Kaum ein Thema wird im Bereich der Schulpädagogik in Deutschland mehr diskutiert und ist
schon seit vielen Jahrzehnten so aktuell wie der Begriff der „Schulfähigkeit“ und damit
verbunden die Schuleingangsdiagnostik. Es wurden und werden Testverfahren entwickelt, um
Aussagen über die Schulfähigkeit eines Kindes zu treffen, Untersuchungen dazu erstellt und
immer wieder diskutiert, inwieweit der Begriff „Schulfähigkeit“ überhaupt eine
Daseinsberechtigung hat und inwiefern Schulfähigkeit messbar, bzw. zu testen ist. Doch was
versteht man eigentlich unter Schulfähigkeit und wann bezeichnen wir ein Kind als
schulfähig?
Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Jahrzehnten viele Pädagogen und Psychologen. Der
ursprüngliche Begriff für das Phänomen Schulfähigkeit war die „Schulreife“. [...]
Durch die Praxis der Schuleingangsdiagnostik und den damit verbundenen Rückstellungen
findet eine Segregation unter den Kindern statt. Es werden nur diejenigen Kinder eingeschult,
die in das Raster des angewandten Testverfahrens passen. Somit finden wir eine gewisse
Homogenität in den deutschen Grundschulen und das Lehrpersonal kann somit bestimmte
Kenntnisse bei den Schülern voraussetzen. Doch welche Folgen eine Rückstellung beim
einzelnen Kind hat, das vielleicht gerne gemeinsam mit seinen Freunden eingeschult worden
wäre, ist die Kehrseite der Medaille. [...] Viele Wissenschaftler stellen sich daher die Frage: Muss sich denn überhaupt ein Kind an den
Anfangsunterricht der Grundschule anpassen oder ist es nicht vielmehr so, dass sich in der
heutigen, sehr heterogenen Gesellschaft der Anfangsunterricht am Kind orientieren sollte?
Genau dies ist der Punkt an dem auch neue Schulmodelle ansetzen, wie die neue
Schuleingangsstufe, deren Konzeptionen, Modelle, sowie Zielsetzung ich in meiner Arbeit
vorstellen möchte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitungsgedanke
2. Hauptteil
2.1 Die alte Schuleingangsstufe
2.2 Aktuelle Einschulungsverfahren
2.3 Die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz 1999
2.4 Die neue Schuleingangsstufe
2.5 Die neue Schuleingangsstufe in Baden- Württemberg
3. Schlussgedanke
4. Bibliographie
1. Einleitungsgedanke
Kaum ein Thema wird im Bereich der Schulpädagogik in Deutschland mehr diskutiert und ist schon seit vielen Jahrzehnten so aktuell wie der Begriff der „Schulfähigkeit“ und damit verbunden die Schuleingangsdiagnostik. Es wurden und werden Testverfahren entwickelt, um Aussagen über die Schulfähigkeit eines Kindes zu treffen, Untersuchungen dazu erstellt und immer wieder diskutiert, inwieweit der Begriff „Schulfähigkeit“ überhaupt eine Daseinsberechtigung hat und inwiefern Schulfähigkeit messbar, bzw. zu testen ist. Doch was versteht man eigentlich unter Schulfähigkeit und wann bezeichnen wir ein Kind als schulfähig?
Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Jahrzehnten viele Pädagogen und Psychologen. Der ursprüngliche Begriff für das Phänomen Schulfähigkeit war die „Schulreife“. Hier ging es „um ein Abwarten von Reifungsvorgängen und man sah es als erwiesen an, dass Schulreife vor allem etwas mit dem Alter und Wachstum der Kinder zu tun habe.“[1]
Von dieser Idee ist man jedoch schon vor längerer Zeit wieder abgekommen, da körperliche Reifungsvorgänge nichts mit Schulfähigkeit zu tun haben, und somit wurde auch der Begriff der Schulreife zurückgenommen.
Was jedoch geblieben ist, ist die Tatsache, dass Schulfähigkeit in irgendeiner Form als messbar definiert wird, beziehungsweise an bestimmten Kriterien festgemacht werden kann. Kinder brauchen also offensichtlich bestimmte Kompetenzen, in Form von Fertigkeiten und Fähigkeiten, „um nutzbringende Lernerfahrungen machen zu können und entsprechende Lernergebnisse zu erzielen.“[2]
Diese Kompetenzen setzen sich aus vier Bereichen zusammen: den emotionalen, den motorischen, den sozialen und den kognitiven Kompetenzen.
Als zusammenfassende Definition für Schulfähigkeit könnte man anhand dieser Kriterien Folgendes sagen: „Schulfähigkeit ist die Summe ganz bestimmter Verhaltensmerkmale und Leistungseigenschaften eines Kindes, die es braucht, um im Anfangsunterricht und der weiteren Schulzeit Lernimpulse wahrzunehmen, aufzugreifen und im Sinne einer Lernauseinandersetzung zu nutzen, um persönlichkeitsbildende und inhaltliche Weiterentwicklung im emotionalen, motorischen, sozialen und kognitiven Bereich aufzunehmen und umzusetzen.“[3]
Und genau hier besteht die Schwierigkeit in der Schuleingangsdiagnostik. Kinder sollen anhand von dafür entwickelten Testverfahren in all diesen Kompetenzen auf Schulfähigkeit geprüft werden. Es ist klar, dass in der Praxis häufig nur Einzelbereiche durch solche Tests abgedeckt werden zumal es schwierig ist, beispielsweise emotionale Kompetenzen zu überprüfen.
Daher ist es verständlich, dass die Praxis dieser Schulfähigkeitstests immer wieder in große Diskussion gerät, zumal die Eingangsdiagnostik keine sichere Trennung von schulfähigen und nicht schulfähigen Kindern erlaubt, und in manchen Bundesländern solche Einschulungsverfahren bereits nicht mehr existieren. Somit wird häufig die Kritik laut, dass „Schulfähigkeit als Hürde vor der Schule wirken würde.“[4]
Doch wie können Alternativen aussehen, bzw. muss es überhaupt Alternativen geben?
Fakt ist, dass durch die Rückstellung von Kindern, die laut Schuleingangsdiagnostik für noch nicht schulfähig gehalten werden, auch weit reichende Folgen entstehen.
So wird beispielsweise in der PISA- Studie aus dem Jahr 2000 Kritik laut, dass die deutschen Kinder im internationalen Vergleich viel zu spät ins Schulleben und somit auch ins Berufsleben eintreten. Bei manchen Kindern ist die Schullaufbahn sogar um bis zu zwei Jahre verzögert.[5]
Durch die Praxis der Schuleingangsdiagnostik und den damit verbundenen Rückstellungen findet eine Segregation unter den Kindern statt. Es werden nur diejenigen Kinder eingeschult, die in das Raster des angewandten Testverfahrens passen. Somit finden wir eine gewisse Homogenität in den deutschen Grundschulen und das Lehrpersonal kann somit bestimmte Kenntnisse bei den Schülern voraussetzen. Doch welche Folgen eine Rückstellung beim einzelnen Kind hat, das vielleicht gerne gemeinsam mit seinen Freunden eingeschult worden wäre, ist die Kehrseite der Medaille.
Diese segregative Strategie wird vor allem durch die Tatsache fraglich, dass es seit Jahren Schulversuche zur Integration von Kindern mit Behinderung gibt. Wenn es Grundschulen gelingt, behinderte Kinder erfolgreich im Unterricht zu integrieren, warum können dann nicht die nur „Nicht- schulfähigen Kinder“ eingegliedert werden?[6]
Viele Wissenschaftler stellen sich daher die Frage: Muss sich denn überhaupt ein Kind an den Anfangsunterricht der Grundschule anpassen oder ist es nicht vielmehr so, dass sich in der heutigen, sehr heterogenen Gesellschaft der Anfangsunterricht am Kind orientieren sollte?
Genau dies ist der Punkt an dem auch neue Schulmodelle ansetzen, wie die neue Schuleingangsstufe, deren Konzeptionen, Modelle, sowie Zielsetzung ich in meiner Arbeit vorstellen möchte.
2. Hauptteil
2.1 Die alte Schuleingangstufe
Bereits Ende der 60er Jahre fand in Deutschland eine Bildungsreform statt, die die bisherigen Einschulungsverfahren mit Stichtagsregelung und damals noch sog. Schulreifetest als überholt ansah und nach einer Neuordnung der Schulanfangsphase strebte. Diese Erkenntnisse beruhten auf Untersuchungen in der Verhaltensforschung, die Wissenschaftler wie Benjamin Bloom oder Jerome Brunner durchführten. Hierbei wurde festgestellt, dass „es sich bei der menschlichen Entwicklung um einen kumulativen Prozess handelt, der in den ersten Lebensjahren mit starker Beschleunigung verläuft, sodass bereits vor Schuleintritt wichtige Grundlagen für das spätere Leben gelegt werden.“[7]
Des Weiteren fand man heraus, dass die Fähigkeiten eines Kindes in Abhängigkeit von seiner sozialen Herkunft stehen und nicht wie bisher vermutet nur auf nativistische Begabungen beruhen. Somit warf man die Theorien von Schulreifetests über Bord und versuchte eine Schuleingangsstufe zu kreieren, die allen Kindern eine Chancengleichheit beim Start ins Schulleben ermöglichen sollte: die Schuleingangsstufe.
Die Umsetzung dieser Idee erfolgte jedoch nicht einheitlich, da die Kultusministerkonferenz von 1970 und der deutsche Bildungsrat verschiedene Strukturmodelle vorschlugen und es zu keinem deckungsgleichen Ergebnis kam. Streitpunkte blieben die „Zuordnung der Fünfjährigen“ sowie „die Dauer der Eingangsstufe und die mit ihr intendierte Vorverlegung der Schulpflicht auf das 5. Lebensjahr.“[8]
Somit entstanden drei Modellvarianten, die sich hauptsächlich in der institutionellen Zuordnung der Fünfjährigen unterschieden. Zum einen war es möglich, dass die Fünfjährigen in einer Vorklasse der Grundschule unterrichtet wurden, oder alternativ in der Vorschule des Kindergartens verblieben.
Die entscheidende Neuerung war in Modellstufe 2 und 3, dass die Grundschule eine zweijährige Eingangsstufe zugewiesen bekam, die alle Fünf- und Sechsjährigen in einer pädagogischen und organisatorischen Einheit zusammenfasste, sie dort gemeinsam unterrichtete und somit eine individuelle Verweildauer, je nach Lernstand des Kindes ermöglichte. Sichtlich positiv war an der alten Schuleingangsstufe, dass durch die Eingangsphase kein Bruch mehr zwischen den Institutionen Kindergarten und Grundschule stattfand und somit die Forderung nach einem gleitenden „Übergang zwischen freiem Spiel und zielorientierter Arbeit, zwischen situativem vorschulischen und systematischem schulischen Lernen“[9] umgesetzt wurde.
Alle übrigen Ansprüche und Vorstellungen kamen jedoch aufgrund der verschiedenen Modellvarianten eher zu kurz. Man versteifte sich so auf die Zuordnungsfrage der Fünfjährigen, dass Interessen, wie die Parallelentwicklung von Entwicklungs- und Bildungsprozessen oder auch das Zweipädagogensystem nicht umgesetzt wurden, denn ursprünglich war gefordert, dass in der Eingangsstufe Sozialpädagogen und Grundschullehrer Hand in Hand arbeiten, um somit Schulfähigkeit und eine gleiche Lernbiographie bei den Kindern trotz oder gerade wegen des unterschiedlichen Förderbedarfs herstellen zu können.
Nach der praktischen Erprobung dieser neuen Form, sollte über eine flächendeckende Einführung diskutiert werden, die jedoch aufgrund von zu verschiedenen Begleitforschungsprojekte und durch die schlechte Vergleichbarkeit der einzelnen Modellvarianten nicht erfolgte. Als Generalbefund wurde festgestellt, dass es auf jeden Fall wichtig ist, Kinder auf die Schule vorzubereiten und sie zu fördern, denn die Kinder, die in Modelleinrichtungen, entweder im Kindergarten oder in der Eingangsstufe der Grundschule gefördert wurden, schnitten im Vergleich zu nicht geförderten Kindern im Hinblick auf ihr Verhalten sowie ihre Lern- und Schulfähigkeit deutlich besser ab. Auch die Quote von Zurückstellungen und Sitzenbleibern ging zurück.[10]
[...]
[1] Krenz, 2003, S.50
[2] Krenz, 2003, S. 61
[3] Krenz, 2003, S. 63
[4] Faust, 2005, S. 2
[5] vgl. Faust, 2001,S. 175/187
[6] vlg Faust, 2005, S. 2
[7] Götz, 2004. S. 255
[8] Götz, 2004, S. 257
[9] Götz, 2004, S. 258
[10] vgl. Götz, 2004, S. 260
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