In den 80er Jahren veröffentlichte Joseph Cornell einen Ansatz, der ein
Gegengewicht zur damals stark von Umweltproblemen dominierten öffentlichen
Debatte darstellte. Cornells Ansatz war durch einen spielerischen und sinnlichen
Zugang gekennzeichnet und ist in seinem 1979 erschienenen Buch „Mit Kindern die
Natur erleben“ dargestellt (vgl. STEINER/UNTERBRUNER 2005, 9 ff.).
Zahlreiche Ansätze in der heutigen Kinder- und Jugendarbeit sowie der
Erwachsenenbildung realisier(t)en oder integrier(t)en den von Cornell entwickelten
Ansatz der Naturerfahrungspädagogik (beispielsweise Landart und
Naturinterpretation, Naturtherapie und Tiefenökologie, Spiel- und
Erlebnispädagogik).
Anhänger der Naturerfahrungspädagogik gingen und gehen davon aus, dass das
Erleben von Natur auch einen wesentlichen Beitrag zur Umweltbildung liefert: „Nur
was man schätzt, ist man auch bereit zu schützen“ - lautet ihr Credo.
Dies wurde von Kritikern jedoch zurückgewiesen. Sie argumentierten, die
kontemplative Art, sich mit Natur zu beschäftigen, würde die gesellschaftliche
Realität ausblenden und damit entpolitisierend wirken.
Empirische Untersuchungen sprechen gegen diese Kritik an der
Naturerfahrungspädagogik. Sie zeichnen ein differenziertes und durchaus für die
Naturerfahrungspädagogik sprechendes Bild.
So wird von einer Reihe von empirischen Studien die Bedeutung von
Naturerfahrungen für die psychische Entwicklung nachgewiesen. Der besondere
Wert der Natur liegt diesen Untersuchungen zufolge im gleichzeitigen Erleben von
Veränderung und Kontinuität sowie der Möglichkeit, Bedürfnisse nach Abenteuer und
„Wildnis“ ausleben zu können. Insgesamt ist die Natur für Kinder und Jugendliche
häufig ein Symbol für Lebensqualität und Lebensfreude. Von Bogner wurde
nachgewiesen, dass Naturerlebnisse Naturschutzeinstellungen bei Schülern
erhöhen. Bögeholz und Lude wiesen nach, dass Naturerfahrung das Entstehen
umweltbewusster Einstellungen und vor allem auch Handlungsbereitschaften positiv
beeinflusst (a. a. O., 12).
Dem Naturerleben kommt eine besondere Bedeutung zu, weil „im Verhältnis des
Menschen zur Natur stets auch sein Verhältnis zu sich selbst sichtbar wird“ (a. a. O., 12). Deshalb
sind die Erfahrungen, die wir in und mit der Natur machen, auch Erfahrungen mit uns
selbst (vgl. ebd.).[...]
Umweltbildung
Theoretische Grundlagen und praktische Hinweise
Theoretische Grundlagen der Naturerfahrungspädagogik
In den 80er Jahren veröffentlichte Joseph Cornell einen Ansatz, der ein Gegengewicht zur damals stark von Umweltproblemen dominierten öffentlichen Debatte darstellte. Cornells Ansatz war durch einen spielerischen und sinnlichen Zugang gekennzeichnet und ist in seinem 1979 erschienenen Buch „Mit Kindern die Natur erleben“ dargestellt (vgl. STEINER/UNTERBRUNER 2005, 9 ff.).
Zahlreiche Ansätze in der heutigen Kinder- und Jugendarbeit sowie der Erwachsenenbildung realisier(t)en oder integrier(t)en den von Cornell entwickelten Ansatz der Naturerfahrungspädagogik (beispielsweise Landart und Naturinterpretation, Naturtherapie und Tiefenökologie, Spiel- und Erlebnispädagogik).
Anhänger der Naturerfahrungspädagogik gingen und gehen davon aus, dass das Erleben von Natur auch einen wesentlichen Beitrag zur Umweltbildung liefert: „Nur was man schätzt, ist man auch bereit zu schützen“ - lautet ihr Credo.
Dies wurde von Kritikern jedoch zurückgewiesen. Sie argumentierten, die kontemplative Art, sich mit Natur zu beschäftigen, würde die gesellschaftliche Realität ausblenden und damit entpolitisierend wirken.
Empirische Untersuchungen sprechen gegen diese Kritik an der Naturerfahrungspädagogik. Sie zeichnen ein differenziertes und durchaus für die Naturerfahrungspädagogik sprechendes Bild.
So wird von einer Reihe von empirischen Studien die Bedeutung von Naturerfahrungen für die psychische Entwicklung nachgewiesen. Der besondere Wert der Natur liegt diesen Untersuchungen zufolge im gleichzeitigen Erleben von Veränderung und Kontinuität sowie der Möglichkeit, Bedürfnisse nach Abenteuer und „Wildnis“ ausleben zu können. Insgesamt ist die Natur für Kinder und Jugendliche häufig ein Symbol für Lebensqualität und Lebensfreude. Von Bogner wurde nachgewiesen, dass Naturerlebnisse Naturschutzeinstellungen bei Schülern erhöhen. Bögeholz und Lude wiesen nach, dass Naturerfahrung das Entstehen umweltbewusster Einstellungen und vor allem auch Handlungsbereitschaften positiv beeinflusst (a. a. O., 12).
Dem Naturerleben kommt eine besondere Bedeutung zu, weil „im Verhältnis des Menschen zur Natur stets auch sein Verhältnis zu sich selbst sichtbar wird“ (a. a. O., 12). Deshalb sind die Erfahrungen, die wir in und mit der Natur machen, auch Erfahrungen mit uns selbst (vgl. ebd.).
Naturerfahrungen und Naturphänomene können zu Anlässen werden, uns auf uns selbst zu beziehen. „Die Natur wird dann – wie Caspar David Friedrich es sagt – zur „Membran subjektiver Erfahrungen und Leiden“ (GEBHARD 2005, 23).
Natur kann sogar in gewisser Weise zu einem Interaktionspartner werden.
Dies ist eine wenig oder vielleicht noch treffender bislang so gut wie gar nicht beachtete Seite der Naturerfahrungspädagogik. Denn in vielen psychologischen Schulen wird die Persönlichkeit des Menschen vor allem als das Ergebnis der Beziehung zu sich selbst und zu anderen Menschen verstanden. „Die nichtmenschliche Umwelt – also die Welt der Gegenstände und Dinge, auch die Natur – spielt in einem solchen Persönlichkeitsmodell keine große Rolle… Die Erfahrungen, die Kinder in den ersten Lebensjahren mit vertrauten Bezugspersonen machen, bestimmen wesentlich die Persönlichkeit und auch, mit welcher Tönung und Qualität die Welt wahrgenommen wird. Sehr treffend wird das mit dem Begriff des Urvertrauens bezeichnet.
Beim Naturerleben geht es um die Bedeutung der Dinge für die Konstituierung eines solchen Vertrauens. Es geht darum, dass dieses Vertrauen sich auch als das Ergebnis einer gelungenen Beziehung zur Welt der Dinge verstehen lässt, dass unser Leben also im Sinne des Wortes „bedingt“ ist. Indem die Dinge solchermaßen zu „Beziehungspartnern“ aufgewertet werden, können sie auch zum Anlass für Erlebnisse werden“ (GEBHARDT 2005, 25).
Wesentliches Element von Naturerlebnissen ist die ästhetische Dimension, das „Naturschöne“, das jedoch keine Eigenschaft der Natur, sondern eine konstruktive Leistung ist. Die Erfahrung des Naturschönen entsteht somit immer im Kopf des Betrachters. Diese Erfahrung kann zu einem Element eines als sinnvoll interpretierten Lebens werden und eine wichtige Ergänzung zum objektivierenden, kalkulierenden Naturbezug der (Natur)wissenschaften sein. „Die ästhetische Einstellung gegenüber der Natur betrifft… (anders als die wissenschaftliche bzw. technisch-instrumentelle) vor allem die Subjektivität des Menschen. Auf diese Weise kann die ästhetische Naturwahrnehmung zu einem Element eines als sinnvoll interpretierten, eines guten Lebens werden.“ (GEBHARD 2005, 23).
Ein interessanter Aspekt ist in unserer schnelllebigen Zeit auch die Erfahrung, dass nach bzw. bei Naturerlebnissen offensichtlich kein Sättigungseffekt auftritt: Denn: je häufiger Natur erlebt wird, umso stärker besteht ein Wunsch nach weiteren Erfahrungen.
Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass Natur Erlebnisse ermöglicht, die sich von den sonstigen „Erlebnissen“ der postmodernen Gesellschaft unterscheiden. „Im Unterschied zur modernen oder eher postmodernen „Erlebnisgesellschaft“ wird Erlebnis verstanden als eine subjektiv bedeutsame Erfahrung, die als eine Bereicherung der Persönlichkeit erlebt wird. Ein derartiges Erlebnis bedarf der Konzentration, der Hingabe an eine Situation und ist in seiner Ernsthaftigkeit auch offen für (nachträgliche) Reflexion. Erlebnisse der „Erlebnisgesellschaft“ sind oft (natürlich nicht immer) etwas Anderes: Fun, Kick, Event, Thrill“ (a.a. O., 24). Die Natur erlaubt somit ein Erlebnis im klassischen Sinne, das sich vom Erlebnisbegriff des Entertainments grundlegend qualitativ unterscheidet.
Naturerleben kann zudem zu einer Quelle der Spiritualität werden. So bot die Auseinandersetzung mit den geheimnisvollen Vorgängen in der Natur und die Erfahrung körperlicher Einbettung in Natur schon immer einen direkten Zugang zu Spiritualität (vgl. a. a. O., 18). Dieser Zusammenhang wird von Gabriele und Wolfgang Sorgo (in UNTERBRUNER) ausführlicher aufgezeigt. Darüber hinaus kann das Naturerlebnis auch zu einer Entwicklungschance werden, wenn es beim Arbeiten in und mit der Natur darum geht, sich selbst als Naturwesen zu erleben, diese Erlebnisse mit anderen zu teilen und damit die Beziehung zum Lebendigen zu fördern und zu stärken (vgl. a. a. O., 17). Denn zentrales Element von Naturerleben ist die Verbindung von Natur-Erfahrung und Selbst-Erfahrung. Eine äußere Erfahrung wird zu einer besonderen, subjektiv bedeutsamen inneren Erfahrung (vgl. GEBHARD 2005, 23).
Die Naturerlebnispädagogik hat zwei Ziele. Intention ist zum einen eine veränderte Einstellung und zum anderen eine andere Handlungsbereitschaft im Hinblick auf Natur.
Anders als in der traditionellen Ästhetik greift die Naturerlebnispädagogik das Affektive, die Emotionalität und das Imaginative zusätzlich mit auf.
Hauptakzent von Naturerlebnispädagogik ist die Hoffnung, Naturerleben möge sich positiv auf die Wertschätzung von Natur auswirken.
Dieser letzte Gedanke geht auf Kant zurück. Kant nahm an, dass ein Zusammenhang zwischen der Hochschätzung des Naturschönen und einer moralischen Gesinnung bestehe, die Naturschönheit die Moralität des Menschen fördern könne. Und weitergehend: ein habituelles Interesse an der Schönheit der Natur zeige eine dem moralischen Gefühl günstige Gemütsstimmung an. Was so viel heißen mag wie: wer nicht nur ab und an die Schönheit der Natur wahrnimmt, sondern dies quasi „gewohnheitsmäßig“ tut, der verbessert seine Stimmung. Dies wiederum wirkt sich positiv auf das Verhalten aus.
Das Kantische Argument (Veredelung durch das Naturschöne) ist im heutigen Naturästhetikdiskurs eher nachgeordnet. Im Vordergrund steht die Hoffnung, dass die Natur als schützenswert angesehen wird (vgl. GEBHARD 2005, 31).
Bei der Erlebnispädagogik handelt es sich nicht um einen neuen Ansatz. Schon immer gab es in der Pädagogik den Gedanken, durch eigenes Handeln und Erleben Erziehungsprozesse zu gestalten, beispielsweise bei Rousseau und Thoreau. Vor allem in der Reformpädagogik tauchen dann die auch die Erlebnispädagogik prägenden Begriffe auf: Unmittelbarkeit, Gemeinschaft, Natur, Echtheit, Einfachhheit, Erlebnis und Augenblick. Denker „außerhalb“ der Pädagogik, die sich mit dem subjektivierenden Naturbezug in seiner Offenheit für das Naturerleben befassten waren Goethe, Hölderliun und Adorno (vgl. GEBHARDT 2005, 41).
Die moderne Erlebnispädagogik kann insgesamt als eine handlungsorientierte Bildungsmethode zum Zwecke der Persönlichkeitsbildung bezeichnet werden, die drei Dimensionen des Lernens vereinigt:
„1. die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen und den Aufbau sozialer Kompetenz, das unmittelbare Erlebnis meiner Selbst, der Gruppe und der Natur …
2. die Überzeugung, dass Wachstum und Entwicklung des Individuums im Wesentlichen durch den Prozess der Gruppendynamik geschehen und
3. den Transfer in die jeweilige Lebensrealität“(KREJCAREK 2005, 169).
Wesentlich für die Naturerlebnispädagogik sind darüber hinaus drei Aspekte von Natur:
1. Natur als pädagogisches Setting
Die Naturerlebnispädagogik betrachtet die Natur auch als ein pädagogisches Setting mit spezifischen Qualitäten. Solche Qualitäten sind beispielsweise die vielfältigen Strukturen wie Hindernisse, Gefälle, Bäume, Gewässer etc., die für methodisches Arbeiten oft unerlässlich und sehr wertvoll sind, in Seminarräumen aber oft nur äußerst mühsam simuliert werden können.
2. Natur als Analogie
Die Natur stellt weiterhin einen Analogieraum dar, der das Verstehen von Gruppenprozessen erleichtern kann, denn hier wie dort sehen wir uns mit dem Wahrnehmen und Verstehen von systemischen Prinzipien konfrontiert. So treten Organismen miteinander und mit der unbelebten Umwelt in Wechselwirkung und begründen vernetzte, komplexe Systeme. Weil die Komplexität dieser systemischen Prozesse häufig unser Denk- und Vorstellungsvermögen übersteigt, ist es sinnvoll, mit Bildern zu arbeiten. Außerdem denkt jeder Mensch in Symbolen und Metaphern, die in der Welt des Natürlichen real existieren. „Zu den Themen Abstimmung in einer Gruppe und Rollenflexibilität finden wir unzählige Bilder in Anpassungsstrategien von Tieren und Pflanzen. Welche Antworten entwickelte das Leben, um den ständigen Veränderungen in Ökosystemen zu begegnen? Was passiert in der Natur an Grenzen? Wie hat das Leben es geschafft, auch unter lebensfeindlichen Bedingungen zu bestehen?“ (KREJCAREK 2005, 171).
3. Natur als Spiegel-Raum
Natur zu erfahren bedeutet, etwas über sich selbst zu erfahren. So sehen wir in den Gewalten der Elemente, im Werden und Vergehen von Lebewesen, im Wechsel der Jahres- und Tageszeiten, im Erscheinungsbild von Organismen, in der Ästhetik von Landschaften unsere eigene Natürlichkeit gespiegelt.
Es wurde dargelegt und an Beispielen aufgezeigt, dass Naturerfahrung- oder Naturerlebnispädagogik gut begründet ist und was sie kennzeichnet.
Dennoch sollte dieser Ansatz insgesamt nicht als Alternative zur Naturwissenschaft, sondern als eine wichtige Ergänzung betrachtet werden (vgl. a. a. O., 172).
Es ist meine Absicht, mit den im Folgenden (teilweise exemplarisch für die Stadt Düsseldorf dargestellten, aber auch darüber hinausgehenden) Anregungen eine wie beschriebene Naturerfahrung anzuregen und möglich zu machen. Und wenn es glückt, vielleicht auch das eine oder andere Naturerlebnis.
Ich selbst meine dies schon mehrfach erfahren zu haben. Die geneigte Leserin/der geneigte Leser sei auf die Fotos verwiesen, die in lockerer Reihenfolge bislang kontinuierlich auf der Homepage von www.sfg-medien-verlag.de erschienen sind.
Erst diese Betrachtungen haben mich, nach einem drei Jahrzehnte zurückliegenden Studium der Biologie, für die Schönheit der Natur wach werden lassen.
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- Arbeit zitieren
- Apl. Professor Dr. Christel Rittmeyer (Autor:in), 2010, Umweltbildung - Theoretische Grundlagen und praktische Hinweise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148516
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