Soziale Kompetenz – sie trägt in hohem Maße zur körperlichen, seelischen und geistigen Gesundheit bei, denn sie befähigt die Menschen, aufeinander zuzugehen und in Kontakt zu treten, emanzipiert den Alltag zu gestalten und soziale Interaktion zu betreiben. Als Vorgänger der Sozialen Kompetenz lassen sich Begriffe wie „Selbstbewusstsein“, „Durchsetzungsvermögen“, „Kontaktfähigkeit“ und „Selbstsicherheit“ nennen. Dabei sollte man bei der Sozialen Kompetenz nicht von einem Modebegriff sprechen! Der neue Begriff der Sozialkompetenz soll in Anlehnung an den Kompetenzbegriff, welcher eine lange Tradition in der Psychologie nachweisen kann, gesehen werden.
Mit dem Konzept der Kompetenz beschäftigen sich verschiedenste Fachbereiche wie beispielsweise die Persönlichkeits-, Sozial-, Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie, die Psychopathologie, die klinische Kinder- und Jugend-, Präventions- und Gemeinde-, und die Gesundheitspsychologie. Nun stellt sich jedoch die Frage, was genau unter dem Begriff der sozialen Kompetenz zu verstehen ist. Darüber soll der nächste Punkt Aufschluss geben (vgl. Pfingsten 2007, S. 2-3) .
3.1 Begriffsdefinition
Es gibt verschiedene Versuche, den Begriff der Sozialen Kompetenz zu definieren. Dabei wird von unterschiedlichen Ansätzen ausgegangen. Während eine Definition die sozialen Fertigkeiten („social skills“) in den Vordergrund stellt wird bei anderen Ansätzen die Erreichung bestimmter Ziele als Grundlage verwendet (vgl. Beck et al. 2006, S. 11) Häufig werden die Begrifflichkeiten der Sozialen Kompetenz in Hinblick auf bleibende Persönlichkeitseigenschaften und Soziale Fertigkeiten im Sinne konkreten Verhaltens in sozialen Situationen unterschieden (vgl. Kavale/Forness 1996, S. 226-238).
Beck et al. gehen bei dem Begriff der Sozialen Kompetenz von einer lerntheoretischen Modellannahme aus, bei der Soziale Kompetenz durch soziale Fertigkeiten operationalisiert wird und diese Fertigkeiten auf der Basis biologischer Dispositionen und Kind-Umwelt-Interaktionen durch Lernprozesse stabilisiert werden.
Dabei stellen Defizite sozialer Fertigkeiten Fehlentwicklungen dieser Lernprozesse dar. Folgernd können durch angemessene Therapien soziale Fertigkeiten entwickelt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Vorwort
II. Theoretischer Teil
1. Autismus - eine Entwicklungsstörung
1.1 Begriffsdefinition
1.2 Historisches
1.3 Kanner-Syndrom
1.4 Asperger-Syndrom
1.4.1 Ätiologie
1.4.2 Funktionseinschränkungen und Behandlungsformen
2. Schizophrenie - eine Psychische Störung
2.1 Begriffsdefinition und Klassifikation
2.2 Historisches
2.3 Diagnostik schizophrener Psychosen im Jugendalter
2.3.1 Ätiologie
2.3.2 Funktionseinschränkungen und Behandlungsformen
3. Soziale Kompetenz
3.1 Begriffsdefinition
3.2 Soziale Kompetenzprobleme
3.2.1 Störungsbedingte Soziale Inkompetenz
3.2.2 Entwicklung sozialer Inkompetenz - ein Modell
3.3 Gruppentraining Sozialer Kompetenzen
3.3.1 Geschichtliche Vorbemerkungen
3.3.2 Ansätze und Anwendungsgebiete
3.4 Effektivität sozialer Kompetenztrainings
4. Erziehung im Heim
4.1 Heimerziehung im geschichtlichen Wandel
4.2 Rechtliche Grundlagen der Heimerziehung
4.3 Erziehung im therapeutischen Milieu
III. Entwicklung eines Trainingsmanuals
5. Therapeutisches Heim Sankt Joseph
5.1 Gesamteinrichtung
5.1.1 Die Trägerschaft
5.1.2 Die Klientel
5.1.3 Das Konzept
5.2 Psychoedukative Gruppe
5.2.1 Begriffsdefinition
5.2.2 Historisches
5.2.3 Ausgangsbedingungen
5.2.4 Schwerpunkte und Konzeptionelle Ausrichtung
5.2.5 Zielgruppe
6. Die Soziale Kompetenzgruppe
6.1 Vorüberlegungen und Allgemeines
6.2 Die Gruppenteilnehmer - Sozialanamnese
6.3 Rahmenbedingungen der Trainingsgruppe
6.4 Interventionstechniken und Ablauf
6.5 Inhalte und Durchführung der Gruppensitzungen
6.6 Evaluation
6.6.1 Der “Strengths and Difficulties Questionnaire” (SDQ)
6.6.2 Maßnahmen zur Erfolgskontrolle
IV. Nachwort
V. Literaturverzeichnis
I. Vorwort
„Das wichtigste für den Menschen ist der Mensch, da liegt nicht bloß sein Glück, da liegt auch seine Gesundheit.“ (Theodor Fontane)
Was macht den Menschen aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Menschheit schon seit jeher. Die Forschungen der Naturwissenschaft brachten bereits erstaunliche Erkenntnisse. Aber auch die Geistes- und vor allem die Sozialwissenschaften beschäftigen sich mit dieser Frage. Der Mensch, ein soziales Wesen - darüber ist sich die Anthropologie einig.
Von Anfang an werden wir in ein soziales Gefüge geboren, wachsen heran und lernen, uns in einem Kontext von sozialen Beziehungen, kulturellen- und gesellschaftlichen Gegebenheiten zu bewegen, mitzuteilen und unsere Persönlichkeit mit all den Fähigkeiten und Fertigkeiten herauszubilden. Dabei sind wir gleichermaßen auf diesen Kontext angewiesen, wenngleich wir in der Lage sind, autonom zu handeln (vgl. Hobmair et al. 2002, S. 43).
Was passiert jedoch, wenn in der Entwicklung eines Menschen bereits in der Kindheit oder Jugend eine Störung vorliegt, oder sogar die Psyche beeinträchtigt ist? Gerade in der Adoleszenzzeit hat der junge Mensch wichtige Aufgaben im zwischenmenschlichen Bereich zu bewältigen. Störungen der Psyche, wie etwa das Auftreten einer Schizophrenie, oder tiefgreifende Entwicklungsstörungen, wie das Asperger-Syndrom, schränken den Jugendlichen unter anderem in seinen sozialen Kompetenzen ein.
In meiner Arbeit mit Jugendlichen, welche unter oben genannten Störungen leiden, ist mir aufgefallen, welche Defizite es auf dem Gebiet der sozialen Kompetenz gibt, vor allem in den Bereichen der Kooperation, Kommunikation und Konfliktlösung. Aus diesen Praxiserfahrungen heraus, wie auch durch mein Wissen über die Möglichkeiten von Sozialen Kompetenztrainings als bewährte verhaltenstherapeutische Methode aus dem Studium, entwickelte sich die Idee, in meinem Arbeitsfeld - der Psychoedukativen Gruppe für Jugendliche mit einer schizophrenen Psychose oder Asperger-Syndrom - ein für diese Jugendlichen individuell angepasstes Gruppentraining Sozialer Kompetenzen zusammen zu stellen, durchzuführen und auszuwerten.
Die vorliegende Arbeit soll daher im theoretischen Teil einen Einblick in die Störungsbilder des Autismus und der Schizophrenie im Jugendalter geben. Der Leser soll erfahren, welches Krankheitsbild hinter diesen Begrifflichkeiten steht, wie es sich äußert und wo dessen Ursachen liegen. Auch der geschichtliche Kontext wird kurz betrachtet. Um besser zu verstehen, was die Symptome für Auswirkungen auf die Betroffenen haben, wird auf Funktionseinschränkungen und Behandlungsformen kurz eingegangen. Im Wissen darum, dass die Schizophrenie wie auch der Autismus ein großes Gebiet darstellen und jeweils einer eigenen Arbeit würdig wären, kann hier jedoch nicht im Detail auf die Krankheitsmodelle und Behandlungsformen eingegangen werden, um nicht vom eigentlichen Thema der Bachelorarbeit abzudriften. Deshalb wird sich ein weiterer Abschnitt der Arbeit theoretisch mit dem Sozialen Kompetenztraining beschäftigen. Die Begrifflichkeit der Sozialen Kompetenz wird zunächst allgemein erklärt. Daraufhin werden störungsbedingte Soziale Kompetenzprobleme thematisiert und die Entwicklung sozialer Inkompetenz anhand eines Modells aufgezeigt. Ein weiterer Punkt beschäftigt sich mit dem Gruppentraining Sozialer Kompetenzen als Verhaltenstherapeutische Methode und findet seine Begründung im späteren Verlauf der Arbeit, in dem es um die Entwicklung und Durchführung eines Trainingsmanuals gehen wird. Es soll auf die geschichtliche Entwicklung von Sozialen Kompetenzgruppen kurz eingegangen sowie verschiedene Ansätze und Anwendungsgebiete anhand von Beispielen zur Übersicht genannt werden. Auch die Effektivität sozialer Kompetenztrainings wird thematisiert.
Da das Soziale Kompetenztraining in einem therapeutischen Heim durchgeführt wird, gewährt die Arbeit an dieser Stelle einen kleinen Einblick in die Erziehung im Heimsetting. Dabei soll die Heimerziehung im geschichtlichen Wandel umrissen sowie die rechtlichen Grundlagen der Heimerziehung genanntwerden. Ein Einblick in die Erziehung im therapeutischen Milieu schließt das Thema.
Der dritte Teil der Arbeit beinhaltet die Vorstellung des Therapeutischen Heimes Sankt Joseph. Der Fokus wird im Verlauf jedoch auf die Psychoedukative Gruppe mit deren Klientel gerichtet. Die Teilnehmer der Sozialen Kompetenzgruppe werden ausführlich anhand einer Sozialanamnese vorgestellt. Besonderes Gewicht wird auf den Rahmenbedingungen der Trainingsgruppe, der Beschreibung von angewandten Interventionstechniken, dem Ablauf der Gruppensitzungen sowie dem methodischen Vorgehen liegen, welches individuell auf die Teilnehmer angepasst ist. Dabei stellt ein wichtiger Punkt die Darlegung der einzelnen Gruppensitzungen mit Thema, Inhalt und Durchführungshinweisen dar. Abgerundet wird dieser Teil durch die Darstellung der Ergebnisse des „Strengths and Difficulties Questionnaire“ (SDQ), welcher die Stärken und Schwächen der Gruppenteilnehmer in verschiedenen Bereichen vor und nach dem Training erfasst. Auch sollen die Auswertungen von Maßnahmen zur Erfolgskontrolle wie Stundenbögen und Feedback-Bögen Aufschluss über Effektivität und Tauglichkeit der Einheiten geben. Abschließen wird die Arbeit mit einem Überblick über die wesentlichen Ergebnisse zu dem entwickelten Manual und dessen Durchführung. Schließlich soll ein Ausblick, auf eine mögliche weiterführende Durchführung gegeben werden.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Amthor, der mich in dieser Arbeit so engagiert begleitet und von Anfang an unterstützt hat. Auch ein Dank an Herrn Prof. Dr. Wosch für die Bereitstellung der Zweitkorrektur. Außerdem danke ich Herrn Dr. Beck, der mich schon in meiner Ausbildung zur Erzieherin begleitete und mich bis heute im Studium unterstützt und an mich glaubt. Ich möchte auch Frau Otter als Erziehungsleitung danken. Auch sie ermöglichte mir die Auseinander- und Umsetzung meines Vorhabens. Weiter auch meinen ArbeitskollegInnen, die mir die Arbeit mit der Trainingsgruppe durch ihre Mithilfe möglich gemacht haben. Ganz zuletzt auch Danke meiner Familie und allen voran meinem Freund Jens Südkamp, der in dieser Zeit viel Rücksicht auf mich hat nehmen müssen und der, gemeinsam mit Amica Hübsch, das Mühsal des Korrekturlesens auf sich genommen hat.
II. Theoretischer Teil
1. Autismus - eine Entwicklungsstörung
Um den Autismus pathologisch einordnen zu können, soll im Folgenden kurz dargestellt werden, was unter einer Entwicklungsstörung im Allgemeinen zu verstehen ist und wo der Autismus in diesem Bereich angesiedelt ist. Nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen 2008, Kapitel F, der Weltgesundheitsorganisation1 werden unter F8 Entwicklungsstörungen zusammengefass]t, welche alle folgende gemeinsame Merkmale aufweisen:
„1. Ein Beginn, der ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit liegt.
2. Eine Einschränkung oder Verzögerung in der Entwicklung von Funktionen, die eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems verknüpft sind.
3. Einen stetigen Verlauf, der nicht die für viele psychische Störungen typischen charakteristischen Remissionen und Rezidive zeigt.“ (Ebd., S.285)
Ein Merkmal von Entwicklungsstörungen ist, dass die Beeinträchtigungen mit dem Älterwerden der Kinder eher zurück gehen. Aber es bleiben dennoch geringe Defizite auch im Erwachsenenalter zurück. Charakteristisch für diese Störungen ist es außerdem, dass Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen. An dieser Stelle ist es sehr von Bedeutung, den Autismus als tiefgreifende Entwicklungsstörung gesondert und differenziert zu betrachten, da es Störungen gibt, welche eine normale frühkindliche Entwicklung aufweisen können - davon betroffen sind auch einige Fälle von Autismus. Der Autismus wurde trotz dieser Abweichungen im Beginn der Erkrankung im Kapitel F8 aufgenommen, da er ohne Ausnahme bestimmte Entwicklungsabweichungen aufzeigt (Ebd., S.283-286).
„Während man im deutschsprachigen Bereich Autismus unter „tiefgreifende Entwicklungsstörungen“ einordnet(...), hat sich im angloamerikanischen Raum der Begriff der „Autismus-Spektrum-Störungen“ durchgesetzt.“ (Bernard-Opitz 2005, S. 14)
Die folgende Tabelle zeigt einen Auszug von der im ICD-10 klassifizierten verschiedenen Störungsbilder der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. Es handelt sich dabei um Diagnosedaten der Krankenhäuser in Deutschland. Die Zahlen geben die an den einzelnen Störungen Erkrankten im Alter von 15 bis unter 25 Jahre von 2000 - bis 2007 an.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000
Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes. http://www.gbe-bund.de/oowa921-
install/servlet/oowa/aw92/WS0100/_XWD_FORMPROC?TARGET=&PAGE=_XWD_2&OPINDEX=3&HAN DLER=_XWD_CUBE.SETPGS&DATACUBE=_XWD_32&D.001=1000001&D.002=3189&D.003=1000004 &D.972=1000619&D.100=10101 Zugriff 02.03.2009
Im Jahre 2007 waren den Krankenhäusern in Deutschland 372 Fälle von tiefgreifenden Entwicklungsstörungen bekannt. Davon leiden 102 junge Menschen an einem frühkindlichen Autismus (auch Kanner-Syndrom genannt) und 137 Personen an dem Asperger-Syndrom. Diese Gruppen stellen somit den Hauptanteil an tiefgreifenden Entwicklungsstörungen dar. In Punkt 1.3 und 1.4 sollen diese beiden Störungsbilder kurz beschreiben, um den Unterschied klarer werden zu lassen und vor allem das Asperger-Syndrom näher zu erläutern, da sich diese Arbeit im Verlauf auch mit am Asperger-Syndrom erkrankten Jugendlichen beschäftigen wird.
1.1 Begriffsdefinition
„Unter Autismus versteht man eine tiefgreifende Wahrnehmungsverarbeitungs- und Beziehungsstörung gegenüber der personalen und sachlichen Umwelt. Es handelt sich um ein Syndrom, das sich aus unterschiedlichen Symptomen zusammensetzt. Der Begriff Autismus wird vom griechischen Wort autos = selbst im Sinne von Selbstbezogenheit abgeleitet.“(Benitzke, Fred 2001, S. 208) Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sich Autistische Störungen bei unterschiedlichen Klienten verschieden ausprägen, und sie verändern sich im Laufe des Älterwerdens häufig. Es lässt sich kein einziges Verhalten finden, welches immer auftritt, jedoch auch keines, das Kinder automatisch von einem Autismus ausschließen lässt (vgl. Bernard Opitz 2005, S.13).
1.2 Historisches
„Um den Autismus zu verstehen, ist es nötig, seine Geschichte zu kennen.“ (Aarons/Gittens. 2000, S. 24) Bis in die 70er Jahre galten Schizophrenie und Autismus als zwei Störungen, welche sich dem Wesen und Ursprung nach gleichen. Man war der Annahme, dass der Autismus eine Form der Schizophrenie sei, welche ihren Beginn schon sehr bald im Kindesalter findet. So nannte man das Syndrom „kindliche Schizophrenie“. Besonders durch demographische Studien erlangte man jedoch immer mehr den Konsens, dass Schizophrenie und Autismus deutliche Unterschiede unter anderem in Symptomatik, Verlauf, Medikamentenwirksamkeit und der familiären Häufung etc. aufweisen (vgl. Poustka et al 2004, S.1-6).
Fast zeitgleich wurde der Begriff von zwei Personen geprägt, nämlich Leo Kanner (1896 - 1981) und Hans Asperger (1906 - 1980). Kanner, ein österreichischer Kinderarzt, verfasste die ersten sehr anschaulichen Beschreibungen von Kindern mit Autismus (Ebd., S.4-5). Kanners diagnostische Kriterien sind noch immer von Bedeutung und stellen die „klassische“ Form des frühkindlichen Autismus dar, welcher in Punkt 1.3 beschrieben werden soll. Ungefähr zur gleichen Zeit entdeckte der österreichische Psychiater Hans Asperger bei Jugendlichen eine Struktur von abnormem Verhalten. Dieses Verhalten nannte er „autistische Psychopathie“ und verstand darunter eine Abnormität der Persönlichkeit (vgl. Aarons/Gittens 2000, S. 24-26). Asperger ging dabei, ebenso wie Kanner, von einer Erbkrankheit aus, welche jedoch nicht vor dem 3. Lebensjahr zu erkennen ist. In seinem deutschsprachigen Beitrag „Autistische Psychopathen im Kindesalter“ im Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheit beschrieb er seine Beobachtungen auf phänomenologischer Basis.
Lorna Wing übersetzte 1981 Aspergers Werk ins Englische. Bis dahin fand es kaum Beachtung - doch ab diesem Zeitpunkte wurde es auch international bekannt. Arn Van Krevelen (1963) von der Universität in Leiden/Holland verglich Aspergers und Kanners Beschreibung von Autismus und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich dabei um zwei unterschiedliche Störungsbilder handelte (vgl. van Krevelen 1971, S. 82-86).
1.3 Kanner-Syndrom
Das Kanner-Syndrom - heute auch als Frühkindlicher oder infantiler Autismus bezeichnet, wird im ICD-10: F84.0 wie folgt definiert: „Eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die durch eine abnorme oder beeinträchtigte Entwicklung definiert ist und sich vor dem 3 Lebensjahr manifestiert; außerdem ist sie durch eine gestörte Funktionsfähigkeit in den drei folgenden Bereichen charakterisiert: in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und in eingeschränkten repetitiven Verhalten. Die Störung tritt bei Jungen drei- bis viermal häufiger auf als bei Mädchen.“ (ICD-10, S. 306)
Man kann nach einer Metaanalyse über 30 Jahre, in die 19 epidemiologische Studien eingingen, davon ausgehen, dass 5 von 10 000 Kindern und Jugendlichen unter Frühkindlichem Autismus leiden. Rund 80% der Betroffenen haben eine geistige Behinderung. Es besteht kein Zusammenhang mit der sozialen Schichthabhängigkeit. Die Kernsymptome des frühkindlichen Autismus sind: Qualitative Beeinträchtigung wechselseitiger sozialer Interaktion, qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation, eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster (vgl. Remschmidt 2003, S.374-377).
1.4 Asperger-Syndrom
Der diagnostische Begriff des Asperger-Syndroms hat nicht nur in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in den letzen Jahren an Bedeutung gewonnen, sondern auch von psychologischer und pädagogischer Seite Interesse auf sich gezogen. Seit 1992 ist das Asperger-Syndrom in die Internationale Klassifikation psychischer Störungen aufgenommen worden (vgl. Jørgensen 1995, S.12).
Es wird von der Weltgesundheitsorganisation (folgend mit WHO abgekürzt) im ICD10: F84.5 definiert als „eine Störung von unsicherer nosologischer Prägnanz, die durch die selbe Form qualitativer Beeinträchtigungen der gegenseitigen sozialen Interaktion charakterisiert ist, die für den Autismus typisch ist, hinzu kommt ein Repertoire eingeschränkter, stereotyper, sich wiederholender Interessen und Aktivitäten.
Die Störung unterscheidet sich von dem Autismus in erster Linie durch das Fehlen einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung bzw. keines Entwicklungsrückstandes der Sprache oder der kognitiven Entwicklung. Die meisten Patienten besitzen eine normale allgemeine Intelligenz, sind jedoch üblicherweise motorisch auffällig ungeschickt; die Erkrankung tritt vorwiegend bei Jungen (das Verhältnis Jungen zu Mädchen beträgt acht zu eins) auf.“ (ICD-10 S.312-313) Die Störung wird später diagnostiziert als das Kanner-Syndrom. Man vermutet, dass dies auf die fehlende Sprachentwicklungsverzögerung und die geringe oder fehlende kognitive Beeinträchtigung zurück zu führen ist, so dass die Beeinträchtigungen erst im Laufe der Kindheit und Jugend deutlich werden (vgl. Remschmidt, Helmut 2003, S. 377).
1.4.1 Ätiologie
Was die Entstehung von Autismus-Spektrum-Störungen betrifft, ist man sich trotz vielfältiger Forschungsbemühungen derzeit noch unschlüssig. Der heutige Forschungsstand spricht jedoch für die Beteiligung von folgenden Faktoren unter anderem für das Asperger-Syndrom:
- genetische Faktoren
- assoziierte körperliche Erkrankungen
- Hirnschädigungen bzw. Hirnfunktionsstörungen
- biochemische Anomalien
- Kognitive Störungen
- Störungen der Sprachentwicklung und emotionale
- Auffälligkeiten wie Empathie-Störungen (vgl. Ebd.)
Die folgende Abbildung veranschaulicht das Schema zur Ätiologie autistischer Störungen, in der die o.g. beteiligten Faktoren im Verhältnis zur Erkrankung gestellt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Vereinfachtes Schema zur Ätiologie autistischer Störungen (Quelle: Herpertz-Dahlmann et al: Entwicklungspsychiatrie, Schattauer Verlag 2003, S. 385)
„Zu den Ursachen des Asperger-Syndroms zählen beispielsweise genetische Störungen auf dem X-Chromosom, Unterfunktion der Schilddrüse, so genannte neuro-kutane Erkrankungen mit Gewebsveränderungen in Haut und Gehirn sowie eine Reihe anderer Erkrankungen, welche die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen.“ (Jørgensen 1995, S. 44-45)
Zwillings-, Geschwister- und Familienforschungen geben den Hinweis, dass bei der Entstehung von Autismus vor allem die biologischen Faktoren eine Rolle spielen. Sie sind weitaus größer als Umweltfaktoren (vgl. Poustka et al. 2004, S. 22-24).
1.4.2 Funktionseinschränkungen und Behandlungsformen
Die Funktionseinschränkungen von Klienten, welche an Asperger-Syndrom leiden, sind umfangreich. Die englische Kinderpsychologin Lorna Wing unterteilte diese Funktionseinschränkungen in sieben Bereiche:
„1. Mangel an Empathie
2. Abweichende soziale Interaktion
3. Abweichende verbale Kommunikation
4. Abweichende nonverbale Kommunikation
5. Spezialinteressen
6. Begrenzte Fantasie
7. Motorisches Ungeschick“
(Burgoine/Wing 1983, S. 261ff, zit. nach Jørgensen 1995, S. 33-34)
Die qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion beinhaltet sowohl Auffälligkeiten im nonverbalen Verhalten (Gestik, Mimik, Gebärden und Blickkontakt), als auch die Unfähigkeit, ungezwungene Beziehungen mit Gleichaltrigen einzugehen bzw. aufrecht zu erhalten. Schwer fällt den Betroffenen auch die emotionale Reaktion und die Teilnahme an Ärger und Wut anderer - worauf auch wieder das fehlende Einfühlungsvermögen zurück zu führen ist (vgl. Remschmidt, Helmut 2003, S. 378).
Bezüglich der Behandlung des Asperger-Syndroms wäre es ein Fehler, anzunehmen, dass aufgrund der organisch und vor allem genetisch bedingten Funktionseinschränkungen nur eine medikamentöse Behandlung greife und Verhaltenstherapeutische Methoden nicht das Mittel der Wahl seien. Ganz im Gegenteil! Es haben sich verhaltensbezogene Interaktionen gegenüber Psychopharmaka eindeutig bewährt. Methoden, welche gut abgeschnitten haben, sind u.a. „Frühe intensive globale Verhaltenstherapie“ sowie „Verhaltensmodifikation einzelner Symptome mit Verhaltenstherapie“, während z.B. die „Festhaltetherapie“ und „Reittherapie“ umstritten sind. Als empirisch moderat abgesicherte Methode gilt unter u.a. das „Training sozialer Fertigkeiten“. An dieser Stelle findet die vorliegende Arbeit ihre Begründung. Das Beobachtungslernen und Üben in der Gleichaltrigengruppe eignet sich am Besten zur Vermittlung sozialer Fertigkeiten (vgl. Poustka et al. 2004, S. 36-39). Die oben genannten Funktionseinschränkungen lassen sich mit dem Training Sozialer Kompetenzen durch ein gezieltes Programmkonzept behandeln. Dieses Konzept lässt sich entweder in Anlehnung an bestehende Module selbst individuell am einzelnen Klienten orientiert modifizieren - wie in dem Falle dieser Arbeit - oder man bedient sich eines speziellen Förderprogramms wie beispielsweise dem „KONTAKT - Frankfurter Kommunikations- und soziales Interaktions-Gruppentraining bei Autismus-Spektrum-Störungen“ (vgl. Lohaus/Domsch 2009, S.306).
2. Schizophrenie - eine Psychische Störung
Der Begriff der Schizophrenie beinhaltet mehrere Gruppen psychischer Störungen, welche sich durch massive Störungen des Verhaltens, der Emotionen und des Denkens kennzeichnen lassen. Dabei muss man von dem Irrglauben abkommen, dass die Schizophrenie eine Spaltung der Persönlichkeit darstellt, denn die multiple Persönlichkeitsstörung unterscheidet sich eindeutig von der Schizophrenie (vgl. Davison et al. 2007, S. 357). Um den Begriff der Schizophrenie dem Leser klarer werden zu lassen, sollen die folgenden Punkte einen Eindruck vermitteln, was unter einer Schizophrenen Psychose zu verstehen ist. Dabei wird im Verlauf vor allem auf die Schizophrenie im Jugendalter eingegangen sowie Behandlungsformen und Funktionseinschränkungen aufgezeigt.
2.1 Begriffsdefinition und Klassifikation
Wie Hell und Schüpbach in ihrem Buch „Schizophrenien - Verständigungsgrundlagen, Orientierungshilfen für Patienten und Angehörige 2008 erklären, wird das Wort „Schizophrenie“ aus dem griechischen schizo = Spaltung, und phren = Geist, Gemüt ableitet und bedeutet wörtlich übersetzt „Spaltung der Seele“. Dabei soll der Begriff der Schizophrenie die Entfremdung ausdrücken „die sich wie ein Graben zwischen einem betroffenen Menschen und seiner Umwelt auftut und sich im inneren Erleben des Erkrankten fortsetzt.“ (vgl. Hell/Schüpbach 2008, S. 6)
Klarer wird das Erscheinungsbild und damit der Begriff, wenn man sich die Symptome dieser psychischen Störung betrachtet, welche die WHO in ihren klinisch-diagnostischen Leitlinien festgelegt hat (auch wenn keine eindeutigen pathologischen Symptome zu benennen sind). Hier wurde der Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen ein eigenes Kapitel (F2) zugeteilt, wobei die Schizophrenie F20 die häufigste und wichtigste dieser Störungen ist.
Folgende zwei Symptomgruppen haben eine besondere Bedeutung für die Diagnose der Schizophrenie und treten oft kombiniert auf (vgl. ICD-10 S. 111 f).
Gruppe1:
„ a.) Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Gedankenausbreitung.
b.) Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, deutlich bezogen auf Körper- oder Gliederbewegungen oder bestimmte Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen; Wahnwahrnehmungen.
c.) Kommentierende oder dialogisierende Stimmen, die über den Patienten und sein Verhalten sprechen, oder andere Stimmen, die aus einem Teil des Körpers kommen.
d.) Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer Wahn(...) “(ICD-10, S. 112 f.)
Gruppe 2:
„a.) Anhaltende Halluzinationen (...)
b.) Gedankenabreißen (...)
c.) Katatone Symptome wie Erregung (...)
d.) „Negative“ Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, (...) sozialem Rückzug (...)“ (Ebd. S. 113)
Neben den Störungen des Denkens, der Affektivität und der Wahrnehmung kommt es häufig auch zu kognitiven Defiziten, während die Intelligenz und das Bewusstsein nicht beeinträchtig sind (vgl. Remschmidt et al. 1997, S. 375).
2.2 Historisches
Im 17. Jahrhundert wurde noch nach der Maxime „Ausgrenzung der Unvernunft“ gehandelt, und die an Schizophrenie Erkrankten wurden mit Vagabunden, Prostituierten, Kriminellen und Armen in Asyle verbannt. Die Störung wurde nicht als Krankheit erkannt. Erst im 18. Jahrhundert erkannte man die Menschen mit Psychosen als „krank“ an und teilte sie der Medizin zu (vgl. Katschnig 1977, S. 3).
In diesen Zeiten wurde das Krankheitsbild der Schizophrenie mit Begriffen wie Verrücktheit, Geisteskrankheit, Wahnsinn oder Irresein bezeichnet.
Der Psychiater Emil Kraepelin prägte 1898 den Begriff der „Dementia praecox“ - der frühere Begriff für Schizophrenie. Er stellte zwei Hauptgruppen endogener oder innerlich verursachter Psychosen gegenüber: Die „dementia praecox“ und die Zyklothymien (manisch-depressives Irresein) (vgl. Davison et al. 2007, S. 365).
1911 schlug Eugen Bleuler ein neues „Etikett“ für die Kraepelinsche Dementia praecox vor - die „Schizophrenien“. Mit der Namenänderung wollte er verdeutlichen, dass das Wesen dieser Erkrankung nicht in der fortschreitenden „Verblödung“ liegt, sondern eine „Assoziationslockerung“ das Kennzeichen bildet. Die Folgezeit wurde stark von Ursachenforschung in Europa gekennzeichnet. In den 30er Jahren bestätigte sich letztendlich das im Individuum gelegene Krankheitsmodell. In den 50er Jahren wurden Psychopharmaka populär und mit Erfolg eingesetzt. Auch die Psychoanalyse bestätigte dieses Modell (vgl. Katschnig 1977, S. 5-8). Heute geht man von dem s.g. „Vulnerabilitätsmodell“ aus - einer erhöhten Verletzlichkeit der Psyche, welche mit Stressfaktoren konfrontiert zu Symptomen der Schizophrenie führen kann (vgl. Tölle, Reiner 2008, S. 160).
2.3 Diagnostik schizophrener Psychosen im Jugendalter
Schizophrene Erkrankungen kommen bei rund 1 % der Bevölkerung vor und treten im Kindesalter nur selten auf. Jedoch zeigen sie bei der Altersgruppe zwischen 12 und 18 Jahren einen starken, eindeutigen Anstieg, und die Prognose ist schlechter, je früher die Störung beginnt. Die folgende Grafik zeigt die Altersverteilung von einem Stichprobenumfang (n) von 32 jugendlichen Patienten der kinder- und jungendpsychiatrischen Klinik der Universität Würzburg in den Jahren 1993 - 1997. Dabei lässt sich ganz klar die oben beschriebene Häufung von Fällen - vor allem im Alter zwischen 15 und 18 Jahren erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Wegen Schizophrenie (ICD-10) behandelte Jungen und Mädchen an der kinder- und jungendpsychiatrischen Klinik der Universität Würzburg in den Jahren 1993 - 1997 (n = 32) (Quelle: Schizophrene Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, Schattauer-Verlag Stuttgart, New York 2004, Remschmidt, Seite 19.)
Psychosen können nach ihren Symptomen in drei Gruppen eingeteilt werden: Den Positivtyp, den Negativtyp und den Mischtyp (vgl. Resch et al. 2004, S. 4-19.). Die folgende Abbildung zeigt im Überblick die Symptomatiken dieser beiden Typen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3. Einige wichtige Merkmale zur Kennzeichnung des Positiv- und Negativtyps schizophrener Psychosen (Quelle: Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Remschmidt, Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York,1997, S. 377)
Werry, McClellan und Chard „unterscheiden anhand des zeitlichen Verlaufstyps die sehr früh beginnenden Psychosen (very early onset), die vor dem 13. Lebensjahr ihren Anfang nehmen, von den früh beginnenden Psychosen (early onset), die noch vor dem abgeschlossenen 18. Lebensjahr auftreten (Ebd.).
2.3.1 Ätiologie
Man nimmt bei der Schizophrenie eine Genese aus mehreren Faktoren an, wobei die biologischen Faktoren im Vordergrund stehen, welche mit biochemischen Faktoren (Neurotransmitterstörung) verknüpft sind. Zu diesen biologischen Faktoren kommen psychosoziale Faktoren als Auslöser oder bei Rückfällen hinzu (vgl. Steinhausen 1988, S. 66). Es ist jedoch trotz vieler Fortschritte und Forschungsbemühen bis heute unklar, wie schizophrene Psychosen entstehen. Auch Resch geht bei der Entstehung von der schon in 2.2 genannten „Vulnerabilitäts-Hypothese“ aus (vgl. Resch 2003 S. 645-655.)
2.3.2 Funktionseinschränkungen und Behandlungsformen
Bezüglich der Funktionseinschränkungen von Schizophrenien im Kindes- und Jugendalter lassen sich schon sehr früh motorische, kommunikative und soziale Defizite beobachten. Dabei ist der Verlauf oft schleichend (vgl. Resch et al. 2004, S. 3). Die Einschränkungen, welche der an Schizophrenie erkrankte Jugendliche erleidet, decken sich zum großen Teil mit den Symptomen; während im Vorfeld eines akuten Schubs eher die in Abbildung 3. aufgezeigten Positivsymptome dominieren, treten im Langzeitverlauf die Negativsymptome auf. Im Jugendalter treten im Vorfeld häufig Leistungseinbrüche in Schule und Lehre auf, sowie Konzentrationsstörungen, Antriebsminderung, Interessensverlust und depressive Verstimmtheit.
In der Adoleszenz dominieren Wahnideen sowie Halluzinationen. Die Funktionseinschränkungen im Jugendalter sind oft von der sog. Hebephrenie gekennzeichnet. Hier treten läppische Stimmung, affektive Verflachung, Enthemmung, Manierismen, Antriebsarmut und soziale Dissozialität auf (vgl. Steinhausen 1988, S. 65 f.).
Resch weist im Buch „Entwicklungspsychiatrie“ darauf hin, dass eine Behandlung nicht rein auf den Symptomatiken der Erkrankung basieren darf, sondern die Entwicklungsaufgaben, welche in jedem Alter verschieden sind, berücksichtigen muss. „Es reicht nicht, symptomorientierte Interventionen anzubieten, die zum Abklingen der Psychose führen, da gerade Kinder und Jugendliche durch die Psychose oft massive soziale Einbrüche erleiden, die ihrerseits zum Abbruch von Freundschaftsbeziehungen und Kontakten (...) führen.“ (Resch 2003, S. 657)
Für den an Schizophrenie erkrankten Patienten ist es in der Behandlung grundsätzlich wichtig, der inneren Desorganisation durch äußere, an der Lebenswelt orientierte Struktursetzung entgegen zu kommen. Dabei gelten folgende Grundsätze der Schizophreniebehandlung:
- „<<Struktur, Struktur, Struktur>>
- konstantes Kontaktangebot
- humane Reizabschirmung
- Vermeidung von Über- und Unterforderung
- Gestufter Belastungsaufbau (Leistungsbereich, soziale und emotionale Anforderungen)“ (Kienzle/Althoff 2004 S. 81 f.)
Neben der gezielten Gesprächsführung im akuten Verlaufsabschnitt sind auch operante Methoden das Mittel der Wahl bei der Behandlung von Schizophrenien. Dabei sollen besonders Motivierung durch positive Verstärkung, eine konkrete Anleitung (coaching), Verhaltensformung (shaping) und Rückmeldung (feedback) sowie wiederholtes Üben eingesetzt werden. Für den Einsatz dieser Methoden bietet sich das Soziale Kompetenztraining nahezu an, da es sich als Verhaltenstherapie dieser Methoden bedient. Heute ist man sich sicher, dass Soziale Kompetenztrainings sehr erfolgsversprechend sind, je mehr sie der Lebenswelt des Klienten angepasst sind. Evaluationen von Trainings haben ergeben, dass den kognitiven Defiziten von Schizophrenen eine hohe Beachtung beigemessen werden muss.
Wenn man sich dazu entscheidet, mit an Schizophrenie erkrankten Jugendlichen eine Soziale Kompetenzgruppe durchzuführen, ist es sehr sinnvoll, das Modul individuell an die Lebenswelt des Klienten anzupassen, um den Behandlungsgrundsätzen gerecht zu werden. Alternativ bedient man sich auch hier spezieller Programme, wie z.B. dem „Integrierten Psychologischen Therapieprogramm für schizophrene Patienten (IPT)“, in dem folgende Therapiebausteine aufgenommen wurden: kognitive Differenzierung, soziale Fertigkeiten, interpersonelles Problemlösen, verbale Kommunikation und soziale Wahrnehmung. “ (Ebd. S. 81-85)
3. Soziale Kompetenz
Soziale Kompetenz - sie trägt in hohem Maße zur körperlichen, seelischen und geistigen Gesundheit bei, denn sie befähigt die Menschen, aufeinander zuzugehen und in Kontakt zu treten, emanzipiert den Alltag zu gestalten und soziale Interaktion zu betreiben. Als Vorgänger der Sozialen Kompetenz lassen sich Begriffe wie „Selbstbewusstsein“, „Durchsetzungsvermögen“, „Kontaktfähigkeit“ und „Selbstsicherheit“ nennen. Dabei sollte man bei der Sozialen Kompetenz nicht von einem Modebegriff sprechen! Der neue Begriff der Sozialkompetenz soll in Anlehnung an den Kompetenzbegriff, welcher eine lange Tradition in der Psychologie nachweisen kann, gesehen werden. Mit dem Konzept der Kompetenz beschäftigen sich verschiedenste Fachbereiche wie beispielsweise die Persönlichkeits-, Sozial-, Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie, die Psychopathologie, die klinische Kinder- und Jugend-, Präventions- und Gemeinde-, und die Gesundheitspsychologie. Nun stellt sich jedoch die Frage, was genau unter dem Begriff der sozialen Kompetenz zu verstehen ist. Darüber soll der nächste Punkt Aufschluss geben (vgl. Pfingsten 2007, S. 2-3)2.
3.1 Begriffsdefinition
Es gibt verschiedene Versuche, den Begriff der Sozialen Kompetenz zu definieren. Dabei wird von unterschiedlichen Ansätzen ausgegangen. Während eine Definition die sozialen Fertigkeiten („social skills“) in den Vordergrund stellt wird bei anderen Ansätzen die Erreichung bestimmter Ziele als Grundlage verwendet (vgl. Beck et al. 2006, S. 11)3 Häufig werden die Begrifflichkeiten der Sozialen Kompetenz in Hinblick auf bleibende Persönlichkeitseigenschaften und Soziale Fertigkeiten im Sinne konkreten Verhaltens in sozialen Situationen unterschieden (vgl. Kavale/Forness 1996, S. 226-238). Beck et al. gehen bei dem Begriff der Sozialen Kompetenz von einer lerntheoretischen Modellannahme aus, bei der Soziale Kompetenz durch soziale Fertigkeiten operationalisiert wird und diese Fertigkeiten auf der Basis biologischer Dispositionen und Kind-Umwelt-Interaktionen durch Lernprozesse stabilisiert werden.
Dabei stellen Defizite sozialer Fertigkeiten Fehlentwicklungen dieser Lernprozesse dar. Folgernd können durch angemessene Therapien soziale Fertigkeiten entwickelt werden. Sie legen folgende Arbeitsdefinition zu Grunde: “Soziale Kompetenz ist eine Menge an kognitiven, emotionalen und motorischen Fertigkeiten, die einem Individuum zu Verfügung stehen und in spezifischen Situationen auch umgesetzt werden können, um soziale Aufgabenstellungen alters- und entwicklungsentsprechend angemessen und effektiv zu bewältigen.“ (TSF, S. 11-13)
Um den Begriff der Sozialen Kompetenz noch deutlicher werden zu lassen, können nach Gambrill folgende soziale Fertigkeiten genannt werden:
- auf Kritik reagieren
- erwünschten Kontakt arrangieren
- auf Kontaktangebote reagieren
- Gespräche beginnen
- Gespräche aufrecht erhalten
- Gefühle offen zeigen
- sich entschuldigen
- jemanden um einen Gefallen bitten etc. (vgl. GSK S. 81-118).
3.2 Soziale Kompetenzprobleme
Wenn ein Klient nicht oder nur teilweise im Stande ist, die o.g. sozialen Fertigkeiten in bestimmten Situationen umzusetzen, liegt sozial inkompetentes Verhalten vor. Hinsch und Pfingsten geben hierfür folgende Definition an: „Soziale Kompetenzprobleme sind alle Probleme bei der Verfügbarkeit oder Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen die es einer Person erschweren, in für sie relevanten sozialen Alltagssituationen ein langfristig günstiges Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen zu erzielen.“,
[...]
1 International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (2008). 20. Band : Internationale Klassifikation psychischer Störungen. (ICD-10) 6. Auflage. Bern: Huber. Im Folgenden als ICD-10 abgekürzt.
2 In: Hinsch, Norbert/Pfingsten, Ulrich (2007): Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK). Im folgenden mit GSK abgekürzt.
3 Beck, Norbert/Cäsar, Silke/Leonhardt, Britta (2006): Training sozialer Fertigkeiten mit Kindern im Alter von 8 bis 12 Jahren. Im folgenden mit TSF abgekürzt
- Arbeit zitieren
- Nadine Hübsch (Autor:in), 2010, Entwicklung und Durchführung eines Trainings sozialer Kompetenzen für Jugendliche mit einer schizophrenen Psychose oder Asperger-Syndrom, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146001
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