Das satirische Wochenblatt Kladderadatsch, das von Thomas Mann „für Jahrzehnte zum politisch-literarischen Inventarstück der bürgerlichen Kultur Deutschlands“ deklariert wurde, machte in den nahezu 100 Jahren seines Bestehens eine große Wandlung durch. Welcher Art diese Wandlung war, wird hier untersucht – zuerst durch eine kurze Übersicht der Geschichte der Zeitschrift und anschließend anhand einiger Bilder als Beispiel. Daraufhin wird exemplarisch ein Gedicht der späteren Zeit untersucht, sodass zum Schluss Resümee über die besondere Entwicklung des Kladderadatsch und seine Quellentauglichkeit gezogen wird.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Entwicklung des Kladderadatsch
2. Der Wandel der Zeitschrift in Bildern
3. „Sorge und Hoffnung“
4. Besonderheiten des Kladderadatsch
Literaturverzeichnis
Anhang: Bildquellen
Einleitung
Das satirische Wochenblatt Kladderadatsch, das von Thomas Mann „für Jahrzehnte zum politisch-literarischen Inventarstück der bürgerlichen Kultur Deutschlands“[1] deklariert wurde, machte in den nahezu 100 Jahren seines Bestehens eine große Wandlung durch. Welcher Art diese Wandlung war, wird hier untersucht – zuerst durch eine kurze Übersicht der Geschichte der Zeitschrift und anschließend anhand einiger Bilder als Beispiel. Daraufhin wird exemplarisch ein Gedicht der späteren Zeit untersucht, sodass zum Schluss Resümee über die besondere Entwicklung des Kladderadatsch und seine Quellentauglichkeit gezogen wird.
1. Die Entwicklung des Kladderadatsch
Als im Jahr 1848 die Pressezensur in Preußen aufgehoben wurde, entstanden, vor allem in Berlin, zahlreiche satirische Zeitschriften, von denen jedoch nur ein einziges Witzblatt die Konterrevolution überdauerte und dauerhaften Erfolg zu verzeichnen hatte – der Kladderadatsch.[2] Vom 07.05.1848 bis zum 03.09.1944 erschien die Zeitschrift, die sich selbst anfänglich „Organ für und von Bummler“[3] nannte, nach den Angaben auf dem Titelblatt „täglich mit Ausnahme der Wochentage“, was bereits auf der ersten Seite den satirischen Charakter des Blattes deutlich machte – gemeinsam mit dem grinsenden Jungengesicht, das bald zum Markenzeichen der Zeitschrift avancierte.[4]
In seinen Anfangsjahren war der Kladderadatsch geprägt durch seinen jüdischen Gründer David Kalisch, seine ersten Mitarbeiter Ernst Dohm und Rudolf Löwenstein, sowie den Karikaturisten Wilhelm Scholz, die durch ihre liberalen politischen Ansichten, Berliner Humor, jüdischen Witz und nicht zuletzt Scholz´ erfolgreiche Karikaturen die Auflagen des Blattes bis 1972 auf 50.000 Stück steigern konnten.[5] Die bissigen Texte und Karikaturen waren an das liberale Bildungsbürgertum als Publikum gerichtet und deshalb oft ohne klassische Vorbildung nicht zu verstehen, was dem Erfolg des Blattes allerdings keinen Abbruch tat.[6]
In den folgenden Jahren verlor der Kladderadatsch seine unangepasste, liberale Haltung, wurde zusehends konservativer und verlor an Lesern aufgrund seiner fehlenden Modernität.[7] Die Zeitung unterstützte anti-sozialistische Gesetze wie auch solche gegen den Arbeiterschutz, bis sie 1909 durch einen Herausgeberwechsel eine nationalistische Haltung annahm, die sie bis zuletzt beibehielt und die sich z.B. in der Unterstützung der Kriegsvorbereitungen zum ersten Weltkrieg ausdrückte.[8]
Diese Haltung verschärfte sich weiter mit dem Verkauf des Blattes an die Stinnes Company im Jahr 1923, demselben Jahr, in dem Hitlers Putschversuch vom Kladderadatsch gelobt wurde.[9] Anfang der 30er Jahre wurde Hitlers Politik von der Zeitschrift unterstützt, Sozialdemokraten bekämpft und die Karikaturen immer antisemitischer, bis der Kladderadatsch kaum mehr von einem der anderen Propagandablätter des Dritten Reiches unterschieden werden konnte.[10]
2. Der Wandel der Zeitschrift in Bildern
Um die schrittweise Entwicklung vom liberalen Witzblatt zum Propagandaorgan der Nationalsozialisten, die der Kladderadatsch durchmachte, zu verdeutlichen, werden an dieser Stelle Bildbeispiele aus verschiedenen Perioden gegeben, wobei zunächst durch einige Bismarck-Karikaturen auf die Nationalisierung der Zeitschrift und später durch andere Bilder auf ihre Radikalisierung eingegangen wird.[11]
In Abb. 1 aus dem Jahr 1863 wird der Reichskanzler noch in untertäniger Haltung als Dienstmädchen dargestellt – eine zutiefst respektlose Darstellung, die recht gut den spöttischen Ton beschreibt, in dem Bismarck in der Anfangszeit des Kladderadatsch in Wort und Bild Eingang findet.[12] Zwölf Jahre später hat sich das Verhältnis bereits spürbar gewandelt. Bismarck wird in Abb. 2 als kluger Schachspieler im Kampf gegen die Vorrechte der katholischen Kirche gezeigt, dessen Truppen aus Paragraphen des Gesetzes bestehen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schließlich ist Bismarck für den Kladderadatsch lange keine Witzfigur mehr, noch steht er auf gleicher Stufe mit anderen Menschen. Abb. 3 zeigt ihn bereits hoch erhoben in würdiger Pose auf einem Streitwagen fahrend, während Abb. 4 des gleichen Jahres ihn als Riese auf der Suche nach einem Nachfolger darstellt – wobei keiner der Kandidaten groß genug für diese Aufgabe scheint. Aus einer Witzfigur wird das Vorbild einer ganzen Nation.
[...]
[1] Siebe 1995, S.33.
[2] Vgl. ebd. S.27, 29.
[3] Der Untertitel der Zeitschrift änderte sich mehrmals von „Organ für und von Bummler“ über „humoristisch-satirisches Wocheblatt“, bis der Untertitel schließlich ganz verschwand.
[4] Vgl. Effinger 2005.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Siebe 1995, S.33.
[7] Vgl. Effinger 2005.
[8] Ebd.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Die Bildquellen befinden sich im Anhang.
[12] Vgl. Effinger 2005.
- Quote paper
- Nils Marheinecke (Author), 2008, "Kladderadatsch" – Der am besten angepasste überlebt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148753
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