Klatsch wird sozial geächtet, seine Anwendung wird als moralisch kontaminiert und die
Beschimpfung “Klatschbase” oder “Klatschweib” als soziale Diskredition empfunden.
Gleichzeitig wird im Alltag trotzdem geklatscht. Wer kennt sie nicht, die Situation:
“Sag mal, hast Du auch schon gehört...” oder “Die Frau Müller hat letzte Woche ja...”?
Bereits Aussagen wie diese implizieren, dass es klatschtypische Situationen,
Beziehungskonstellationen, Interaktionsabläufe, Themen, Instrumentarien, Initiierungen
und Beendigungen dieser Gespräche gibt, die die kommunkative Gattung Klatsch
innerhalb des kommunikativen Haushalts einer Gesellschaft beschreiben, definieren und
gegenüber anderen Gattungen abgrenzen (Luckmann 1988, 282). Luckmann bezeichnet
als kommunikative Gattung die routinisierte Antwort auf spezifische kommunikative
Probleme einer Gesellschaft: wie sollen bestimmte Ereignise, Themen oder
Sachverhalte intersubjektiv thematisiert, vermittelt und bewältigt werden und dies
erschwerend unter verschieden kontextuellen Bedingungen? Für bestimmte Probleme
existieren nach Luckmann deshalb strukturell relativ statische Lösungen, die zum
Beisipiel den Beteiligten Beziehungsmuster zuweisen, den Handlungsablauf
vorzeichnen und die Benutzung bestimmter kommunikativer Elemente und Instrumente
selektieren. Der kommunikative Haushalt wird von Luckmann als die Gesamtheit dieser
kommunikativen Gattungen innerhalb einer Gesellschaft bezeichnet.
Bisher wendeten sich wenige wissenschaftliche Untersuchungen dem Phänomen
Klatsch über die Frage zu, unter welchen Bedingungen und wie es als eine
kommunikative Gattung interaktiv generiert wird. Besonders Bergmann (1987) nähert
sich dem Klatsch jedoch unter Berücksichtigung dieser Aspekte und mithilfe
konversationsanalytischer Untersuchungen natürlicher Daten, nämlich transkribierter
Klatschgespräche. Um klatschtypische Merkmale zu bestimmen und zu überprüfen ist
es unter konversationsanalytischer Prämisse von basaler Notwendigkeit, natürliche
Daten zunächst zu gewinnen und diese auszuwerten, denn nur unter diesen
Bedingungen lassen sich zuverlässige und begründbare Aussagen über
klatschkonstituierende Elemente treffen.
Ziel dieser Arbeit ist es, ein Gespräch, von dem zunächst angenommen wird, dass es ein
Klatschgespräch ist, auf Merkmale des Klatschgesprächs hin konversationsanalytisch zu
untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Einordnung des vorliegenden Gesprachs
Das Transkript
I. „Felix und seine praktische Begabung“
1.1 Die Initiierung des Gesprachs
1.2 Die Darstellung des Klatschobjekts
1.2.1 Das Auftreten von Zitaten und deren Funktionen
1.2.2 Generalisierungen und der moralische Aspekt
II. Der gescheiterte Klatschversuch - Klatschobjekt Nr.2: Felix Mutter?
II.1 Die Initiierung
11.2 Das Zustandekommen eines neuen Klatschgesprachs?
Zusammenfassung
Literatur
Einleitung
Klatsch wird sozial geachtet, seine Anwendung wird als moralisch kontaminiert und die Beschimpfung “Klatschbase” oder “Klatschweib” als soziale Diskredition empfunden. Gleichzeitig wird im Alltag trotzdem geklatscht. Wer kennt sie nicht, die Situation: “Sag mal, hast Du auch schon gehort...” oder “Die Frau Muller hat letzte Woche ja...”? Bereits Aussagen wie diese implizieren, dass es klatschtypische Situationen, Beziehungskonstellationen, Interaktionsablaufe, Themen, Instrumentarien, Initiierungen und Beendigungen dieser Gesprache gibt, die die kommunkative Gattung Klatsch innerhalb des kommunikativen Haushalts einer Gesellschaft beschreiben, definieren und gegenuber anderen Gattungen abgrenzen (Luckmann 1988, 282). Luckmann bezeichnet als kommunikative Gattung die routinisierte Antwort auf spezifische kommunikative Probleme einer Gesellschaft: wie sollen bestimmte Ereignise, Themen oder Sachverhalte intersubjektiv thematisiert, vermittelt und bewaltigt werden und dies erschwerend unter verschieden kontextuellen Bedingungen? Fur bestimmte Probleme existieren nach Luckmann deshalb strukturell relativ statische Losungen, die zum Beisipiel den Beteiligten Beziehungsmuster zuweisen, den Handlungsablauf vorzeichnen und die Benutzung bestimmter kommunikativer Elemente und Instrumente selektieren. Der kommunikative Haushalt wird von Luckmann als die Gesamtheit dieser kommunikativen Gattungen innerhalb einer Gesellschaft bezeichnet.
Bisher wendeten sich wenige wissenschaftliche Untersuchungen dem Phanomen Klatsch uber die Frage zu, unter welchen Bedingungen und wie es als eine kommunikative Gattung interaktiv generiert wird. Besonders Bergmann (1987) nahert sich dem Klatsch jedoch unter Berucksichtigung dieser Aspekte und mithilfe konversationsanalytischer Untersuchungen naturlicher Daten, namlich transkribierter Klatschgesprache. Um klatschtypische Merkmale zu bestimmen und zu uberprufen ist es unter konversationsanalytischer Pramisse von basaler Notwendigkeit, naturliche Daten zunachst zu gewinnen und diese auszuwerten, denn nur unter diesen Bedingungen lassen sich zuverlassige und begrundbare Aussagen uber klatschkonstituierende Elemente treffen.
Ziel dieser Arbeit ist es, ein Gesprach, von dem zunachst angenommen wird, dass es ein Klatschgesprach ist, auf Merkmale des Klatschgesprachs hin konversationsanalytisch zu untersuchen. Der Augenmerk liegt auf zwei dieser Klatschmerkmale und soll ihre Unverzichtbarkeit fur das interaktive Herstellen von Klatsch - mitunter anhand eines gescheiterten Versuchs - belegen: Klatschinitiierung und Darstellung des Klatschobjekts. Wie wird Klatsch erfolgreich eroffnet? Wie wird das Klatschobjekt dargestellt? Ein Klatschgesprach kommt im vorliegenden Gesprachausschnitt zunachst zustande. Der im Verlauf des Gesprachs auftretende Versuch einer Gesprachsteilnehmerin, ein neues Klatschobjekt einzufuhren, scheitert. Was ist hier anders als zuvor? Warum klappt die Initiierung diesmal nicht?
Einordnung des vorliegenden Gesprachs
Das Gesprach findet zwischen Anna und Sina abends auf einem Balkon statt. Anna und Sina wohnen gemeinsam mit Felix in einer Wohngemeinschaft.1 Schon langer zeigt sich, dass Felix als einziger Mann in dieser Konstellation deutlich abweichende Haltungen bezuglich alltaglicher Haushaltsfuhrung und Lebensfuhrung gegenuber Anna und Sina vertritt. Oft kam es dadurch in der Vergangenheit schon zu schlechter Stimmung und Streitigkeiten.
In der Gesprachssituation steht der Auszug von Felix kurz bevor. Anna und Sina kommen auf die aktuelle Lage zu sprechen. Zunachst dreht sich das Gesprach um die allgemeine Organisation des Umzugs und die Umzugsplane der neuen Mitbewohnerin. Dass Transkript setzt ein, als Anna detailliert beginnt zu beschreiben, wie ihre Kommunikation mit Felix in den letzten Tagen aussah und wie der aktuelle Stand der Dinge ist, da Sina einige Tage nicht anwesend war.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Die Namen sind mit Einverstandnis der beteiligten Personen geandert.
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