In dieser Arbeit werden exemplarisch optimierte Medienangebote für das Lernen an Stationen vorgestellt, die das eigenverantwortliche und selbstbestimmte Lernen ermöglichen. Neben fachdidaktischen und fachwissenschaftliche Darstellungen zum Arbeitsthema liegt der besondere Aspekt dabei, dass die exemplarischen Medienangebote für den praktischen Einsatz konzipiert sind. So enthalten die Unterkapitel alle für den Unterricht relevanten Elemente. Sie können zusammen mit den im Anhang befindlichen Kopiervorlagen blockweise entnommen und direkt im Unterricht eingesetzt werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Der historische Rahmen
2.1. Die Zeit Karls des Großen
2.2. Das Itinerar Karls des Großen
3. Lernen an Stationen
3.1. Entstehungsgeschichte
3.2. Prinzipien des Lernens an Stationen
3.3. Einordnung in die Unterrichtsphasen
3.4. Die Rolle des Schülers
3.5. Die Rolle des Lehrers
3.6. Möglichkeiten und Grenzen
4. Medien im Geschichtsunterricht
4.1. Definition
4.2. Kategorisierungen
4.3. Das Arbeitsblatt im Geschichtsunterricht
4.3.1. Typen
4.3.2. Funktionen
4.3.3. Gestaltungskriterien
5. Konkretisierung
5.1. Allgemein gültige Zieldimensionen
5.2. Formale Gestaltung der Medienangebote
6. Medienangebote
6.1. Station Ingelheim: Die Versorgung des Königs
6.1.1. Didaktisch reduzierte Sachdarstellung
6.1.2. Zieldimensionen der Station
6.1.3. Medienangebot konkret
6.1.4. Erwartetes Arbeitsergebnis
6.1.5. Didaktische Kommentierung des Medienangebots
6.2. Station Paderborn: Das Lehnswesen
6.2.1. Didaktisch reduzierte Sachdarstellung
6.2.2. Zieldimensionen der Station
6.2.3. Medienangebot konkret
6.2.4. Erwartetes Arbeitsergebnis
6.2.5. Didaktische Kommentierung des Medienangebots
6.3. Station Diedenhofen: Die Erweiterung des Reiches
6.3.1. Didaktisch reduzierte Sachdarstellung
6.3.2. Zieldimensionen der Station
6.3.3. Medienangebot konkret
6.3.4. Erwartetes Arbeitsergebnis
6.3.5. Didaktische Kommentierung des Medienangebots
6.4. Station Aachen: Die Sicherung des Reiches
6.4.1. Didaktisch reduzierte Sachdarstellung
6.4.2. Zieldimensionen der Station
6.4.3. Medienangebot konkret
6.4.4. Erwartetes Arbeitsergebnis
6.4.5. Didaktische Kommentierung des Medienangebots
7. Schlussfolgerung
8. Abbildungsverzeichnis
9. Literaturverzeichnis
10. Anhang
1. Einleitung
... ich konnte einfach nicht glauben, daß zwölf Jahre ungemilderter
Langeweile alles waren, was der Staat Alabama mir zugedacht hatte.[1]
Mit diesen Worten beurteilt Scout, Protagonistin des Jugendbuchklassikers Wer die Nachtigall stört ..., die Erfahrungen ihrer ersten beiden Schuljahre. Die Autorin Harper Lee bringt damit ein Problem auf den Punkt: Die meisten Schüler finden Schule langweilig. Daher sind meines Erachtens Ort und Zeit dieser Äußerung beliebig austauschbar.
Inzwischen hat sich der Geschichtsunterricht zu den unbeliebtesten im Fächerkanon entwickelt, wie Bodo von Borries' empirische Forschung aus den Mittneunzigern zeigt.[2] Nach seiner Untersuchung resultiert dies im Bereich der Medien aus der häufigen Nutzung des bei Schülern unbeliebten Schulgeschichtsbuchs und der Textquellen. Im Bereich der Methoden ist die Lehrdominanz der Plenumsarbeit ursächlich für diese Unbeliebtheit. Dass Schülern stoisch in 45-minütigen Abständen ohne Herausforderung und Abwechslung vorgedachte Gedanken präsentiert werden und diese deshalb geistig den Unterricht verlassen und sich nicht mehr beteiligen, lässt sich leicht nachvollziehen.
Dieses Problem gründet vor allem in der Nichtbeachtung der individuellen Lernprozesse der Schüler. Ein traditionell vom Lehrer dominierter Unterricht kann nur in gelenkten Schülerpersönlichkeiten enden, was wiederum der Erziehung zu demokratisch denkenden und selbstbestimmten Individuen grundsätzlich widerspricht. Hier müssen, angepasst an die Bedürfnisse der Schüler und die Anforderungen einer modernen Welt, alternative Lernformen ansetzen.
Abbildung 1: Traditioneller Unterricht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Verfasser unbekannt. In: Sydow, Wulfhild: Agenda Methoden & Medien. TU-Berlin: Fachdidaktik Geschichte, 2003.
Allerdings stößt bereits der Begriff alternative Lernform bei vielen Unterrichtenden auf eine Mauer von Vorurteilen durch irrtümliche Vorstellungen, wie ich in der Vorbereitung zu der vorliegenden Arbeit in Seminaren, von Kommilitonen und Lehrern feststellen musste. Durch die von ihnen gestellte immergleiche Frage nach Überprüfung und Benotung des eigenverantwortlich arbeitenden Schülers erkannte ich, dass weniger die Ahnungslosigkeit den Zugang zu Alternativen versperrt: Die Abtretung der Kontrolle über den Unterrichtsprozess zugunsten selbständiger Schülerarbeit widerspricht dem Selbstverständnis der meisten Lehrer. Auch nach Erläuterung der Möglichkeiten offener Unterrichtsformen, insbesondere des vom Lehrer gestalteten Rahmens der Lehrinhalte und Medien, konnte ich nur schwaches Interesse an einer revidierten Lehrerrolle und dieser Methode feststellen.
Doch fordert der aktuelle Berliner Rahmenlehrplan neben der Nennung der klassenstufenbezogenen Unterrichtsthemen vom Lehrer eine Schwerpunktsetzung auf Kompetenz-Vermittlung, die den Schüler auf ein lebenslanges Lernen vorbereiten soll: Die abfragebereiten Sachinformationen treten in den Hintergrund, wo nun die Fähigkeit zum selbständigen, selbstmotivierten und eigenverantwortlichen Arbeiten sowie Wissenserwerb verlangt wird. Der individuelle Lernprozess von Schülern ist nicht zu kontrollieren; gleich dem Black-Box-Prinzip können Lehrer nur den Input bestimmen und den Output bewerten.
Das Ziel des Geschichtsunterrichts ist also formuliert und die Tatsache des nicht kontrollierbaren Lernprozesses festgestellt. Der Rahmen der Wissens- und Kompetenzvermittlung bleibt demnach die einzig vom Lehrer gestaltbare Variable. Als Methode hierfür bieten sich freie Unterrichtformen an, da durch sie eine nachhaltige Wissens- und Kompetenz-Vermittlung bzw. -Aneignung möglich ist.
Bei der Themenwahl „Das Frankenreich zur Zeit Karls des Großen" habe ich mich an den Vorschlägen des Berliner Rahmenlehrplanes[3] für die Klassenstufe 7 orientiert. Anhand des Itinerars Karls des Großen lassen sich die epochenspezifischen Sachverhalte darstellen. Methodisch fällt die Wahl in dieser Arbeit auf das Lernen an Stationen, da es am besten unter den freien Unterrichtsformen in den bestehenden schulischen Alltag integriert werden kann. Zudem bieten sich hier für den Anfang des Schuljahres das Kennenlernen der Schüler in einer neu zusammengesetzten Klasse an sowie die Möglichkeit, dabei die Methoden- und Medienkompetenzen des Schülers zu ermitteln.
In dieser Arbeit werden exemplarisch optimierte Medienangebote vorgestellt, die das eigenverantwortliche und selbstbestimmte Lernen ermöglichen.
Diesen Punkten folgend ist die vorliegende Arbeit aufgebaut. Der besondere Aspekt ist hierbei, dass die Medienangebote für den praktischen Einsatz konzipiert sind. So enthalten die Unterkapitel des Abschnitts 6 alle für den Unterricht relevanten Elemente. Sie können zusammen mit den im Anhang befindlichen Kopiervorlagen blockweise entnommen und direkt im Unterricht eingesetzt werden.
2. Der historische Rahmen
2.1. Die Zeit Karls des Großen
Mit der Zeit Karls des Großen sind nicht allein die Regierungsjahre von 768 bis 814 gemeint, sondern eine ganze Epoche, die durch die Persönlichkeit Karls geprägt wurde. Obwohl uns etwa 1.200 Jahre von dieser Zeit trennen, ist die „Erinnerung an sein Lebenswerk, an die geschichtliche Bedeutung seines Reiches niemals verloren gegangen."[4] Über den Karolinger Karl sind wir bestens unterrichtet, sowohl aus zeitgenössischen Quellen als auch aus späteren Legenden. Gerade letztere bieten in ihrer Verklärung die Möglichkeit, sich mit der Ursache für das Karlsbild auseinanderzusetzen, das über Jahrhunderte geformt wurde. Immer wieder bezogen sich große Herrscher Deutschlands und Frankreichs auf Karl und versuchten, ihre Machtansprüche in eine Kontinuität zu dem Frankenkönig zu stellen. Im Jahr 1165 wurde Karl auf Betreiben Friedrichs II. sogar heilig gesprochen. Was also war an Karl so außergewöhnlich, so groß? Nachdem der zwanzigjährige Karl[5] im Jahr 768 mit seinem Bruder Karlmann das Erbe des Vaters antrat, waren die ersten Jahre ihrer Herrschaft vom Bruderzwist überschattet, der mit Karlmanns frühem Tod 771 endete. Umgehend ließ sich Karl von Karlmanns Reichselite ihrer Unterstützung versichern und konnte somit die Einheit des geteilten Reiches seines Vaters Pippin wiederherstellen.
Für den jungen König galt es, die wackeligen inneren Strukturen des Reiches zu festigen: Hierzu bediente er sich vorerst der traditionellen Mittel der Gebietsschenkung und der Amtsübertragung an die Großen des Reiches.[6] Doch da solche alten Bindungsformen nicht mehr zu greifen schienen, verfolgte Karl parallel dazu eine zentral beaufsichtigte Reichsverwaltung. Dies bedeutete die Reformierung der Verwaltung und der Reichskirche. Karl schuf den Dienstadel, etwa die Hofkapelle als oberste Verwaltungsbehörde und das Amt des Grafen, und förderte die Reichseinheit durch erlassene Kapitularien[7], die die Zersetzung der Rechtseinheit[8] aufhielten und deren Einhaltung von den missi dominici Karls reichsweit überwacht wurde. Außerdem nutzte er die Verwaltungsstrukturen der Kirche, indem er ihr Ländereien schenkte, Bistümer errichtete und somit den kirchlichen Adel lehnsrechtlich an sich band.
Seine Leistung in der Schaffung der Reichseinheit lag darin, wie Max Kerner schreibt, dass Karl „das in der Zeit der Völkerwanderung [...] entstandene romanische und germanische Europa zu einer neuen karolingisch geführten und fränkisch geprägten Einheit"[9] zusammengefasst hatte. Seine Verfassungsinstitutionen wirkten vorbildhaft für die weitere Geschichte Europas.
Die frühen Jahre der Herrschaft Karls waren durch die aggressive Expansion gegen die Langobarden, Bayern, Sachsen sowie Basken, Awaren und Sarrazenen geprägt, die die Größe des Reiches seines Vaters Pippin beinahe verdoppelte. Die Unterwerfung Tassilos III. spiegelt wider, dass die Uneinheit des fränkischen Adels die einst fragile Autorität Karls nur stärken konnte. Dieser nahm anschließend im Jahr 789 allen freien Männern einen reichsweiten Treueschwur ab. Seine Kaiserjahre wiederum waren dem Schutz und der Befestigung seines Reiches gewidmet. So wurde beispielsweise mit der Spanischen Mark die Grundlage für die hochmittelalterliche Reconquista gelegt.[10]
Die Italienpolitik Karls und die Zurückdrängung des byzantinischen Einflusses schufen die Grundlage für die Festigung des mittelalterlichen Kirchenstaates. In der Bestätigung der Pippinischen Schenkung und Karls Kaiserkrönung zum Weihnachtsfest 800 kann das Fundament für das Heilige Römische Reich und dessen Allianz mit dem Kirchenstaat gesehen werden.
Die Zeit Karls des Großen war durch das Beleben der mittelalterlichen Kultur geprägt. Im Zentrum der karolingischen Renaissance befand sich die Einrichtung von Pfalzschulen, die vorbildhaft für Dom- und Klosterschulen in den kommenden Jahrhunderten werden sollten: Hier wurden antike Bildungsinhalte und Bildungsideale wiederbelebt. Schwerpunkt lag dabei im Studium der antiken und frühchristlichen Literatur. Daraus entstand der für folgende Jahrhunderte gültige Bildungsstandard der septem artes liberales. Die Vereinheitlichung betrieb Karl auch bei den unterschiedlichen Schriftarten, die es im Reich gab. Mit der Karolingischen Minuskel wurde die Ausgangsform für alle Kleinbuchstaben der späteren Antiqua-Schriften (Serifenschriften) geschaffen.
Das Frankenreich zur Zeit Karls des Großen wurde von Reformierung, Vereinheitlichung und Strukturierung in den politischen, sozialen und kulturellen Bereichen in einem Maße geprägt, das es seit dem Untergang des Römischen Reiches nicht mehr gegeben hatte. Dies brachte Karl schon zu Lebzeiten den Vergleich mit den Kaisern der Antike ein.
Abbildung 2: Beispiel für die Karolingische Minuskel (linke Seite) im Gegensatz zu Capitalis (rechte Seite)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Diese Handschrift (um 830) aus dem Besitz König Ludwigs des Deutschen. München: Bayerische Staatsbibliothek, Clm. 14098, f. 119v und 120r.
2.2. Das Itinerar Karls des Großen
Itinerare sind das feste Gerippe der Reichsgeschichte, welches gestattet, auch das ungenau Überlieferte richtigzustellen, die nach Zeit und Ort nicht genügend bestimmten Nachrichten an der ihnen zukommenden Stelle einzureihen und zu verwerten.[11]
Diese 130 Jahre alten Worte Julius von Fickers[12] sind nach wie vor historisch unumstritten. Das Itinerar Karls des Großen ist sehr gut erforscht und bis auf wenige Orte[13] können die Stationen des Karolingers nachgewiesen werden. Sie belegen nicht nur den bloßen Aufenthalt, sondern lassen Rückschlüsse auf das durch königlichen Besitz, Herkunft des Königshauses, geografische Bedingungen und Traditionen gefasste Kernland des Herrschers zu.
Da die karolingischen Könige ihr Reich ständig bereisten, gab es keine Hauptstadt. Oft wird leider missverständlich[14] oder sogar falsch[15] dargestellt, dass nur aus Ermangelung einer zentralen Stadt, in der alle Regierungs- und Verwaltungsaufgaben gebündelt waren, gereist wurde. Vielmehr ist das Reisekönigtum als ein Kontr oll verfahren zu sehen. Der König musste immer wieder Präsenz in allen Teilen des enorm großen Reiches zeigen, damit sein Herrschaftsanspruch am jeweiligen Ort gefestigt wurde oder blieb. Dies beweisen die Aufenthalte Karls des Großen in Nord- und Mittelitalien, in Bayern und in den Gebieten der Sachsen. Zudem besaßen bereits die Merowinger Zentren der Macht, wie Paris, Reims, Metz oder Soissons, die durchaus Hauptstadtcharakter hatten. Auch die fast ausschließlich in Aachen stattfindenden Aufenthalte Karls des Großen in den letzten Jahren seiner Herrschaft belegen dies.
Die Anzahl der Domänen, die Besitz des Königs waren, stieg seit Karl Martell bis zu Karl dem Großen ständig.[16] Viele ländliche Güter wurden bereits zur Zeit der Merowinger gegründet,[17] auch wenn sie nicht bevorzugte Orte für die Aufenthalte der Könige waren.[18] Für die Bewältigung der logistischen Probleme in der Versorgung und Beherbergung wurde auf den Gütern der Herrscher ein Netz aus
Königshöfen und Pfalzen[19] geschaffen. Karl der Große übernahm zwar von seinem Vater Pippin dem Jüngeren bevorzugte Aufenthaltsorte,[20] baute aber auch von ihm selbst bevorzugte Königshöfe zu Pfalzen aus.[21] Das Pf alz wesen fand durch die territoriale Expansions- und Sicherungspolitik Karls des Großen seinen Höhepunkt. Zudem bekam die Reichsverwaltung durch die von Karl 812 erlassene Güterverordnung Capitulate de villis vel curtis imperii mit ihren detaillierten Anordnungen zur Verwaltung der Königsgüter ein wirtschaftlich festes Gefüge.
Die Informationen über die Aufenthalte der Karolinger auf den Pfalzen und Königsgütern erhalten wir durch Urkunden, die von Engelbert Mühlbacher in den Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751 - 918 in der von Johann Friedrich Böhmer begründeten Reihe der Regesta Imperii verzeichnet sind. Adolf Gauert betont, dass „die Überlieferungen nur selten den Reiseweg des Königs soweit erkennen lässt, dass er mit bestimmten Straßen zu identifizieren ist"[22] und sich deshalb die Forschung auf die Abfolge der nach Zeit und Ort bestimmbaren Aufenthalte festlegt. Diese umfassende Forschung macht es heute möglich, die Lage vieler überlieferter Ortsnamen zu identifizieren. Die meisten der nachgewiesenen Aufenthaltsorte von Karl dem Großen sind im Gebiet zwischen Paderborn im Norden, Remiremont im Süden, Frankfurt im Osten und St. Denis im Westen gelegen. Auf die Orte, die außerhalb dieses Bereiches liegen, wird in dieser Arbeit nicht eingegangen.[23] Hierzu betont Adolf Gauert, dass [...] sich unter Karl dem Großen der Schwerpunkt des Reiches in die Gebiete von Maas und Rhein verlagert hat, weil Sachsen und Baiern dem Reich eingegliedert und nicht wie das als regnum organisierte Italien nur angefügt worden sind[24]
Die Aufzeichnungen über das Itinerar bieten für die vorliegende Arbeit die Möglichkeit, die geschichtlichen Sachverhalte zur Zeit Karls des Großen historisch nachweisbar zu verorten. Die Auswahl fällt hierbei auf Pfalzen Karls des Großen, die sich im Kernland des Reiches befanden: Ingelheim, Diedenhofen, Paderborn und Aachen. Auf eine detaillierte Darstellung der Pfalzen wird in dieser Arbeit verzichtet, da es nicht Ziel der Stationen ist, Wissen über die jeweilige Pfalz zu vermitteln. In Fällen, in denen Sachinformationen zu einer Pfalz für die Station von Bedeutung sind, werden diese im jeweiligen Kapitel geliefert.
Abbildung 3: Karte des Frankenreiches mit den für diese Arbeit ausgewählten Pfalzen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Lernen an Stationen
3.1. Entstehungsgeschichte
Die Unterrichtsform des Lernens an Stationen ist synonym zu den Begrifflichkeiten Stationenlernen, Lernzirkel, Übungszirkel, Zirkeltraining, Stationentraining. Den meisten Schülern ist diese Unterrichtsform nur aus dem Sportunterricht als circuit training bekannt, das von den Engländern Ronald Ernest Morgan und Graham Thomas Adamson 1952 entwickelt wurde.
Seinen Ursprung hat das Lernen an Stationen im Daltonplan.[25] Dieser wurde 1920 von der amerikanischen Reformpädagogin Helen Parkhurst[26] für die Public-High-School in Dalton im US-Bundesstaat Massachusetts entwickelt. Helen Parkhurst schuf mit ihrem Daltonplan die Möglichkeit, ausgerichtet auf individuelle Lerngeschwindigkeiten und persönliche Interessen der Schüler, binnendifferenzierte Lehrpläne zu erstellen. Doch da Helen Parkhursts Konzept neben der Auflösung der Klassenverbände vor allem eine Fortentwicklung des traditionellen Unterrichtsraumprinzips hin zu einem materiell aufwändigeren Facharbeitsraumprinzip verlangte, konnte sich der Daltonplan weder in den USA noch später in der Bundesrepublik durchsetzen.[27] In den Niederlanden etwa fand der Daltonplan wiederum großen Zuspruch und ist dort heute vor allem in den Grundschulen stark verbreitet.
Die Idee Helen Parkhursts zur individuellen Förderung nach Interessen und Lerngeschwindigkeit der Schüler wurde, wenn auch nur teilweise, erst wieder in den 1980er Jahren im Grundschulbereich der Bundesrepublik aufgegriffen. Im Sommer 1980 prägte Ilona Gnoth, Grundschullehrerin aus Aidlingen bei Stuttgart, den Begriff Stationenlernen während eines Lehrgangs. Sie stellte Lehrmaterialien für den Leseunterricht vor, die an Lernstationen den Schülern zur freien Bearbeitung angeboten wurden.[28] Anwendung fanden die Ideen im Unterricht der Mathematik und der Sachfächer an Grund- und Hauptschulen. In den 1990er Jahren wurde das Lernen an Stationen in weiteren Fächern der Sekundarstufen I und II benutzt. Obwohl es seit dieser Zeit vermehrt Veröffentlichungen und Unterrichtsvorschläge zum Lernen an Stationen gegeben hat, findet diese Unterrichtsform gerade im Geschichtsunterricht der staatlichen Regelschule sehr selten statt. Auf die möglichen Gründe hierfür soll später eingegangen werden.
3.2. Prinzipien des Lernens an Stationen
Das in dieser Arbeit vorgestellte Lernen an Stationen unterscheidet sich in einigen Punkten von herkömmlichen Formen des Lernens an Stationen.
Peter Gautschi zählt in seinem Aufsatz[29] für das Lernen an Stationen vier grundsätzliche Formen auf: Klassische Werkstatt, Zukunftswerkstatt, Lernstatt und Lernwerkstatt. Claus Georg Krieger weiß letztere noch weiter zu unterscheiden nach Lernzirkel und Lernmosaik, wobei sich beide in der Reihenfolge der Bearbeitung der Stationen unterscheiden.[30]
Abbildung 4: Darstellung des Schemas Freier Unterrichtsformen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigendarstellung nach Gautschi, Peter: Lernen an Stationen. In: Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht. Hrsg. von Ulrich Mayer u.a. Schwalbach: Wochenschau-Verlag, 2004. und Krieger, Claus Georg: Schritt für Schritt zur Freiarbeit. Hohengehren: Schneider, 2000.
- Der Lernzirkel verlangt eine vorgegebene Reihenfolge mit aufeinander aufbauenden Lernstationen.
- Das Lernmosaik besteht aus Lernstationen, die unabhängig und in beliebiger Reihenfolge bearbeitet werden können. Alle Stationen zusammen ergeben, wie bei einem Mosaik, ein Gesamtbild des Themas.
Auf die Form des Lernmosaiks, die bekannteste Form des Lernens an Stationen, wird im Folgenden näher eingegangen,[31] da die in dieser Arbeit vorgestellten Medienangebote für diese Form konzipiert wurden. Begrifflich verwende ich aber hierbei die gängige Bezeichnung Lernen an Stationen.
Grundlegendes Prinzip des Lernens an Stationen ist, dass alle Schüler einer Lerngruppe zur gleichen Zeit abwechselnd an verschiedenen Lernstationen arbeiten, die im Regelfall im Unterrichtsraum aufgebaut sind. Die an jeder Lernstation angebotenen Materialien müssen didaktisch so aufbereitet sein, dass der Schüler selbständig an der Station arbeiten kann. Die Aufbereitung der einzelnen Stationsthemen durch den Lehrer muss so geschehen, dass sich jede Station unabhängig bearbeiten lässt, ohne auf Informationen anderer Stationen aufzubauen, so dass auf diese nicht zurückgegriffen werden muss. Nur dieses Lernen ermöglicht die freie Wahl des Schülers, an welche Station er als nächstes wechseln wird.
Bei der Verteilung der Themen bietet sich die Möglichkeit, eine Unterscheidung zwischen obligatorisch und fakultativ zu bearbeitenden Stationen vorzunehmen. Die fakultativen Stationen können als Puffer für die Schüler dienen, die bereits alle obligatorischen Stationen durchlaufen haben, während ihre Mitschüler noch an ihnen arbeiten. Die verbreitete Auffassung, die fakultativen Stationen mit besonders motivierenden Themen oder Medien auszustatten, lehne ich allerdings ab; Schüler auf diese Art anzuspornen, die obligatorischen Stationen zügiger zu bearbeiten oder gar schnellere Schüler zu belohnen, widerspricht nicht nur jedem Verständnis von offenen Unterrichtsformen, sondern den Grundsätzen moderner Pädagogik.
Inhaltlich müssen alle Stationsthemen einem Hauptthema untergeordnet sein. Zusammen sollen alle Stationsthemen eine komplexe Sicht auf das Hauptthema ermöglichen. Hierbei ist im besonderen Maße die Fähigkeit des Lehrers zur didaktischen Reduzierung gefordert. Folgende Fragen müssen berücksichtigt werden:
- Lässt sich das Hauptthema in ausreichend und sinnvoll differenzierte Stationsthemen unterteilen?
- Können die Stationsthemen bearbeitet werden, ohne dass sich chronologische Notwendigkeiten und Abhängigkeiten in der Reihenfolge der Ereignisse ergeben?[32]
- Gibt es genügend unterschiedliche Medien, die für ein abwechslungsreiches Angebot aufbereitet werden können?
An den Stationen kann in unterschiedlichen Kooperationsformen gearbeitet werden. So ist es denkbar, dass an einer Station in Teamarbeit ein Problem gelöst werden soll, an einer anderen Station sich der Schüler einen Partner suchen muss, um einen Text in verteilten Rollen zu lesen, und an einer dritten Station in Individualarbeit ein Arbeitsbogen auszufüllen ist. Ein so durchgeführtes Lernen an Stationen wird durch den Wechsel der Kooperationsformen zu einer Kooperationsmelange. Roland Bauer schlägt sogar vor, dass die Kooperationsform von den Schülern selbst gewählt werden kann;[33] wie dies praktisch aussehen soll, lässt er allerdings offen. Für Roland Bauers Vorschlag bedarf es einer hohen Kompetenz der Schüler im Arbeiten mit verschiedenen Kooperationsformen, die über Jahre entwickelt werden muss. Zwar vertritt Roland Bauer das Lernen an Stationen vorrangig in der Sekundarstufe I, sein Vorschlag aber ist doch eher das hohe Ziel des schulischen Kompetenzerwerbs und in seiner vollständigen Realisation erst in der Sekundarstufe II zu erwarten.
Die Ergebnissicherung der einzelnen Stationen findet vorzugsweise auf Arbeitsblättern statt, die an den Stationen ausliegen, und vom Schüler gesammelt, in einem Portfolio zusammengefasst werden. Wenn sich das Lernen an Stationen über mehrere Unterrichtstunden erstreckt, sollte das Portfolio über diesen Zeitraum beim Lehrer verwahrt werden, der so den Arbeitsstand eines jeden Schülers auswerten kann. Zum Ende des Lernens an Stationen erhält jeder Schüler sein Portfolio für seine Unterrichtsunterlagen zurück. Kerstin Michalik schlägt vor, dass die Arbeitsergebnisse der Schüler in einem für alle fotokopierten Buch zusammengefasst werden.[34] Dies erinnert sehr an eine Projektmappe, was ich beim Lernen an Stationen für keine glückliche Lösung halte. Die eigene Arbeitsmappe bzw. das eigene Portfolio trägt eine wesentlich höhere Motivationskraft und Wertschätzung in sich. Durch den Wechsel von, für den Schüler frei wählbaren und durch den Lehrer vorgegebenen, Elementen im Lernen an Stationen, also einer gelenkten bzw. programmierten Form der Freiarbeit,[35] entwickeln sich neue Rollenmuster beim Schüler und Lehrer.
3.3. Einordnung in die Unterrichtsphasen
In Anlehnung an Peter Gautschis Aufsatz sind für das Lernen an Stationen drei Konfigurationsformen möglich:[36]
- Die Einstiegswerkstatt bietet zum Beginn einer neuen Unterrichtseinheit oder eines neuen Unterrichtsthemas Stationen an, an denen eine erste Begegnung mit dem Thema stattfindet. Schwerpunkt bei der Einstiegswerkstatt liegt auf dem Fragen entwickelnden Arbeiten durch die Schüler. Sie sollen durch das Angebot für das Thema motiviert werden und die Bereitschaft entwickeln, in der Einstiegsphase aufgeworfene Fragen und Probleme im weiteren Unterrichtsverlauf zu bearbeiten und zu beantworten.
- Die Erarbeitungswerkstatt findet vorzugsweise nach einem in Plenumsarbeit geführten Einstieg statt. Abstrakte und voraussetzungsreiche Inhalte und Zusammenhänge, die nur systematisch oder prozesshaft vermittelt werden können, müssen zuvor in Plenumsarbeit vermittelt worden sein. Die Angebote an den Stationen bieten dem Schüler die Möglichkeit, das Thema umfassend zu erarbeiten. Schwerpunkte können auf das emotionale Erleben und Erfahren sowie das Erkunden gelegt werden. Die Erarbeitungswerkstatt ist stärker programmiert als die Einstiegswerkstatt.
- Die Festigungswerkstatt (von Peter Gautschi auch Übungsoder Repititionswerkstatt genannt) findet am Ende einer Unterrichtseinheit oder eines Unterrichtsthemas statt. Das Medienangebot ist so gestaltet, dass bereits erworbenes Sachwissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, wie zum Beispiel der Umgang mit Texten, Bildern, Karten etc., angewandt und gefestigt werden.
3.4. Die Rolle des Schülers
Dass die homogene Wissensvermittlung im traditionellen Unterricht bei den zunehmend heterogenen Lerngruppen schnell an ihre Grenzen stößt, ist allgemein bekannt. Doch leider werden an den wenigsten Schulen die notwendigen Schlüsse aus diesem Wissen gezogen. Der Schüler als anpassungsfähiges Individuum erträgt so im Laufe seiner Schullaufbahn viel Unterricht mit wenig nachhaltigem Lerneffekt. Auf die individuellen Lernbedürfnisse der Schüler einzugehen und überhaupt Unterstützung bei der Entwicklung eigener Lernstrategien zu leisten, gilt vielen Lehrern als wenig realisierbar. Ganz zu schweigen, dass sie dazu während ihres Studiums an den deutschen Hochschulen nicht oder unzureichend ausgebildet werden. Zudem erwartet der konditionierte Schüler auch nicht, dass auf seine Lernbedürfnisse eingegangen wird.
Beim Lernen an Stationen rücken vielmehr die individuellen Lernstrategien und damit der Schüler als Persönlichkeit in den Vordergrund. Das selbständige und, zumindest teilweise, eigenverantwortlich organisierte Lernen ermöglicht dem Schüler, seinen Lernprozess an das von ihm bevorzugte Lerntempo, das eigene Niveau und die angebotenen Sozialformen anzupassen. Der Schüler erhält so die Möglichkeit, den eigenen Lernprozess zu verstehen, zu steuern und neue Lernstrategien zu erlernen. Diese Integration des Lernenden in den Unterrichtsprozess unterstützt den Schüler zudem in der Entwicklung seiner Persönlichkeit, er trifft Entscheidungen, setzt Schwerpunkte und positioniert sich in einer Gruppe.
3.5. Die Rolle des Lehrers
Das Lernen an Stationen erfordert vorrangig ein alternatives Selbstverständnis der Lehrkraft, das weniger die pauschale Vermittlung fachwissenschaftlichen Wissens in den Vordergrund stellt als vielmehr die Entwicklung selbständiger Lernstrategien auf der Basis der individuellen Schülerpersönlichkeiten.
Bedingung für ein erfolgreiches Lernen an Stationen ist ein differenziertes Verständnis des Lehrers für die unterschiedlichen Lernwege der Schüler, woraus ein Angebot vielfältiger Lernsituationen hinsichtlich der Kooperations- und Kommunikationsformen zwingend notwendig wird.
Das Lernen an Stationen verlangt vom Lehrer das Schaffen eines Überangebotes an Inhalten, um neben der Auswahl der Lernsituationen auch den verschiedenen Interessen der Schüler, über das obligatorische Wissen hinaus gerecht werden zu können.
Der Unterricht wird so vom Lehrer zu einer Wissensplattform gestaltet, die einen hohen Arbeitsaufwand im Vorfeld verlangt, dem Lehrer jedoch Freiraum im Unterricht für eine angemessene und konstruktive Begleitung des Lernens der Schüler schafft. Der Lehrer wird mehr als im traditionellen Unterricht zu einem Initiator und Begleiter der individuellen Lernprozesse seiner Schüler. Gerade diese Veränderung im Rollenverständnis verlangt den meisten Lehrern sehr viel ab. Aus meiner Erfahrung mit Kommilitonen stelle ich fest, dass dies keine Frage des Alters, sondern der fundamentalen Einstellung zum Beruf ist.
3.6. Möglichkeiten und Grenzen
Das Lernen an Stationen bietet eine beträchtliche Anzahl an Möglichkeiten für den modernen Unterricht[37] - gerade in Bezug auf die vielfältigen Forderungen nach einer Reformierung des Unterrichts an staatlichen Schulen und die damit verbundene Schwerpunktlegung auf den Kompetenzerwerb. Ziel ist es heute, den Schüler zum lebenslangen Lernen zu befähigen und zu motivieren. So haben bestimmte Fähigkeiten, zum Beispiel das Beschaffen und das Auswerten von Informationen oder der sichere und sachgerechte Umgang mit vergangenen und gegenwärtigen Medien, einen höheren Stellenwert als etwa das Wissen um das Geburtsdatum Karls des Großen.[38] Als eine Form des offenen Unterrichts ermöglicht das Lernen an Stationen die schrittweise und kontinuierliche Hinführung zur Freiarbeit, also das Heranführen des Unterrichts an die Prozesse des Wissenserwerbs, die der Alltagsrealität des modernen Menschen entsprechen.
Lehrende und Lernende erhalten bessere Gestaltungsmöglichkeiten für produktive Arbeitsprozesse, da der direkte Handlungsdruck genommen wird und dies erst die Akzeptanz unterschiedlicher Arbeitstempi und Bearbeitungsansätze ermöglicht.
Nicht zu unterschätzen ist der Motivationsschub, der von einem Unterricht ausgeht, der Schüler ernst nimmt und Lehrern die Möglichkeit gibt, auch während des Unterrichts individuell zu betreuen. Im Gegensatz zu vielen anderen Lernformen sind Gespräche der Schüler untereinander erwünscht und notwendig, feste Sitzplatzstrukturen werden aufgelöst und gruppendynamische Prozesse in Gang gesetzt.
Ist das Lernen an Stationen zudem gut geplant und materiell aufbereitet, kann der häufigen methodischen Monotonie vorgebeugt werden beziehungsweise findet methodische Vielfalt sinnvolle Verwendung im Unterricht. Tatsächlich versinkt der angeblich moderne Unterricht oft in einer unerträglichen Methodenfülle, da aus Unwissenheit und Unfähigkeit vielerorts nicht zwischen sinnvollem Einsatz und purem Aktionismus unterschieden wird.
Auch beim Lernen an Stationen gibt es eine Fülle an Problemen, die den Lehrer im Unterrichtsalltag an die Grenzen dieser Unterrichtsform stoßen lassen.
Schon bei der Planung und Vorbereitung ergibt sich speziell im Geschichtsunterricht das Problem der Themenauswahl. Bestimmte Themen eignen sich schlicht nicht für eine Bearbeitung an Stationen, wie zum Beispiel Kriegsverläufe, andere Themen wiederum erfordern eine chronologische Bearbeitung, wie Revolutionen oder die Reformation, und bei dritten lohnt sich einfach der immense Aufwand nicht.
Weiter zählt zu den grundlegenden Problemen das Einfügen einer Unterrichtseinheit mit Lernen an Stationen in den Schulalltag. Lernen an Stationen erfordert einen weit höheren Zeitaufwand in der Durchführung als herkömmlicher Unterricht. Mit gerade zwei Wochenstunden Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe I zieht sich ein komplex geplantes Lernen an Stationen schnell über mehrere Wochen. So veranschlagt Kerstin Michalik in ihrem Unterrichtsvorschlag[39] für vier Lernstationen zur Unterrichtseinheit „Ägypten" zehn Unterrichtsstunden, was also fünf Wochen entspräche. Zuzüglich zur Unterrichtsphase der Hinführung zum Thema (die Kerstin Michalik leider ohne Stundenzahl angibt) beanspruchte die Behandlung dieses Themas also mindestens sechs Wochen, was bei zwanzig Bruttounterrichtswochen mehr als ein Viertel des ersten Schulhalbjahres 2007 / 08 bedeutete. In Anbetracht dieser Tatsache stelle ich mir die Frage, ob dieses Vorgehen sinnvoll ist. Frau Michalik gibt hierauf keine Antwort.
Hat man die Probleme in der Voerbereitung gelöst und sich für einen akzeptablen Zeitrahmen entschieden, werden bei der praktischen Umsetzung weitere Hürden zu nehmen sein, wie das Problem des Umbaus des Unterrichtsraumes. An vielen Schulen wurde das Fachunterrichtsraumprinzip abgeschafft, was den wandernden Lehrer zur Folge hat, der in den kurzen Pausen beim Wechsel des Raumes noch die Materialien für den folgenden Unterricht einsammeln und den Unterrichtsraum vorbereiten muss. Wenn ihn dazu noch das Los der Pausenaufsicht getroffen hat, ist an das Aufbauen von Stationen nicht zu denken.
Hier muss ich bemerken, dass viele der beschriebenen Probleme nicht unlösbar sind. Es kann konstatiert werden, dass die entscheidenden Grenzen für das Lernen an Stationen durch den organisatorischen Rahmen des überholten deutschen Schulsystems gesetzt werden.
4. Medien im Geschichtsunterricht
Zahlreich haben sich Fachdidaktiker mit dem Thema Medien im Geschichtsunterricht beschäftigt. In keinem anderen Unterrichtsfach gibt es so vielfältige Medien und dementsprechend unterschiedliche Kriterien für ihre Kategorisierung, Auswahl, Aufbereitung, Darbietung und Bearbeitung. So gilt es in diesem Kapitel, den Begriff Medien zu definieren, Medien zu kategorisieren und schließlich auf eine relevante Auswahl zum Frankenreich zu reduzieren.
4.1. Definition
Die Menge der Definitionen für den Begriff Medien scheint der Anzahl der Geschichtsdidaktiker, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, zu entsprechen.
Bereits Johann Amos Comenius hatte im 17. Jahrhundert kritisiert, dass Wissensvermittlung in der Schule nur durch die beiden Medien Sprache und Schrift stattfand. In seinem Werk Orbis sensualium pictus[40] nutzte er bildliche Darstellungen, um die schriftlich formulierten Inhalte zu unterstützen. Er schuf damit ein erstes didaktisch aufbereitetes Medienangebot für Schüler und somit einen Vorläufer der modernen Schulbücher.
Ihm folgten zahlreiche Erziehungswissenschaftler, Didaktiker und Pädagogen, wie Johann Heinrich Pestalozzi, Georg Michael Kerschensteiner, Maria Montessori, Peter Petersen und Friedrich Copei, die verbunden mit methodischen Veränderungen mehr Veranschaulichung der Unterrichtsinhalte forderten. Paul Heimann war der erste moderne Didaktiker, der in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts den Begriff Medien für den schulischen Unterricht als besonderes Strukturelement von den Methoden abgrenzte. Er betonte die unterschiedliche Qualität eines jeden Mediums in der Vermittlung der in ihm gespeicherten Inhalte. Horst Gies schreibt hierzu, dass die didaktische Aufbereitung der in den Medien gespeicherten Inhalte „gleichzeitig eine Erklärungs- bzw. Interpretationshilfe und eine perspektivische Reduktion des Lerngegenstandes"[41] darstellt.
Medien müssen also didaktisch aufbereitet werden, damit die in ihnen gespeicherten Informationen für die rezipierenden Schüler erfassbar sind, denn das Medium an sich gibt nur einen geringen Teil seiner Informationen ohne Bearbeitung preis. Bestimmte Informationen werden durch die didaktische Aufbereitung sogar erst konstituiert.
Dies bedeutet allerdings, dass der Lerngegenstand durch die Bearbeitung unweigerlich perspektivisch dargestellt wird. Hierin liegen sowohl Chancen als auch Risiken für den Unterricht: Medien bieten einerseits die Möglichkeit, bestimmte Informationen dem Lerngegenstand angepasst fokussierend zu betrachten. Werden absichtlich bestimmte Informationen falsch gewichtet oder interpretiert, besteht andererseits die Gefahr der Indoktrination.
Die Medien-Definition von Wulfhild Sydow bindet einen weiteren Aspekt ein: „Medien sind Lehr- und Lernmittel, die die primär unanschaubaren Geschichtsinhalte veranschaulichen, konkretisieren, vergegenwärtigen, verlebendigen, aktualisieren und imaginieren sollen."[42]
Die primäre Unanschaubarkeit geschichtlicher Inhalte stellt grundsätzlich ein Problem für den Unterricht dar. Die Perzeption des Kerngegenstandes des Geschichtsunterrichts, also die Vergangenheit, ist nicht mehr möglich. Einzig die Überreste des Vergangenen sind uns überliefert, ob in Form eines Faustkeils, einer Urkunde oder eines Berichts. Direkte Überlieferungen sind ein Teil der Medien, der andere Teil sind die medialen Darstellungen geschichtlicher Ereignisse, Prozesse oder Zustände. Hierzu bemerkte Hans Ebeling:
Genau betrachtet ist die geschichtliche Vergangenheit [...] ein reiner Vorstellungsbegriff, der überhaupt nicht in der Wirklichkeit existiert, sondern eben nur in unseren Köpfen [...] Sie ist eine Fiktion, die wir anhand greifbarer, gegenwärtiger Zeugnisse, Urkunden, Überbleibsel und sonstiger Quellen und durch Analogieschlüsse aus unserem gegenwärtigen Leben vor unserem inneren Auge rekonstruieren.[43]
Die Aufgabe des Geschichtsunterrichts ist es also, für die primär unanschaulichen Inhalte eine Sekundärerfahrung zu ermöglichen. Hierbei gilt es[44]
- das Unsichtbare zu veranschaulichen,
- das Vergangene zu vergegenwärtigen,
- nicht mehr Greifbares zu konkretisieren,
- das nicht mehr Existente zu verlebendigen,
- den verlorenen Bezug zur Lebens- und Erfahrungswelt des Schülers zu aktualisieren,
- eine Quasi-Gegenwart durch Imagination, das heißt durch innere Vorstellungsbilder, zu schaffen.
Diese kognitiven Prozesse können im Geschichtsunterricht nur mit Hilfe von Medien stattfinden.
[...]
[1] Lee, Harper: Wer die Nachtigall stört ... Reinbeck: Rowohlt, 1962. Seite 48.
[2] Vgl. Borries, Bodo von: Empirische Befunde zu Schülerinteresse, Unterrichtsformen und Lernergebnisse. In: Wie weiter? Zur Zukunft des Geschichtsunterrichts. Hrsg. von Hans Jürgen Pandel und Gerhard Schneider. Schwalbach: Wochenschau Verlag, 2001.
[3] Der Einsatz der Themen „Europa als Raum: Frankenreich" und „Biografien von Herrscherpersönlichkeiten als Ausdruck einer Epoche: Karl der Große" ist selbstverständlich auch in Klasse 6 möglich: Vgl. Rahmenlehrplan Sekundarstufe I Geschichte. Hrsg. von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin, 2006. Seite 25.
[4] Kerner, Max: Karl der Große. München: Hugendubel, 2006. Seite 24.
[5] Diese Arbeit folgt der Argumentation Matthias Bechers zum Geburtsdatum Karls am 2. April 748. Vgl. Becher: Karl der Große. Seite 41.
[6] Vgl. Becher, Matthias: Karl der Große. München: Beck, 2. überarbeitete Auflage 1999. Seite 92.
[7] Als bedeutende Kapitularien sind hier das Kapitular von Herstal (779), das capitulare de villis (795) und das Diedenhofener Kapitular (805) zu nennen.
[8] Die Immunität und Sondergerichtsbarkeit der Grundherren wurde aufgehoben. Grafen vertraten von nun an das Gesetz des Königs.
[9] Vgl. Kerner: Karl der Große. Seite 27.
[10] Vgl. ebd.
[11] Ficker, Julius von: Beiträge zur Urkundenlehre. Band 1. Aalen: Scientia, 1966. Seite 1. [Neudruck der Insbrucker Ausgabe von 1877]
[12] Julius von Ficker (1829-1902) war Historiker und Leiter der von Johann Friedrich Böhmer begründeten Regesta Imperii.
[13] Vgl. Gauert, Adolf: Zum Itinerar Karls des Großen. In: Karl der Große - Lebenswerk und Nachleben. Band 1. Hrsg. von Wolfgang Braunfels. 3. Aufl. Düsseldorf: Schwann, 1967. Seite 308.
[14] Vgl. Duden - Basiswissen Schule: Geschichte. Leipzig: Dudenverlag, 2003. Seite 170.
[15] Vgl. Expedition Geschichte. Berlin und Brandenburg Klasse 5/6. Braunschweig: Diesterweg, 2004. Seite 202.
[16] Vgl. Dhont, Jan: Fischer Weltgeschichte. Band 10: Das frühe Mittelalter. Frankfurt a.M.: Fischer, 1995. Seite 66.
[17] Hierzu gehören u. a. Compiegne, Valenciennes, Quierzy, Ver, Attigny, Gondreville und Herstal.
[18] Vgl. Ennen, Edith: Frühgeschichte der europäischen Stadt. Bonn, 1953. Seite 96.
[19] Auf eine Unterscheidung an dieser Stelle wird verzichtet, da sie im Kapitel 6.1.1. vorgenommen wird.
[20] Pippin hielt sich bevorzugt in Attigny, Quierzy, Verberie und Compiegne auf.
[21] Hierzu zählen unter anderem Ingelheim und Paderborn.
[22] Vgl. Gauert: Itinerar. Seite 307.
[23] Die genauere Betrachtung dieser Städte ist durchaus interessant und unter Beachtung der religiös und militärisch motivierten Aufenthalte sehr ergiebig, doch würde dies den gesetzten Rahmen dieser Arbeit sprengen.
[24] Gauert: Itinerar. Seite 319.
[25] Vgl. Popp, Sussane: Der Daltonplan in Theorie und Praxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 1995.
[26] Die amerikanische Reformpädagogin Helen Parkhurst (1887 - 1973) studierte bei Maria Montessori in München.
[27] Hier soll erwähnt werden, dass in Deutschland durchaus einige Projektschulen, zumeist Montessori-Schulen, nach dem Daltonplan unterrichten.
[28] Vgl. Bauer, Roland: Schülergerechtes Arbeiten in der Sekundarstufe I: Lernen an Stationen. 5. Aufl. Berlin: Cornelsen Scriptor, 2006. Seite 57.
[29] Vgl. Gautschi, Peter: Lernen an Stationen. In: Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht. Hrsg. von Ulrich Mayer u.a. Schwalbach: Wochenschau-Verlag, 2004. Seite 519.
[30] Vgl. Krieger, Claus Georg: Schritt für Schritt zur Freiarbeit. Hohengehren: Schneider, 2000. Seite 32.
[31] Auf eine Erläuterung der anderen Formen des Lernens an Stationen wird hier verzichtet, da sie nicht in den Rahmen dieser Arbeit gehören. Es sei diesbezüglich jedoch verwiesen auf: Gautschi: Lernen an Stationen sowie Krieger: Freiarbeit.
[32] Dem entgegen hält Annelie Knapp auch Stationen für möglich, die inhaltlich aufeinander aufbauen. Leider geht sie in ihrem Aufsatz nicht darauf ein, wie das Problem der unterschiedlichen Arbeitsgeschwindigkeit der Schüler beim Durchlaufen der Stationen gelöst werden kann. Vgl. Knapp: Lernzirkel.
[33] Vgl. Bauer: Lernen an Stationen. Seite 59.
[34] Vgl. Michalik, Kerstin: Ägypten an Stationen. In: Geschichte Lernen, Juli 2001. Seite 37.
[35] Zum Thema Freiarbeit sei hier verwiesen auf: Krieger: Freiarbeit.
[36] Gautschi geht hierbei nach dem klassischen Modell der Dreiteilung und nicht dem fünfphasigen Modell der Konfigurationsformen vor. Dies ist durchaus für die Unterscheidung des Lernens an Stationen nützlich. Vgl. Sydow, Wulfhild: Konfigurationsformen des Lehrens und Lernens. In: Vademekum - Praktikumsvorbereitung. TU-Berlin: Fachdidaktik Geschichte, Sommersemester 2003.
[37] Vgl. Bauer: Lernen an Stationen. Seite 60.
[38] Dies soll sicher kein Plädoyer für die Verdrängung des Fachwissens aus dem schulischen Unterricht sein. Ohne fachliche Grundierung sind kein Kompetenzerwerb und somit auch kein Gerechtwerden der modernen Kompetenzanforderungen möglich.
[39] Vgl. Michalik: Ägypten an Stationen. Seite 36.
[40] Orbis sensualium pictus (dt.: Die sichtbare Welt) erschien zuerst 1658 in Nürnberg. Auf 309 Seiten wird die Welt von Gott bis zu den Insekten beschrieben und mit 150 Holzschnitten illustriert.
[41] Gies, Horst: Geschichtsunterricht. Köln: Böhlau, 2004. Seite 215.
[42] Sydow, Wulfhild: Zum Problem der primären Unanschaubarkeit des Unterrichtsfachs Geschichte. Seminarpapier zum Colloquium. TU-Berlin: Fachdidaktik Geschichte, Wintersemester 2005/2006.
[43] Ebeling, Hans: Didaktik und Methodik des Geschichtsunterrichts. Hannover: Schroedel, 6. Auflage 1962.
[44] Vgl. Sydow, Wulfhild: Zum Problem der primären Unanschaubarkeit des Unterrichtsfachs Geschichte. Seminarpapier zum Colloquium. TU-Berlin: Fachdidaktik Geschichte, Wintersemester 2005/2006.
- Quote paper
- Gregor Schitkowsky (Author), 2007, Medienangebote für das Lernen an Stationen zum Thema: „Das Frankenreich zur Zeit Karls des Großen“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148499
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