Die Fuge ist frei. Frei in ihrem Ablauf, frei in ihrer Besetzung und Gestaltung. Diese auf den ersten Blick vielleicht ein wenig überraschend, beinah irritierend anmutende These soll am Beginn dieser Arbeit stehen.
Die architektonische und kunstfertige Konstruktion vieler Fugen, allen voran jene des "Fugenmeisters" Bach, wie Johann Mattheson seinen Zeitgenossen nannte, nötigen uns immer wieder großen Respekt und eine Menge Bewunderung ab. Berücksichtigt man hierbei die vielen Einschränkungen, denen man durch die kontrapunktische Satzart und durch die Stimmführungsregeln unterliegt, so erscheint uns auf den ersten Blick diese These ein wenig unverständlich und realitätsfern. Ich werde in der vorliegenden Arbeit jedoch zu zeigen versuchen, dass neben diesen Einschränkungen und Bedingungen in der ‚Musikart’ der Fugen auch eine große Freiheit verborgen liegt.
Die dis-moll Fuge 8 à 3 aus dem Wohltemperierten Klavier von Bach soll uns für dieses Vorhaben als repräsentatives Beispiel dienen.
Meine Arbeit ist in folgende Teile gegliedert: 1) In einem ersten Schritt werde ich die dis-moll Fuge vorstellen und analysieren, wobei unser Augenmerk insbesondere dem äußerst besonnen gewählten Thema gelten soll.
2) Im Zuge dieser Analyse werden wir in einem nächsten Schritt auf die besondere Problemstellung stoßen, die sich in dieser Fuge manifestiert: Die Schwierigkeit die einzelnen Formteile zu bestimmen und voneinander abzugrenzen.
3) Auf der Grundlage dieser Analyseergebnisse werde ich mich in einem kurzen, abschließenden Teil dann der Form und der Gliederung von Fugen im Allgemeinen zuwenden um schließlich meine eingangs formulierte Hypothese zu begründen.
Dies soll Im Groben die Vorgehensweise sein, beginnen wir also!
Die Formfreiheit der Fuge
Reflexionen über die Großgliederung der dis-moll Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier
Die Fuge ist frei. Frei in ihrem Ablauf, frei in ihrer Besetzung und Gestaltung. Diese auf den ersten Blick vielleicht ein wenig überraschend, beinah irritierend anmutende These soll am Beginn dieser Arbeit stehen.
Die architektonische und kunstfertige Konstruktion vieler Fugen, allen voran jene des "Fugenmeisters" Bach, wie Johann Mattheson seinen Zeitgenossen nannte, nötigen uns immer wieder großen Respekt und eine Menge Bewunderung ab. Berücksichtigt man hierbei die vielen Einschränkungen, denen man durch die kontrapunktische Satzart und durch die Stimmführungsregeln unterliegt, so erscheint uns auf den ersten Blick diese These ein wenig unverständlich und realitätsfern. Ich werde in der vorliegenden Arbeit jedoch zu zeigen versuchen, dass neben diesen Einschränkungen und Bedingungen in der ‚Musikart’ der Fugen auch eine große Freiheit verborgen liegt.
Die dis-moll Fuge 8 à 3 aus dem Wohltemperierten Klavier von Bach soll uns für dieses Vorhaben als repräsentatives Beispiel dienen.
Meine Arbeit ist in folgende Teile gegliedert: 1) In einem ersten Schritt werde ich die dis-moll Fuge vorstellen und analysieren, wobei unser Augenmerk insbesondere dem äußerst besonnen gewählten Thema gelten soll.
2) Im Zuge dieser Analyse werden wir in einem nächsten Schritt auf die besondere Problemstellung stoßen, die sich in dieser Fuge manifestiert: Die Schwierigkeit die einzelnen Formteile zu bestimmen und voneinander abzugrenzen.
3) Auf der Grundlage dieser Analyseergebnisse werde ich mich in einem kurzen, abschließenden Teil dann der Form und der Gliederung von Fugen im Allgemeinen zuwenden um schließlich meine eingangs formulierte Hypothese zu begründen.
Dies soll Im Groben die Vorgehensweise sein, beginnen wir also!
1) Analyse der dis-moll Fuge:
In der "Schule musikalischen Denkens" von Christoph Hohlfeld erfahren wir, dass die 24 Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier von J.S. Bach in Zyklen von jeweils vier Paaren eingeteilt sind. Die dreistimmig komponierte dis-moll Fuge in sechs Durchführungen bildet in diesem Sinne den Abschluss des zweiten Zyklus.
Ursprünglich stand die dis-moll Fuge in d-moll und wurde für die Eingliederung in den Gesamtkontext des Wohltemperierten Klaviers chromatisch nach dis erhöht. Jörn Arnecke stellt in seiner Festschrift zum 80. Geburtstag Hohlfelds "auffällige Übereinstimmungen"[1] mit der d-moll Fuge des WK und dem Thema aus der 'Kunst der Fuge' fest, welches ebenfalls in d-moll steht.
Gelegentlich finden wir diese Fuge auch als es-moll Fuge. Hohlfeld beschreibt diesen Vorgang mit folgenden Worten: "Chromatisch von e nach es gesenktes Phrygisch und von d nach dis gehobenes dorisch".[2]
Betrachten wir nun zunächst das Thema und seine Besonderheiten:
Das Thema oder Sogetto beginnt als Dux mit einem Quintsprung von dem Grundton dis' nach ais' und verläuft weiter in Sekundbrücken; zunächst ein Semitonium aufwärts zum h`, dann zurück zu ais' und schließlich ganztonschrittig abwärts zur Terz der Tonart. Diese markiert eine Art Wendepunkt in dem Sogetto, welches nun in Sekundbrücken bis zur Zielnote, der Quinte der Tonart, aufwärts schreitet. Dieser Wendepunkt verleiht dem Thema eine halbkreisförmige Gestalt, einen "circolo mezzo". Nach dem Erreichen dieses Höhepunkts fällt das Sogetto eine Quinte abwärts zum Grundton zurück um dann eine Quarte zum Ton gis’ zu steigen. Diese Quart,-bzw. Quintsprünge in aufwärts oder abwärts gerichteter Richtung sind die einzigen Intervallsprünge dieses Themas, welches von dem Ton gis' aus in fallenden Sekundbrücken zum Grundton zurückgeführt wird.
Eine metrische Untersuchung des Themas erschließt uns vor allem folgende Besonderheit: Synkopen und Überbindungen, welche die schweren Zählzeiten aufheben, wodurch das Thema eine Art "schwebende Struktur"[3] erlangt. Diese "metrisch neutrale Anlage"[4], des Themas, wie Hohlfeld sie bezeichnet, ist entscheidend für die Ausgestaltung der verschiedenen Engführungen im Laufe der Fuge.
[...]
[1] Jörn Arnecke, Idee, Umkehrung, Synthese. Das Thema der dis-moll Fuge aus Johann Sebastians Wohltemperiertem Klavier, in: Reinhard Bahr(Hrsg.), Melodie und Harmonie. Festschrift für Christoph Hohlfeld zum 80. Geburtstag, Berlin 2002, S.86/87
[2] Christoph Hohlfeld, Schule musikalischen Denkens, Teil II, Johann Sebastian Bach- Das Wohltemperierte Klavier 1722, Wilhelmshaven: Florian Noetzel Verlag 2000, S.105
[3] Christoph Hohlfeld, Schule musikalischen Denkens, Teil II, Johann Sebastian Bach- Das Wohltemperierte Klavier 1722, Wilhelmshaven: Florian Noetzel Verlag 2000, S.87
[4] Christoph Hohlfeld, Schule musikalischen Denkens, Teil II, Johann Sebastian Bach- Das Wohltemperierte Klavier 1722, Wilhelmshaven: Florian Noetzel Verlag 2000, S.107
- Arbeit zitieren
- Nathaniel Mandal (Autor:in), 2008, Die Formfreiheit der Fuge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147941
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.