In der gegenwärtigen Literatur finden sich zur Verwendung zweisprachiger Texte im „Deutsch als Fremdsprache“ - Unterricht nur wenige Anregungen und noch weniger Untersuchungen. Es existieren keine Ausführungen bezüglich der positiven oder negativen Eignung der Texte Tufts’ für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. Durch den Einsatz ausgewählter Tufts-Texte könnten die Lerner jedoch theoretisch dazu angeregt werden, über ihre Eigen- und Fremdwahrnehmung zu reflektieren. Lernerinterne Erfahrungen und Einsichten sowohl in die deutsche als auch die eigene Sprache und Kultur können mit denen Tufts’ verglichen werden, indem neben der Analyse kunstsprachlicher Elemente des „Dinglischen“ auch dessen Inhalt thematisiert wird.
Die inhaltliche Komponente der Texte Tufts’ wird durch die Verwendung des „Dinglischen“ als Kommunikationsform besonders hervorgehoben. Auf diese Weise verschwimmen die Grenzen zwischen Deutsch und Englisch sowohl auf sprachlicher als auch auf kultureller Ebene zu einer emotionalen Menschlichkeit, die sich über definierte Sprach- und Kulturgrenzen hinwegsetzt und die Leser ihrer eigenen, eng definierten Nationalität enthebt. So gestaltet Tufts eine wahrhaft multikulturelle Atmosphäre und schafft damit die Voraussetzung für individuelle, sprachliche und kulturelle Reflexionen.
Das zentrale Anliegen dieser Arbeit ist es, die Qualität des „Dinglischen“ als Kunstsprache herauszuarbeiten und didaktische Einsatzmöglichkeiten derselben vorzuschlagen und zu rechtfertigen. Dabei scheint es wichtig, nicht nur auf die inhaltlichen und strukturellen Besonderheiten der Texte Tufts’ einzugehen, sondern auch die emotionalen und damit motivationalen Potentiale dieser Texte vor dem Hintergrund eines lernerzentrierten Unterrichts zu beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorbemerkungen
1.1 Tufts’ rekonstruierte Sprachlernbiographie
1.2 Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit
2 „Dinglisch“: Kunstsprache und Interlanguage
2.1 Die Interlanguage-Hypothese und „Dinglisch“
2.1.1 Begriffsbestimmung
2.1.2 Prozesse in Interlanguages
2.1.3 Fossilisierung und systemische Variabilität
2.2 „Denglisch“ versus „Dinglisch“ - ein Differenzierungsversuch
2.3 Tufts’ „Dinglisch“ als hybride Kunstsprache
2.4 „Dinglisch“ als Interlanguage - ein Analyseversuch
3 Didaktische Potentiale
3.1 Lernermotivation und Fehlertoleranz
3.1.1 Lerneremotionen
3.1.2 Erfolg trotz Fehler
3.2 Training der sprachlichen Grundkompetenzen
3.3 Training sozialer und interkultureller Schlüsselkompetenzen
3.4 Inhaltliche Eignung - Kulturvergleichende Landeskunde
3.5 Strukturelle Eignung
3.5.1 Satzbau und Wortwahl
3.5.2 „Denglisch“ versus „Dinglisch“: - ein Didaktisierungsvorschlag
3.5.3 Storytelling
4 „Dinglisch“ im Fremdsprachenunterricht - ein Fazit
5 Ausblick
Bibliographie
Anhang
1 Vorbemerkungen
Seit 2006 ist Gayle Tufts Botschafterin der „You can talk“ - Kampagne des Diesterweg Verlags. Einige ihrer Texte sind in Unterrichtsmaterialien verschiedener Verlage für den Englischunterricht in Deutschland enthalten. Ebenso könnten ihre Texte für den „Deutsch als Fremdsprache“ - Unterricht nutzbar gemacht werden. Da Tufts selbst Amerikanerin ist und ihre eigenen kulturellen Erfahrungen aus den USA mit denen vergleicht, die sie in Deutschland gesammelt hat, bietet es sich an, ihre Texte vor allem hinsichtlich der Verwendung im DaF-Unterricht mit Amerikanern zu untersuchen.
In der gegenwärtigen Literatur finden sich zur Verwendung zweisprachiger Texte im „Deutsch als Fremdsprache“ - Unterricht nur wenige Anregungen und noch weniger Untersuchungen. Es existieren keine Ausführungen bezüglich der positiven oder negativen Eignung der Texte Tufts’ für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. Durch den Einsatz ausgewählter Tufts-Texte könnten die Lerner jedoch theoretisch dazu angeregt werden, über ihre Eigen- und Fremdwahrnehmung zu reflektieren. Lernerinterne Erfahrungen und Einsichten sowohl in die deutsche als auch die eigene Sprache und Kultur können mit denen Tufts’ verglichen werden, indem neben der Analyse kunstsprachlicher Elemente des „Dinglischen“ auch dessen Inhalt thematisiert wird.
Die inhaltliche Komponente der Texte Tufts’ wird durch die Verwendung des „Dinglischen“ als Kommunikationsform besonders hervorgehoben. Auf diese Weise verschwimmen die Grenzen zwischen Deutsch und Englisch sowohl auf sprachlicher als auch auf kultureller Ebene zu einer emotionalen Menschlichkeit, die sich über definierte Sprach- und Kulturgrenzen hinwegsetzt und die Leser ihrer eigenen, eng definierten Nationalität enthebt. So gestaltet Tufts eine wahrhaft multikulturelle Atmosphäre und schafft damit die Voraussetzung für individuelle, sprachliche und kulturelle Reflexionen.
Das zentrale Anliegen dieser Arbeit ist es, die Qualität des „Dinglischen“ als Kunstsprache herauszuarbeiten und didaktische Einsatzmöglichkeiten derselben vorzuschlagen und zu rechtfertigen. Dabei scheint es wichtig, nicht nur auf die inhaltlichen und strukturellen Besonderheiten der Texte Tufts’ einzugehen, sondern auch die emotionalen und damit motivationalen Potentiale dieser Texte vor dem Hintergrund eines lernerzentrierten Unterrichts zu beleuchten.
Im ersten Teil der Arbeit soll die Sprachlernbiographie von Tufts mit Hilfe des von ihr in Buchform veröffentlichten Materials rekonstruiert werden. Sich daraus ergebende Erkenntnisse können dazu beitragen, Tufts’ Sprachmischung als Interlanguage bzw. fremdsprachliche Kommunikationsstrategie oder auch als Kunstsprache zu identifizieren. Um Tufts’ Texte in diesem Sinne analysieren zu können muss zunächst theoretisch geklärt werden, was man unter einer Interlanguage und „Denglisch“ beziehungsweise „Dinglisch“ versteht. Wenn gezeigt werden kann, dass Tufts’ „Dinglisch“ eine Interlanguage ist, dann eröffnet sich durch die Verwendung ihrer Texte im Fremdsprachenunterricht die Möglichkeit, lernerinterne Interlanguage zu thematisieren und so den Sprachlernprozess für die Lerner erfahrbar und erlebbar zu gestalten.
Tufts’ „Dinglisch“ soll exemplarisch sowohl hinsichtlich seiner Qualität als hybride Kunstsprache als auch als prototypische Interlanguage charakterisiert werden. Dadurch würde gezeigt, dass Tufts’ „Dinglisch“ vom negativ konnotierten „Denglisch“ zu differenzieren ist, letzteres aber gerade durch den Einsatz „Dinglischer“ Texte im Unterricht thematisiert werden kann, um den Lernern den bedachten Einsatz englischer Elemente in der deutschen Sprache nahezubringen.
Im Hauptteil sollen die hypothetischen Potentiale bezüglich der Lernermotivation, des Trainings fremdsprachlicher Grund- und Schlüsselkompetenzen, sowie inhaltlicher und struktureller Möglichkeiten anhand eines ausgewählten „dinglischen“ Textes genauer betrachtet und für mögliche Unterrichtseinsätze vorbereitet und diskutiert werden.
Für das „Dinglische“ ein Bewusstsein zu schaffen und damit eine Brücke zwischen zwei Sprachen zu schlagen kann speziell im DaF-Unterricht mit Amerikanern zur kritischen Auseinandersetzung sowohl mit der eigenen als auch mit der Zielsprache und -kultur genutzt werden. Es wird untersucht, inwiefern die Inhalte und der Aufbau ausgewählter Texte von Tufts für den DaF-Unterricht nutzbar gemacht werden können. Dabei richtet sich das Augenmerk vor allem auf Aussagen, die vor dem Hintergrund landes- und kulturkundlicher Wissensbildung kritisch analysiert werden müssen. Des Weiteren soll das Potential dieser hybriden, aber authentischen Texte für den Spracherwerb und die Ausbildung eines Sprachenbewusstseins untersucht werden, um diese Erkenntnisse in den Zusammenhang mit der gegenwärtigen Diskussion für oder gegen bilingual stattfindenden Fremdsprachenunterricht bringen zu können.
1.1 Tufts’ rekonstruierte Sprachlernbiographie
„Als ich in den Computerladen ging, fühlte ich mich plötzlich wie vor 20 Jahren bei meinem allerersten Berlin-Besuch, als alle, die ich traf, eine Sprache perfekt sprachen, that I didn’t understand at all.“ (MA 17)[1]
Gayle Tufts kam Mitte der 80er Jahre zum ersten Mal nach Deutschland. Wie aus dem Zitat zu entnehmen ist, konnte sie damals noch keinerlei Deutschkenntnisse vorweisen. Seit 1991 lebt sie dauerhaft in Berlin und schreibt über ihre anfänglichen Erfahrungen: „Die ersten zwei Jahre in Berlin waren wie ein einziger langer, bizarrer, konzeptioneller Stummfilm. Ich sprach kein einziges Wort Deutsch…“. Zu Anfang genoss sie, „nach 13 Jahren in der Lärmmetropole Manhattan […] die „stumme Oase“ Berlins“ (AU 58). Diese Charakterisierung Berlins bezieht sich offensichtlich nicht auf den urbanen Geräuschpegel, sondern auf die Tatsache, dass Tufts weder Deutsch sprach, noch verstand.
Ihre Kindheit verbrachte Tufts in Brockton, Massachusetts, „einem Vorort von Boston“, deren kultureller Höhepunkt die Eröffnung eines Burger Kings direkt gegenüber eines McDonalds war (MA 7). Nach ihrer Zeit auf der High School war New York die nächste logische Station, wo sie als „Sängerin-Tänzerin-Schauspielerin-Kindergärtnerin“ arbeitete (AU 9f.). Als logisch kann diese nächste Station sicherlich nur aus ihrer eigenen Perspektive betrachtet werden, denn offensichtlich hungerte es Tufts nach Kultur, die sie in New York zu finden hoffte.
Zum Beginn ihres Lebens in Berlin sagt Tufts an anderer Stelle, dass sie „1994 […] immer sehr schlecht gelaunt war“ und viel Radio gehört hat, „meistens BFBS“. „Es war ziemlich deprimierend […], aber immerhin auf Englisch.“ Sie begründet ihre Radiohörgewohnheiten mit: „Mein Deutsch war really truly grottenschlecht […]“ und einen Fernseher besaß sie nicht (MA 245f.). Wie sie selbst bemerkt, wurde dieses „Leben ohne Untertitel […] bald ziemlich langweilig“ (AU 58).
Sie wollte „wieder mit der Welt in Verbindung treten“ (AU 58). Wie man ihren Texten entnehmen kann, hatte sie auf einen Kurs an der Volkshochschule keine Lust, und die Angebote des Goethe-Instituts waren ihr zu teuer. Tufts schreibt natürlich rückblickend über ihre Sprachlernerfahrungen und identifiziert daher ihre Strategie als die „ökonomischere Methode“:
Ich stürzte mich ins Nachtleben der amerikanischen und englischen Wahl-Berliner, die ich kannte. Sie lebten [...] jahrelang in Deutschland und konnten die Sprache immer noch nicht richtig sprechen. Aber das war ihnen scheißegal, denn sie hatten eine eigene Sprache gefunden, die auf brillante Art und Weise die Heimat mit der Wahl-Heimat verband: Dinglisch. (AU 58)
Leider gibt es in ihren Texten keinen Hinweis darauf, auf welche Bereiche sich ihre „ökonomischere Methode“ bezieht. Es bleibt also nur zu spekulieren, ob es sich in ihrer Wahrnehmung um rein finanzielle Vorteile handelte, oder ob auch die Effizienz eines ungesteuerten Fremdsprachenerwerbs gemeinsam mit den soziokulturellen Vorteilen des Berliner Nachtlebens in ihre nachträglichen Überlegungen einfloss. Dabei sei angemerkt, dass es sich bei dem von Tufts beschriebenen „Dinglisch“ offensichtlich um eine von Földes als hybrid charakterisierte Sondervarietät handelt, welche „eine nicht unwesentliche Funktion als mögliches Symbol regionaler Loyalität bzw. Identität“ haben kann (Földes, 2006, S. 3). Gogolin erkennt in solch hybriden Sprachpraktiken die Entstehung „transnationaler sozialer Räume“, welche es „ihren Inhabern [erlauben], sich zu identifizieren und identifiziert zu werden; sie geben ihnen also die Möglichkeit zum Ausweis persönlichen Stils.“ (Gogolin, 2001, S. 70, S. 68; vgl. Gogolin, 1998, S. 90).
Ihre einzige ‚institutionelle’ Sprachlernerfahrung war ein Deutsch-Intensivkurs mit 20 Teilnehmern bei einer namhaften Sprachschule. Zu ihren positiven Erfahrungen zählte scheinbar nur die Tatsache, dass es eine lustige Gruppe war: „We were a fun group“, mit der Einschränkung, dass alle Teilnehmer verschiedene „Perspektiven und Prioritäten“ hatten. „Nach drei Wochen, when I still couldn’t tell my jedem from my jeden and was going nowhere with the Deklination der Adjektive, I got wütend.“ (AU 67). Daher ist es nachvollziehbar, dass sie auf einen weiteren Sprachkurs keine Lust hatte.
Tufts empfindet „Dinglisch“ als „eine ganz, ganz besondere Sprache […]“, die „allerdings keine neuartige Erscheinung“ ist, sondern „uralt“: „ ,New Yorkisch’ ist voll von jüdischen Wörtern“ (AU 58f.). Diese Aussage ist insofern interessant, als dass sich Tufts einerseits für ihr „Dinglisch“ zu rechtfertigen scheint, da hierzulande bisweilen um das Fortbestehen der deutschen Sprache gefürchtet wird, und weil sie andererseits „Dinglisch“ offensichtlich vom häufig kritisierten „Denglisch“ differenziert, indem sie eine andere Schreibweise wählt. Tufts nennt „Dinglisch“ ihre „Überlebenssprachausstattung“: „Ein paar deutsche Wörter hier und da in meinem Alltagsenglisch und die Leute würden mich (hoffentlich) verstehen.“ (AU 59). Dass das nicht ganz so einfach war und ist scheint eine Internetveröffentlichung von Hyde Flippo (2007) zu beweisen:
American-born Gayle Tufts makes her living in Germany as a comedienne using her own brand of Denglish — for which she coined the word "Dinglish" to differentiate it from Denglish. […] However, she takes pride in the fact that although she is using two different languages, she does not mix the two grammars. Unlike Denglisch, Dinglish supposedly uses English with English grammar and German with German grammar, and avoids mixing them.
In dieser Arbeit sollen diese beiden Begriffe beibehalten werden, damit klar ist, ob von Tufts’ sprachlicher Schöpfung die Rede ist oder einer individuellen Form des „Denglischen“. Zumindest in ihren schriftlich vorliegenden Texten wäre es möglich, Flippos Aussage bezüglich der konsistenten Verwendung grammatischer Strukturen zu verifizieren.
Bereits 1986 hatte Tufts ihren ersten intensiven Deutschkurs: sie sollte innerhalb von 10 Tagen 14 Lieder mit Texten von Max Goldt lernen. Ihren eigenen Worten zufolge versuchte sie lediglich, die phonetische Lautfolge zu verinnerlichen. „Den wahren Schlüssel zum Deutschunterricht“ erhielt Tufts dann einige Jahre später von ihrem Freund und Kollegen Michael Rodach. Er bestand darauf, dass sie allen sagen sollte, nur noch auf Deutsch mit ihr zu reden. Als sie bei einer Probe wieder erfolglos versuchte, sich „einfach die Lautfolge einzuprägen“, hatte sie ein Schlüsselerlebnis und begriff beim Singen eines Textes von Valeska Gerts auch die Bedeutung hinter den Lautfolgen (vgl. AU 59ff.).
Die Tatsache, dass sich Tufts einerseits in das Nachtleben anderer englischsprachiger Wahlberliner stürzte und andererseits von Freunden keine Antwort erhielt, wenn sie eine Frage auf Englisch stellte, verdeutlicht ihren sprachlichen und kulturellen Konflikt (vgl. AU 61). Hinzu kamen ihre durch sprachliche Barrieren eingeschränkten Karrieremöglichkeiten: “Ich war also nicht nur eine Tänzerin/ Schauspielerin/ Sängerin, nein, ich war mehr. Ich war auch Bühnenbild.“ (AU 21). Hier wird auf ironische Weise deutlich, dass Tufts unzufrieden war, denn sie macht sich über ihre Bühnenbildkarriere lächerlich, indem sie sie scheinbar selbst gutheißt.
Einerseits wurde sie oft verstanden, wenn sie Englisch sprach, andererseits geboten es ihr Ehrgeiz und ihre Karriereziele, das Deutsche zu meistern, um sich selbst verwirklichen zu können:
,Die Nacht’. Ooooh. ‚DieNacht’! - ich spielte die Nacht in ‚Die Nacht’, und das war genau der Moment, in dem ich dachte, daß vielleicht irgendwas falsch läuft. […] Mir wurde endgültig klar, daß ich in Schwierigkeiten steckte, als ich mich auf das Cover der Zeitschrift ‚Tanz International’ gebannt sah. […] Ich sah aus wie eine Stummfilmdiva auf Anabolika. […] Ich sah nicht aus wie eine AUSDRUCKS-Tänzerin. […] Warum versuchte ich eigentlich zwanghaft in irgendeine Schublade zu passen, in die ich nicht gehörte? […] Der Zeitpunkt war gekommen, […] hinein ins Rampenlicht zu schreiten. (AU 23)
Auch an dieser Stelle wird klar, dass Tufts nicht länger stumme Rollen spielen wollte, und dass das Genre des Ausdruckstanzes nicht das war, wofür sie sich geeignet fühlte. Tufts scheint sich mit „Dinglisch“ als Lösung für ihren Weg ins Rampenlicht angefreundet zu haben, denn sie weiß, dass:
Es dauert: the two most important words in the deutsche Sprache. Und mit der deutschen Sprache! Es dauert. And once you start learning it - vergiß es! Feierabend! Für die nächsten dreihundert Jahre dreht dein Gehirn durch mit der und die und das. Who do I say ‚du’ to? Who do I say ‚Sie’ to? Und SCH und RRR und CHT. Und ü! Ü… . GRÜSELICH! (AU 66f.)
Nichtsdestotrotz scheint Tufts selbst überzeugt davon, das Deutsche gemeistert zu haben. Im Kontext des einleitenden Zitats äußert sie sich sinngemäß, dass sie den Umgang mit ihrem Computer „wie das Deutschlernen“ schaffen wird (MA 18). Dass sie es geschafft hat beweist ihr Erfolg als Entertainerin, welcher in zahllosen Presserezensionen gelobt wird, die auf Tufts’ Internetseite nachgelesen werden können (http://www.gayle-tufts.de/deutsch.html).
Es sei angemerkt, dass man für derlei Sprachspiele, wie Tufts sie veranstaltet, eine gewisse sprachliche Expertise entwickelt haben muss. Ob diese Sprachbeherrschung tatsächlich Tufts’ eigenen Fähigkeiten im Sinne einer Interlanguage entspricht oder an der Entstehung ihrer „dinglischen“ Texte auch Andere beteiligt waren, soll in den nächsten Abschnitten geklärt werden.
1.2 Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit
Individuelle Mehrsprachigkeit bezieht sich ganz offensichtlich auf Individuen, die mehr als eine Sprache beherrschen. Demgegenüber ist mit gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit nicht einfach eine aus mehrsprachigen Individuen zusammengesetzte Kulturgemeinschaft bezeichnet. Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit bezieht sich auf die Existenz mehrerer Sprachen innerhalb einer Kulturgemeinschaft, wobei nicht alle Angehörigen dieser Kultur alle vorhandenen Sprachen sprechen müssen (vgl. Wode, 1995, S. 35). Es ist zweifelsohne anzuerkennen, dass die sprachliche Realität in Deutschland nicht länger als monolingual bezeichnet werden kann (vgl. Hinnenkamp/ Meng, 2005, S. 7). Durch die Einladung und Einbürgerung türkischer Gastarbeiter seit den 50er Jahren, durch die seit der politischen Wende 1990 aufgenommenen Russlanddeutschen sowie durch zahlreiche ausländische Firmen, welche sich in Deutschland niedergelassen haben, gestaltet sich der sprachliche Alltag nun auch hierzulande multilingualer denn je. Letztendlich hat neben der Europäisierung natürlich auch die wirtschaftspolitische Globalisierung einen beachtlichen Anteil an der zunehmend zu bemerkenden kulturellen Mehrsprachigkeit:
Je größer die Zahl der Sprecher und je stärker ihr wirtschaftlicher und politischer Einfluß, desto mehr tendiert daher auch deren Sprache dazu, als überregionale bzw. supranationale Verkehrssprache verwendet zu werden, und entsprechend höher ist ihr soziales Prestige. (Wode, 1995, S. 38)
Dies trifft insbesondere auf die englische Sprache zu. Spätestens seit dem Marshall-Plan werden intensive Wirtschaftsbeziehungen ins englischsprachige Ausland gepflegt, für die meisten Deutschen war und ist Englisch die erste Fremdsprache in ihrer schulischen Ausbildung. Auch Gogolin hat den Zusammenhang zwischen Sprache und gesellschaftlicher Teilhabe, also das Verhältnis von Sprache und Macht, vor dem Hintergrund des „sprachlichen Reinheitsgebots“ und dessen Funktionsverlust angesichts der nicht länger notwendigen Abgrenzung des bürgerlichen Nationalstaats erkannt (vgl. Gogolin, 1998, S. 79, 88).
Herbert Christ spricht statt von gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit von der sprachenteiligen Gesellschaft, in welcher alle Mitglieder ihre sprachlichen Kenntnisse und ihr Sprachvermögen einander zur Verfügung stellen, damit Kommunikation über die Grenzen einer Sprache hinweg stattfinden kann. Dadurch macht er seine ablehnende Position gegenüber einer Leitsprache bzw. Lingua Franca deutlich (vgl. Christ, 1998, S. 341). Waldenfels dagegen argumentiert, dass man sich wechselseitig der Sprache des Anderen bedienen kann, und schätzt Sondersprachen als hilfreich ein, um sich gemeinsam der Sprache eines Dritten zu bedienen. Als Beispiele führt er Latein als Gelehrtensprache, Französisch als Diplomatensprache, Englisch als Handelssprache oder Italienisch als Musiksprache auf (vgl. Waldenfels, 1997, S. 139). Damit sprachenteiliges Handeln im Sinne Christs möglich wird, propagiert dieser drei dafür wesentliche Voraussetzungen: die Diversifizierung des Fremdsprachenunterrichts, die Betonung des Anwendungsbezugs, sowie die Vermittlung geeigneter Techniken (vgl. Christ, 1998, S. 347). Dabei muss darauf geachtet werden, dass „alles, was sich zwischen einem vermeintlichen und einem realen Input, einem vermeintlichen und einem realen Intake abspielt, […] von Vorwissen, Motivation, Einstellungen und weiteren individuell lernsteuernden Faktoren geprägt [ist]“ (Meißner, 2003, S. 92).
Es erscheint einleuchtend, dass es zur Verständigung in einer multilingualen Gesellschaft mehrsprachiger Individuen bedarf. Unbestritten ist die klassische und allgemein geteilte Ansicht, dass jeder mindestens eine Fremdsprache sprechen sollte, wobei gilt: je mehr, desto besser. Allerdings gehen die Meinungen hinsichtlich des „Wie“ des Sprachenlernens auseinander. Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Ansicht, dass monolingualer Fremdsprachenunterricht gleichbedeutend mit viel Input ist (Krashens Monitortheorie, vgl. Bausch/ Kasper, 1979, S. 262ff.), und die Gegenseite argumentiert, dass viel Input nicht zwangsläufig auf Sprachbeherrschung hinausläuft: „Völlige Einsprachigkeit mag gut für den Input sein, sie ist es nicht für die Sprachaufmerksamkeit, entstehende Sprachenbewusstheit und Lernerautonomie, die letztlich zu besserem Fremdsprachenlernen führen.“ (Oomen-Welke 2003, S. 459). In diesem Sinne könnte argumentiert werden, dass bilingual stattfindender beziehungsweise die Bilingualität thematisierender Fremdsprachenunterricht dem Gegenstand einer kulturellen Mehrsprachigkeit dienlicher ist als seine tradierte monolinguale Variante.
Die Verwendung hybridsprachlicher Texte im Fremdsprachenunterricht könnte beide Argumentationsweisen beachten: bilinguale Texte und damit praktizierbarer Sprachenvergleich folgen der Argumentation von Oomen-Welke, während das Unterrichtsgespräch, welches die zur Diskussion stehenden hybridsprachlichen Texte zum Inhalt hat, einsprachig stattfinden kann und somit die zielsprachlich „richtige“ Verwendung einer Sprache dem hybridsprachlichen Text gegenüber gestellt wird.
Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit ist, anders als die sprachenteilige Gesellschaft, die von Herbert Christ propagiert wird, längst zu einer lebensweltlichen Realität geworden. Daher muss dem auch im Fremdsprachenunterricht Rechnung getragen werden, indem, wie Gabriele Pommerin-Götze es formuliert, sowohl die Herkunftssprache als auch die Herkunftskultur in der bilingualen Erziehung berücksichtigt werden (vgl. Pommerin-Götze, 2001, S. 975). Gogolin argumentiert in diesem Sinne, wenn sie sagt, dass das Gebot der Sprachentrennung eher gegen die Umsetzung einer gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit wirkt, wenn das Sprachvermögen eines Einzelnen als ein Gesamtangebot vorgestellt wird, aus dem er sich bedienen kann und muss (vgl. Gogolin 1998, S. 76).
„Denglisch“ als negativ assoziierte Erscheinung innerhalb der deutschen Sprache und Tufts’ „Dinglisch“ als Kunstsprache können im Rahmen der Diskussion um individuelle und kulturelle Mehrsprachigkeit und deren didaktische Vermittlung insofern einen Beitrag leisten, als dass „Denglisch“ durch „Dinglisch“ im Unterricht thematisiert werden könnte. Damit kann Sprachenbewusstsein im Sinne Oomen-Welkes erreicht werden, welches sich über individuelle Artikulierungsschwächen hinaus vor allem der interlingualen Kommunikation in multilingualen Kommunikationssituationen verschreibt. Dass hybride Sprachverwendung jedoch nicht zwingend sprachliche Mängel zu kaschieren sucht, sondern die doppelte Identität des Sprecher zu erkennen gibt, und darüber hinaus etwas über die Einschätzung der sprachlichen Kompetenz des Gegenübers verrät, wurde von Elsa Lattey und Rosemary Tracy formuliert (vgl. Lattey/ Tracy, 2005, S. 345). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass gesellschaftliche Mehrsprachigkeit im Sinne einer sprachenteiligen Gesellschaft nur dann erreicht werden kann, wenn es mehrsprachigen Individuen erlaubt und ermöglicht wird, ihre kulturelle und demzufolge auch sprachliche Eigenständigkeit und damit auch ihre Identität zu bewahren (vgl. Wode, 1995, S. 139).
Franz-Joseph Meißner bemerkt im Nachwort seines Aufsatzes „Grundüberlegungen zur Praxis des Mehrsprachenunterrichts“, dass das „interdisziplinäre Gespräch zwischen Didaktiken des Fremdsprachenunterrichts und der Muttersprache“ überfällig ist. Meißner mahnt, nicht länger in Muttersprachen, Zweit- und Fremdsprachen zu unterscheiden, sondern die verbindenden Elemente zu suchen, da sich „Sprachen im Gebrauch nicht abnutzen, sondern einander bereichern“ (Meißner, 2003, S. 104f.). An anderer Stelle sagt Meißner, dass einsprachige und zu stark steuernde Verfahren die mentale Verarbeitungstiefe und -breite der Zielsprache reduzieren, was wiederum als ein Argument für die Verwendung zweisprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht angesehen werden kann (vgl. Meißner, 2007, S. 3).
In diesem Sinne sollte die kreative Mischung der deutschen und der englischen Sprache bei Tufts als Bereicherung angesehen werden, welche es verdient, im Rahmen des Fremdspracheunterrichts beachtet zu werden, da sich mit Hilfe ihrer Texte verbindende Elemente identifizieren und thematisieren lassen.
2 „Dinglisch“: Kunstsprache und Interlanguage
2.1 Die Interlanguage-Hypothese und „Dinglisch“
Obwohl die Fremdsprachenerwerbsforschung seit nunmehr fast 60 Jahren auf der Suche nach den Bedingungen ist, denen die Lernprozesse eines Fremdsprachenlerners unterworfen sind, und sich in dieser Zeit tatsächlich eine Vielzahl von Hypothesen bestätigt haben, so scheint es doch wichtig darauf hinzuweisen, dass es selbst heute noch keine universale und alle Fragen beantwortende Theorie gibt, weswegen nach wie vor nur von Annahmen gesprochen werden kann. In diesem Zusammenhang sei auf die Zusammenfassung des Forschungs- und Diskussionsstandes bezüglich der Untersuchung von Lernersprachen verwiesen, welche im Rahmen des „Langscape Forschungsprogramms“ zusammengetragen wurden (vgl. http://www.cms.fb10.uni-bremen.de/inform/programm.aspx; Teil II, Teilbereich 1: Lerner- und Erwerbssprachen).
2.1.1 Begriffsbestimmung
Nach Bausch und Kasper (1979, S. 15) wurde der Begriff „Interlanguage“ 1972 von Selinker eingeführt und besagt, dass fremdsprachliche Äußerungen eines Lerners erstens keine wortwörtlichen Übersetzungen aus dessen Muttersprache sind, dass sie sich zweitens systematisch von der Zielsprache unterscheiden, und dass drittens die zielsprachlichen Äußerungen nicht zufällig sind. Damit scheint die Grundlage für eine Fremdsprachenerwerbstheorie gelegt, welche sich mit den sprachlichen Formen beschäftigt, die aus dem Versuch, sich in einer anderen Sprache auszudrücken, resultieren (vgl. Selinker, Swain, Dumas, 1975 zit. nach Bausch/ Kasper 1979, S. 15). In diesem Zusammenhang können die gemischtsprachlichen Texte Tufts’ als Resultate der Beschäftigung mit sprachlichen Formen angesehen und als Versuche zu fremdsprachlicher Kommunikation gewertet werden, welche hinsichtlich der drei genannten Charakteristiken einer Interlanguage untersucht werden müssen (siehe Abschnitt 2.5).
„Interlanguage“ kann übersetzt werden mit „Zwischensprache“, da sie sich zwischen wenigstens zwei Sprachen und den ihnen zugrunde liegenden Systemen bewegt. Da eine so definierte Zwischensprache weder die Muttersprache noch die Zielsprache des Lerners bevorzugt und individuelle Elemente enthält, scheint der Begriff „Interlanguage“ wohl gewählt.
Im Laufe zahlloser theoretischer Beschäftigungen mit diesem Thema sind in der Fachliteratur auch andere Begriffe geprägt worden. Dazu zählen unter anderem Bezeichnungen wie „learner language“, die deutsche Entsprechung „Lernersprache“ und die Bezeichnung „Interimsprache“ (Ebd.). Hier soll der Begriff der Interlanguage ohne Übersetzung aufgegriffen werden, da der Ausdruck „Lernersprache“ schon von vornherein impliziert, dass es sich um zielsprachlich „falsche“ beziehungsweise unvollständige Verwendungsformen handelt.
Die Bezeichnung Interimsprache setzt sich aus dem lateinischen Wort „interim“, übersetzbar mit Zwischenzeit oder -zustand, und Sprache zusammen, wobei die Frage zu stellen ist, wie lange dieser Zwischenzeitraum anhält und wo genau seine Grenzen definiert werden. Da es, wie Selinker sich sinngemäß ausdrückt, die Mehrheit der Fremdsprachenlerner nie schafft, muttersprachliche Kompetenzen zu erlangen, sollte auch nicht von einer Interimsprache die Rede sein (vgl. Selinker, 1972, S. 212) Diese Bezeichnung würde im wörtlichen Sinne nur auf die etwa 5% der „erfolgreichen“ Fremdsprachenlerner zutreffen, die am Ende ihrer Sprachlernkarriere muttersprachliche Kompetenzen erreichen.
Überträgt man die Komposition Interlanguage ins Deutsche, Zwischensprache, impliziert dies die Verortung selbiger auf dem Weg, eine fremde Sprache zu erlernen und deren Systematik zu durchschauen. Die lateinische Vorsilbe „inter“ suggeriert außerdem die inhärente Bedeutung der Gegenseitigkeit. Daher soll im weiteren Verlauf nicht nur auf die zwischensprachlichen Systeme, sondern auch auf die auf Gegenseitigkeit beruhende Beeinflussung der Interlanguage durch andere lernerinterne und -externe Faktoren eingegangen werden.
Es erscheint logisch, dass eine solche Interlanguage eine natürliche Erscheinung in der Sprachlernbiographie eines jeden Fremdsprachenlerners ist, vor allem, wenn die zielsprachliche Kommunikation zwischen Sprechern stattfindet, denen die jeweilige Muttersprache des anderen nicht völlig unbekannt ist. Dies ist oft im Bereich des institutionellen Fremdsprachenlernens der Fall und trifft unbestritten auf die Kommunikation zwischen Tufts und ihrem Publikum zu. Dabei kann angenommen werden, dass Tufts’ „Dinglisch“ durch ihre Kommunikation mit Freunden und Kollegen in ihren schauspielerisch-intellektuellen Kreisen inspiriert und praktiziert wurde, was der Beeinflussung durch lernerexterne Faktoren entspräche.
Um klären zu können, ob es sich bei „Dinglisch“ um eine Kunstsprache oder doch „nur“ um eine Interlanguage handelt, müssen die sprachlichen Formen dieser Textsorte nicht nur bezüglich der drei oben genannten Charakteristiken einer Interlanguage, sondern auch hinsichtlich den einer Interlanguage zugrunde liegenden Prozessen betrachtet werden, welche im Folgenden kurz vorgestellt werden.
2.1.2 Prozesse in Interlanguages
Selinker hat fünf relevante psycholinguistische Prozesse benannt, welche in einer Interlanguage wirksam werden und im Zentrum des Erlernens einer Fremdsprache stehen (vgl. Selinker, 1979, S. 215ff.). Diese sollen im Folgenden kurz charakterisiert werden, um später (Abschnitt 3.5.2) zu diskutieren, inwiefern diese Prozesse bei der kunstsprachlichen Verwendung des „Dinglischen“ identifizierbar werden.
1. Language transfer:
Laut Selinker liegt Sprachtransfer dann vor, wenn Elemente oder grammatische Regeln aus der Muttersprache vom Lerner in die Systematik seiner Interlanguage übertragen werden.
2. Transfer of training:
Transfer aus der Lernumgebung ist nach Selinker ein Prozess, infolge dessen die Anwendung von bestimmten Strukturmustern, die z.B. durch wiederholte Übungen erworben wurden, zum einseitigen Gebrauch bestimmter Satzmuster führen könnte.
3. Strategies of second language learning:
Hier handelt es sich laut Selinker um vom Lerner eigenständig entwickelte Strategien und Hypothesen über die Eigenschaften und Regelmäßigkeiten der Zielsprache, welche immer wieder überprüft und gegebenenfalls revidiert werden. Dabei weist Selinker darauf hin, dass diese Lernstrategien wahrscheinlich anhängig vom kulturellen Hintergrund des Lerners sind, und nicht eindeutig der einen oder anderen Strategie zugeordnet werden können.
4. Strategies of second language communication:
Strategien, welche vom Lerner erfolgreich zur Bewältigung von Kommunikationssituationen eingesetzt wurden, beschreibt Selinker als Erweiterung des Sprachtransfers, wodurch aufgrund des Erfolges der Kommunikation Fossilisierungen eintreten können. Mit anderen Worten ist hier der erfolgreiche Versuch des Lerners gemeint, etwas in der Zielsprache auszudrücken bzw. zu verstehen, selbst wenn es sich um zielsprachliche falsche Verwendungsformen handelt.
5. Overgeneralization of target language rules:
Selinker beschreibt dieses Phänomen der Verallgemeinerung zielsprachlicher Regeln an hypothetischen Beispielsätzen. Seine Theorie ist, dass Lerner in ihrer Interlanguage bereits gelernte Regeln in sprachlichen Kontexten anwenden, in denen diese jedoch keine Gültigkeit haben, da die Lerner diese Regeln für allgemein gültig erachten.
Im ersten Prozess ist die Rede von der Systematik der Interlanguage. Eine Interlanguage kann folglich auch als Zwischensystem beschrieben werden, welches sowohl muttersprachliche als auch zielsprachliche Elemente enthält. Auch weitere, bereits gelernte oder zeitgleich erlernt werdende Fremdsprachen können einen Einfluss auf die Interlanguage und damit auf die Aneignung der Zielsprache haben (vgl. Gogolin, 2001, S. 64). Hinzu kommen individuelle Merkmale, die vom Lerner selbst, aufgrund seiner Einsichten in die Systematik der Zielsprache, hypothetisch angenommen werden.
Es kann zusammengefasst werden, dass Interlanguages „nicht stabil sondern dynamisch“ sind (Tönshoff, 1995, S. 6). Sie unterliegen ständiger Veränderung, wobei es sich nicht um eine Simplifizierung, sondern um eine Komplexierung handelt (vgl. Bausch/ Kasper, 1979, S. 17). Die Veränderungen innerhalb der Interlanguage eines Lerners sind stets auf die Normen der Zielsprache ausgerichtet, was die Vermutung nahe legt, dass sich im Verlauf einer individuellen Sprachlernbiographie die Interlanguage des jeweiligen Lerners qualitativ und quantitativ an die Zielsprache annähert. Die Fehler, die bei der systematischen und schrittweisen Aneignung einer Fremdsprache gemacht werden, sind „integrierter Bestandteil des Lernprozesses und […] ein Indiz für den Stand der Entwicklung“ (Wode, 1995, S. 25). Allerdings besteht, vor allem im ungesteuerten Fremdsprachenerwerb, die Gefahr der Fossilisierung, welche im nächsten Abschnitt behandelt wird (vgl. Tönshoff, 1995, S. 6).
[...]
[1] Auf folgende Bücher wird im weiteren Text mit Abkürzungen verwiesen: Gayle Tufts, Absolutely Unterwegs, Berlin 1998 [zit. als AU], Dies., Miss Amerika, Berlin 2006 [zit. als MA]
- Arbeit zitieren
- Kathrin Greyer (Autor:in), 2007, Didaktische Potentiale "dinglischer" Texte von Gayle Tufts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146735
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