In dieser Arbeit sollen die speziellen Problemlagen von Kindern mit einem psychisch kranken Elternteil beleuchtet werden. Es soll geschildert werden, welchen sozialen und psychischen Belastungen diese Kinder innerhalb ihrer Familie ausgesetzt sind und auch welche Gefahren für die eigene Entwicklung daraus resultieren.
Der zweite Teil dieser Arbeit befasst sich mit den bereits existierenden Hilfsangeboten für Kinder psychisch kranker Eltern und wie diese sich bewährt haben.
Wenn eine Person in Deutschland psychisch erkrankt, kann sie auf ein vielfältiges Angebot von Hilfen bauen: Ärzte, Psychotherapeuten, Kliniken für Psychiatrie und Sozialpsychiatrische Dienste bilden bundesweit ein gut ausgebautes Netz an Hilfsangeboten.
Ganz anders sieht es in Bezug auf Familienangehörige und insbesondere Kinder psychisch kranker Menschen aus. Diese stehen oft unter extremer psychischer und sozialer Belastung.
Wenn Mutter oder Vater für Wochen oder Monate in einer Klinik untergebracht werden, ist die Familie auseinander gerissen und muss sich neu organisieren. Der Kontakt zum betroffenen Elternteil bricht ab und lässt sich nur schwer durch Besuchszeiten in der Klinik im gleichen Maße aufrecht erhalten.
Aber auch wenn Mutter oder Vater dann wieder zu Hause sind, bleibt die Situation oft mindestens ebenso belastend für die Kinder. Sie wissen oft nicht, in welcher Stimmung sie ihre Eltern vorfinden wenn sie nach Hause kommen: Extrem deprimiert, völlig ausgelassen oder womöglich in psychotischen Wahnvorstellungen verhaftet. So schildern betroffene Kinder1 oft ein Klima der Angst, das zu Hause herrsche, da sie nicht einschätzen können was als nächstes passiert. Auch können Kinder, je kleiner sie sind, das Verhalten ihrer Eltern nur schwer einordnen und als eine Krankheit erkennen. Die Folge davon ist oft eine tiefe Verunsicherung im Verhältnis und in der Bindung zu den Eltern. Dies führt nicht selten bei den Kindern zu Verhaltensauffälligkeiten oder mündet im Extremfall sogar in psychischen Krankheiten bei den Kindern selbst.
Was die Problemlage dieser Kinder noch verschärft, ist die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen, die auch heute noch in der Gesellschaft vorhanden ist. Allein in unser Alltagssprache sind Redewendungen wie „der ist ja irre“ oder „durchgeknallt“ gang und gäbe. Somit ist es nicht unbedingt einfach, sich dazu zu bekennen, einen psychisch kranken Vater oder eine psychisch kranke Mutter zu haben.
Inhaltverzeichnis
1. Einleitung
2. Problemlagen von Kindern mit psychisch kranken Eltern
2.1 Lebenssituation der Kinder und Eltern
2.2 Entwicklungsrisiken der Kinder am Beispiel Schizophrenie
2.2.1 Das Krankheitsbild der Schizophrenie
2.2.2 Auswirkungen von schizophrenen Symptomen auf junge Kinder
2.2.3 Auswirkungen von schizophrenen Symptomen auf ältere Kinder
3. Hilfen für Kinder von psychisch kranken Eltern
3.1 Juristische Aspekte
3.2 Präventionsprojekte
3.3 Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern
3.4 Mutter-Kind Betreuung in Kliniken
4. Resümee
Anhang:
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wenn eine Person in Deutschland psychisch erkrankt, kann sie auf ein vielfältiges Angebot von Hilfen bauen: Ärzte, Psychotherapeuten, Kliniken für Psychiatrie und Sozialpsychiatrische Dienste bilden bundesweit ein gut ausgebautes Netz an Hilfsangeboten.
Ganz anders sieht es in Bezug auf Familienangehörige und insbesondere Kinder psychisch kranker Menschen aus. Diese stehen oft unter extremer psychischer und sozialer Belastung.
Wenn Mutter oder Vater für Wochen oder Monate in einer Klinik untergebracht werden, ist die Familie auseinander gerissen und muss sich neu organisieren. Der Kontakt zum betroffenen Elternteil bricht ab und lässt sich nur schwer durch Besuchszeiten in der Klinik im gleichen Maße aufrecht erhalten.
Aber auch wenn Mutter oder Vater dann wieder zu Hause sind, bleibt die Situation oft mindestens ebenso belastend für die Kinder. Sie wissen oft nicht, in welcher Stimmung sie ihre Eltern vorfinden wenn sie nach Hause kommen: Extrem deprimiert, völlig ausgelassen oder womöglich in psychotischen Wahnvorstellungen verhaftet. So schildern betroffene Kinder1 oft ein Klima der Angst, das zu Hause herrsche, da sie nicht einschätzen können was als nächstes passiert. Auch können Kinder, je kleiner sie sind, das Verhalten ihrer Eltern nur schwer einordnen und als eine Krankheit erkennen. Die Folge davon ist oft eine tiefe Verunsicherung im Verhältnis und in der Bindung zu den Eltern. Dies führt nicht selten bei den Kindern zu Verhaltensauffälligkeiten oder mündet im Extremfall sogar in psychischen Krankheiten bei den Kindern selbst. Was die Problemlage dieser Kinder noch verschärft, ist die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen, die auch heute noch in der Gesellschaft vorhanden ist. Allein in unser Alltagssprache sind Redewendungen wie „der ist ja irre“ oder „durchgeknallt“ gang und gäbe. Somit ist es nicht unbedingt einfach, sich dazu zu bekennen, einen psychisch kranken Vater oder eine psychisch kranke Mutter zu haben.
Wie schwer es für die betroffenen Familien ist, im Alltag offen mit der Erkrankung umzugehen, zeigen wieder die Erfahrungsberichte von Angehörigen2: Oft wird in den Familien nur von „der Krankheit“ gesprochen oder „der Klinik“ ohne genauer zu erwähnen, worum es wirklich geht. Man spricht einfach von einem „Nervenzusammenbruch“3 ohne weiter auf die Krankheit einzugehen. In nicht wenigen Familien wird über die Krankheit der Mutter oder des Vaters gar nicht gesprochen und das Thema wird weitestgehend tabuisiert.
Während aber die psychisch kranken Menschen selbst - wie eingangs erwähnt - mit Hilfen verschiedenster Art rechnen können, gibt es für deren Kinder oft keine Hilfsangebote oder überhaupt einen Ansprechpartner. Zwar gibt es in vielen Psychiatrien und Sozialpsychatrischen Diensten Angehörigengruppen, aber diese wenden sich meist nur an die erwachsenen Angehörigen. Somit bleiben die Problemlagen der Kinder oft ein „Blinder Fleck“ mit dem die Kinder und die Familien alleine fertig werden müssen.
In dieser Arbeit sollen die speziellen Problemlagen von Kindern mit einem psychisch kranken Elternteil beleuchtet werden. Es soll geschildert werden, welchen sozialen und psychischen Belastungen diese Kinder innerhalb ihrer Familie ausgesetzt sind und auch welche Gefahren für die eigene Entwicklung daraus resultieren.
Der zweite Teil dieser Arbeit befasst sich mit den bereits existierenden Hilfsangeboten für Kinder psychisch kranker Eltern und wie diese sich bewährt haben.
2. Problemlagen von Kindern mit psychisch kranken Eltern
In diesem ersten Teil der Arbeit soll geschildert werden, welchen speziellen sozialen und psychischen Belastungen dieser Klientenkreis ausgesetzt ist und wie sich diese auf die Kindheit und Jugend der Betroffenen auswirken können. Dabei sollen zunächst anhand von Statistiken die konkreten Lebensumstände in den betroffenen Familien geschildert werden. Weiterhin sollen die psychischen und auch die sozialen Belastungen der Kinder anhand des Beispiels der Schizophrenie dargestellt und erörtert werden
2.1 Lebenssituation der Kinder und Eltern
Laut Remschmidt und Mattejat4 ist in Deutschland von ca. 200.000 bis 500.000 minderjährigen Kindern auszugehen, bei denen eines oder beide Elternteile psychisch erkrankt sind. Diese Zahlen beruhen auf mehreren Studien zum Thema Elternschaft und psychische Erkrankung. Die Zahlen sind nur ungefähre Schätzwerte, da bei einer Aufnahme in eine psychiatrische Klinik die Frage nach minderjährigen Kindern offenbar nicht gestellt wird und darum keine exakten Zahlen zu ermitteln sind. Eine dieser Studien zum Thema Elternschaft und psychische Erkrankung wurde von Albert Lenz in drei Kliniken in Nordrhein-Westfalen durchgeführt und gibt einen Einblick in die Lebenssituation der betroffenen Kinder und ihrer Familien:
Von den 808 befragten Patienten in der Studie gaben 27% an, minderjährige Kinder zu haben5. Diese wurden während des Klinikaufenthaltes wie folgt versorgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Lenz, 2005, S. 42
Die Patienten beurteilten zu 86% die Versorgung ihrer Kinder als gut und nur 14% als mittelmäßig oder schlecht.
25% der Betroffenen bekamen einmal die Woche von ihren Kindern Besuch, 34% weniger als einmal die Woche und 41% selten oder nie.
In der Studie wurde auch gefragt, wer die Kinder über die Krankheit der Eltern aufgeklärt habe und weiterhin informiere6: Ca. 63% der Befragten gaben an, dass ihre Kinder informiert seien, 37% hingegen schätzten ihre Kinder als nicht ausreichend informiert und aufgeklärt ein. Als Grund für das Nichtinformieren der Kinder wurde von ca. 53% der Patienten die Befürchtung geäußert, dass die Kinder dadurch zu sehr belastet würden und 24% gaben an, sich selber nicht im Stande zu sehen, ihre Kinder angemessen über ihre Krankheit aufzuklären. Ca. 23% hingegen meinten, ihre Kinder seien noch zu klein um mit ihnen über die Krankheit sprechen zu können.
Als Informationsquelle für die Kinder über die Krankheit der Eltern wurden folgende Personen genannt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Lenz, 2005, S. 44
Ebenso wurden die Eltern danach befragt, ob sie ihre Kinder für auffällig hielten. Dabei wurde nach psychischen, sozialen und gesundheitlichen Auffälligkeiten unterschieden. Insgesamt 23% der Eltern schätzten dabei das Verhalten ihrer Kinder in einem oder mehreren dieser Bereiche als auffällig oder grenzwertig ein.
Eine weitere Studie von Küchenhoff7 mit 4000 Kindern psychisch kranker Eltern kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Dabei sollten die erkrankten Eltern, sowie -als Korrektiv dazueine zweite Bezugsperson, das Verhalten der Kinder näher einschätzen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Küchenhoff in Wagenblass, Schone , 2006, S. 54
Dieser Abgleich zeigt, dass auch psychisch kranke Eltern durchaus in der Lage sind, die Probleme ihrer Kinder relativ realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen. Die Abweichungen in den Bereichten „Konflikte mit Betreuungspersonen“ und „Körperliche Beschwerden“ lassen sich wahrscheinlich durch die räumliche Distanz des betroffenen Elternteils und die daraus resultierende unterschiedliche Wahrnehmung der beiden Bezugspersonen erklären.
Die Tatsache, dass ein Drittel der Kinder, die sich in stationärer psychiatrischer Behandlung befinden, Eltern haben, die selbst psychisch krank sind8, zeigt, dass die Probleme und Auffälligkeiten dieser Kinder frühzeitig ernst genommen und ggf. behandelt werden sollten.
Das Risiko der Kinder, selbst psychisch zu erkranken, liegt bei einem schizophrenen Elternteil bei 10-15% - bei beiden erkrankten Elternteilen sogar bei 35-50%. Zum Vergleich: Bei Kindern mit gesunden Eltern liegt das Risiko nur bei 1%9.
Die Zahlen bei depressiven Erkrankungen liegen sogar noch höher: Hier liegt die Wahrscheinlichkeit für die Kinder bei 23-38% selbst zu erkranken.
Somit ist klar, dass die Kinder von psychisch kranken Eltern überdurchschnittlich stark gefährdet sind, selbst zu erkranken.
Abgesehen von dieser Tatsache, lässt sich aus den vorangestellten Zahlen und Daten ablesen, dass die Eltern wenig Hilfe von außen haben oder wünschen. 73,9% der Kinder werden während der Zeit in der Klinik von Familienmitgliedern betreut und diese Betreuung wird zum großen Teil als gut angesehen. Nur 2,9% konnten ihr Kind in die Klinik mitnehmen und nur 15% haben ihr Kind außerhalb der Familie untergebracht. Einerseits lassen diese Zahlen wohl auf eine funktionierende Familienstruktur schließen. Anderseits bleibt aber auf Grund der Tatsache, dass in vielen Kliniken offenkundig nicht nach minderjährigen Kindern gefragt wird, die Frage offen, ob die Eltern überhaupt andere Betreuungsangebote für ihre Kinder kennen und über Hilfsangebote für ihre Kinder umfassend informiert werden. Es bleibt ebenfalls ungeklärt, inwieweit es überhaupt Möglichkeiten gibt, ein Kind in eine Klinik mitzunehmen, wie es z.B. in Kurkliniken möglich ist.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass nur 25% der Patientinnen und Patienten von ihren Kindern wöchentlich besucht werden. 41% der Eltern erhalten während ihres Klinikaufenthaltes sogar selten oder nie Besuch von ihren Kindern. Liegt dies evtl. an räumlichen Distanzen zur Klinik? Oder sollen die Kinder evtl. aus Sicht der Familie vor der Krankheit der Mutter oder des Vaters geschützt werden? Auf diese sicherlich interessanten Fragen gibt die Studie leider keine Antwort.
2.2 Entwicklungsrisiken der Kinder am Beispiel Schizophrenie
Das Forschungsgebiet, in dem die Entwicklungsrisiken der betroffenen Kinder ermittelt und erforscht werden, ist die sogenannte medizinische „High-Risk-Forschung“. Sie geht von der Annahme aus, dass es sich bei Kindern psychisch kranker Eltern um eine Risikogruppe handelt, die Gefahr läuft, selbst zu erkranken (s.o.). Dabei werden Modelle verfolgt, die in gleichen Maße genetische, biochemische, neurophysiologische sowie lern- und interaktionstheoretische Aspekte berücksichtigen10 um sich den Ursachen psychischer Krankheiten zu nähern und mögliche Auslöser finden zu können. Allerdings ist diese „High-Risk-Forschung“ in Bezug auf Kinder psychisch kranker Menschen ein relativ kleines Forschungsgebiet, in dem nur wenig geforscht wird11. Beispielhaft sollen in dem nun folgenden Kapitel die Auswirkungen einer elterlichen Schizophrenie auf die Kinder geschildert werden.
[...]
1 Vgl. Mattejat Liosofsky. 2005 S. 12 ff.
2 Vgl. Mattejat Liosofsky, 2005 S. 12 ff
3 Vgl. Mattejat Liosofsky, 2005 S. 46
4 1994, S. 5
5 Lenz, 2005, S.41
6 Lenz, 2005, S.44-45
7 Koch-Stoecker in Wagenblass, Schone S. 54
8 Mattejat, Remschmidt S. 15
9 Mattejat, Remschmidt S. 22
10 vgl. Wagenblass, Schone, 2006, S.11
11 vgl. Koch-Stoecker in Wagenblass, Schone, 2006 S. 48
- Quote paper
- Gregor Köwing (Author), 2007, Problemlagen und Hilfsangebote für Kinder psychisch kranker Eltern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146259
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