Die erste Frau, die über die Anden flog, war die französische Pilotin Adrienne Bolland (1895–1975). Bei diesem strapaziösen Flug über die südamerikanische Gebirgskette erreichte sie eine Höhe bis zu 4.500 Metern. Als junge Frau machte sie in den 1920-er Jahren auch durch andere spektakuläre Flüge von sich reden. Die Kurzbiografie „Adrienne Bolland. Die erste Frau, die über die Anden flog“ des Wiesbadener Autors Ernst Probst schildert das Leben dieser Flugpionierin.
Die erste Frau, die über die Anden flog, war die französische Pilotin Adrienne Bolland (1895- 1975). Bei ihrem strapaziösen Flug von Argentinien nach Chile über die Gebirgskette der Anden erreichte sie 1921 eine Höhe bis zu 4.500 Metern. Sie arbeitete als erste Testpilotin des französischen Flugzeugherstellers „Caudron“. Als junge Frau machte sie in den 1920-er Jahren auch durch andere spektakuläre Flüge von sich reden Die gutsituierten Eltern von Adrienne stammten beide aus Belgien. Ihr Vater war der Journalist und Schriftsteller Henri André Joseph Boland (1854-1909). Auf der Ge- burtsurkunde des Vaters ist der Familienname Bolland mit zwei „ll“ eingetragen. Nachdem 1880 sein Familien- name irrtümlich auf einem amtlichen Schriftstück in Arcueil nur mit einem „l“ geschrieben wurde, behielt er die Schreibweise „Boland“ bei. In vielen Büchern, die er veröffentlicht hat, steht der Autorenname „Henri Boland“ auf dem Titel.
Von 1880 bis 1882 leitete Henri Boland die Zeitung „National “. 1881 kaufte er das Haus „Les Charmettes“ in Donnery im französischen Département Loiret. Dabei handelte es sich um das ehemalige Anwesen des Romanciers Pierre Alexis de Ponson du Terrail (1829- 1871). Henri Boland heiratete 1882 Marie Joséphine Pasques (1853-1941). Seine Ehefrau war das zweite von acht Kindern einer angesehenen Familie. Deren Vorfahren hatten sich 1814 im Chateau d’Allonnes niedergelassen.
1883 floh Henri Boland wegen einer politischen Affäre mit seiner Ehegattin und seiner ersten Tochter Marie
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Romancier Pierre Alexis de Ponson du Terrail (1829-1871)
(1883-1966) auf die Insel Guernsey im Ärmelkanal. Dort kamen der Sohn Benoît (1885-1983) und die Tochter Bernardine (1887-1919) zur Welt. Auf Guernsey leitete Henri Boland die französisch-sprachige Zeitschrift „Le Bailliage“, die von 1886 bis 1892 existierte.
1889 kehrte die Familie Boland nach Frankreich zurück und zog nach Arcueil (heute Arcueil-Cachan) im Dé- partement Val-de-Marne. Arcueil liegt etwa fünf Kilo- meter von der französischen Hauptstadt Paris entfernt und hatte 2009 mehr als 19.500 Einwohner. Das Stadtbild von Arcueil wird von drei Aquädukten beherrscht, von denen zwei noch heute in Funktion sind. Dabei handelt es sich um den gallo-römischen Aquädukt, den Aquädukt Médicis aus dem 17. Jahrhundert und den Aquädukt de la Vanne aus dem 19. Jahrhundert.
In Frankreich bekam die Familie Boland weitere Kinder: Antoinette (1890-1986), Dieudonnée (1892-1931), Edouard (1894-1895) und schließlich Adrienne (1895- 1975). Die Angaben über die Zahl der Kinder der Familie Boland sowie deren jeweiliges Geburts- und Todesjahr verdankt der Autor dieser Kurzbiografie Coline Béry aus Cachan.
Adrienne Armande Pauline Boland wurde am 25. November 1895 als das jüngste von sieben Kindern in Arcueil-Cachan geboren. In manchen Biografien über sie ist nur von sechs Kindern die Rede. Dies liegt vermutlich daran, dass ihr Bruder Edouard in ihrem Geburtsjahr 1895 im frühen Kindesalter gestorben ist.
Es heißt, Adrienne habe nur schwer die Aufmerksamkeit ihres Vaters erringen können. Vielleicht war dies daran
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Foto „ Le viaduc, Arcueil “
von Adolphe Braun (1811-1877) von 1871
begründet, dass sie mehrere Geschwister hatte oder daran, dass Henri Boland - wie viele andere Autoren - wegen seiner Schriftstellerei wenig Zeit für seine Familie hatte. Ihr Vater schrieb Reiseführer für den Verlag „Hachette“, arbeitete für den „Touring Club de France“ und fungierte zeitweise als dessen Präsident.
Als Kind war Adrienne ein wahrer Wildfang gewesen. Früh lernte sie, ihren Willen durchzusetzen. Niemand in ihrer Familie konnte ihre einmal gefasste Meinung ändern. Sie wiederholte trotzig immer wieder ihre eigene Auffassung. Aus diesem Grund wurde sie zuhause als „kleiner Terror“ bezeichnet. Ihr Durchsetzungsver- mögen behielt sie auch als Erwachsene bei.
Von 1908 bis 1910 nahm Benoît Boland, der ältere Bruder von Adrienne, an der Expedition des franzö- sischen Arztes und Polarforschers Jean-Baptiste Charcot (1867-1936) mit dem Schiff „Pourquoi-Pas?“ (deutsch: „Warum nicht?“) als Seemann teil. Dabei sind die Bellingshausen-See und Amundsen-See erforscht worden.
Im Oktober 1909 wurde die Familie Boland von einem schweren Schicksalsschlag getroffen. Damals erlebte Adrienne im Alter von 14 Jahren den Tod ihres 55- jährigen Vaters, der ihre Familie in finanzielle Nöte stürzte.
Als junge Frau interessierte sich Adrienne Boland für Autorennen, Glücksspiele und Partys. Im Herbst 1919 verlor sie einmal an der Rennstrecke viel Geld. Bei einem anschließenden Trinkgelage in einem Restaurant am Montmartre erklärte sie ihren Freunden, sie werde nicht mehr zu den Rennen gehen, sondern wolle Fliegerin
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Flugzeugpionier Ren é Caudron (1884-1959), rechts, und Pilot Jean Cei (1880-1911) im April 1905
werden. Mit den Einkünften als Pilotin wollte sie ihre Spielschulden tilgen. Ein Gast am Nachbartisch schlug Adrienne vor, sie solle sich an den Flugzeughersteller Caudron wenden.
Réne Caudron (1884-1959) hatte 1909 zusammen mit seinem älteren Bruder Gaston Caudron (1882-1915) zunächst ein Segelflugzeug und später auch motorgetriebene Flugzeuge hergestellt. Beide hatten am Strand von Le Crotoy (Département Somme) am Ärmelkanal einen Hangar errichtet und eine Flugschule gegründet, an der Franzosen und Ausländer - wie die Amerikanerin Bessie Coleman (1893-1926) - das Fliegen lernten. Gaston Caudron kam 1915 bei einem Flug- versuch in Lyon (Frankreich) ums Leben. Die Caudron- Flugschule blieb bis 1928 in Le Crotoy und wurde später nach Ambérieu-en-Bugey (Departement Ain) verlegt. 1929 kam eine weitere Flugschule in Royan (Départe- ment Maritim) dazu.
Im Herbst 1919 ging Adrienne Boland zum Flug- zeugpionier René Caudron und erklärte ihm, sie wolle fliegen lernen. Ihren Wunsch trug sie so überzeugt, vor, dass sie Gehör fand. Adrienne nahm ab 16. November 1919 an der Flugschule von Réne Caudron in Le Crotoy ihren Flugunterricht. Damals soll wegen eines Tippfeh- lers das zweite „l“ in ihren Familiennamen eingefügt worden sein, heißt es. Danach habe sie die Schreibweise „Bolland“ bis zum Ende ihres Lebens beibehalten. Bereits eine Woche nach der Anmeldung wagte Adrienne Bolland ihren ersten Alleinflug. Sie hatte dabei Angst, fühlte sich krank, zeigte aber schon ein gewisses Gefühl für das Fliegen. In der Luft fühlte sie sich klein und bescheiden, aber auf dem Boden war sie unerträg- lich. Nach der ersten Landung fragte man sie, wie es war. Ihre Antwort lautete: „Sehr gut!“ Wenn sie jemand bei den Flugstunden berechtigerweise kritisierte, reagierte sie sehr widerspenstig. Die Mutter soll nicht davon begeistert gewesen sein, dass Adrienne eine Pilotin werden wollte. Angeblich empfand die Familie von Adrienne dies als Skandal.
Adrienne Bolland war 24 Jahre alt, als sie am 26. Januar 1920 - zwei Monate und drei Tage nach ihrem ersten Flug in Le Crotoy - den Flugschein erhielt. Danach trug sie Réne Caudron ihren Wunsch vor, eine eigene Maschine für ihn zu fliegen. Dieser deutete auf eine seiner „Caudron G-III“ und erklärte, wenn sie damit eine Schleife (einen Looping) fliegen könne, sei dies möglich. Adrienne ließ sich dies nicht zweimal sagen und bewies mit mehr Schleifen als nur einer einzigen ihr fliegerisches Können.
Bereits im Februar 1920 stellte die Flugzeugbaufirma Caudron die attraktive Adrienne Bolland als Pilotin ein. Sie war die erste Frau, die bei dieser Firma als Testpilotin arbeitete. Man wollte zeigen, dass die Maschine „Caudron G-III“, ein zweisitziger Doppeldecker, sehr leicht zu handhaben sei, weil eine junge Frau sie fliegen konnte. Dieses Flugzeug sah angeblich aus wie eine „Rattenfalle“, war aber sehr flexibel und stabil.
Réne Caudron schlug Adrienne Bolland vor, diese solle mit einer seiner Maschinen über den Ärmelkanal fliegen, eine Meeresstraße, die Frankreich und England trennt. Bevor Adrienne an den geplanten Start ging, feierte sie Mitte August 1920 mit Fliegerfreunden bis spät in die Nacht in der belgischen Hauptstadt Brüssel. Réne Caudron wusste nichts von dem Abstecher seiner Pilotin nach Brüssel und wähnte diese bereits auf dem Flug über den Kanal. Am Tag nach der Feier in Brüssel berichteten Zeitungen, man habe nach einer verschollenen Fliegerin im Ärmelkanal gesucht. Nicht auf Anhieb begriff Adrienne, dass sie damit gemeint war. Schlagfertig konterte sie, sie hätte letzte Nacht ertrinken können, aber nicht im Wasser. Réne Caudron war über diese Eskapade seiner eigenwilligen Pilotin nicht begeistert. Nachdem ihm diese dr]ohte, sie würde sein Flugzeug verkaufen, wenn er ihr kein Geld nach Brüssel schicken würde, kam er ihrem Wunsch nach. Adrienne kehrte nach Frankreich zurück, wo sie in einem kleinen Casino wieder einmal ihrer Spielleidenschaft frönte. Nach eigenem Eingeständnis war sie nie in der Lage, einem Spiel zu widerstehen.
Am 25. August 1920 überquerte Adrienne Bolland als zweite Frau im Flugzeug den Ärmelkanal (Englischer Kanal) zwischen Frankreich und England. Dieses Kunststück hatte 1912 die amerikanische Fliegerin Harriet Quimby (1875-1912) als erste Frau in um- gekehrter Richtung von England nach Frankreich geschafft. Beim Flug über den Kanal herrschte dichter Nebel und Adrienne hatte Mühe, sich zu orientieren. Eine Methode, mit der sie den Weg nach Norden in Richtung England finden wollte, funktionierte ohne Sonnenschein nicht. Unterwegs hörte sie plötzlich einen schrecklichen Lärm, als der Flugzeugmotor ein Teil verlor. Nach der Notlandung an der englischen Küste rief sie auf dem Flugplatz Lympne an, worauf man sie
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Harriet Quimby (1875-1912)
überflog 1912 als erste Frau den Ärmelkanal
abholte. Einer ihrer Retter murmelte „Lucky girl ... Lucky girl ...“
Neben Fliegerassen aus dem Ersten Weltkrieg wie Réne Fonck (1894-1953), Charles Nungesser (1892-1927), Bernard Barny de Romanet (1894-1921), Jean Casale (1893-1923) und Lucien Bossoutrot (1890-1958) sah man Adrienne Bolland beim „Grand meeting aérrien“ vom 8. bis 10. Oktober 1920 in Buc. Ihr Auftritt bei dieser Luftfahrtschau als einzige Frau, den sie in Abwesenheit und ohne Erlaubnis ihres Chefs Réne Caudron wagte, erregte in der Öffentlichkeit großes Aufsehen.
Als Adrienne Bolland erfuhr, der Flugzeughersteller Réne Caudron plane, in Südamerika seine Maschine des Typs „Caudron G-III“ vorzustellen, bewarb sie sich erfolgreich für diese Aufgabe. Im Januar 1921 traf Adrienne Bolland mit dem Mechaniker Réne Duperrier und zwei „Caudron G-III“ in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires ein. Die beiden Maschinen waren in Teile zerlegt, in große Kisten verpackt und wurden nach der Ankunft vom Mechaniker wieder zusammengebaut. Adrienne sollte in Südamerika mit Präsentationen der „Caudron G-III“ neue Kunden gewinnen.
Während Adrienne Bolland im Hotel „Majestic“ in Buenos Aires wohnte, forderten argentinische Zeitungen zu einem weiteren Flug über die Anden auf. Den ersten Anden-Überflug hatte am 12. Dezember 1918 der chilenische Leutnant Dagoberto Godoy (1893-1960) geschafft. Er war in El Bosque, etwa 40 Kilometer nördlich von Santiago de Chile, gestartet, in einer Höhe
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Der chilenische Leutnant Dagoberto Godoy (1893-1960) hat 1918 als Erster den Flug ü ber die Anden geschafft.
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Blick auf die Anden,
wie er sich Adrienne Bolland 1921 bei ihrem Flug bot
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„ Caudron G-III “ im „ Museu Aerospacial “ in Rio de Janeiro
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Adrienne Bolland vor ihrem Flugzeug
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Die amerikanische Pilotin Laura Ingalls (1901-1967) ü berquerte 1934 die Anden
von rund 6.300 Metern geflogen und nach 1 Stunde 35 Minuten in Lagunitas bei Mendoza (Argentinien) gelandet. Vor ihm hatten andere dies seit 1913 vergeblich versucht und ihr Vorhaben mit Verletzungen oder sogar mit ihrem Leben bezahlt.
Mitte März 1921 war Adrienne Bolland dazu bereit, den riskanten Flug über die Anden zu wagen. Für dieses waghalsige Vorhaben forderte sie per Telegramm von Réne Caudron eine stärkere Maschine. Aber ihr Chef lehnte per Telegramm ab und erklärte, sie solle selbst entscheiden, was sie nun tun wolle. Am 20. März 1921 fuhren Adrienne und ihr Mechaniker mit einer „Caudron G-IIII“ per Zug nach Mendoza, die Hauptstadt der gleichnamigen argentinischen Provinz am Fuße der Anden.
Am 1. April 1921 feierte Adrienne Bolland, die bis dahin angeblich erst 40 Stunden Flugzeit geschafft hatte, ihren größten fliegerischen Triumph. An jenem Tag flog sie mit einer „Caudron G-III“ in drei Stunden und 15 Minuten vom „Tamarinda Aerodrome“ bei Mendoza (Argentinien) zur chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile über die Anden. Die Anden sind mit rund 7.500 Kilometer Länge die längste Gebirgskette der Erde, teilweise mehr als 600 Kilometer breit und ihr größter Berg, der Aconcagua, ist 6.962 Meter hoch.
Der Start von Adrienne Bolland in Argentinien erfolgte nach 6 morgens (Ortszeit) und die Landung in Chile nach 10 Uhr morgens (Ortszeit). In der Literatur differieren die Angaben über die Uhrzeit von Start und Landung sowie über die Flugdauer. Mit zur Verwirrung trug bei, dass es damals zwischen Argentinien und Chile eine Zeitdifferenz von einer Stunde gab. In Argentinien beträgt die Zeitverschiebung im April minus fünf Stunden, in Chile dagegen sechs Stunden. Als Adrienne in Chile nach 10 Uhr (Ortszeit) ankam, war es in Argentinien erst nach 9 Uhr (Ortszeit). Bei der Flugdauer ist mal von 3 Stunden 17 Minuten, mal von 4 Stunden 17 Minuten und mal sogar von zehn Stunden die Rede. Letztere Angabe dürfte auf einem Missverständnis beruhen: Adrienne kam nach 10 Uhr (Ortszeit) und nicht nach zehn Stunden an.
Adrienne Bolland gilt als die erste Frau, die den Alleinflug über die Anden schaffte. In der Literatur wird diese bravouröse Leistung mitunter irrtümlich der amerikanischen Fliegerin Laura Ingalls (1901-1967) zugeschrieben, die aber in Wirklichkeit erst 1934 die Anden überquerte.
Für Adrienne Bolland war ihr Rekordflug über die Anden im Frühjahr 1921 ein gefährliches Abenteuer. Ihre Maschine des Typs „Caudron G-III“ mit einem 80 PS starken Motor, einer Flügelspannweite von 13,40 Metern, einer Länge von 6,40 Metern, einer Höhe von 2,80 Metern, einem Leergewicht von 778 Kilo- gramm und einer Höchstgeschwindigkeit von 115 Stunden-kilometern eignete sich für den Flug über die Anden nicht ideal. Dieser Typ wurde im Ersten Weltkrieg (1914-1918) für militärische Beobachtungsflüge eingesetzt.
Noch kurz vor dem Start besaß Adrienne Bolland angeblich weder Karten noch irgendein genaueres Wissen über die gebirgige Gegend, die sie überfliegen wollte. Das klingt je nach Betrachtungsweise sehr mutig oder sehr leichtsinnig. Während des Fluges musste sie mit schwierigen Witterungbedingungen, eisiger Kälte, dünner Höhenluft und gesundheitlichen Problemen fertig werden. Unter ihrer Fliegerkluft trug sie seidene Pyjamas und dazwischen Zeitungen.
Teilweise flog Adrienne Bolland bis in eine Höhe von
14.750 Fuß (umgerechnet rund 4.500 Meter), obwohl ihr Flugzeug nur maximal 4.000 Meter hoch steigen sollte. Ihre Reisegeschwindigkeit betrug durchschnittlich
50 Meilen. Während des Fluges im offenen Cockpit und ohne Windschutzscheibe wurde das Sehvermögen von Adrienne beeinträchtigt. Ihre Nase und ihr Mund waren voller Blut, ihre Hände und Füße eiskalt. Sie fühlte sich benommen und konnte in der dünnen Atmosphäre kaum noch atmen. Manchmal wurde ihre Maschine nach unten gedrückt und sie musste sie mit ganzer Kraft wieder nach oben ziehen, wobei die Flügel flatterten und zitterten.
Als sie rund zehn „höllische“ Minuten lang die Orientierung verlor, entdeckte Adrienne Bolland unten einen austerförmigen See, der ihr wieder den richtigen Weg wies. Kurz vor ihrem Start zum Flug über die Anden war sie nämlich nachts von einer Brasilianerin, die von ihr in der Zeitung erfahren hatte, im Hotel besucht worden und hatte den Rat erhalten, welche Richtung sie nach diesem See einschlagen sollte. Später erklärte die dem Okkultismus abholde Adrienne, die Brasilianerin sei ihr von einem Medium geschickt worden.
Die Empfehlung der Brasilianerin rettete vermutlich das Leben von Adrienne Bolland.
Foto auf Seite 27:
Ein Wasserflugzeug
des franz ö sischen Flugzeugherstellers Caudron wird auf ein Schiff verladen.
Diese Aufnahme entstand 1914,
als Adrienne Bolland noch nicht Pilotin war.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
- Quote paper
- Ernst Probst (Author), 2010, Adrienne Bolland - Die erste Frau, die über die Anden flog, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146107
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