Diese wissenschaftliche Arbeit soll klären, inwiefern sich das religiöse Toleranzverständnis bei Voltaire in seinem "Traité sur la tolérance" (1763) von Lessings Auffassung in seinem Drama "Nathan der Weise" (1779) unterscheidet. So soll untersucht werden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den beiden genannten Werken feststellbar sind und wie diese, unter Betrachtung der geschichtlichen Hintergründe zur Entstehungszeit der beiden Publikationen, erklärt werden können. Auch wird angestrebt herauszufinden, weshalb es Voltaire und Lessing für nötig erachteten, sich für religiöse Toleranz zu engagieren und dadurch bestehende gesellschaftliche Missstände anzugehen.
Dass sich ihre Toleranzauffassungen sowohl teilweise gegenseitig widersprechen als auch in sich widersprüchlich sind, macht die Untersuchung des Sujets ebenfalls lohnenswert und kann als eine Ambivalenz der europäischen Aufklärung aufgefasst werden. Abschließend soll angemerkt werden, dass Lessings Drama auch heute noch für den deutschen Sprachraum von außerordentlicher Relevanz ist und unter anderem deshalb zum deutschen Literaturkanon zählt. Gleiches gilt für Voltaire, zu dessen Ehren das 18. Jahrhundert in Frankreich sogar "le siècle de Voltaire" genannt wird.
Im Jahre 1762 definiert die Académie Française in der vierten Ausgabe ihres Dictionnaire den Begriff der "tolérance" als "condescendance, indulgence pour ce qu’on ne peut empêcher, ou qu’on croit ne devoir pas empêcher. […] Ce n’est pas un droit, mais une tolérance". So wird klar, dass die Bedeutung des ursprünglichen Toleranz-Begriffs, abgeleitet vom lateinischen "tolerare", nicht über die unvermeidliche "pragmatische Duldung" hinausging.
Das heute existierende Verständnis der Toleranz als "Tugend" im Sinne einer positiven Einstellung gegenüber dem Andersartigen entwickelte sich nur langsam seit dem Zeitalter der Aufklärung fort. Maßgeblich angetrieben wurde die Entdeckung der Toleranz aber durch Denker, wie dem deutschen Gotthold Ephraim Lessing sowie seinem französischen Kollegen François-Marie Arouet, alias Voltaire. Beide verfassten für die Wegbereitung der Aufklärung bedeutende, ideentheoretische Schriften.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Ursprünge des Toleranzgedankens mit Blick auf die Bestimmungen im Westfälischen Frieden, im Edikt von Nantes und in dessen Revokation
- Der Toleranz-Begriff in Voltaires „Traité sur la tolérance“
- Der Toleranz-Begriff in Lessings Drama „Nathan der Weise“
- Vergleich des religiösen Toleranzverständnisses von Lessing mit Voltaires Vorstellungen
- Fazit und Motive für die Etablierung der Toleranz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die religiösen Toleranzverständnisse von Voltaire und Lessing, indem sie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede im „Traité sur la tolérance“ und „Nathan der Weise“ analysiert und im Kontext der historischen Hintergründe betrachtet. Die Arbeit beleuchtet die Motive beider Denker für ihr Engagement für religiöse Toleranz und untersucht, wie sie bestehende gesellschaftliche Missstände adressierten. Die potenziellen Widersprüche in ihren Auffassungen werden ebenfalls thematisiert.
- Vergleich der Toleranzkonzepte Voltaires und Lessings
- Historischer Kontext der Entstehung der beiden Werke
- Motive von Voltaire und Lessing für ihr Engagement für Toleranz
- Analyse der Widersprüche in den Toleranzauffassungen
- Relevanz der Werke für den deutschen Sprachraum und die europäische Aufklärung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein, indem sie den ursprünglichen Toleranzbegriff im Kontext der Académie Française definiert und den Wandel hin zum heutigen Verständnis als Tugend beschreibt. Sie benennt Voltaire und Lessing als zentrale Figuren der Aufklärung und formuliert die Forschungsfrage nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden ihrer religiösen Toleranzverständnisse.
Die Ursprünge des Toleranzgedankens mit Blick auf die Bestimmungen im Westfälischen Frieden, im Edikt von Nantes und in dessen Revokation: Dieses Kapitel untersucht die Ursprünge des Toleranzgedankens im Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen vom 16. Jahrhundert. Es analysiert das Edikt von Nantes als pragmatischen Lösungsversuch zur Konfliktlösung zwischen Katholiken und Protestanten und zeigt, dass es trotz der Gewährung von Religionsfreiheit nicht mit einer toleranten Geisteshaltung gleichzusetzen ist. Die Revokation des Edikts durch das Edikt von Fontainebleau hatte gravierende Folgen für die französischen Protestanten und führte zu Auswanderung und wirtschaftlichen Krisen. Der Westfälische Frieden wird ebenfalls analysiert, wobei festgestellt wird, dass er auch kein universell geltendes Toleranzübereinkommen darstellt. Das Kapitel verdeutlicht die historischen Wurzeln des Kampfes um Toleranz.
Schlüsselwörter
Toleranz, Aufklärung, Voltaire, Lessing, „Traité sur la tolérance“, „Nathan der Weise“, Religionsfreiheit, Westfälischer Frieden, Edikt von Nantes, Edikt von Fontainebleau, gesellschaftliche Missstände, Widersprüche, europäische Geschichte.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Religiöse Toleranz bei Voltaire und Lessing
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit vergleicht und kontrastiert die Auffassungen von Voltaire und Lessing bezüglich religiöser Toleranz. Sie analysiert Voltaires „Traité sur la tolérance“ und Lessings „Nathan der Weise“, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihren Toleranzkonzepten aufzuzeigen und diese im historischen Kontext zu betrachten. Die Arbeit untersucht auch die Motive beider Denker für ihr Engagement für Toleranz und adressiert potenzielle Widersprüche in ihren Ansätzen.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit umfasst eine Einleitung, die den ursprünglichen Toleranzbegriff definiert und die Forschungsfrage formuliert. Es folgt eine Untersuchung der Ursprünge des Toleranzgedankens anhand des Westfälischen Friedens, des Edikts von Nantes und dessen Revokation. Die Kernelemente sind die Analyse von Voltaires und Lessings Verständnis von Toleranz, der historische Kontext ihrer Werke, ihre Motive für das Engagement für Toleranz, die Analyse von Widersprüchen in ihren Auffassungen und die Relevanz ihrer Werke für den deutschen Sprachraum und die europäische Aufklärung.
Welche Quellen werden analysiert?
Die zentrale Quellenbasis bilden Voltaires „Traité sur la tolérance“ und Lessings „Nathan der Weise“. Zusätzlich werden historische Dokumente wie der Westfälische Frieden, das Edikt von Nantes und das Edikt von Fontainebleau herangezogen, um den historischen Kontext der Toleranzdebatte zu beleuchten.
Wie werden Voltaire und Lessings Toleranzkonzepte verglichen?
Die Arbeit vergleicht die Toleranzkonzepte von Voltaire und Lessing, indem sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihren Argumentationen und Ansätzen herausarbeitet. Dabei wird berücksichtigt, wie beide Denker bestehende gesellschaftliche Missstände adressierten und welche Motive sie für ihr Engagement hatten.
Welchen historischen Kontext beleuchtet die Arbeit?
Die Arbeit beleuchtet den historischen Kontext der Entstehung von Voltaires „Traité sur la tolérance“ und Lessings „Nathan der Weise“, indem sie die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen des 16. bis 18. Jahrhunderts berücksichtigt. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Westfälischen Frieden, dem Edikt von Nantes und dessen Revokation als prägende Ereignisse für die Entwicklung des Toleranzgedankens.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Toleranz, Aufklärung, Voltaire, Lessing, „Traité sur la tolérance“, „Nathan der Weise“, Religionsfreiheit, Westfälischer Frieden, Edikt von Nantes, Edikt von Fontainebleau, gesellschaftliche Missstände, Widersprüche, europäische Geschichte.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zu den Ursprüngen des Toleranzgedankens, ein Kapitel zu Voltaires Toleranzbegriff, ein Kapitel zu Lessings Toleranzbegriff, ein Vergleichskapitel und ein Fazit mit der Diskussion der Motive für die Etablierung von Toleranz.
Welche Forschungsfrage wird untersucht?
Die zentrale Forschungsfrage ist: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen den religiösen Toleranzverständnissen von Voltaire und Lessing?
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Studierende der Geschichte, Literaturwissenschaft, Philosophie und Theologie, die sich mit der Aufklärung, der Geschichte der Toleranz und den Werken von Voltaire und Lessing auseinandersetzen. Sie ist auch für alle Interessierten an der Geschichte des Toleranzgedankens und den Entwicklungen in der europäischen Geschichte relevant.
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- Isabella Hülz (Author), 2023, Toleranz bei Voltaire und Lessing zur Zeit der europäischen Aufklärung. Ein Vergleich zwischen "Traité sur la tolérance" (1763) und "Nathan der Weise" (1779), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1458138