Der spätmittelalterliche Theologe und Philosoph Wilhelm von Ockham, geboren um 1285 in Surrey (England) und 1347 in München gestorben, lebte in einer „Zeit der Umbrüche“, die er selbst entscheidend mitgestaltete. Ockham, dessen Name über die Grenzen
der Philosophie hinaus für das von ihm postulierte ontologische Sparsamkeitsprinzip – Ockham’s Razor – steht, war in vielerlei Hinsicht ein modernus, ein Vordenker und Erneuerer: Seine logischen und sprachanalytischen Untersuchungen läuten einen ersten „linguistic turn“ in der Philosophiegeschichte ein, was Frederick C. Copleston veranlasst, Ockhams Philosophie in der Nähe der modernen sprachanalytischen Tradition zu verorten:
„One may receive the impression that William of Ockham [...], in spite of his strong theological convictions, would have felt more or less at ease in a discussion group of present-day analytical philosophers.“
Im mittelalterlichen Universalienstreit nimmt Ockham eine nominalistische Position ein und wird so zu einer der zentralen Figuren der via moderna. Im Gegensatz zur via antiqua, für die neben einem Universalienrealismus Thomas von Aquins Synthese
aristotelischer Philosophie und christlicher Tradition gewissermaßen programmatisch ist, zeichnet sich der „moderne Weg“ durch eine stärkere Fokussierung auf Einzelprobleme und deren analytische Lösung aus: An die Stelle des kreativen und harmonisierenden Bemühens um ein umfassendes System tritt die kritische Analyse philosophischer und theologischer Problemstellungen.
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind ausgewählte Schriften Ockhams zur Ethik. Mittelalterliche Texte zur Ethik sind stets, dies betont Sigrid Müller im einleitenden Kommentar zu den die Moralphilosophie Ockhams betreffenden Quaestiones, „vor dem
Hintergrund der Rezeption der Aristotelischen Nikomachischen Ethik zu lesen.“ Ebenso unerlässlich für das Verständnis eines spätmittelalterlichen Textes ist die Rezeption der thomasischen Schriften zu Theologie und Ethik. Bei der Erörterung zentraler Thesen der Ockham’schen Philosophie sollen deshalb sowohl Aristoteles’ Konzeption der Tugendethik als auch die Synthese des aristotelischen Erbes mit christlichem Gedankengut durch Thomas von Aquin berücksichtigt werden.
Ziel der Untersuchung ist es, Ockhams ethisch-theologische Überlegungen nachzuvollziehen und seine Position im Hinblick auf den philosophischen Kontext seiner Zeit zu
bestimmen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Eine „durch und durch“ kontingente Welt - die Freiheit Gottes und des Menschen
- Die absolute und anordnungsgemäße Macht Gottes
- Die Freiheit des Menschen
- Was heißt hier Freiheit?
- Besitzt der Mensch einen freien Willen?
- Ockhams normative Ethik: Tugendlehre und Handlungstheorie
- Handlung, Wille, Intention
- Die Tugendlehre
- Die fünf Stufen der sittlichen Tugend
- Die Entstehung der Tugenden
- Ockham - ein Voluntarist?
- Die klassische Naturrechtslehre
- War Ockham ein Voluntarist?
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der ethischen Philosophie des spätmittelalterlichen Theologen und Philosophen Wilhelm von Ockham. Sie analysiert seine Schriften im Kontext der mittelalterlichen Debatten über die Freiheit Gottes und des Menschen, die Natur des Willens und die Bestimmung von Tugenden. Die Arbeit untersucht, wie Ockham die Beziehung zwischen Vernunft, Wille und Handlung in seiner Ethik konzipiert und welche Position er im Hinblick auf den Voluntarismus einnimmt.
- Die Freiheit Gottes und des Menschen
- Die Natur des Willens und seine Beziehung zur Vernunft
- Die Bestimmung von Tugenden und die Frage nach dem moralischen Wert von Handlungen
- Die Frage nach der Grundlage und dem Status der Moral
- Die Position Ockhams im Hinblick auf den Voluntarismus
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel zwei untersucht die Freiheit Gottes und des Menschen in Ockhams Philosophie. Es analysiert die Konzepte der absoluten und anordnungsgemäßen Macht Gottes sowie die Frage nach der Freiheit des menschlichen Willens. Dabei werden die aristotelischen und thomasischen Einflüsse auf Ockhams Denken beleuchtet.
Kapitel drei widmet sich Ockhams normativer Ethik, insbesondere seiner Tugendlehre und Handlungstheorie. Es untersucht die fünf Stufen der sittlichen Tugend, die Entstehung der Tugenden und die Frage nach dem moralischen Wert von Handlungen. Dabei wird die Beziehung zwischen Handlung, Wille und Intention in Ockhams Philosophie analysiert.
Kapitel vier befasst sich mit der Frage, ob Ockham ein Vertreter des Voluntarismus ist. Es analysiert die klassische Naturrechtslehre und untersucht, inwiefern Ockhams Position mit den zentralen Thesen des Voluntarismus übereinstimmt. Dabei werden die Probleme und Herausforderungen des Voluntarismus im Kontext der Ockham'schen Philosophie diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Freiheit Gottes und des Menschen, den Willen, die Vernunft, die Tugendlehre, die Handlungstheorie, den Voluntarismus, die Naturrechtslehre, Wilhelm von Ockham, mittelalterliche Philosophie, Ethik, Theologie.
- Quote paper
- Bachelor of Arts (B.A.) Inga Bones (Author), 2010, Tugend, Wille und Vernunft - zum Verhältnis von virtus, voluntas und ratio in ausgewählten Schriften Wilhelm von Ockhams, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146997
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