Wer oder was ist Leni Riefenstahl? Eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Vielleicht kann man sie auch nie beantworten. Berichte über Leni Riefenstahl oder ihr Werk enthalten meist Widersprüche oder Unklarheiten. Schnell veränderte sich das Bild zu ihren Gunsten oder Ungunsten. Was zurück bleibt, ist eine Ahnung von ihr, keine Gewissheit und vor allem keine Klarheit. Diese Arbeit ist der Versuch, sich dem Mythos Leni Riefenstahl, genauer gesagt der Wahrnehmung dieses Mythos, zu nähern. Die zentrale Frage, die sich hier stellte, war, wie sieht sich Leni Riefenstahl und wie wird sie von anderen gesehen?
So zahlreich, wie die Berufe die sie ausübte, so zahlreich sind die Meinungen, die es in der Öffentlichkeit über sie gibt. Eine der großen Fragen ist, ob man Werk und Person der Riefenstahl getrennt voneinander betrachten darf oder nicht. Ob man bei ihr Kunst von Politik separiert bewerten darf oder nicht. Sie kann es. Besonders faszinierend war die Konsequenz, mit der sie sich seit Jahrzehnten der Öffentlichkeit präsentierte. Welches Bild sie von sich zeichnete. Ergänzend dazu versuchen Autoren dieses Bild zu vervollständigen, zu relativieren, zu analysieren ja sogar und manchmal ganz besonders zu kritisieren. Sie sammeln Fakten, enthüllen, „denunzieren“. Mit fast allen Fremdbetrachtungen stimmt sie nicht überein.
Wer hat nun Recht? Sie oder die, die über sie schreiben? Welches Bild ist das Richtige? Gibt es überhaupt das eine wahre Bild der Riefenstahl? Das alles sind die Gründe, die diesem Werk zugrunde liegen. Wie ähnlich beziehungsweise sind Selbstbild und Fremdbild der Leni Riefenstahl? Wie und wann weichen sie voneinander ab?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Selbstbild und Fremdbild
2.1 Definition
2.2 Im Kontext bei Riefenstahl
2.3 Eine These zum Selbstbild Riefenstahls
3. Hintergründe
3.1 Leni Riefenstahl – ein Leben ist nicht genug
3.2 Leni Riefenstahl - vom ‚Superstar des Nationalsozialismus’ zur ‚Diva non grata’
3.2.1 Das Leben vor dem Krieg.
3.2.2 Das Leben während des Krieges
3.2.3 Das Leben nach dem Krieg
4. Analyse
4.1 Die Facetten der Riefenstahl
4.2 Riefenstahl
4.2.1 die Frau - der Mann - der Wolf im Schafspelz?
4.2.2 Penthesilea und Junta
4.2.3 aktiv oder passiv?
4.2.4 die Visionärin
4.2.5 eine Stilfrage
4.2.6 als erste komme ich! Egoman, eitel und selbstsüchtig
4.2.7 mein Wille geschehe.
4.2.8 um der Schönheit Willen
4.2.9 als Symbolfigur
4.2.10 das Genie
5. Fazit
6. Quellen
7. Anhang
Fragebogen des FAZ-Magazins vom 25. März 1994
1. Einleitung
Wer oder was ist Leni Riefenstahl? Es gibt nur wenige Erdenbürger, die über einen so langen Zeitraum die Menschen und ihre Meinungen auf der ganzen Welt immer wieder polarisieren. Und die zudem solange leben, dass sie immer wieder neuen Gesprächsstoff liefern. Wer oder was ist Riefenstahl also heutzutage? Eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Vielleicht kann man sie auch nie beantworten. Aber man kann es probieren. Und das will ich mit dieser Arbeit machen. Die nachfolgenden Seiten sind als ein Versuch anzusehen, sich dem Mythos Leni Riefenstahl, genauer gesagt der Wahrnehmung dieses Mythos, zu nähern. Die zentrale Frage, die sich mir während dieser Arbeit stellte, war, wie sieht sich Leni Riefenstahl und wie wird sie von anderen gesehen?
Während des Seminars ist mir oft aufgefallen, dass beinahe jeder Vortrag über Leni Riefenstahl bzw. ihr Werk Widersprüche oder Unklarheiten enthielt. Ganz schnell veränderte sich das Bild zu ihren Ungunsten oder ihren Gunsten. Je nach dem welche Quelle zitiert wurde. Was zurück blieb, war eine Ahnung von ihr, keine Gewissheit und vor allem keine Klarheit.
Beschäftigt man sich intensiver mit ihr und ihrem Leben, stellt man schnell fest, dass eine objektive Herangehensweise an ihre Person nur sehr schwer möglich ist. „Den einen gilt Leni Riefenstahl als geniale Filmschaffende, den anderen als Künstlerin, die sich durch ihre Arbeiten für Hitler auf einen Pakt mit dem Bösen eingelassen hat.“ [siehe Trimborn (2002); S. 11] Dies sind nur zwei Seiten von ihr. So zahlreich, wie die Berufe die sie ausübte, so zahlreich sind die Meinungen, die es in der Öffentlichkeit über sie gibt. Eine der großen Fragen ist, ob man Werk und Person der Riefenstahl getrennt voneinander betrachten darf oder nicht. Ob man bei ihr Kunst von Politik separiert bewerten darf oder nicht.
Sie kann es. Besonders faszinierend ist die Konsequenz, mit der sie sich seit Jahrzehnten der Öffentlichkeit präsentiert. Welches Bild sie von sich zeichnet. Ergänzend dazu versuchen Autoren, die sich mit ihr beschäftigen, dieses Bild zu vervollständigen, zu relativieren, zu analysieren ja sogar und manchmal ganz besonders zu kritisieren. Sie sammeln Fakten, enthüllen, „denunzieren“. Mit fast allen Fremdbetrachtungen stimmt sie nicht überein. „Die alte Dame mit den blondierten locken bebte vor Zorn. Fünfzig Prozent der Presseberichte seien falsch, bellte sie vom Podium herab. Nein, neunzig Prozent! Überhaupt alles, was die Zeitungen über sie schrieben sei falsch.“ [Kinkel „Die Scheinwerferin“ (2002); S. 7]
Wer hat nun Recht? Sie oder die, die über sie schreiben? Welches Bild ist das Richtige? Gibt es überhaupt das eine wahre Bild der Riefenstahl? Das alles war für mich der Grund, mir die Frage zu stellen, wie ähnlich beziehungsweise wie voneinander abweichend Selbstbild und Fremdbild der Leni Riefenstahl sind.
Entsprechend des Rahmens dieser Arbeit ist es jedoch nicht möglich eine vollständige und umfassende Analyse des Selbst- und Fremdbildes ihrer Person zu machen. Dazu müssten zusätzlich noch Artikel, Reportagen und vieles mehr ausgewertet werden. Deshalb stützt sich diese Arbeit hauptsächlich auf ihre Memoiren und die Bücher von Rainer Rother, Jürgen Trimborn und Lutz Kinkel und erhebt damit keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Also, wer oder was ist Leni Riefenstahl? „Welche Rolle spielte sie im »Dritten Reich«? Was ist Mythos, was war Realität? War sie eine »Führerbraut ohne Geschlechtsverkehr« (Rudolf Augstein)? Ein »Genie des Films« (Jean Cocteau)? Eine von Männern verfolgte Unschuld (Alice Schwarzer)? Oder vielleicht eine Einsiedlerin auf einem fernen Planeten namens Kunst?“ [Kinkel „Die Scheinwerferin“ (2002); S. 9] Oder ist sie vielleicht ‚einfach nur’ eine Künstlerin, deren größtes Werk ihr eigenes Leben und dessen Geschichte ist?
2. Selbstbild und Fremdbild
2.1 Definition
Bevor ich zu Leni Riefenstahl komme, möchte ich einen kurzen Exkurs zu dem Thema Selbstbild und Fremdbild machen. Selbstbild und Fremdbild sind im Prinzip zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die eine Seite - das Selbstbild - steht für das Bild, welches eine Person von sich selbst hat. Wie sie sich versteht. Es spiegelt ihre eigene Wahrnehmung wieder. Das Fremdbild hingegen bezeichnet das Bild, das andere Menschen von dieser Person haben. Wie sie sie sehen und verstehen. Wie sie das, was diese Person an verbalen und nonverbalen Signalen aussendet, interpretieren und in Bezug zu ihrer eigenen Realität setzen. Je mehr Selbstbild und Fremdbild mit einander übereinstimmen, desto harmonischer wirkt dieser Mensch auf seine Umwelt.
2.2 Im Kontext bei Riefenstahl
Bezogen auf die Wahrnehmung Leni Riefenstahls stelle ich die These auf, dass das Irritationsmoment, das man unweigerlich verspürt, wenn man sich intensiver mit ihr beschäftigt, ein Resultat ist. Ein Resultat der Diskrepanz zwischen dem Bild, das sie selber diktiert und dem Bild, welches es in der Öffentlichkeit außerdem noch gibt. Kurz gesagt ihr Selbstbild und das Fremdbild, das in Sekundärliteratur bzw. Presse vermittelt wird, stimmen nicht überein. Oder anders – es gibt absichtliche und unabsichtliche Lücken, die dem Rezipienten ein Gefühl des Ungeklärten geben und so die Diskussion um sie nicht enden lassen. „Außerdem haben auch Riefenstahls Rechtfertigungen, die jede Selbstreflexion vermissen ließen und nachteilige Fakten verschwiegen oder verharmlosten, ganz wesentlich zur andauernden Kritik beigetragen.“ [Rother „LR Verführung d. Talents“ (2000); S. 135]
Eine ihrer Methoden, um das von ihr gewünschte Bild zu erzielen, ist ihre Kunst des Weglassens oder Beschönigens um der Stilisierung der eigenen Person Willens. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Darstellung ihrer Tanzkritiken in den Memoiren. Glaubt man den Memoiren wurde sie „über Nacht aus dem Dunkel des Nichts in das Licht der Öffentlichkeit gehoben“ [Riefenstahl „Memoiren“ (2000); S. 62] und das ohne jeden Vorbehalt. Liest man ergänzend dazu Trimborn erfährt man ergänzend, dass die „Riefenstahl, die auch schon zuvor nicht zur Selbstkritik neigte, im Rausch des Erfolges zunehmend nur noch die Kritiken wahrnahm, die ihr schmeichelten und sie als große Künstlerin feierten.“ [nach Trimborn „Riefenstahl“ (2002); S. 54] Auf den nachfolgenden Seiten druckt er den zweiten Teil der auch bei Riefenstahl zitierten Kritik von Franz Hildebrandt des „Berliner Tageblatt“ ab, der mit den Worten endet „Und es bleibt also nicht Zorn über diesen Anblick, sondern eine leise Trauer, daß solche äußere Vollkommenheit nicht gesegnet ist mit der Gnade des Blutes, der Herrlichkeit des Genius, der Fackel des Dämons.“ [Trimborn „Riefenstahl“ (2002); S. 56] Diesen Teil verschweigt Riefenstahl jedoch gänzlich. Die einzige Kritik, die sie von anderen über sich in ihren Memoiren zulässt, ist die, die sich von ihr widerlegen, bagatellisieren oder entschulden lässt. So erzählt sie z.B. freimütig und fast humoristisch von ihrem Besuch 1939 in Paris, bei dem sie „ohne Wissen in einer peinlich-komischen Situation mitspielte“ [Riefenstahl „Memoiren“ (2000); S. 335] als ihr die Pariser Filmstudios gezeigt wurden. Dort spielte sich folgendes ab. In der letzten zu besichtigenden Halle unterbrachen die dort beschäftigten Arbeiter ihre Tätigkeit und begannen die ‚Internationale’ zu singen. Wie sie dachte ihr zu Ehren. Dazu kommentiert sie: „Erst als sich der Direktor bei mir für diesen Vorfall entschuldigte. fing ich langsam an zu begreifen, daß dies alles andere als eine Huldigung für mich war. Ich hatte bis dahin weder die «Internationale» gehört noch die geballte Faust als kommunistisches Symbol erlebt. Heute mag das unglaubhaft klingen, aber damals, vor fast einem halben Jahrhundert, war meine politische Unwissenheit kaum entschuldbar.“ [Riefenstahl „Memoiren“ (2000); S. 336]
Das erste Beispiel zeigt, dass die auf Fakten basierende ‚Richtigkeit’ ihres Fremdbild durch die reale Existenz von Beweisen, die für sie lediglich Behauptungen bzw. Lügen sind, sehr wohl untermauert werden kann. Über die Jahre hinweg hat sich eine Fremdwahrnehmung der Person Riefenstahl heraus kristallisiert, die sich kritisch mit der Überprüfung ihrer Aussagen beschäftigt und das von ihr kommunizierte Bild sehr skeptisch hinterfragt.
Zusammengefasst heißt dass, das im Falle Riefenstahl die Harmonie zwischen Selbstbild und Fremdbild fehlt. Der Grund für den in der Einführung bereits erwähnten ‚faden Nachgeschmack’. Zudem „lassen sich über die Jahre hinweg in der Rezeption zwei Phasen unterscheiden, in denen zwei durchaus unterschiedliche Riefenstahl-»Figuren« entworfen wurden, zwei stabile Konstruktionen ihres Bildes. Die eine entstand in der unmittelbaren Nachkriegszeit und war in Deutschland bis in die sechziger Jahre hinein dominierend, die andere hat sich ab den siebziger Jahren entwickelt und ist seit den Neunzigern dominierend. Beide »Images« sind Formen, in denen sich die Symbolfigur Riefenstahl innerhalb eines gesellschaftlichen Konsens’ begreifen lässt – beide sind unvollständige Aneignungen eines als exemplarisch verstandenen Werks und Lebens.“ [nach Rother „LR Verführung d. Talents“ (2000); S. 193] Eine weitere Schwierigkeit ist also, das es nicht nur ein divergierendes Fremdbild gibt sondern viele.
2.3 Eine These zum Selbstbild Riefenstahls
Das Problem am Selbstbild Riefenstahls ist außerdem, dass meiner Meinung nach ihre Memoiren nicht mit ihrem Selbstbild gleichgesetzt werden können. Ihre Memoiren zeigen vielmehr das Bild, wie sie gerne gesehen werden möchte. Nicht wie sie sich wirklich selber sieht. Das bleibt verborgen. Das Selbstbild wirkt gewissermaßen diktiert. Außerdem ist Leni Riefenstahl viel zu sehr Künstlerin, sie ist viel zu sehr Regisseurin als das man beim Lesen ihrer Memoiren nicht annehmen könnte, dass sie damit das Drehbuch zur Verfilmung ihres Lebens geschrieben hat. Diese Annahme stützt sich auf vor allem auf den Film „Die Macht der Bilder“ von Ray Müller, indem sie portraitiert wird. Viele der Sätze, die sie dort spricht findet man in ihren fünf Jahre vorher veröffentlichten Memoiren. Ray Müller hat in dieser Dokumentation außerdem sehr deutlich herausgearbeitet, dass Frau Riefenstahl unheimlich großen Wert auf die Art und Weise legt, in der sie dargestellt wird. In einem Bericht über die Dreharbeiten stellt er fest, dass bei ihr „die Grenze zwischen Leben und Film (…) fließend ist.“ (Ray Müller: Der Besuch der alten Dame. In Stern, Nr. 14/2000, S. 68 in Trimborn „Riefenstahl“ (2002); S. 444]
Das bedeutet aber nicht, dass ihre Version komplett erfunden ist und überhaupt nicht ihrem Denken und Wahrnehmen entspricht. Denn „längst ist die selbstkonstruierte, von allen unangenehmen Implikationen bereinigte, Vergangenheit, die sie seit Jahrzehnten immer und immer wieder erzählt, zu ihrer Realität geworden.“ [Trimborn „Riefenstahl“ (2002); S. 12]. Anders ist die Konsequenz und Kontinuität, mit der sie ihre Version der Geschichte in der Öffentlichkeit vertritt, auch nicht erklärbar.
3. Hintergründe
Will man Leni Riefenstahl und die Einstellungen zu ihrer Person verstehen und betrachten, benötigt man wie überall etwas Hintergrundwissen. Deshalb geben die nachfolgenden Seiten einen kurzen Einblick in ihr Leben und Schaffen und nehmenüberdies Bezug auf ihre gesellschaftliche Rolle während all dieser Jahre.
3.1 Leni Riefenstahl – ein Leben ist nicht genug
Das Leben der Riefenstahl. Ein Leben, bestehend aus vielen verschiedenen Professionen, die alle - mehr oder weniger - international erfolgreich waren. Ein Leben als Künstlerin. Als Tänzerin, Schauspielerin, Regisseurin, Fotografin, Rekordhalterin (z.B. als älteste aktive Tiefseetaucherin der Welt), Autorin, ‚Karrieristin’ (Trimborn). Und nicht zuletzt als ‚Ikone ihrer eigenen Altersvitalität’. [Trimborn „Riefenstahl“ (2002); S. 470].
1902 22. August: Leni Riefenstahl wird in Berlin als Tochter des Kaufmanns und Installateurmeisters Alfred Riefenstahl und dessen Frau Bertha geboren.
1918 Riefenstahl nimmt an der Berliner Kunstakademie Mal- und Zeichenkurse. Nebenbei beginnt sie eine Tanzausbildung und lernt dort Ballett und modernen Tanz.
1920 –1926 Erste Karriere als erfolgreiche Tänzerin in Deutschland.
1926 Schauspieldebüt in Arnold Fancks (1889-1974) Film "Der heilige Berg".
1926-1933 Hauptrollen in den Filmen "Der große Sprung", "Weiße Hölle am Piz Palü", "Stürme über dem Mont Blanc" und "Der weiße Rausch". Nebenbei eignet sie sich auch in der Zusammenarbeit mit Fanck weitreichende Kenntnisse über Kamera-, Regie- und Schneidetechnik an.
1931 Riefenstahl gründet ihre eigene Produktionsfirma
"Leni Riefenstahl Studio Film".
1932 Regiedebüt mit dem mystisch-romantischen Bergfilm "Das blaue Licht”.
Sie übernimmt darin selbst die Hauptrolle. Mai: Erstes Treffen mit Hitler, mit dem sie eine enge Freundschaft schließt, die auf gegenseitigem Respekt beruht.
1933 Propagandafilm mit dem Titel "Sieg des Glaubens". Darin setzt sie mit einer ästhetisch bestimmten Dokumentation die Selbstdarstellung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) um.
1934 Über den NS-Parteitag dreht Riefenstahl "Triumph des Willens". Einer der bekanntesten und wirkungsvollsten Propagandafilme überhaupt.
1935 Aus Anlaß der Wiedereinführung der Wehrpflicht dreht Riefenstahl den Propagandafilm "Tag der Freiheit - unsere Wehrmacht".
1936 Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere erhält Riefenstahl den Auftrag, die
Olympischen Spiele in Berlin im Film propagandistisch umzusetzen. Das nachträgliche Schneiden des Filmmaterials nimmt 18 Monate in Anspruch, es entstehen zwei eigenständige Teile. Damit hebt sie Sportaufnahmen auf die Ebene der Kunst und zelebriert mit Bildern die Schönheit menschlicher Bewegung und Kraft. Zentral ist dabei die Verherrlichung des Körperlichen.
1938 20. April: Die beiden Olympia-Filme "Fest der Völker (Teil I)" und
"Fest der Schönheit (Teil II)", werden Hitler zu Ehren an dessen
49. Geburtstag erstmals öffentlich vorgeführt. Riefenstahl erfährt für die
technisch hervorragenden Filme große internationale Anerkennung.
1940/41 Dreharbeiten für den Film "Tiefland". Für die Produktion werden 60 Sinti und Roma aus Konzentrationslagern rekrutiert.
1954 Der Film "Tiefland" wird beendet und in die Kinos gebracht, ohne ein Erfolg zu werden.
1954-1971 Riefenstahl kann nur wenige ihrer geplanten oder begonnenen Projekte
fertigstellen. Auch ihr Filmprojekt über die Amazonenkönigin Penthesilea bleibt unvollendet. Sie stößt in der Öffentlichkeit häufig auf Kritik wegen ihrer Arbeiten für das NS-Regime. Neben ihren Filmarbeiten wendet sie sich vor allem der Photographie zu.
1972 Bei den Olympischen Spielen in München ist Riefenstahl offiziell als Photographin akkreditiert. Auf einer Reise lernt sie tauchen und arbeitet in tropischen Meeren an Unterwasseraufnahmen.
1973 Auf ausgedehnten Reisen in Afrika verbringt sie lange Zeit bei dem sudanesischen Ureinwohnerstamm der Nuba. Sie erlernt deren Sprache und arbeitet an großen Photoserien. Sie veröffentlicht diese in dem Photoband "Die Nuba".
1976 Sie veröffentlicht den Text- und Bildband "Die Nuba von Kau".
1978 Der Photoband "Korallengärten" mit Unterwasseraufnahmen aus tropischen Gewässern erscheint.
1982 Veröffentlichung des Bildbands "Mein Afrika".
1987 Sie veröffentlicht ihre Memoiren, in denen sie eine Komplizenschaft mit dem NS-Regime unter Hinweis auf ihre rein künstlerische Motivation bei den Propagandafilmen abstreitet. Von der Kritik wird das Buch verrissen. Das Werk wird in neun Sprachen übersetzt und im Ausland ein großer Verkaufserfolg.
1990 Der Photoband "Wunder unter Wasser" erscheint.
2002 Sie feiert ihren hundertsten Geburtstag.
(In Anlehnung an ihre Biografie auf der Homepage des Deutschen Historischen Museums in Berlin (siehe http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/RiefenstahlLeni/)
3.2 Leni Riefenstahl - vom ‚Superstar des Nationalsozialismus’ zur ‚Diva non grata’
Betrachtet man ihr Leben, stellt man fest, dass es sich in drei Abschnitte einteilen lässt.
In ein Leben vor, während und nach dem Krieg. In jedem dieser Abschnitte wurde Leni Riefenstahl eine andere gesellschaftliche Beachtung zuteil. Besonderen Einfluss auf ihr heutiges Bild hat jedoch ihr gesellschaftlicher Rang, den sie im Dritten Reich innehatte. Sowie die Beziehung, die sie zum Dritten Reich hat und hatte. Trimborn beschreibt in seinem Buch „Riefenstahls Unfähigkeit, sich von der Rolle, die sie im Dritten Reich gespielt hatte, zu distanzieren, (…). Gegen jegliche Kritik verschloß sie sich. Jeder Vorwurf prallte an ihr ab. Einerseits lag dies in ihrer Persönlichkeit begründet, da sie von jeher nicht in der Lage war, ihr Handeln in objektiver, selbstkritischer Weise zu betrachten. (…)“ [Trimborn „Riefenstahl“ (2002); S. 406] Diese anklagende Bild der Riefenstahl beruht meiner Meinung nach auf einem differierenden Wirklichkeits- und Weltverständnis „Jede Kritik prallte jedoch nach altbewährtem Muster an ihr ab. Völlig unfähig zu begreifen, dass ihre Arbeit für Hitler eine Verantwortung nach sich zog, die sich jenseits einer juristischen Schuld bewegte, machte sie deutlich, dass mit ihr kein Dialog über ihre Verstrickungen im Dritten Reich möglich war.“ [Trimborn „Riefenstahl“ (2002); S. 414] aus dem die Kritik und der Vorwurf der mangelnden Selbstkritik erwachsen. Denn für uns gehören das Dritte Reich und der daraus resultierende Zweite Weltkrieg untrennbar zusammen. Für sie anscheinend nicht. Für Leni Riefenstahl gibt es ein Leben vor dem Krieg und ein Leben danach. Nimmt man diese Behauptung als wahr an, dann ist sie wirklich ein durch und durch unpolitischer Mensch, der politisch hochaktiv war, ohne es bewusst zu registrieren. Betrachtet man ihre ‚drei Leben’ und dessen gesellschaftlichen Kontext, kommt man zu folgendem:
[...]
- Quote paper
- Anne Bender (Author), 2003, Leni Riefenstahl. Annäherung an einen Mythos. Betrachtung des Selbst- und Fremdbildes., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14724
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