Hans Henny Jahnns Drama Medea1 liegt in mehreren Bearbeitungen vor: Eine Prosafassung
von 1924 war lange verschollen. Publiziert wurde 1926 eine Versfassung, die von Jürgen
Fehling in Berlin aufgeführt wurde, es gibt aber noch eine dritte Variante. Diese wurde von
Jahnn selbst einer letzten Überarbeitung unterzogen und erschien anläßlich seines 65.
Geburtstages 1959. Da sie am besten greifbar ist, wird sie in dieser Arbeit verwendet2.
Der Mythos Medea ist ein Stoff, der über Jahrhunderte hinweg immer wieder neue
Bearbeitungen erfahren hat. Die älteste erhaltene Version ist das gleichnamige Drama von
Euripides (431 v. u. Z.). Es erzählt die Geschichte einer Frau, die von Eifersucht getrieben,
ihre Konkurrentin mittels eines vergifteten Kleides tötet, die eigenen Kinder umbringt und dann zu einem anderen Mann, dem König von Athen, flieht. „La pièce est l’une des plus
pathétiques d’Euripide, qui a peint avec une merveilleuse puissance la jalousie de Medée, et
son trouble au moment de tuer ses enfants.“3.
In Jahnns Drama Medea geht es jedoch nicht primär um die persönliche Rache einer
betrogenen Frau, sondern um die Wiederherstellung einer göttlichen Ordnung.
Die „Unordnung“ in Medeas Welt läßt sich beispielhaft an der Figur Jason zeigen, der hier
eben nicht der schillernde Held aus der antiken Sage um das goldene Vließ ist. Schuld daran
ist das weibliche Prinzip bzw. Medea. Sie, die hermaphrodit dargestellte, ist es dann aber
ebenfalls, die durch Ausleben ihrer männlich- destruktiven Charakterzüge die Verfehlungen
der anderen sanktioniert, und damit für Ordnung sorgt.
Auch stilistisch erscheint die Unordnung immer wieder im Motiv der Gespaltenheit und
Zerstückelung z.B. von Leichen, welches dem der Vollständigkeit gegenübergestellt wird.
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1 Medea (kursiv) meint den Titel, Medea (normal) die Hauptperson des Dramas
2 sie ist z. B. bei Reclam erschienen
Hans Henny Jahnn: Medea. Stuttgart. 1996
3 „Es ist eins der pathetischsten Stücke von Euripides, der darin mit besonderer Eindringlichkeit die Eifersucht
Medeas und ihre Bestürzung beim Töten der Kinder beschreibt.“
Larousse du XX Siècle. Hrg. v. Paul Augé Bd. 4. Paris 1931. s.v. ‚Medée‘, S. 768
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I) Jason als Beispiel für Unordnung
- II) Frauen als Auslöser der Unordnung
- III) Medea, der Hermaphrodit
- i) Medea als Frau
- ii) Medeas Wandlung
- iii) Medea bringt Ordnung
- IV) Die wiederhergestellte Ordnung
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Hans Henny Jahnns Drama „Medea“ untersucht die Wiederherstellung der göttlichen Ordnung in einer Welt, die durch menschliche Unordnung und Verletzung des natürlichen Gleichgewichts gekennzeichnet ist. Die Handlung konzentriert sich auf die Figur der Medea, die als Hermaphrodit dargestellt wird und sowohl weibliche als auch männliche Eigenschaften in sich vereint.
- Die Rolle der Geschlechterrollen und ihre Auswirkungen auf die Handlung
- Die Bedeutung der göttlichen Ordnung und ihre Wiederherstellung
- Die Folgen von menschlicher Unordnung und die Auswirkungen auf das Schicksal der Figuren
- Die Ambivalenz der Figur der Medea und ihre Rolle als Vermittlerin zwischen den Welten
- Die Rolle der Gewalt und Rache in der Wiederherstellung der Ordnung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Drama „Medea“ von Hans Henny Jahnn vor und setzt es in den Kontext des antiken Mythos. Es wird deutlich, dass sich Jahnns Interpretation von der klassischen Version von Euripides unterscheidet, indem sie die Wiederherstellung der göttlichen Ordnung als zentrales Thema hervorhebt.
Kapitel I beleuchtet die Figur des Jason als Beispiel für die fehlende Ordnung in der Welt von Jahnns „Medea“. Jason, der Held der antiken Sage, wird in Jahnns Drama als unmännlicher und schwach dargestellt, der von Medea abhängig ist und seine eigenen Taten nicht verantworten kann.
Kapitel II untersucht die Rolle der Frauen als Auslöser der Unordnung in der Welt des Dramas. Es wird argumentiert, dass das weibliche Prinzip, verkörpert durch Medea, die Quelle der Unordnung ist, die aber gleichzeitig die Möglichkeit zur Wiederherstellung der Ordnung bietet.
Kapitel III befasst sich mit der Figur der Medea als Hermaphrodit. Es wird gezeigt, wie Medea sowohl weibliche als auch männliche Eigenschaften in sich vereint und ihre Wandlung vom Opfer zum Vergelter durchläuft. Sie ist es, die durch ihre männlich-destruktiven Charakterzüge die Verfehlungen der anderen sanktioniert und für Ordnung sorgt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter des Dramas „Medea“ sind: göttliche Ordnung, Unordnung, Hermaphrodit, Geschlechterrollen, Gewalt, Rache, Medea, Jason, Kolchis, Mythos, Euripides, Hans Henny Jahnn, Vollständigkeit, Zerstückelung, Gespaltenheit.
- Quote paper
- Anja Schmidt (Author), 2003, Hans Henny Jahnns "Medea" - Werkzeug zur Wiederherstellung göttlicher Ordnung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147396