In der vorliegende Arbeit wurde die pH-Abhängigkeit der Hämstruktur des monomeren Insektenlarven-Hämoglobins CTT III im Desoxy-Zustand untersucht. Es wurde außerdem ein allosterisches Modell (12-Zustand-Modell) der monomeren Hämoglobine CTT III und CTT IV vorgestellt, das die experimentellen Daten erkläirt (Bohr-Effekt-Kurven, Protonenfreisetzungskurvenu und Ratenkonstanten).
Diplomarbeit
dem Fachbereich Physik/Elektrotechnik der Universität Bremen
Ramantitrationskurven in Bezug zum Bohr-Effekt des monomeren Hämoglobins CTT III
vorgelegt von Walter Jentzen
1989
Inhalt
1 Einleitung und Problemstellung ... 1
2 Eigenschaften der Hämoglobine CTT III und CTT IV ... 4
2.1 Grundlagen ... 4
2.1.1 Hämoglobinmolekül und Allosterie ... 4
2.1.2 Sauerstoffbindungskurve ... 6
2.1.3 Bohr-Effekt ... 8
2.1.4 Ratenkonstanten ... 10
2.2 Eigenschaften der monomeren Hämoglobine CTT III und CTT IV ... 11
2.2.1 Aufbau und Struktur ... 11
2.2.2 Bohr-Effekt ... 13
2.2.3 Ratenkonstanten ... 14
2.3 Bohr-Effekt-Mechanismus ... 18
2.3.1 Molekularer Mechanismus des Bohr-Effektes ... 18
2.3.2 Trans-Effekt-Mechanismus ... 20
2.4 Ursachen des Bohr-Effektes und Bedeutung der Salzbrücke ... 22
2.4.1 Ursachen des Bohr-Effektes ... 22
2.4.2 Bedeutung der Salzbrücke ... 22
3 Allosterische Modell der Hämoglobine CTT III und CTT IV ...
24
3.1 Allosterische Modell ... 24
3.2 Quantitative Formulierung ... 27
3.3 Bohr-Effekt-Kurve ... 30
3.4 Protonenfreisetzungskurve ... 31
3.5 Berechnung der Ratenkonstanten ... 32
3.5.1 Ratenkonstanten für n-Konformationszustände 32
3.5.2 Dissoziationskonstanten k1eff , k1x,eff
und k1y,eff ... 36
3.5.3 Assoziationskonstanten k0eff , k0x,eff
und k0y,eff ... 38
3.6 Berechnung der Molenbrüche ... 39
4 Auswertung der experimentellen Daten ... 44
4.1 Struktur des Fitprogramms ... 44
4.1.1 Minimierungsprogramm Minuitl ... 44
4.1.2 Fitprozedur ... 45
4.2 Ergebnis der Fitprozedur ... 46
5 Statische Verzerrungen der Hämgruppe ... 56
5.1 Theorie der resonanten Ramanstreuung ... 56
5.2 Elektronische Struktur der Hämgruppe ... 58
5.3 Depolarisationsgrade und Anregungsprofile von Hämproteinen ... 60
5.4 Einfluß von statischen Verzerrungen der Hämgruppe auf den
Polarisierbarkeitstensor ... 61
5.5 Effektiver Polarisierbarkeitstensor ... 63
6 Experimentelle Methoden und Meßergebnisse ... 65
6.1 Experimentelle Methoden ... 65
6.1.1 Präperation und Durchführung ... 65
6.1.2 Auswertung der Ramandaten ... 67
6.2 Meßergebnisse ... 67
6.2.t Ramanspektrum von Desoxy-Hb CTT III ... 67
6.2.2 Dispersionskurven in Abhängigkeit vom pH-Wert ... 70
6.2.3 Ramantitrationskurven ... 71
7 Diskussion ... 77
7.1 Vergleich von C(i,o,h)A1g,R und koci... 77
7.2 Bohr-Effekt-Mechanismus im Licht des trans-Effekt-Modells ... 79
7.3 Allosterische Modell der Hämoglobine CTT III und CTT IV ... 81
7.3.1 12-Zustand-Modell ...81
7.3.2 Gersonde-Sick-Modell (8- Zustand-Modell (A)) ... 81
7.3.3 8-Zustand-Modell (B) ... 82
7.3.4 Fitergebnis der 8-Zustand-Modelle ... 82
7.3.5 Vergleich der Modelle ... 83
7.3.6 Schlußfolgerung ... 84
8 Zusammenfassung ... 86
Literatur ... 88
Abbildungen ... 94
Tabellen ... 96
Kapitel 1
Einleitung und Problemstellung
Einleitung
Mit Hilfe der resonanten Ramanstreuung hat man schon eine Fülle
von Informationen über Struktur und Funktion von biologischen Makromolekülen wie
zum Beispiel beim Hämoglobin erhalten. Beim Hämoglobin liegt das
Absorptionsspektrum der prosthetischen Gruppe (Hämgruppe) im sichtbaren und
nahen UV-Bereich. Dagegen liegen die Absorptionsbanden des Apoproteins im
mittleren und fernen UV. Das ermöglicht ausschließlich die Schwingungen der
Hämgruppe, an der die biologischen Vorgänge ablaufen, zu studieren, wenn die
Anregungsfrequenz im sichtbaren Bereich liegt. Das resonante Ramanspektrum
enthält dann nur Linien der Hämgruppe. Messungen des Depolarisationsgrades für
die 1375 cm-l - und 1638 cm-1 -Ramanlinie in Abhängigkeit
von der Anregungsfrequenz zeigen zum Beispiel beim Oxy- Hämoglobin Hb A eine
starke Dispersion im präresonanten Bereich zwischen der Soret- und der Q-Bande.
Diese Dispersion wird zurückgeführt auf symmmetrieerniedrigende statische
Verzerrungen der Hämgruppe (Schweitzer el al., 1982). Denn in der idealen D4h-Symmetrie
der Hämgruppe sind die Depolarisationsgrade der Ramanschwingungen unabhängig von
der Anregungsfrequenz. Es gibt daher eine Methode, mit deren Hilfe man aus dem
Dispersionsverlauf des Depolarisationsgrades Informationen über Verzerrungen der
Hämgruppe aus der D4h-Symmetrie gewinnen kann. Die Störung
der D4h-Symmetrie werden verursacht durch Bindung von
verschiedenen Seitenketten und Häm-Globin-Wechselwirkungen. Änderungen der
Häm-Globin-Wechselwirkungen können daher durch die resonante Ramanspektroskopie
untersucht werden.
In der theoretische Behandlung des Polarisierbarkeitstensors sind die im Tensor
enthaltenen vibronischen Parameter lineare Funktionen der
symmetrieklassefizierten Verzerrungen δQΓj
der Hämgruppe (Γj = A1g,
B1g, A2g, B2g).
Die theoretischen Dispersionskurven des Depolarisationsgrades und die
dazugehörigen Anregungsprofile können mit Hilfe eines Computerprogramms mit den
vibronischen Parametern als Fitparameter an die experimentellen
Dispersionskurven angepaßt werden. Da die Dispersionskurven zum Beispiel vom
pH-Wert abhängen (Schweitzer, 1983), sind die Fitparameter ebenfalls abhängig
vom pH-Wert. Aus der pH-Abhängigkeit dieser Fitparameter kann man dann
Rückschlüsse ziehen auf die Häm-Globin-Wechselwirkungen.
Mit diesem Ansatz analysierten Schweitzer-Stenner et al. (1986,
1989a, 1989b) die pH-Abhängigkeit der Dispersionskurven und damit die
Hämverzerrungen. Sie wiesen nabh, daß durch Protonierung von allosterischen
Effektorgruppen Konformationsänderungen induziert werden, die auf die Hämgruppe
übertragen werden. Aus der pH-Abhängigkeit der Fitparameter konnten sie die
pK-Werte von allosterischen Proteinseitengruppen bestimmen.
Vom Bohr-Effekt spricht man, wenn die Sauerstoffaffinität vom pH-Wert abhängt.
In diesem Fall wechselwirken die Hämgruppen über eine Konformationsänderung mit
den Säuregruppen der Aminosäuren (Bohr-Gruppen). Vom einfachen Bohr- Effekt
spricht man, wenn die Wechselwirkung sich nur auf eine Hämgruppe und eine
Bohr-Gruppe beschränkt. Das Menschen-Hämoglobin Hb A besteht aus vier
Untereinheiten. Dieses Hämoglobin zeigt einen Bohr-Effekt, der auf eine Vielzahl
von Wechselwirkungen zurückzuführen ist. Ein Hämoglobinmolekül, das nur aus
einer Untereinheit (Monomer) besteht und nur einen einfachen Bohr-Effekt
besitzt, wäre zum Studium der Wechselwirkung Hämgruppe
<-> Bohr-Gruppe, eine
geeignete Modellsubstanz. Die Larve der Zuckmücke Chironomus thummi thummi hat
in ihrer Körperflüssigkeit (Hämolymphe) einige Hämoglobine gelöst, von denen
zwei einen einfachen Bohr-Effekt besitzen: die monomeren Hämoglobine CTT III und
CTT IV.
Eine Deutung des einfachen Bohr-Effektes der monomeren Hämoglobine CTT III und
CTT IV ist möglich, wenn man zwei in pH-abhängigem Gleichgewicht befindliche
Konformationszustände t = r mit
verschiedener Sauerstoffaffinität annimmt (Gersonde, Sick, Wollmer, 1970;
Wollmer, Sick, Gersonde, 1970 ). Der Konformationsübergang t = r wird dabei
durch eine protonierbare Säuregruppe (Bohr- Gruppe) gesteuert (einfacher
Bohr-Effekt). Die Sauerstoffbindung beeinflußt das t =
r-Konformationsgleichgewicht ( " linked function" ). Das verschiebt den pK-Wert
der Bohr-Gruppe, weil die Konformationszustände verschiedene
Sauerstoffaffinitäten besitzen.
Der Bohr-Effekt der monomeren Insektenlarven-Hämoglobine ist jedoch nicht so
einfach zu interpretieren. Denn sie zeigen eine Häm-Rotationsisomerie. Die
Hämgruppe ist bezüglich einer 180°-Drehung um die
α-γ-Achse asymmetrisch (Abb. 2.6, S. 13). Diese beiden Rotationszustände(
gekennzeichnet mit x, y) werden in die Hämtasche eingebaut. Da die Hämtasche
bezüglich dieser Achse ebenfalls asymmetrisch ist, gibt es daher zwei
Rotationsisomere (x-Hb, y-Hb), die verschiedene Häm-Globin-Wechselwirkungen
besitzen. Sie unterscheiden sich im Bohr- Efiekt-Verhalten und in der
Sauerstoffaffinität (Gersonde et al., 1986): Das x- Rotationsisomer hat eine
niedrige O2-Affinität und einen ausgeprägten Bohr-Effekt;
das y-Rotationsisomer besitzt dagegen eine niedrige O2-Affinität
und einen reduzierten Bohr-Effekt. Weil nun das Konzentrationsverhältnis [y-Hb]:[x-Hb]
vom pH-Wert abhängt und die Rotationsisomere verschiedene Sauerstoffaffinitäten
besitzen, hängt der Bohrt-Effekt also zusätzlich von der Häm-Rotationsisomerie
ab.
Problemstellung
Kinetische Untersuchungen am Hämoglobin CTT III und CTT IV haben
ergeben, daß der Bohr-Effekt nur über die Dissoziationskonstante kontrolliert
wird, weil nur sie vom pH-Wert abhängt (Gersonde et al., 1986). Die
Assoziationskonstante ist vom pH-Wert unabhängig und daher auch vom
Konformationsübergang t = r und von der Häm-Rotationsisomerie. Vermutlich "
sieht " der Sauerstoff die gleiche Hämumgebung, obwohl in der Lösung
Rotationsisomere vorliegen, die sich im Bohr-Effekt- Verhalten, in der
Sauerstoffaffinität und in der pH-Abhängigkeit der Dissoziationskonstanten
unterscheiden. Die Ursache hierfür könnte sein, daß der Zugang des Sauerstoffs
zur Hämgruppe entscheidend von der Häm-Öffnung ( " Häm-Mund " ) abhängt. Wenn
der "Häm-Mund" ratenbestimmend ist, dann hat die Bindungsgeometrie der Hämgruppe
und damit der Verzerrungszustand der Hämgruppe nur einen geringen Einfluß auf
die Assoziation des Sauerstoffs.
Die vorliegende ramanspektroskopische Untersuchung am Desoxy-Hämoglobin CTT III
eröffnet nun die Möglichkeit die Auswirkungen der Konformationsäinderungen (t =
r) und die Häm-Rotationsisomerie auf die Hämverzerrungen zu studieren. Mit Hilfe
der resonaten Ramanspektroskopie kann man den Verzerrungszustand der Hämgruppe
in Abhängigkeit vom pH-Wert untersuchen, wenn jeweils für einen pH-Wert die
Dispersionskurven des Depolarisationsgrades und die dazugehörigen
Anregungsprofile im präresonaten Bereich zwischen der Soret- und Q-Bande
gemessen werden. Der theoretische Verlauf dieser Dispersionskurven wird durch
den Polarisierbarkeitstensor berechnet. Weil die im Polarisierbarkeitstensor
enthaltenden vibronischen Parameter lineare Funktionen der
symmetrieklassefizierten Verzerrungen δQΓj
sind, kann dann der Verzerrungszustand CΓj der Hämgruppe
(nach Symmetrien Γj klassefiziert) in
Abhängigkeit vom pH-Werte ermittelt werden. Die Abtragung von CΓj
gegen den pH-Wert wird als Ramantitrationskurve bezeichnet. Das Ziel der
ramanspektroskopischen Untersuchung am Desoxy-Hämoglobin CTT III ist daher, die
nach Symmetrien klassefizierten Ramantitrationskurven CΓj(pH) zu
bestimmen.
Es kann dann entschieden werden, ob die Hämverzerrungen im Desoxy-Zustand vom
Konformationsübergang t = r und von der Häm-Rotationsisomerie abhängen.
Die Auswertung der Ramandaten setzt allerdings voraus, daß die Molenbrüche der
Zustände als Funktion des pH-Wertes bekannt sind. Es muß daher unter
Berücksichtigung der experimentellen Ergebnisse ein Modell entwickelt werden,
mit dessen Hilfe die experimentellen Daten (Bohr-Effekt-Kurven,
Protonenfreisetzungskurven und Ratenkonstanten) der Insektenlarven-Hämoglobine
erklärt werden können.
[...]
- Quote paper
- Walter Jentzen (Author), 1989, Ramantitrationskurven in Bezug zum Bohr-Effekt des monomeren Hämoglobins CTT III, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148582