Ist der Roman Ivanhoe tatsächlich korrekt als historischer Roman betitelt? Hält er einer kritischen Überprüfung des historischen Kontextes wirklich stand?
Auffallend hierbei sind die verschiedenen Konflikttypen, wie der brüderliche Zwist im englischen Königshaus oder die Situation zwischen den Normannen und Angelsachsen, die von Sir Walter Scott in den Roman eingeflochten wurden und die im Folgenden näher bestimmt und untersucht werden sollen.
Erwecken nicht manche der vorangestellten Zitate, die zum Beispiel von William Shakespeare oder Chaucer stammen, den Eindruck, als sei das nachgestellte Kapitel lediglich eine Ausformulierung der Gedanken derselben? Manche Zitatanfänge deuten auch auf eine ironische Verzerrung des nachfolgenden Kapitels hin und übernehmen somit eine humoristische Funktion in diesem Abschnitt.
In der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, den Roman Ivanhoe auf die Überprüfbarkeit seines historischen Kontextes zu untersuchen und über exemplarische Beispielanalysen am Text die- den Kapiteln vorangestellten - Zitate aus den unterschiedlichsten literarischen Werken zum einen als Leitlinien für die Ideen Scotts und zum anderen als Winkelzüge einer humorvollen Gestaltung derselben zu enttarnen.
Welchen Einfluss hatte zum Beispiel William Shakespeare auf den Autor Walter Scott? Findet man viele der Vorstellungen, die auch Shakespeare vertrat, im Ivanhoe gespiegelt?
Ziel dieser Arbeit ist es eine Entscheidung über die wahre Historizität des Romans treffen zu können und gleichzeitig literarische Einflüsse zu erkennen sowie in den Kontext des Werkes einzuordnen.
Ivanhoe - eher ein Werk der Fantasie Sir Walter Scotts oder ein fundierter historischer Roman, dem man Informationen über das englische Mittelalter abgewinnen kann?
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung
2 Der historische Kontext Englands im 12. Jahrhundert und seine Anwendung in Sir Walter Scotts Ivanhoe
2.1 Wahrheiten über das englische Königshaus oder hat Richard Löwenherz wirklich mit Robin Hood im Wald gespeist?
2.2 Der Konflikt zwischen Sachsen und Normannen
2.3 Sklaverei, Juden- und Hexenverfolgung: Romantisierung, Vorurteilsbedienung oder schlichte Funktionalität?
3 Exemplarische Analyse der vorangestellten Zitate und der literarischen Einflüsse im Ivanhoe
3.1 Burgszene zwischen Rowena und Maurice de Bracy- eine Analyse
3.2 Der allgegenwärtige William Shakespeare
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Ist der Roman Ivanhoe tatsächlich korrekt als historischer Roman betitelt? Hält er einer kritischen Überprüfung des historischen Kontextes wirklich stand?
Auffallend hierbei sind die verschiedenen Konflikttypen, wie der brüderliche Zwist im englischen Königshaus oder die Situation zwischen den Normannen und Angelsachsen, die von Sir Walter Scott in den Roman eingeflochten wurden und die im Folgenden näher bestimmt und untersucht werden sollen.
Erwecken nicht manche der vorangestellten Zitate, die zum Beispiel von William Shakespeare oder Chaucer stammen, den Eindruck, als sei das nachgestellte Kapitel lediglich eine Ausformulierung der Gedanken derselben? Manche Zitatanfänge deuten auch auf eine ironische Verzerrung des nachfolgenden Kapitels hin und übernehmen somit eine humoristische Funktion in diesem Abschnitt.
In der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, den Roman Ivanhoe auf die Überprüfbarkeit seines historischen Kontextes zu untersuchen und über exemplarische Beispielanalysen am Text die- den Kapiteln vorangestellten - Zitate aus den unterschiedlichsten literarischen Werken zum einen als Leitlinien für die Ideen Scotts und zum anderen als Winkelzüge einer humorvollen Gestaltung derselben zu enttarnen.
Welchen Einfluss hatte zum Beispiel William Shakespeare auf den Autor Walter Scott? Findet man viele der Vorstellungen, die auch Shakespeare vertrat, im Ivanhoe gespiegelt?
Ziel dieser Arbeit ist es eine Entscheidung über die wahre Historizität des Romans treffen zu können und gleichzeitig literarische Einflüsse zu erkennen sowie in den Kontext des Werkes einzuordnen.
Ivanhoe - eher ein Werk der Fantasie Sir Walter Scotts oder ein fundierter historischer Roman, dem man Informationen über das englische Mittelalter abgewinnen kann?
2. Der historische Kontext Englands im 12. Jahrhundert und seine Anwendung in Sir Walter Scotts Ivanhoe
Der Roman Ivanhoe setzt sich aus vielen verschiedenen historischen Thematiken zusammen. Zum einen wird der Konflikt zwischen Normannen und Sachsen angesprochen, also zwischen alten und neuen Traditionen, und der Konflikt zwischen den königlichen Brüdern Johann und Richard Plantagenet. Zum anderen werden allgemeinere Thematiken der damaligen Zeit, in Form von Hexen- oder Judenverfolgungen, aufgegriffen oder wie in diesem speziellen Fall eine Kombination aus beidem und verschiedene andere Problematiken, wie Sklaverei oder Erbstreitigkeiten, aufgezeigt.
In diesem Abschnitt wird versucht, unter genauer Prüfung der Quelle und Hinzunahme ausgewählter, das historische Ausgangsmaterial betreffend, Sekundärliteratur, eine Aussage über den historischen Wahrheitsgehalt des Romans zu treffen. Dabei sollen von den oben angesprochenen Feldern die beiden Konflikte, zunächst innerhalb des Königshauses und anschließend innerhalb der Bevölkerung, genauer untersucht werden. Das letzte Teilkapitel soll die allgemeineren Thematiken kurz umreißen.
2.1 Wahrheiten über das englische Königshaus oder hat Richard Löwenherz wirklich mit Robin Hood im Wald gespeist?
Die politische Situation um das Ende des 12. Jahrhunderts wurde von dem ständig abwesenden König Richard I., der von den zehn Jahren, die er regierte, tatsächlich nur ein halbes Jahr in England verbrachte, geprägt.[1]
Unbestritten befand sich Richard Plantagenet ca. eineinhalb Jahre von 1192 bis zum Frühjahr 1194 in Gefangenschaft[2], aber interessanterweise tradiert Scott Herzog Leopold von Österreich als seinen Gefängniswärter[3] und nicht den deutschen Kaiser Heinrich VI., der ihn tatsächlich einkerkerte, nachdem er ihn von besagtem Herzog ausgeliefert bekam.[4] Interessant ist dabei allerdings auch, dass später im Roman der Ort seiner Gefangenschaft mit „Deutschland“[5] angegeben wird. Möglicherweise fand bei der Arbeit am Ivanhoe parallel eine Weiterbildung Scotts statt, die ihm Zugang zu umfangreicherem Material ermöglichte.
Sein Bruder John, im Roman in seiner deutschen Übersetzung Johann genannt, versuchte indessen seine Ansprüche auf den englischen Thron geltend zu machen und, wie von Scott richtig dargestellt, die Gefangenschaft seines Bruders zu verlängern.[6] Später wird er von Richard Löwenherz trotz seines Hochverrats begnadigt, was nach Rebecca Gablè dem „fanatischen Familiensinn“[7] der Plantagenets zuzuschreiben ist.
Prinz John, der in der Geschichte ohnehin keinen guten Ruf hat und den sich seine Eltern „besser gespart hätte[n]“[8], erfährt von Sir Walter Scott eine relativ realistische Darstellung seines Charakters. Seine im Roman dargestellten Eigenschaften können zwar nur vermutet gewesen sein, aber wirken entgegen manch anderer Konstruktion im Roman weder hölzern noch unrealistisch. Seine offensichtliche Doppelzüngigkeit selbst seinen Verbündeten gegenüber zeigt sich vor allem in dem Kapitel, in dem John zum einen mit de Bracy negativ über seinen Getreuen Waldemar Fitzurse spricht. Zum anderen kaum, dass de Bracy sich entfernt, in dem festen Glauben die Gunst seines Prinzen nicht verloren zu haben, einen Spitzel auf diesen ansetzt, obwohl demselben doch vorher noch ein hohes Amt in der Regierung Johns versprochen wurde.[9]
In Ermangelung weiteren historischen Materials behauptet Scott, dass Prinz John „nicht einmal harten Tadel [für eine Verschwörung auf englischem Boden] erfuhr“[10], die höchstwahrscheinlich so nie stattgefunden hat. Eine Begnadigung Johns hat es wie bereits oben erwähnt gegeben, nur wurde sie schon vor Richards Rückkehr nach England in der Normandie gewährt, in die ihm John entgegen gereist war, um seine Vergebung zu erflehen.[11]
Immerhin liegt es im Bereich des Möglichen, dass König Richard im Frühjahr des Jahres 1194 im Sherwood Forest gewesen sein könnte, da es zumindest sicher ist, dass er in Nottingham war und die dortige letzte Bastion, die zu seinem kleinen Bruder stand, für sich gewann.[12] Allerdings ist zu bezweifeln, dass der König in den knapp zwei Monaten, die er in England weilte, in York ein Hoflager abgehalten haben könnte.[13] Erschwerend kommt noch hinzu, dass er am 13. März in Sandwich landete, Canterbury sowie Bury St. Edmunds besuchte und Nottingham am 28. März 1194 schon wieder in Richtung Winchester verließ.[14] Wie soll er in diesen sechzehn Tagen zwei Orte bereist, eine Burg erobert und anschließend noch mindestens sieben Tage in York Hof gehalten haben?[15] Das erscheint für einen König, der am Tag höchstens 50 Kilometer zurücklegen konnte, doch relativ viel.
Ein Beweis für die eher fiktive Handlung des Romans ist die Verwendung der Figuren des Robin Hood und Bruder Tuck, bei denen man sich zwar relativ einig ist, dass es sie gegeben haben muss, aber auch, dass sie nicht in einer bestimmten Zeit verankert werden können.[16] Somit dürfte klar sein, dass Scott, der Anfang des 19. Jahrhunderts lebte und definitiv kein Zeitzeuge seiner Romanhandlung gewesen ist, keinen Zugang zu einer Quelle aus dem 12. Jahrhundert gehabt haben kann, die belegt, dass Robin Hood jemals auch nur ein Wort mit Richard I. gewechselt hat, vor allem da die ältesten, ausführlichen schriftlichen Zeugnisse über den Geächteten erst aus dem 15. Jahrhundert stammen.[17] |
[...]
[1] Vgl. Gablè, R., Von Ratlosen und Löwenherzen: Eine kurzweilige, aber nützliche Geschichte des englischen Mittelalters, Bergisch Gladbach 2008, 90.
[2] Vgl. Gablè (2008), 93-96.
[3] Vgl. Scott, Sir W., Ivanhoe, Frankfurt am Main 1984, 90.
[4] Vgl. Gablè (2008), 93.
[5] Scott (1984), 451.
[6] Vgl. Scott (1984), 90.
[7] Gablè (2008), 96.
[8] Gablè (2008), 76.
[9] Vgl. Scott (1984), 445-456.
[10] Scott (1984), 604.
[11] Vgl. Gablè (2008), 96.
[12] Vgl. Gablè (2008), 96.
[13] Vgl. Scott (1984), 604.
[14] Vgl. Gablè (2008), 96.
[15] Vgl. Scott (1984), 607.
[16] Vgl. Gablè (2008), 109/110.
[17] Vgl. Gablè (2008), 109.
- Quote paper
- Kiara Kötz (Author), 2009, Ivanhoe, ein Sinnbild der historischen Fantasien Sir Walter Scotts?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146801
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