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Darüber hinaus wurde den Kindern bei Ungehorsamkeit gegenüber den Erwachsenen (Eltern,
aber auch nicht zur Verwandtschaft zählende Erwachsene wie Nachbarn gehörten dazu)
absichtlich Schuldgefühle eingeredet. Da vor allem in dörflicher Umgebung der Glaube,
gleich ob evangelisch oder katholisch, von Kindesbeinen an eine wichtige Rolle spielte,
konnte man die Kinder sehr leicht disziplinieren, wenn man ihnen vorwarf, durch das
Widersprechen gegen die Eltern gegen Gottes Gebot zu handeln. Da gerade kleinere Kinder
eine blühende Fantasie haben, fiel es den Erwachsenen oft nicht schwer, sie durch angebliche
göttliche Strafgerichte in früherer Zeit zum Schweigen und zum Einlenken zu bewegen.
Ich selbst habe in Verwandtenkreisen erlebt, wie ein Kleinkind, das seinen Willen
durchsetzen wollte, mit der Geschichte von der „Schwarzen Hand von Bödefeld“
21eingeschüchtert wurde. Noch bis in die heutige Zeit bedienen sich manche Erwachsene
solcher Geschichten, um Kinder zu disziplinieren. Meist jedoch nicht aus Bosheit, sondern
weil sie es von Kindertagen an nicht anders kannten. Sie selbst wurden nämlich auf diese
Weise ``erzogen“.
In der nun folgenden Hausarbeit werde ich zunächst auf die Grundbedeutungen der Wörter
Vater, Mutter und ehren eingehen. In welchen Zusammenhängen wurden sie
schwerpunktmäßig verwendet, welche Interpretationsmöglichkeiten ergeben sich daraus,
welche nicht ?
In den darauffolgenden Kapiteln werde ich mich mit den verschiedenen Auslegungen des
Elterngebots und deren Hauptinhalte beschäftigen. Besonders wird in dieser Hausarbeit
deutlich, dass das Gebot eben nicht die oben genannte Bedeutung im Sinne absoluter
Elternhörigkeit hat. Auf Details werde ich an angebrachter Stelle in den einzelnen Kapiteln
eingehen.
Im Resumee unter Kapitel IX werde ich die in den vorhergehenden Kapiteln erarbeiteten
Haupterkenntnisse kurz reflektieren, um zu einer persönlichen , abschließenden Bewertung
dieser Thematik zu gelangen.
21 Es handelt sich dabei um eine mumifizierte Hand eines wahrscheinlich ermordeten Kindes. Der Sage nach
schlug dieses Kind seine Eltern, verstieß also gegen das damals wie oben beschriebene Elterngebot und starb
deshalb früh (Strafe Gottes). Wegen des Verstoßes gegen das Elterngebot fand das Kind selbst im Grab keine
Ruhe, sodass seine Hand immer wieder, der Sage nach, aus dem Grab ``wuchs“.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Grundbedeutungen
- Vater
- Mutter
- ehren
- Das Elterngebot
- Die Handlungsweise des Elterngebots
- Der Verheißungscharakter des Elterngebots
- Das Elterngebot als alttestamentarischer Rechtssatz
- Der Interpretationsrahmen des Elterngebots
- Das Elterngebot im altorientalischen Elternrecht
- Das Elterngebot im Bundesbuch
- Das Elternrecht im Gesetzkorpus des Dtn.
- Der ursprüngliche Inhalt des Elterngesetzes im Dekalog
- Gewährleistung der sozialen Sicherung der alten Eltern
- Begründung der elterlichen Autorität
- Die Deutung als Grundlage israelitischer Religionspädagogik
- Die Verheißung im Elterngebot: „Langes Leben im verheißenen Land“
- Herkunft und Inhalt der Motivationsklausel im Elterngebot
- Spuren des Elterngebots auf dem Weg der alttestamentarischen Schriften
- Die Beziehung des Elterngebots zu den Rechtsüberlieferungen im Bundesbuch und im Dtn.
- Das Elterngebot im deuteronomischen Geschichtswerk
- Resumee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Interpretation des biblischen Elterngebots „Du sollst Vater und Mutter ehren“ aus dem Dekalog. Sie untersucht die historischen und kulturellen Hintergründe des Gebots sowie dessen ursprüngliche Bedeutung im Kontext des alttestamentlichen Rechts. Die Arbeit analysiert verschiedene Interpretationsansätze des Elterngebots und widerlegt die weitverbreitete Annahme, dass es absolute Elternhörigkeit fordert.
- Historische und kulturelle Hintergründe des Elterngebots
- Interpretation des Elterngebots im Kontext des alttestamentlichen Rechts
- Analyse verschiedener Interpretationsansätze des Elterngebots
- Widerlegung der Annahme von absoluter Elternhörigkeit
- Die Rolle des Elterngebots in der israelitischen Religionspädagogik
Zusammenfassung der Kapitel
- Das Vorwort stellt den Ausgangspunkt der Arbeit dar und beleuchtet die historische Bedeutung des Elterngebots als Instrument der Erziehung und Disziplinierung.
- Der zweite Teil behandelt die Grundbedeutungen der Wörter Vater, Mutter und ehren im Kontext des alttestamentlichen Lebens.
- Im dritten Kapitel werden die verschiedenen Auslegungen des Elterngebots und deren Hauptinhalte vorgestellt.
- Der vierte Teil untersucht das Elterngebot als Teil des alttestamentarischen Rechts und vergleicht es mit den entsprechenden Vorschriften in anderen altorientalischen Gesellschaften.
- Das fünfte Kapitel beleuchtet den ursprünglichen Inhalt des Elterngebots im Dekalog und seine Bedeutung für die soziale Sicherung der Eltern und die Begründung der elterlichen Autorität.
- Im sechsten Kapitel wird die Verheißung des Elterngebots „Langes Leben im verheißenen Land“ näher betrachtet.
- Der siebte Teil analysiert die Spuren des Elterngebots in anderen alttestamentlichen Schriften, insbesondere in den Rechtsüberlieferungen des Bundesbuches und des Deuteronomiums.
Schlüsselwörter
Elterngebot, Dekalog, alttestamentliches Recht, Religionspädagogik, Elternhörigkeit, altorientalisches Elternrecht, sozialer Sicherung der Eltern, elterliche Autorität, Verheißung, Deuteronomium, Bundesbuch.
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- Georg Thielmann (Author), 2003, Du sollst Vater und Mutter ehren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14829