totalität des Menschen“ besteht nicht nur aus einem Erkenntnisapparat, wie ihn Kant beschreibt, sondern auch aus Gefühlen, Lebenserfahrung, etc. So darf die Philosophie psychologisch-historisch-gesellschaftliche Elemente nicht unberücksichtigt lassen. Es kann gesagt werden, dass diese Elemente den philosophischen Systemen vorhergehen, da jeder Mensch zunächst durch sein gesellschaftliches und historisches Umfeld geprägt ist. Durch dieses Umfeld und die psychische Struktur entsteht dann eine jeweils individuelle Weltanschauung. Die verschiedenen philosophischen System gehen nun zurück auf diese unterschiedlichen Weltanschauungen. Und an diesem Punkt unterscheidet sich Dilthey von vielen anderen Philosophen. Er verwirft nicht die metaphysischen Systeme seiner Vorgänger, sondern bezieht sie alle, als Teil einer Wirklichkeit, in seine Philosophie mit ein. Die philosophischen Systeme, die aus den Weltanschauungen hervorgehen, haben also durchaus ihre Berechtigung. Müssen aber in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, will man den ganzen Menschen erfassen.
Dieser Grundgedanke hat allerdings auch seinen Preis. Denkt man ihn weiter, kommt man zu der Feststellung, dass, wenn jede Weltanschauung nur einen Teil der Wirklichkeit ausmacht, jede Weltanschauung auch nur eine relative Gültigkeit hat. Das Problem der Relativität der Weltanschauung, das auch schon Dilthey bemerkt hat, soll am Ausgang dieser Arbeit untersucht werden. Da sich eine Weltanschauung aus den unterschiedlichsten Faktoren, wie Psychologie, Geschichte und Gesellschaft, entwickelt, werden diese am Anfang dieser Arbeit behandelt. Es muss hier schon in der Einleitung darauf hingewiesen werden, dass diese Faktoren in einem engen Zusammenhang und unter ständigen Wechselwirkungen stehen. Selbst die verschieden Weltanschauungen beeinflussen sich gegenseitig, so dass nur aus dieser Gesamtheit der Begriff der Weltanschauung verständlich wird.
2. Die „Struktur des Seelenlebens“ als Ausgangspunkt der Weltanschauung
Um den Begriff „Struktur des Seelenlebens“ näher zu kommen, muss noch einmal auf die Ausgangsbasis der Philosophie Diltheys, und somit zu dem Vergleich mit Kant, zurückgegangen werden. Dilthey schreibt:
„Die Wirklichkeit selbst kann in letzter Instanz nicht logisch aufgeklärt, sondern nur verstanden werden. In jeder Realität, die uns als solche gegeben ist, ist ihrer Natur nach etwas Unaussprechliches, Unerkennbares.“[2]
Während die Philosophen, bis einschließlich Kant, davon ausgegangen sind, dass sich die Wirklichkeit durch logisch-systematische Begründungen erkennen lässt, stellt Dilthey die Frage, ob diese Mittel, die ja der Philosophie eigen sind, überhaupt eine Wirklichkeitserkenntnis ermöglichen können, d.h. ob die Wirklichkeit auf einen logisch-systematischen Zusammenhang reduzierbar ist. Laut Dilthey ist dies nicht möglich, denn in dem Zusammenhang des menschlichen Lebens „sind Wahrnehmung, Erinnerung, Denkprozeß, Trieb, Gefühl, Begehren, Willenshandlung auf die mannigfaltigste Weise miteinander verwebt“[3]. Hier wird schon Diltheys lebensphilosophischer Ansatz deutlich. Kants rein formale Philosophie lässt sich hier z.B. unter den Denkprozess einordnen, während die anderen Aspekte nur unzureichende oder überhaupt keine Berücksichtigung finden. Doch natürlich stellt sich die Frage, wie diese anderen Aspekte, die den „ganzen Menschen“ ausmachen, philosophisch untersucht und begründet werden können. Denn stellt man sie wieder unter einen logischen und systematischen Zusammenhangs mithilfe von Begründungen und Grundsätzen, gelangt man in einen Zirkel. Der andere, nicht logisch-formal begründete Teil der Wirklichkeit, müsste wieder mit eben denselben Mitteln untersucht werden. Es wäre also falsch, solche Lebensbegriffe wie Gefühl und Trieb in einen logischen Zusammenhang mithilfe der Denkprozesse einzuordnen:
„Nirgends herrscht ja in der lebendigen Wirklichkeit des Seelenlebens jener strenge Schematismus, der in den Systemen der deutschen Philosophen seit dem unermeßlichen Schematiker Kant zu Hause ist. [...] Aber so nachdrücklich als möglich lehne ich nochmals auf dem Gebiet des Seelenlebens alles Rubrizieren und Katalogisieren ab.“[4]
Um also hier einer Interpretation Diltheys gerecht zu werden, will ich diese Begriffe des Lebens nicht in einen engen logischen Zusammenhang bringen, sondern vielmehr die Stellen aufsuchen, die einen gewissen Sachverhalt näher erläutern. Dadurch wird das Verständnis sicherlich nicht erleichtert, denn viele Begriffe scheinen so zunächst unzusammenhängend nebeneinander zu stehen. Auf der anderen Seite ist dieses Verfahren jedoch auch unumgänglich, da, wie aus den oben genannten Gründen ersichtlich wurde, nicht ein neues philosophisches System entstehen soll.
Bei der „Struktur des Seelenlebens“ handelt es sich also nun um so einen Begriff, der nicht zu genau definiert werden darf, sondern wohl eher aus dem Leben selbst verstanden werden muss. Die Seelenstruktur lässt sich nun daraufhin untersuchen, auf welche Art und Weise sie auf das Leben wirkt ohne sie direkt zu kennen. Die Psychologie ist die Wissenschaft, die diese Struktur untersucht. Wie bereits oben erwähnt, besteht das menschliche Leben aus den vielfältigsten Zusammenhängen. Jedes zunächst subjektive Erlebnis ist durch diese unterschiedlichen Zusammenhänge (Denken, Gefühl, Trieb, usw.) geprägt. Daraus lässt sich nun auf dreierlei Weise auf die „Struktur des Seelenlebens schließen: 1. Die Psychologie untersucht die Seelenstruktur, „indem sie aus den zusammengesetzten Erlebnissen einzelne Prozesse aussondert und Regelmäßigkeiten an derselben induktiv erschließt“[5]. Da alle „menschlichen Erzeugnisse [...] aus dem Seelenleben und dessen Beziehung zur äußeren Welt“[6] entspringen, lassen sich in dieser Beziehung Regelmäßigkeiten auffinden, die von der Psychologie untersucht werden können. 2. Das Seelenleben strebt auch danach, die einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen. Dies nennt Dilthey die „psychische Struktur“[7]. Diese hat einen teleologischen Charakter, d.h. sie sucht nach Sinn und Zweck im Leben. Dies geschieht dadurch, dass sie aus den unterschiedlichen Eindrücken das ihr Wichtige heraushebt. Demzufolge wird ersichtlich, warum die Wirklichkeit für uns nicht aus einer Vielzahl von zufälligen Ereignissen besteht, sondern diese Eindrücke durch Trieb und Gefühl - diese bilden den Mittelpunkt der seelischen Struktur - erst eine Bedeutung für uns erlangen und so zu einem Erlebnis werden. Zweitens wird auf Grund des teleologischen Charakter auch deutlich, dass das Seelenleben nach einer Weltanschauung strebt, in der alles seinen Sinn und Zweck besitzt. Indem wir nun durch die fortlaufenden verschiedenen Erlebnisse das uns Wertvolle aussondern, entsteht die Lebenserfahrung: „Den Zusammenhang von Vorgängen, in dem wir die Lebenswerte und die Werte der Dinge erproben, nenne ich Lebenserfahrung.“[8] 3. Aus dem „Bewußtsein von den Werten des Lebens“ entsteht schließlich auch noch ein Zusammenhang des praktischen Handelns.
[...]
[1] Wilhelm Dilthey: „Das Wesen der Philosophie“, S. 163
[2] W. Dilthey: „Das Wesen der Philosophie“, S. 167
[3] W. Dilthey: „Das Wesen der Philosophie“, S. 72
[4] Ebda. S 209
[5] W. Dilthey: „Das Wesen der Philosophie“, S 71
[6] Ebda., S. 71
[7] Vgl. ebda., S. 71
[8] Ebda., S. 73
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